Inhaltsverzeichnis
1.
Vipassana – Die Königsmethode der Meditation
2.
Samaneri Agganyani. Gelebte Vipassanā-Praxis
3.
Samaneri Agganyani. Die Einsichtspraxis in Burma
4.
Die Vipassana-Story
5.
Meditationsübung:
Die
achtsame Verbeugung
6.
Weiterführende Links
1.
Vipassana – Die Königsmethode der
Meditation Top
Buddha Shakyamuni
Buddha suchte sich selber. Er war nicht
zufrieden und sehnte sich nach Zufriedenheit. Er sah
sich mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert und
strebte nach Erlösung. Er fand sie in einer
Meditations-Methode, die man heute auch Vipassana
nennt. Der Mann hieß Siddharta Gautama und nannte
sich nach seiner Erleuchtung, Buddha, der Erwachte.
Er hatte seinen Geist von einem teilweise
bewussten Zustand in einen anhaltenden bewussten
Zustand transformiert. Er hatte viele Jahre
verschiedene spirituelle Schulen und Methoden seiner
Zeit praktiziert, doch erst in Vipassana ist er
„erwacht“. Man kann sie nicht nur deshalb als
Königsmethode der Meditation bezeichnen. Ein anderer
Grund ist, dass sie alleine genügt, um zu klarer
Einsicht und Geistessruhe zu gelangen.
Was ist Vipassana?
Der Ausdruck wird traditionell mit
„Hellblick“ übersetzt. Ayya Khema, die große
deutsche, vor ein paar Jahren verstorbene,
buddhistische Nonne, nennt ihn auch
„Gefühlsbetrachtung“, letztlich ist es eine
vielschichtige Methode. Vereinfacht kann man sie
auch als „Arbeit am Selbst“ bezeichnen. Durch sie
kann man das volle menschliche Potential in sich
entwickeln. Obwohl es die „Arbeit am Selbst“ schon
in der Antike gab, ist es eine erstaunliche
Tatsache, dass diese methodische Übung des eigenen
Geistes über mehr als 2.000 Jahre im Westen völlig
unbekannt geblieben ist.
Es hatten sich zwar auch christliche Mönche
nach innen versenkt, sei es im Gebet oder in der
Kontemplation und mit Freud wurde im Westen eine
eigene Methode entwickelt, um sich bewusst mit dem
eigenen Geist zu beschäftigen – Meditation war aber
über Jahrtausende unbekannt. Reisende und Missionare
waren zwar immer wieder mit ihr in Berührung
gekommen, hatten aber einerseits nicht ihren Wert
erkannt und andererseits sie als zu schwierig
empfunden. Aber auch Menschen im Westen können die
Erfahrungen des Buddha wieder machen.
Vipassana – die Methode
Man sitzt im Schneidersitz am Boden oder auf einem
Sessel, die Haltung ist bequem, jedoch nicht
angelehnt, die Augen sind geschlossen oder
halboffen, die Aufmerksamkeit wird auf den Atem
gerichtet. Einfach nur so, man kann ihn aber auch
zählen oder „mitdenken“ oder man fühlt die Luft, wie
sie an den Innenwänden der Nase streicht, es gibt
viele Möglichkeiten und das alles ist am Anfang
nicht so wichtig.
Schon nach kurzer Zeit werden sich
Ablenkungen einstellen, Geräusche, Gedanken, Sorgen,
ein inneres Universum an Gefühlen und Widerständen
werden auftauchen. So bald man sie bewusst erkennt,
stellt man bei sich fest, dass sie da sind, sonst
nichts – und kehrt zurück zum Atem. Und wird dann –
meist ziemlich rasch – wieder abgleitet. Nach dem
Sitzen (ca. 25 – 60 min.) kommt die Gehmeditation.
Nach und nach stellt sich Ruhe und Gelassenheit ein,
erst in der Meditation, später auch im Leben.
Erklärungsmodell
In der „Lehre von der bedingten Entstehung“
hat der Buddha beschrieben, wie jede
Sinneswahrnehmung, also jeder Seh-, Hör-,
Geschmacks-, Riech-, Tastendruck und jeder Gedanke
ein unterschiedliches Gefühl in Körper und im Geist
bedingt. Da wir ständig mit unseren Sinnen in
Kontakt zur Umwelt sind, führt das zu einem
Bombardement von Gefühlen. Mit „Gefühlen“ sind nicht
die komplexen Emotionen, wie Ärger, Neid, Wut,
Freundschaft, Hilfsbereitschaft, etc. gemeint,
sondern lediglich die 3 Gefühlsqualitäten, die man
im Körper fühlen kann: angenehm, unangenehm und
neutral.
Angenehmes will ich wieder haben und
unangenehmes loswerden. So bedingen diese drei
Gefühle immer wieder die Reaktionen von Ablehnung
und Begehren. Das nennt der Buddha Samsara, den
Kreislauf der immer wieder kehrenden gleichen
Handlungen und Abläufe im Leben. In der Meditation
verlangsamen sich die Sinneseindrücke und das Denken
und man kann die Zusammenhänge zwischen
Sinneswahrnehmungen und den daraus bedingten
Reaktionen besser verstehen und sich aus dieser
Bedingtheit lösen.
In Vipassana kommt es zusätzlich zu den
Vertiefungen zur Verlangsamung der Gedanken.
Zusätzlich wird die „Untersuchung“, eine Art Analyse
der Geistprozesse möglich. Widerstände gegen das
Erkennen, werden bewusst und können fallen gelassen
werden. Irgendwann kommt es zu „Hellblicksmomenten“,
dem sekundenhaften „dazwischenblicken“ auf
verborgenen Strukturen. Was ist verborgen?
Psychologisch ausgedrückt, alles, was uns nicht
bewusst ist.
Auf der persönlichen Ebene können das die
Gründe (Ursachen) für Eifersucht, Zorn, Hass sein,
man kann rassistische Gedanken in sich entdecken,
verborgene Wünsche und Begierden. Die Aufforderung
des „Mensch, erkenne dich selbst!“ ist nicht
einfach. Im Hellblick des Vipassana wird es möglich.
Jenseits der persönlichen Strukturen kommt es zur
Erkenntnis der „Daseinsgrundlagen“, der
„Vergänglichkeit“, „Leidhaftigkeit“ und
„Substanzlosigkeit“ aller Dinge. Entweder als klares
intellektuelles Verstehen oder als unmittelbare
Erkenntnis. Sie werden als „Fruchtmomente der Übung“
bezeichnet und sind dem Sartori-Erlebnis
(Erleuchtungsmomente) des Zen vergleichbar.
Außerdem kommt es durch die lange Übung des
Sitzens, bei der anfänglich immer Schmerzen und
Spannungen in Körper und im Geist auftreten, nicht
nur zu einer Ausgewogenheit (Läuterung) des
(grobstofflichen) Körpers (Lösung von lang dauernden
Verspannungen in den Skelettmuskeln, Faszien
(Faszien sind zähe Bindegewebshäute, die flächig
weite Teile des Körpers verbinden), Gelenkskapseln,
der autochthonen (alteingesessen) Muskulatur, etc)
sondern auch zu einer Reinigung (Läuterung) des
feinstofflichen Körpers (des Energiekörpers und der
Emotionen). Diese psychophysische Reinigung ist auch
(aus dem indischen Yoga) als Kundaliniprozess
bekannt.
Antwort häufig gestellten
Fragen:
F: Wie kann man Vipassana
lernen?
A: Durch
(jahrelange) Übung. Man braucht dafür, nicht
ständig, aber immer wieder, einen erfahrenen Lehrer.
F: Können die
auftretenden Schmerzen und das Einschlafen der Beine
gefährlich sein?
A: Nein. Im
Gegenteil, man kommt durch sie zu einer inneren
Ausgewogenheit und Entspannung
F: Was sind die
Vertiefungen
A: Vertiefungen
sind Bewusstseinstufen, die in der Meditation bei
allen Menschen immer wieder in der gleichen Weise
auftreten. In ihnen kommt es zu einer Stabilisierung
des Geistes, bzw. durch einen stabilen Geist
entstehen sie erst. Die Vertiefungen werden von Ayya Khema als 1.
Verzückung, 2. Freude, 3. Ruhe und 4. Friede
bezeichnet. Sie haben mit den gleichnamigen
Zuständen, die wir aus dem Leben kennen, nicht viel
zu tun, sie sind intensiver. Im „Frieden“, der
„vollen Sammlung“ des Geistes (Samadhi) wird kaum
noch geatmet und der Geist ist völlig ruhig, kein
Gedanke ist da.
F: Was versteht man unter
Hemmungen?
A: Hemmungen
sind Schwierigkeiten, die sich in der Meditation
einstellen. Traditionell werden 5 beschrieben: 1.
Müdigkeit und Mattigkeit, 2. Unruhe, 3.
Zweifel, 4. Ablehnung, 5. sinnliches Begehren. Sie
treten anfänglich bei allen Meditierenden auf.
Letztlich sind sie nichts anders, als jene Probleme,
die uns auch im Leben immer wieder begegnen und uns
daran hindern, fröhliches und ausgeglichen zu sein.
In der Meditation kann man sie sich bewusst machen,
sie „untersuchen“ und loslassen. Danach wird es
einfacher – am Sitzpolster und im Leben.
von: Vipassana
Top
1.
Lebendige Vipassanā-Praxis und Lebensweise in
Bangladesh Top
„Achtsamkeit! Bewusstheit!“ erschallt die
ermahnende Stimme meines Lehrers aus dem Nichts,
bzw. aus der Palmenplantage des Meditationszentrums,
und ich zucke zusammen und schäme mich: wieder war
ich nicht wirklich achtsam und im Hier und Jetzt,
ich war wieder nur mechanisch langsam gegangen in
der Gehmeditation, aber die Gedanken waren woanders.
Wie kann der das bloß merken? Alle meine bisherigen,
meist westlichen Lehrer konnte ich bluffen durch
automatisches Gehen.
Er, mein Lehrer Prajnajyoti Mahāthero aus
Bangladesh, sieht es mir schon aus der Entfernung
an. Da kann ich nichts vortäuschen oder vorspielen.
Es hilft alles nichts: es gibt keine Pause (Pause
der Achtsamkeit), ich muss mit aller Kraft
praktizieren, d.h. konzentriert achtsam sein.
Oftmals wollte ich davonrennen. Wie sehnte ich mich
nach wenigstens 5 Minuten Pause, mich hängen zu
lassen, gehen zu lassen… Es war nicht erlaubt. Und
dasselbe sagte unser Lehrer Pokkoku Sayadaw ins
Burma.
Ich habe mittlerweile begriffen, warum, aber nach
wie vor ist es schwer und unmöglich, den inneren
Schweinehund nachhaltig zu bezwingen. Dabei sagen
alle erfahrenen, realisierten
Vipassanā-Meditationsmeister, dass es gar nicht
anstrengend sei, dass dies der natürliche Zustand
sei, man könne völlig entspannt und wach dabei sein
und es sei sehr erholsam, so dass das
Schlafbedürfnis abnimmt.
Ich habe nicht nur dieses „Gerücht“ gehört,
sondern ich kenne auch persönlich einige
Vipassanā-Meditierende, Mönche, die überhaupt nicht
mehr schlafen, sei es für ein paar Tage, für die
drei Sommermonate ihres „Vassa“ (Regenzeit, die die
Theravāda-Mönche traditionell in einem Kloster
verbringen und dabei oft intensiv meditieren), oder
auch länger.
Mein Lehrer Prajnajyoti aus Bangladesh
erwartete dies auch von mir. Bei Besprechung des
Zeitplans bei Beginn meines Einzelretreats während
der Monsunzeit sagte er mir zwar, ich solle „rund um
die Uhr“ praktizieren, 24 Stunden Vipassanā üben,
abwechselnd jeweils eine Stunde Sitzen und eine
Stunde Gehen.
Ich kam nicht im Entferntesten auf die Idee,
dass er dies wörtlich meinen könne. So beendete ich
meine formale Meditation abends um 23 Uhr und legte
mich achtsam, aber zielstrebig schlafen bis zum
Klingeln meines Weckers, den ich auf 4 Uhr gestellt
hatte.
Kurz nachdem ich das Licht morgens
eingeschaltet hatte, kam auch schon aufgelöst mein
Lehrer und fragte besorgt, was los sei, ob es mir
nicht gut gehe, er habe in der Nacht kein Licht in
meinem Raum gesehen, sei alle Stunde um meine Hütte
gegangen. Erschreckt und etwas beschämt musste ich
zugeben: „ich habe geschlafen“. – „Ach so -„, und
ein Blick der Bände sprach…, aber schnell hatte er
sich wieder in Gleichmut gefangen.
Prajna Bangsa Mahāthero, ein anderer
bangladeshischer Mönch und guter Freund in meinem
Alter, bisher sehr sozial-engagiert und erfolgreich,
praktiziert seit über einem Jahr sehr intensiv unter
Anleitung von Bana Bhante, einem weit bekannten und
verehrten Waldmönch aus den Chittagong Hilltracts,
der es mit verschiedenen Vipassanā-Techniken,
asketischen Übungen und für uns Westler schier
unglaublicher Disziplin und Härte sehr weit gebracht
hat.
Auch seine engsten Schüler versucht er zur Duthanga-Praxis (asketische
Übungen, wie von Buddha selbst gelehrt und empfohlen
– Bedürfnislosigkeit,
Genügsamkeit, Entsagungsstrenge, Abgeschiedenheit,
Willenskraft, Mäßigkeit usw.) und zum Einschränken und langsamen
Aufgeben des Schlafens und statt dessen
kontinuierlicher Praxis zu motivieren.
Anfangs schrieb mir Prajna Bangsa von dieser
Art der Praxis und von seinen Schwierigkeiten, dass
er es nicht schaffe, ohne Schlaf auszukommen. Als
ich ihn ein Dreivierteljahr später in Bangladesh
traf (er hatte eine Sondergenehmigung von seinem
strengen Lehrer Bāna Bhante für ein kurzes Treffen
mit mir erhalten), sagte er, er habe seit zwei
Monaten das Schlafen aufgegeben und es ginge ihm
gut, er fühle sich stark und kräftig, vor allem im
Geist, aber auch im Körper, wenn dieser auch etwas
abgemagert sei durch die Praxis, nur einmal zu
essen, was man auf dem morgendlichen Bettelgang
erhalten hat.
Er wirkte tatsächlich frisch, und jedes Wort,
jeder Blick, jede Körperbewegung schien durchdrungen
von perfekter, aber müheloser Achtsamkeit, aber auch
nicht kalt, abgestumpft oder mechanisch, sondern
voller Achtung, Offenheit und Mitgefühl. Im echten
Gleichmut ist kein Platz für Hochmut, Stolz und
Gefühlskälte.
Für mich ist es sehr wichtig und inspirierend
solchen Menschen zu begegnen, zu sehen, was möglich
ist, wohin diese Praxis führen kann. Das „live“ zu
erleben ist für mich immer wieder die größte
Motivation auf dem Weg, gleichzeitig werde ich
zurückgeholt auf den Boden der Realität, dahin, wo
ich selbst gerade erst stehe.
2. Vipassanā ohne
Dhamma-Grundlage? Top
Wie wohl in allen buddhistischen Traditionen
sind solche Menschen, die edlen Freunde, wie Buddha
selbst zu Ānanda sagt, nicht das halbe, sondern das
ganze spirituelle Leben. So sind auch die Freunde
und der Sangha (Gemeinschaft) nicht zu
vernachlässigen in der Vipassanā-Tradition. Ohne
Vorbild, Anleitung und Hilfe bei den mannigfaltigen
Erfahrungen, auf den Irrwegen und in den Sackgassen,
in die man bei falsch aber auch bei richtig
praktizierter Vipassanā-Meditation zweifelsohne
gelangen wird, wird es schwierig sein, wirkliche
Fortschritte zu machen, wirklich tief zu schauen, zu
erkennen, loszulassen.
Noch wichtiger als der Lehrer oder Freunde ist
meiner Ansicht nach der Dhamma (die Lehre), das
Verwurzelt- und Zuhause-Sein in der buddhistischen
Lehre. Wenn wir die Vipassanā-Meditation
praktizieren und nicht nur immer an der Oberfläche
bleiben (wollen), werden wir irgendwann, früher oder
später, tiefe, erschütternde, alles in Frage
stellende Erfahrungen machen.
Um in solchen intensivst erlebten „Hochs“
oder „Tiefs“ nicht stecken zu bleiben, ist ein guter
Lehrer sehr hilfreich, um uns klar zu machen, dass
dies nur ein Wegzeichen ist, vielleicht ein Zeichen
des Fortschritts, aber (und das ist bei den „Highs“
sehr wichtig!) noch nicht das Ziel selbst.
Eine gute Kenntnis der Lehre und Vertrauen in
sie ist meiner Meinung nach mindestens so wichtig,
und ich halte es fast schon für gefährlich, wenn
Vipassanā hier im Westen ohne buddhistische
Grundlagen und frei von jeglichem religiösen oder
philosophischen Hintergrund gelehrt wird, sozusagen
als reine Achtsamkeitsmeditation.
Aber wahrscheinlich hält sich die Gefahr
deshalb in Grenzen, weil bei den relativ kurzen
Retreats im Westen kaum Tiefe erreicht werden kann.
Meiner Beobachtung nach sind die allermeisten
Vipassanā-Meditierenden auch nur halbherzig dabei,
Motivation, Disziplin und Einsatz sind nicht
ausreichend, um über ein bestimmtes Maß an
Konzentration und Gewahr-Sein hinauszugelangen, so
dass es im Allgemeinen gar nicht zu so
existenziellen Erlebnissen und Erfahrungen kommen
kann, mit denen man dann Probleme haben könnte, die
das Weltbild und Ego erschüttern könnten und einem
den Boden unter den Füßen wegziehen könnten.
3. Vipassanā und
Samatha-Meditation Top
Vipassanā-Meditation, Einsichts-, Erkenntnis-
oder Klarblicksmeditation auf Deutsch genannt, ist
die typisch buddhistische Art der Meditation, die
der Buddha selbst herausfand, praktizierte und
lehrte (zumindest dem Pāli-Kanon der Theravādins
zufolge).
Die Samatha-Meditation, die „nur“ auf
Geistesruhe, Konzentration und Versenkungen ausgeht,
ist in verschiedenen Religionen und Kulturkreisen zu
Hause und war auch schon zu Buddhas Lebzeiten in
Indien bekannt. Der Buddha allerdings fand heraus,
dass diese Art der Meditation allein nicht genügt,
um Leiden dauerhaft zu transformieren,
transzendieren, zu überwinden und zu beenden.
Inwiefern die Samatha-Meditation und die
Erreichung der Jhānas (meditativen
Versenkungszustände) aber notwendig ist und eine
Voraussetzung für die erfolgreiche
Vipassanā-Meditation, ist umstritten und wird in der
buddhistischen Welt selbst von den höchsten
Gelehrten und Meditationsmeistern heftig diskutiert.
Tatsache ist, dass zumindest eine sogenannte
„Zugangssammlung“, ein gewisses Mindestmaß an
Konzentration und unzerstreuter Aufmerksamkeit für
die Vipassanā-Meditation notwendig ist. Für
Jhāna-Spezialisten: diese Zugangssammlung wird beim
Durchlaufen der nimittas (Bilder) nach Erreichen des
Gegenbildes erlangt, bevor der Meditierende die
erste Vertiefung erreicht. Vor allem in asiatischen
Klöstern wird häufig die sogenannte
„Samatha-Vipassanā-Meditation“ gelehrt, d.h. die
Erlangung von Einsicht durch (erfolgreiches)
Praktizieren der Jhānas und damit tiefste Beruhigung
und Klärung des Geistes. Die reine
Vipassanā-Meditation, ohne tiefe
Versenkungszustände, wurde angeblich auch schon von
Buddha gelehrt und erlebt in jüngster Zeit eine
Renaissance.
4. Die „Vipassanā-Story“
Top
(in diesem Abschnitt wurde viel „gespickt“
bei Fred von Allmen – einer seiner Vorträge, die es
auf Kassette gibt, trägt diesen Titel)
Dr. Rewatta Dhamma Sayadaw, ein burmesischer
Mönch, Gelehrter und Meditationsmeister, der seit
etwa 30 Jahren in England lebt, weiß von einer
uralten Prophezeiung in Burma zu berichten: der
2.500. Geburtstag des Buddhismus, das ist das Jahr
1956, sei die Schwelle zum „Vimutti-Yoga“, zu einem
neuen Zeitalter der Befreiung, in dem es wieder
Arahats, d.h. vollständig erleuchtete Menschen geben
werde. Aufgrund dieser Weissagung und dem innigen
Glauben der Burmesen begannen bereits um die
Jahrhundertwende wieder mehr und mehr Menschen,
Gewicht auf die Praxis derVipassanā-Meditation zu
legen, so dass 1956 die Vipassanā-Meditation bereits
zu einer wichtigen Beschäftigung der Menschen
geworden war.
Noch heute trifft man in Burma viele
Menschen, Mönche, Nonnen und Laien in und um die
Tempel wirklich beim Meditieren an, wo sie still in
Nischen, in den Hallen oder auf offenen Plätzen
sitzen. So hat sich die große Weissagung wohl
bestätigt und einer der ersten Vipassanā-Vertreter
war denn Ledi Sayadaw (birmanischer Dharma-Meister)
noch vor Ende des letzten Jahrhunderts.
Nach ihm entwickelten sich zwei Hauptzweige
in Burma. Ein Zweig wurde vertreten von Ledi
Sayadaws Laienschüler Sayatep, dessen Schüler U Bha
Khin und in jüngster Zeit und heute vorwiegend von
dessen indischem Schüler S. N. Goenka, der diese Art
der Vipassanā-Meditation, „Sweeping“ (Fegen)
genannt, hauptsächlich in Indien, in Europa und den
USA bekannt machte.
In dieser Tradition handelt es sich
ausschließlich um Laienlehrer, also keine Mönche,
was für Asien und den Theravāda außergewöhnlich war.
Der zweite, im buddhistischen Asien wesentlich
weiter verbreitete Zweig geht zurück auf Mingun
Sayadaw, auch U Nārada genannt (ebenfalls ein
birmanischer Dharma-Meister).
Von ihm wiederum ausgehend entwickelten sich
an die 16 Vipassanā-Meditationsschulen in Burma.
Mahāsi Sayadaw wurde der bekannteste Vertreter
dieser Tradition, wohl auch durch den Vorteil, dass
er und seine Zentren, sofort nach der
Unabhängigkeitserklärung Burmas 1948 von der
burmesischen Regierung gefördert wurden.
Viele der anderen Schulen gerieten deshalb
wieder mehr in Vergessenheit oder existieren nur
noch versteckt im Kleinen weiter, während Mahāsis
Zentren (und die seiner Schüler) wuchsen und seine
Lehrtradition und Praxis sich in den buddhistischen
Ländern ganz Süd- und Südostasiens ausbreiten
konnte, in jüngerer Zeit auch im Westen, speziell in
den USA.
Eine der anderen 16 Schulen wurde von Taungpulu
Sayadaw, ebenfalls einem direkten Schüler von Mingun
Sayadaw gegründet und inspiriert. Taungpulu hatte 33
Jahre in einer Höhle meditiert – erst dann begann er
Dhamma und Meditation zu lehren (das sollten sich
mal ein paar ungeduldige und vorschnelle westliche
Lehrer bzw. Lehrwillige zu Herzen nehmen!).
Diese Tradition ist noch lebendig und
zugänglich in Burma selbst und in einigen westlichen
Ländern, allen voran den USA. Da ich in dieser
Tradition wieder mehr eigene Erfahrungen habe,
möchte ich näher darauf eingehen.
5. Die Taungpulu-Tradition in
Burma Top
Im Gegensatz zu den meisten
Meditationslehrern, auch den allermeisten
Vipassanā-Lehrern, empfiehlt Taungpulu Sayadaw und
Pokkoku Sayadaw (einer seiner Hauptschüler und
heutigen Vertreter) nicht die Atmung als primäres
Meditationsobjekt.
Im Retreat im einsamen Waldkloster Kyauksen
bei Meiktila in Mittelburma, in unmittelbarer
Nachbarschaft von Taungpulus Hauptkloster (das nach
seinem Tod jedoch etwas verwaist wirkt), lehrt uns
Pokkoku Sayadaw zuerst das Gewahr-Sein aufs Hören,
nur mit der jeweils augenblicklichen Erfahrung des
Hörens in Kontakt zu sein. Nach einigen Tagen folgt
das Sitzen. Wir müssen wirklich wissen, dass wir
sitzen und wie wir sitzen, visualisieren unseres
sitzenden Körpers, spüren der Sitzposition.
Wieder nach einigen Tagen des Übens und
Berichtens kommt die Berührung dran, ganz in Kontakt
sein mit der Erfahrung des Berührens, Berührung
wirklich von Moment zu Moment erleben. Als besonders
geeignet für das Gewahr-Sein der Berührung werden
die beiden Sitzhöker, das Steißbein oder überhaupt
der „Allerwerteste“ gelehrt, oder auch die Berührung
der Hände, speziell der Daumenspitzen (bei Ajahn
Thong, der in der Mahāsi-Tradition lehrt, gibt es
sogar 28 fest definierter Berührungspunkte, die in
einer streng vorgegebenen Reihenfolge zu durchlaufen
sind). Dann erfolgt eine Kombination z.B. der beiden
Meditationsobjekte „sitzen – berühren“, indem man
abwechselnd seine volle Aufmerksamkeit auf diese
Erfahrung richtet.
Genau dies war auch die Meditationstechnik
gewesen, der ich in Bangladesh begegnet war,
allerdings war sie dort in Kombination mit dem Atem
gelehrt worden (einatmend: sitzen, ausatmend:
berühren), was Pokkoku Sayadaw genau ablehnte. Für
mich war es hoffnungslos, denn ich schaffte es
während unseres ganzen Meditationsaufenthalts nicht,
bei diesem absichtlich wechselndem Gewahr-Sein vom
Rhythmus des Atems wegzukommen, was ich mir so sehr
angewöhnt hatte.
Dafür hatte ich reichlich Gelegenheit Ärger,
Verunsicherung und Zweifel bei mir zu beobachten,
wie er kommt und geht, wie er sich anfühlt und
äußert, was seine Bedingungen sind und was wiederum
er bewirkt. Abgeschweift von der Meditation?
Hindernisse, Hemmungen? Schlechte Meditation? Weit
gefehlt!
6. Gute Meditation – schlechte
Meditation? Richtige – falsche Vipassanā-Technik?
Top
In der Vipassanā-Meditation gibt es im
Gegensatz zur Samatha-Meditation keine Hindernisse,
diese, sowie alles andere, was auftritt, wird in die
Praxis integriert und ist vorübergehend das
Meditationsobjekt, eben das „sekundäre“
Meditationsobjekt, solange diese Erfahrung
vordergründig ist und unsere Aufmerksamkeit auf sich
zieht. Eigentlich ist es deshalb nicht von großer
Bedeutung, was wir als primäres Meditationsobjekt
verwenden, da es immer nur um die Qualität und
Intensität des augenblicklichen Erlebens geht.
Wir können tiefste Einsichten und
Erkenntnisse erlangen, egal ob wir den Atem als
Meditationsobjekt wählen, und ob wir ihn an der
Nasenspitze beobachten (wie z.B. U Bha Khin und
Goenka), an der Bewegung der Bauchdecke (wie Mahāsi)
oder des Brustkorbs, ob wir achtsam und bewusst sind
aufs Sitzen und/oder Berühren, aufs Stehen, Gehen,
Liegen, aufs Hören, Sehen, Riechen, Schmecken,
Denken, auf unsere innere Unruhe, unsere Gier oder
Aversion… – wir sollen nur immer voll und ganz,
mit ungeteilter Aufmerksamkeit, bei dieser Sache
sein, nicht urteilen, beurteilen, verurteilen (und
wenn, dann wenigstens bemerken!). Wie das
theoretisch geht und welche Möglichkeiten der
Achtsamkeit es gibt, lehrt das vielzitierte
Mahā-Satipatthāna-Sutta (M10, D22), auf das ich hier
nicht näher eingehen möchte (das tun bereits andere
Autoren).
Wie all meine Vipassanā-Lehrer betonen, ist es die
Kontinuität des Gewahr-Seins, die für die Erkenntnis
wichtig ist. Jeder Moment ist bedeutsam, wir sollten
nicht den kleinsten Moment verpassen, bewusst
wahrzunehmen, zu registrieren und zu akzeptieren,
was gerade ist. Das bedeutet, die Dinge zu sehen,
wie sie wirklich sind. Und dazu ist es nicht
unbedingt notwendig, alle Erlebnisse, alle
kurzfristigen Objekte des Gewahr-Seins zu benennen,
wie es in vielen Traditionen üblich ist. Anfangs
fand ich diese Methode des geistigen Benennens oder
Etikettierens sehr hilfreich, um mir meiner
Sinneseindrücke und Erfahrungen wirklich bewusst zu
werden und mich nicht dauernd in Gedanken und
Träumereien zu verlieren.
Da gibt es Techniken, wo man z.B. das Gehörte
kurz benennt als „Hören“ oder „Geräusch“, sofort
wieder loslässt oder abschneidet, und die
Aufmerksamkeit wieder auf das primäre
Meditationsobjekt lenkt. Andere Techniken scheinen
fast schon ritualisiert, da man alle Erfahrungen
exakt dreimal benennt oder Schritte in der
Gehmeditation je nach Vorschrift genau in 1, 2,
3…oder 6 Teile zerlegt.
Bei einem Geräusch z.B. sagt man sich dreimal
geistig „hören-hören-hören“ und geht dann zurück zum
primären Meditationsobjekt. Falls das Geräusch bei
der Gehmeditation auftritt, bleibt man stehen. Eine
mir bekannte Schule geht sogar soweit, dass man dann
zuerst das „stehen-stehen-stehen“ registriert und
akzeptiert, dann erst das aufgetretene Geräusch mit
„hören-hören-hören“, was mir schon nicht mehr
stimmig erscheint.
Nun gut, alle Techniken sind Hilfsmittel, und
sollten nicht überstrapaziert werden. Andere
Traditionen registrieren und benennen das sekundäre
Meditationsobjekt solange, bis es verschwindet – das
kann z.B. das Ende des Geräusches sein, oder es wird
durch einen anderen, stärkeren Sinneseindruck (z.B.
Schmerzen) überlagert, der jetzt in den Vordergrund
rückt und zum Meditationsobjekt wird, oder das
Geräusch langweilt unseren Geist einfach, er
verliert sein Interesse daran und lässt los. Das
mögen 2 Benennungen sein, 10 oder 50, ganz egal,
aber wenn wir achtsam sind, ist es immer ein
Erlebnis von Anicca, der Vergänglichkeit.
Diese Methode habe ich längere Zeit
praktiziert und als sehr effektiv befunden. Bis ich
mich immer öfter fand, wie ich über einen passenden
deutschen Begriff für das Erlebte nachdachte,
sinnierte und mich verlor und damit die Erfahrung
selbst oder zumindest deren Veränderung übersah oder
gar verpasste. Deshalb ziehe ich heute eine
Vipassanā-Meditation ohne Benennen vor, so wie es
auch von etlichen Meditationslehrern gelehrt und
empfohlen wird.
Das bedeutet, man kann sehr wohl
registrieren, mitkriegen, bewusst erleben und
bewusst akzeptieren was immer gerade ist und ins
Bewusstsein kommt, aber man vergibt keine Namen,
sondern gibt sich kurzzeitig ganz dem Erleben hin,
wendet sich mit ungeteiltem Interesse liebevoll
jeder einzelnen Erfahrung hin.
Wie ich speziell in Bangladesh gelehrt und gedrillt
wurde, bezieht man wirklich alles in die Meditation
ein. Im Retreat verlangsamtes, total achtsames
Bewegen, Gehen, Ändern der Position usw.. Bei der
„Essensmeditation“ lerne ich, endlich mal bewusst
mitzukriegen, was Essen wirklich bedeutet, was da
alles abläuft, was dazu alles nötig ist und getan
werden muss.
Meist geht es schon los mit Erlebnissen wie
Hören, Sehen, Riechen, Denken, oder mit Gier, mit
der Absicht, dann vielleicht mit dem exakten,
vollbewussten Bewegen der Hand, die zum Löffel
greift, usw. – ein langer, erlebnisreicher Weg, bis
es erst einmal zum wirklichen Essen kommt, zum
Schmecken, Kauen, Schlucken und Vielem mehr.
Jede Tätigkeit, selbst der Gang zur Toilette
und das „Geschäft“ erledigen dort kann sehr
interessant werden und uns Einsichten vermitteln.
Die 1. Grundlage des Satipatthāna-Suttas, die
Achtsamkeit auf den Körper, wird sicher am
Häufigsten gelehrt und praktiziert, denn der Körper,
ob Atmung, Körperhaltung, Berührung oder Bewegung
ist relativ langsam und mit einiger Übung deutlich
wahrzunehmen, während Gefühle und – noch schlimmer –
Gedanken und Geisteszustände sehr schnell, flüchtig
und kurzlebig sind.
Es ist gar nicht so einfach „mit dem Geist
den Geist zu beobachten“, ohne sich darin zu
verlieren und zu verstricken. Alle
Vipassanā-Schulen, soweit mir bekannt, betonen aber
letztendlich alle vier Bereiche der Achtsamkeit.
Trotzdem: die wesentlichen Einsichten und
Erkenntnisse, um die es geht, sind auch bereits im
Körperlichen zu machen.
7. Einsichten, Wegstationen und
Ziel Top
Um welche Erkenntnisse geht’s denn
eigentlich? Nun, in Worte fassen und intellektuell
verstehen kann man sie relativ leicht – aber diese
Art von Kopfwissen hat wenig wert und verändert uns
nicht. Dagegen gilt es, eigene, tief-erlebte
Erfahrungen zu machen und daraus Einsichten zu
erlangen, die dann wirklich eine transformierende
Wirkung besitzen, uns verändern und unsere Sicht der
Dinge und Phänomene. Es gilt, kurz gesagt, die drei
Daseinsmerkmale in allem zu sehen: Anicca
(Vergänglichkeit, Unbeständigkeit), Dukkha
(Leidhaftigkeit, das Unbefriedigende) und Anattā
(Nicht-Ich, Substanzlosigkeit).
Den Schriften nach heißt es, es reiche aus,
nur eines dieser Merkmale vollkommen zu
durchschauen, die anderen ergäben sich dann
automatisch. Die Theravāda-Schulen legen besonderes
Schwergewicht auf das Schauen und Erkennen von
Anicca immer und überall. Im Mahāyāna scheint man
meines Wissens nach mehr auf die Erkenntnis von
Anattā bzw. Suññatā (Pāli: Leerheit) wert zu legen.
Ich selbst erlebe seit Jahren vor allem die
Dukkha-Eigenschaft sehr intensiv und arbeite damit.
In jedem Phänomen, in jedem Gefühl, in jeder
Tat, jedem Wort, jedem Gedanken und selbst in jeder
Freude lässt sich das letztlich Unbefriedigende,
Frustrierende, Enttäuschende, Leidvolle und
Leiden-Schaffende sehen und damit kann die
Identifikation, das Anhaften, das Begehren und die
Wünsche aufgegeben werden; Loslassen wird möglich.
Leidvolle Enttäuschung führt zur
Ent-Täuschung und damit zu mehr Klarblick. Gerade
indem wir unsere ganzen Reaktionsmechanismen,
Angewohnheiten und Teufelskreise bewusst werden, wie
wir immer wieder Leiden schaffen, können wir uns
entkonditionieren, d.h. im Idealfall alte Muster und
altes Karma auflösen, ohne ein anderes, neues Karma
zu schaffen (oder wenigstens „positives“, heilsames
Karma), ohne uns wieder in andere Abhängigkeiten zu
begeben, uns andere Verhaltensmuster anzugewöhnen.
Dies hieße, schnurstraks auf das Ziel, die
endgültige Befreiung und Erlöschung zuzugehen.
Dieser Weg wird z.B. ausführlichst im Visuddhimagga
(Visuddhi-Magga
= Weg der Reinheit, das Visuddhimagga ist ein
wichtiges buddhistisches Werk aus dem 5. Jahrhundert
n. Chr. des Gelehrtenmönchs Buddhaghosa) in den 7 Stufen der
Reinheit beschrieben. Interessant und wichtig
erscheint mir allerdings schon die 1. Stufe:
Sittlichkeit (Sīla). Sittlichkeit stellt somit eine
wichtige und notwendige Voraussetzung dar, ohne die
gar nichts geht.
Die ethische Integrität als Grundlage möchte
ich so manchem, speziell westlichem
Vipassanā-Praktizierenden und -Lehrendem ans Herz
legen – leider erlebt man immer wieder, dass diese
Stufe übersprungen wird, belächelt wird und
vorschnell geglaubt wird, man verhalte sich sowieso
ethisch, da gäbe es für einen nichts mehr
anzuschauen, zu hinterfragen, zu tun. Oder – noch
schlimmer – es heißt, realisierte und erleuchtete
Menschen bräuchten sich nicht mehr moralisch und
ethisch verhalten – zumindest aus der
Theravāda-Tradition ein schwerer Trugschluß!
Die meisten asiatischen Vipassanā-Lehrer, Mahāsi
Sayadaw und auch alle meine asiatischen Lehrer,
legen viel wert auf das Erkennen und klare
Unterscheiden von Nāma (Geistiges) und Rūpa
(Körperliches), überall und in jedem Phänomen. Könne
man dies vollkommen erkennen und von den
Verhaftungen und falschen Vorstellungen beider
loslassen, so könne man den paticcasamuppāda, die
Kette des bedingten Entstehens, an dieser Stelle
durchbrechen und aus dem samsārischen
Daseinskreislauf, dem Kreislauf von Tod und
Wiedergeburt, entkommen.
Sicher ein interessanter Aspekt, in seiner
ganzen Tiefe schwer nachzuvollziehen, es sei denn
man steigt tief in den Abhidhamma (Der
Abhidhammapitaka ist der dritte Korb des
buddhistischen Kanons. Er enthält die Lehren Buddhas
und seiner Hauptschüler. Der erste Korb enthält die
Mönchsregeln und der zweite Korb enthält die Reden
Buddhas.) ein, theoretisch und praktisch, was
einige, fast ausschließlich asiatische Lehrer und
Schüler auch wirklich tun.
Gut verbinden lässt sich die Vipassanā-Meditation
auch mit Kāyāgatasati, der Meditation auf die 32
Bestandteile des Körpers (wird z.B. in der
Taungpulu-Tradition und auch von meinem Lehrer
Prajnajyoti in Bangladesh ausführlich gelehrt und
praktiziert), mit der Betrachtung über den Tod oder
der Leichen(feld)betrachtung, mit Ānāpānasati, der
Betrachtung der Atmung.
Was sehr häufig auch im Westen gelehrt wird,
mit der Analyse der 4 Elemente, aber auch mit den
Brahmavihāras (Liebe, Mitgefühl, Mitfreude und
Gleichmut), speziell mit Mettā (Liebe) und Upekkhā
(Gleichmut), denn es gilt ja, sich allen Erfahrungen
liebevoll zuzuwenden, alle zu akzeptieren,
unterschiedslos und mit Gleichmut zu reagieren oder
eben nicht zu reagieren und nicht aus dem
Gleichgewicht bringen zu lassen, geduldig und
unerschütterlich zu sein.
Die genannten Meditationen können die reine
Vipassanā-Meditation sehr effektiv ergänzen und
bereichern, allerdings sollte ein erfahrener Lehrer
die jeweils geeignete Übung entsprechend dem
Naturell und der Verfassung des Schülers geben, was
leider oft zu wenig berücksichtigt wird oder auch
natürlich bei Massenkursen unmöglich ist. Ich hatte
oft das Glück, bei einem Retreat in Asien die
einzige Schülerin zu sein oder den Lehrer nur mit
wenigen Mitmeditierenden teilen zu müssen,
entsprechend intensiv war die Zeit und es konnte
gezielt auf mich und meinen Stand eingegangen
werden.
Trotzdem gab es Lehrer und Situationen, in
denen ich mit meinem westlich-aufklärerischen,
emanzipierten und perfektionistischen Naturell nicht
verstanden wurde und wohl eine „falsche“ Zusatzübung
gegeben wurde. Gerade diese in meiner Situation für
mich ungeeigneten Meditationsübungen ermöglichten
mir allerdings auch wieder ein tiefes Erleben und
Verstehen von Dukkha (Leid). So kann die
Vipassanā-Meditation zu einem harten Weg werden, bei
dem die Motivation, die Ausdauer und das Vertrauen
in Buddha, Dhamma (Lehre), Sangha
(Mönchsgemeinschaft) und sich selbst auf eine harte
Probe gestellt wird. Aber Durchhalten und
Weitermachen lohnt sich…
„Nibbāna ist nicht weit entfernt, Nibbāna ist ganz
nah bei dir“, sagte mit strahlenden Augen die
85-jährige bangladeshische Meditationslehrerin Ma
Babuler Sadhuma, bei der ich mein jüngstes Retreat
in Bangladesh absolvierte. Und ich empfinde: sie hat
es realisiert oder ist zumindest ganz nah dran, hat
aus eigener Anschauung die Vipassanā-Weisheit
erreicht. „Sotapanna, sakadāgāmi, anāgāmi, arahat –
nibbāhn -!“ (Stromeingetretener, Einmalwiederkehrer,
Niewiederkehrer, vollkommen Heiliger –
Befreiung/Erlöschen -!) ruft sie mit sich erhebender
Stimme und reckt die Arme hoch in die Luft (als
Westler würde ich sagen: gen Himmel), wohl wissend,
dass Nibbāna nicht dort außen ist, sondern in uns
selbst verwirklicht und erkannt werden kann durch
Klarblick und Einsicht, „Vipassanā“ eben.
Top
Quelle: Gelebte
Vipassana-Praxis
1.
Die Einsichtspraxis in Burma
Top
„Namo tassa Bhagavato Arahato
Sammāsambuddhassa…!“ Siebenhundertfach
inbrünstig im Chor ausgerufen – eine Energie, der
auch ich mich nicht entziehen kann und will.
Siebenhundert mit geschlossenen Augen in Andacht
versunkene Mönche, Nonnen und Yogis (burmesische
Bezeichnung für meditierende Laien), die Hände
zusammengelegt vor dem Herzen oder an der Stirn –
und ich in vorderster Front mittendrin.
Eine überfüllte Meditationshalle, jedes
Fleckchen Boden genützt und eingeteilt, jeweils nur
mit einer kleinen Bastmatte belegt, auf der – ohne
bequemes Meditationskissen – die Meditierenden Platz
genommen haben. Feuchtheiße, tropische Schwüle.
Lärmendes Vogelgezwitscher und – gestreite: die
Vögel nisten selbst in der Meditationshalle und über
dem „Altar“.
Keiner nimmt Notiz davon, auch nicht von dem
Vogelkot, den Gräsern und den Federchen, die
mancherorts in der Halle regelmäßig fallen. Genauso
wenig wie man sich um die Stechmücken, Kakerlaken
und sonstiges Getier kümmert.
Kein Wunder: wir sind in Myanmar (Burma, südöstlich
von Indien), DEM Land der lebendigen Buddha-Lehre.
Liebende Güte, Geduld und Gleichmut werden gelebt.
Und als eifrig meditierender Buddha-Nachfolger macht
man ja doch über kurz oder lang die Erfahrung, die
ich ausdrücken will mit dem Palisatz: „Samsāro vatta
dukkhato“. Die Runde des Samsāra ist leidvoll.
Der Daseinskreislauf ist letztlich
unbefriedigend. Wiedergeburt – egal, wie, wo und als
welches Wesen – ist Leiden, nichts anderes als
Leiden und nicht das, was wir anstreben. Unser Ziel
ist jenseits des Samsāra, da wo Leiden nicht mehr
existiert, ein Zustand, eine Realität, die es hinter
allem zu erkennen, zu erfahren gilt, die letztlich
gelebt werden kann – wenn wir nur irreversibel Gier,
Hass und Verblendung ausgerottet haben…
Und das – so ist der Vipassanā-Ansatz – kann
durch das Sehen und Erkennen der drei
Daseinsmerkmale geschehen. Wenn wir alle weltlichen
Dinge und Erscheinungen, alle bedingten Phänomene,
als anicca (vergänglich, nicht von Dauer), als
dukkha (leidvoll oder inhärent Leiden in sich
bergend, unbefriedigend) und als anattā (Nicht-Ich,
ohne Selbst oder Seele) sehen und erfahre.
Dann endlich werden wir loslassen können vom
Begehren, ständigen Haben- und Sein-Wollen, sowie
von Aversion, vom ständigen Ablehnen und
Anders-haben-Wollen, wir werden die Dinge, die
Erscheinungen, die Wesen und die Welt so sehen und
akzeptieren können, wie sie wirklich sind: nämlich
„seelenlose“ Prozesse geistig-psychischer und
materieller-physischer Art, die ihrer eigenen
Naturgesetzmäßigkeit von Ursache und Wirkung folgen.
Und trotzdem: da ist der Mensch…
Alle Siebenhundert sind in sich gekehrt, jeder für
sich, die ganze Menschenmenge. Und mittendrin eine
exotische, einzige Westlerin. Obwohl vom Typ her
absolut kein Massenmensch, fühle ich mich bei der
gemeinsamen Rezitationssprache Pāli und beim
gemeinsamen Schweigen und Üben aufgehoben und
„zuhause“.
Myanmar ist mir zur spirituellen Heimat geworden –
ob wie hier „mein“ Kloster und Meditationszentrum
Aung San Tawya in einem Vorort der Hauptstadt Yangon
(Rangun – im
Jahre 2005: 4.477.782 Einwohner) – ob die „heiligen“ Sagaing
Hills mit den tausend Klöstern, Einsiedeleien,
Höhlen und unzähligen Pagoden auf den bewaldeten
Hügeln – ob die Shan-Berge mit ihrer weltfernen
Stille, erfrischenden Kühle und glasklaren Luft…
Nein, auch dies sind noch keine Stätten der
endgültigen, letztendlichen Zuflucht aus dem
Samsāra.
Aber doch möchte ich sie als Stätten der
Zuflucht auf halbem Weg zwischen der samsārischen
Welt und dem endgültigen Nibbāna bezeichnen. Genauso
wie der Buddha anrät, uns mit edlen Freunden zu
umgeben, so empfiehlt er uns, geeignete Stätten zur
Meditation und Kontemplation aufzusuchen: in der
Abgeschiedenheit des Waldes, am Fuße eine Baumes, in
lieblicher Natur, in Höhlen… Beides ist in
Burma zu finden und erweist sich als sehr förderlich
für die eigene Einsichtspraxis.
2. Burma – das Vipassanā-Land
Top
Prinzipiell werden im Theravāda zwei Arten
der Meditation unterschieden: die Samatha-,
Konzentrations- oder Ruhe-Meditation und die
Vipassanā-, Einsichts-, Klarblick- oder
Erkenntnis-Meditation. Burma ist zum Inbegriff für
die Vipassanā-Meditation geworden. Aber es gibt
nicht „DIE“ Vipassanā-Methode – es gibt viele
Methoden, die zur Vipassanā, zum Klarblick, zur
Einsicht und Erkenntnis führen.
Im Vipassanā-Land Burma alleine gab es im
letzten Jahrhundert 16 Schulen, nur zwei davon sind
ausreichend im Westen bekannt geworden: die
Mahāsi-Tradition und die Schule von U Ba Khin und
dessen weltbekanntem Schüler S.N. Goenka.
Deren Haupt-Meditationszentren in Yangon
(Rangun) und Umgebung sind mittlerweile auch recht
gut auf Westler eingerichtet. Ständig stehen
Englisch-sprechende Lehrer oder zumindest Übersetzer
zur Verfügung, die Bedingungen für Unterkunft, Essen
und Hygiene werden versucht, an westliche Standards
anzupassen.
U Ba Khin und Goenka mit ihrem Laien-Buddhismus und
ihrer Methode des „Sweeping“ (Fegens) sind zwar im
ganzen Land ein Begriff, aber richtig bekannt und zu
einer Massenbewegung wurden sie erst außerhalb
Burmas, in Indien und insbesondere im Westen. In
Burma selbst gibt es wohl zu viel „Konkurrenz“. Dazu
gehört die Mahāsi-Tradition, die nach der
Unabhängigkeit des Landes auch noch große staatliche
Förderung erhielt, mit größeren und kleineren
Zentren im ganzen Land.
Aber auch deren „Ableger“, gegründet von
Mahāsi Sayadaws Hauptschülern, den Sayadaws U
Pandita (Panditarāma-Zentren), U Janaka
(Chanmyay-Zentren), U Lakkhana (Kyaswa), U Kundala
(Saddhammaransi Zentrum) und U Kosalla (Shwe Oo Minh
Zentren), florieren – inzwischen mehr als das
ursprüngliche Hauptzentrum, das Mahāsi Sāsana
Yeiktha, und erfreuen sich zunehmend westlicher
Beliebtheit.
Nur wenige Ausländer lernen die anderen burmesischen
Vipassanā-Traditionen kennen und praktizieren
danach. Schade – denn da gibt es wirklich noch
Schätze zu entdecken! Da ist die in Burma sehr
populär gewordene Mogok-Tradition mit über 300
Klöstern und gut organisierten Meditationszentren im
Land – auch das eingangs beschriebene Zentrum bei
Yangon gehört dazu.
Da gibt es die aufstrebenden Pa Auk-Zentren
mit ihrem sehr systematischen, traditionellen
Samatha-Vipassanā-Ansatz, mittlerweile ein Begriff
auch in den traditionellen Mahāyāna-Ländern und
allmählich im Westen. Dann weitere reine
Vipassanā-Schulen wie die Taungpulu-Tradition sowie
die Zentren nach Ledi, Webu, Sunlun und Theingyu
Sayadaw bis hin zu fast schon tibetisch anmutenden
und schamanistisch beeinflussten Praktiken von
Vipassanā-Lehrern im nördlichen Burma. Ich habe
nicht alle Ansätze und Techniken selbst praktizieren
können, habe manche Zentren nur besucht und mit
Lehrern oder Praktizierenden gesprochen.
Einige der Methoden und Wege habe ich selber
genau lernen und intensiv praktizieren können, wie
die Mahāsi-Methode u.a. bei Sayadaw U Lakkhana im
Kyaswa-Kloster in Sagaing, den Vipassanā-Ansatz von
Sayadaw U Paññādīpa vom Weltmeditationszentrum in
Yangon, die Taungpulu-Praxis mit U Tayzania und bei
Pokkoku Sayadaw im Waldkloster Kyauksin Tawya bei
Meiktila und die Mogok-Tradition ausgiebig im
Meditationszentrum und Kloster Tawya Tat Oo Kyaung
Taik, Aung San Myo, bei Yangon, kurz im Yangoner
Hauptzentrum und bei Mon-le Sayadaw in einem
Waldzentrum bei Bago.
Tief kennen gelernt und heute verwurzelt bin ich in
der Mogok-Tradition, deshalb und weil dieser Weg im
Westen so unbekannt ist, möchte ich darüber mehr
berichten.
3. Mogoks Weg der Einsicht
Top
U Vimala, der spätere Mogok-Sayadaw (der
Titel Sayadaw wurde meist älteren, ehrwürdigen und
gelehrten Mönchen verliehen), lebte von 1900 bis
1962 im oberen Burma, in Amarapura, Mandalay und
Mogok. Sein Werdegang und seine Laufbahn als
Novize, Mönch, Abhidhamma-Lehrer (Abhidhamma = Lehre
Buddhas) und später aus Mitgefühl Meditationslehrer
waren geradlinig und zielgerichtet, effektiv und
erfolgreich. Er starb als anerkannter Arahat
(Verwirklichter) – seine bei der Verbrennung des
Leichnams gebildeten Reliquien werden in großen
Ehren gehalten.
In Amarapura, bald in ganz Burma war er einer
der angesehensten Abhidhamma-Kenner und
-Lehrer insbesondere des Yamaka und des Patthāna (6.
und 7. Abhidhamma-Buch: Buch der Paare und Buch der
Bedingungen), hoch respektiert vor allem in
monastischen (mönchischen) Kreisen. Bei den Laien
der zunehmend größeren Anhängerschaft war der
bescheidene Mönch wegen seiner tiefgründigen,
lebendigen Lehrweise und der effektiven, von ihm
entwickelten, vereinfachten Meditationstechnik von
Cittānupassanā (Kontemplation auf das Bewusstsein,
die Geisteszustände) sehr beliebt.
Von Mogok Sayadaws Vorträgen, Belehrungen und
Erklärungen ist viel überliefert und erhalten –
viele Audiokassetten und viele Schriften. Allerdings
alles nur burmesisch. Erst in jüngerer Zeit haben
einige wenige seiner Anhänger Texte ins Englische
übersetzt und beginnen, gelegentlich für
ausländische Besucher zu lehren und
Meditationsanleitungen zu geben. Außerhalb von Burma
ist die Mogok-Tradition deshalb so gut wie
unbekannt. Schade…
Ich hatte die Mogok-Tradition während meines
Studienjahres in Yangon entdeckt. Bei unseren
Pariyatti-Studienfächern (Pariyatti = Studieren
der Schriften) faszinierte mich insbesondere
der Abhidhamma. Als eine koreanische Mitschülerin
mir ein Büchlein über die Meditationsmethoden
verschiedener burmesischer Meister lieh, erkannte
ich bei Mogok sofort die praktische Anwendung der im
Abhidhamma gelernten Bewusstseinsarten (citta) und
Geistesfaktoren (cetasika) und fühlte mich
angezogen.
Auf der Suche nach dieser Tradition, nach
einem Zentrum und Lehrer, besuchte ich zuerst das
Hauptzentrum am Royal Lake in Yangon und stieß
schließlich auf das Kloster und Mogok Vipassana
Meditationszentrum Tawya Tat Oo Kyaung Taik, nach
seinem Standort in Aung San Myo auch Aung San Tawya
genannt.
Dort blieb ich hängen, dort stimmte erstmals
alles für mich. Der Abt und Lehrer wurde mein
Lehrer, die gelehrte Meditationsmethode wurde meine
Methode, das Kloster, der Sangha
(Mönchsgemeinschaft) wurde zu meinem…
In der Mogok-Tradition wird viel Wert auf das
Studium und Verständnis des Dhamma (der Lehre
Buddhas) gelegt – was meinem Naturell und
Wissensdrang entgegenkommt. Mogok Sayadaw sagte,
wenn man ohne tieferes Verständnis, ohne Aufhebung
der gröbsten falschen Ansichten (ditthi) meditiere,
wäre das keine richtige Vipassanā-Meditation,
sondern nur eine oberflächliche „Light-“ Variante,
die nicht zu Nibbāna führen könne. Deshalb wird in
den Mogok-Zentren auch viel Theorie gelehrt.
Hauptschwerpunkt dabei ist traditionell der
Paiccasamuppāda, die Lehre von der bedingten
Entstehung.
Mittels des Paticcasamuppāda kann man die
drei grundlegenden Formen des Irrglaubens bzw.
falsche Ansichten überwinden, sakkāya-ditthi, die
falsche Ansicht über ein beständiges Ich, Selbst,
Seele oder Persönlichkeit, sassata-ditthi, den
Ewigkeitsglauben, und uccheda-ditthi, den
Vernichtungsglauben oder Nihilismus. Wie, das ist
bereits in den feierlichen Aussprüchen des Buddha,
im Udāna, überliefert:
„Wenn in einem eifrig meditierenden [Brahmanen], die
dhammas aufsteigen (die Wirklichkeiten sichtbar
werden), wird er von seinen Zweifeln frei, weil er
die Phänomene und ihre Ursachen kennt.“
Durch das Erkennen des bedingtes Entstehens, der
Gesetzmäßigkeit von Ursache und Wirkung, dass kein
Ding, kein Wesen, kein Phänomen ohne Grund, ohne
Ursache besteht bzw. in Erscheinung tritt, und dass
alles, jedes Phänomen, jede Handlung wieder eine
Auswirkung haben wird und muss, wird der
Meditierende von seinen Zweifeln frei und von seinen
falschen Ansichten, dass z.B. Handlungen ohne Folgen
bleiben würden, oder dass der Status Quo (der
momentane Zustand) willkürlich sei.
Er beginnt die Wirklichkeit zu verstehen, so
wie sie ist und warum sie so ist. Alles sind nur
Prozesse, kurzlebige Phänomene blitzen auf und
verlöschen. Nichts geht weiter, da ist kein
Wesenskern, kein Seelchen, kein Ich, das da von
einem Glied zum anderen oder von einer Existenz zur
anderen wandert. (Diese Einsicht löst den
Ewigkeitsglauben auf.)
Obwohl ein Phänomen total verlischt, vergeht,
geht doch ein von ihm gesetzter Impuls weiter: es
war Ursache für eine neue Wirkung, d.h. ein neues,
wieder kurzlebiges Phänomen entsteht dadurch. Dieses
bedingte Entstehen in Abhängigkeit lehrt uns, dass
trotz dem Verlöschen der Phänomene Impulse,
(karmische) Kräfte weiterwirken (diese Einsicht löst
den Vernichtungsglauben auf).
„Wenn in einem eifrig meditierenden [Brahmanen], die
dhammas aufsteigen, wird er von seinen Zweifeln
frei, weil er die Aufhebung der Ursachen kennt.“
Durch die Umdrehung des Paticcasamuppāda
(bedingte
Entstehen oder Entstehen in Abhängigkeit) aber erkennt der
Meditierende, wie Phänomene aufzulösen sind, in dem
man nämlich bei den Ursachen ansetzt. Durch Arbeit
an und Auflösen der Ursachen wird man die
Auswirkungen beenden. Beendet man die Ursachen für
Leiden, die ja im Paticcasamuppāda gelehrt und
erklärt werden, so wird Leiden erlöschen. Und dies
eben ist der Weg zur Befreiung und restlosen,
unumkehrbarem Überwindung von Dukkha (Leid),
zu Nibbāna (Erleuchtung)!
Durch vollkommene Einsicht in Leiden, in die
Ursachen und die Auflösbarkeit des Leidens, wird man
und kann man gar nicht mehr zögern, diesen Weg zu
gehen – erfolgreich wird man ihn zu Ende gehen. Es
heißt weiter:
„Wenn in einem eifrig meditierenden [Brahmanen], die
dhammas aufsteigen, besiegt er Māras Armeen und
steht am Himmel wie die strahlende Sonne.“
Er besiegt Māras Armeen – d.h. also: er vernichtet
seine Geistesgifte, Triebe (āsavas), und befreit
sich von all seinen Befleckungen (kilesas),
Negativitäten und Leidenschaften. Und dies ist das
Kennzeichen eines Arahats, eines Befreiten! Und
deshalb heißt es weiter: „er steht am Himmel, wie
die strahlende Sonne“. Gemeint ist der Erleuchtete,
Befreite, Erwachte.
Er ist vergleichbar mit der Sonne: leuchtend,
strahlend, unerschütterlich, unterschiedslos auf
alle Wesen scheinend, rein, makellos, warm und
vollkommen in Mettā (liebender Güte) und Karunā
(Mitgefühl), total still und ruhig, Frieden, Licht
und Leuchte in einer Welt der dunklen Unwissenheit,
der Vernebelung des Geistes, der Schatten und
Wolken.
Wie aber kommt man auf Mogok’s Vipassanā-Weg jetzt
ganz praktisch an dieses Ziel?
4. Mogoks Weg in der Praxis
Top
Während der Meditationskurse wird um 4 Uhr
morgens aufgestanden und als erstes hört man
Praxisanweisungen oder einen motivierenden
Dhammavortrag des verstorbenen Mogok-Sayadaws vom
Band und über Lautsprecher. Abends um 20 Uhr ebenso.
Der Tag ist im Wesentlichen abwechselnd in
Sitz- und Gehmeditation eingeteilt, üblicherweise
jeweils eine volle Stunde.
Um 6 Uhr schweigendes Frühstück, um 11 Uhr
Mittagessen in Achtsamkeit und mit Praxiserklärungen
und Ermahnungen des Lehrers. Vormittags im
Allgemeinen die Zufluchtnahme und eine Erneuerung
bzw. Erinnerung an die acht ethischen Regeln
(alle Laien praktizieren für die Dauer des Kurses
die acht Tugendregeln).
Zweimal täglich lebendige,
dialog-orientierte, fesselnde, oft humorvolle
Belehrungen zum Paticcasamuppāda (bedingte Entstehen oder
Entstehen in Abhängigkeit) und dessen praktischer Anwendung – dem
„Khandhā-Paiccasamuppāda“, wie ihn Mogok Sayadaw
nennt. Die Arbeit im Bereich der Gesetzmäßigkeit der
bedingten Entstehung der Existenzgruppen (khandhas)
wird als „short cut“ für die Einsicht des Yogi
(Laien) bezeichnet, weil der gegenwärtige Aspekt des
Kreislaufs gelebt, erkannt und durchschaut wird.
Die 8 Tugendregeln
1. Kein Lebewesen töten oder verletzen.
2. Nichtgegebenes nicht nehmen.
3. Keinen Sexualverkehr ausüben.
4. Nicht lügen oder unheilsam reden.
5. Sich nicht durch berauschende Getränke oder
Drogen das Bewusstsein trüben.
6. Zur „verbotenen Zeit“ nichts mehr essen (nach 12
Uhr bis Sonnenaufgang ca. 5 Uhr).
7. Keine Tanz-, Musik-, Gesangs-, und
Theateraufführungen besuchen, keine Blumen,
Duftstoffe, Kosmetika, Schmuck und andere
Verschönerungsmittel benutzen.
8. Nicht auf hohen und üppigen (weichen) Betten
schlafen.
Begonnen wird die Sitzmeditation in der
Mogok-Tradition mit Ānāpānasati, wie in den meisten
Schulen: Beobachtung der Ein- und Ausatmung an der
Nasenspitze. Ist ausreichende Konzentration
entwickelt – bei einem erfahrenen Yogi nach etwa 20
Minuten – wird die Nasenspitze verlassen und die
Aufmerksamkeit im Herzen (hadaya) verankert, das als
Sitz oder Zentrum des beobachtenden Bewusstseins und
des Denkens angesehen wird. Jetzt wechselt man vom
anfänglichen Samatha (Sammlung, Geistesruhe) zu
Vipassanā (Einsichtsmeditation), das heißt man
beobachtet alle Phänomene und ist sich ihrer
Vergänglichkeit (anicca), ihrer Leidhaftigkeit
(dukkha) und ihrer Nicht-Selbst-Natur (anattā)
bewusst.
Echte Vipassanā ist es allerdings erst, wenn
man wirklich die dhammas, die letztendlichen
Wirklichkeiten (paramattha) sieht und beobachtet,
nicht wenn man Konzepte – paññatti – beobachtet wie
z.B. die Atmung, Gegenstände, Menschen und geistige
Bilder (auch kasinas und nimittas!)… Als
sogenanntes primäres Meditationsobjekt wird jetzt
auf Mogoks Weg der Geist (citta) mit einzelnen,
wichtigen Geistesfaktoren (cetasikas) genommen. Man
übt Cittanupassanā, das Beobachten des Bewusstseins.
Prinzipiell ist die Methode ja vom Buddha
selbst im Satipatthāna-Sutta beschrieben, ebenso wie
im kanonischen Paisambhidāmagga (dem Vorläufer des
Vimutti- und Buddhaghosas späteren Visuddhi-magga) –
noch detaillierter im Abhidhamma mit seinen 89 bzw.
121 Arten von Bewusstsein und dessen Kommentaren…
Um die Laien nicht zu sehr zu verwirren und zuviel
Vorkenntnisse zu fordern, entwickelte Mogok Sayadaw
eine Klassifikation von nur 13 Arten von
Bewusstsein, die beobachtet werden sollen.
Der Vipassanā-Yogi beginnt jetzt mit dem
Beobachten und Analysieren. Aber nicht das
Klassifizieren ist wichtig und führt zu den tiefsten
Einsichten (genauso wie bei Mahāsi auch das Benennen
an sich nicht), sondern das Erleben des Entstehens
und Vergehens, das Erkennen der Bedingtheit und
Ursache-Wirkungs-Gesetzmäßigkeit. Ganz gemäß dem –
nach Mogok Sayadaw – Schlüsselsatz im
Satipatthāna-Sutta: „Samudaya vaya dhammānupassī
vācittasmim viharati“ („cittasmim“ im
Cittānupassanā-Kapitel. In der anderen Kapiteln zu
ersetzen durch: kāyasmim, vedanāsu bzw. dhammesu) –
er weilt kontemplierend bei den Entstehungs- und
Auflösungsbedingungen des Bewusstseins.
Während beim Sitzen das Hauptaugenmerk auf den Geist
gelegt wird, praktiziert man in der Gehmeditation
auch auf Mogoks Weg primär Kāyanupassanā –
Achtsamkeit auf den Körper bzw. physische,
physikalische Phänomene. Man achtet auf die Bewegung
der Füße, erlebt die verschiedenen Phasen der
Bewegung und der Bodenberührung. Anfangs wird
empfohlen, flotter, d.h. fast natürlich zu gehen,
und sich nur jeweils eines ganzen Schrittes bewusst
zu sein.
Am Ende der Gehstrecke (in der Halle oder
irgendwo im Freien) bleibt man eine Weile stehen,
betrachtet den aufrechten, stehenden Körper und
spürt den Bodenkontakt. Dann langsam und bewusst
umdrehen, evtl. kurz stehen, dann wieder gehen,
beginnend immer mit einer bewussten, langsamen
Gewichtsverlagerung auf den rechten Fuß, so dass der
linke frei wird, sich heben und vorwärts bewegen
kann.
Später, oder wenn man genügende Konzentration
hat, wird ein Schritt in drei, eventuell auch mehr
Teile zergliedert, auf die man achten soll. Man kann
benennen (wie bei Mahāsi), z.B. „heben – tragen –
setzen“ oder sich wirklich nur der Teil-Prozesse
bewusst sein. Mit Klarheit, Wachheit und Achtsamkeit
beobachten, um Weisheit zu erlangen.
Ich habe es selbst plötzlich erlebt, und das scheint
eine normale Entwicklung zu sein: Irgendwann,
plötzlich, verschwindet die Vorstellung des Fußes…
das Benennen… es gibt nur mehr das Erlebnis und
das Erkennen der vier großen Elemente (mahābhūtas)
in jedem Schritt, in jeder Phase eines Schrittes, im
Stehen – immerzu… Und da ist nichts von Konstanz
und Dauer – nur schnelllebige Prozesse. Nichts von
Ich oder „mein“. Und Leiden platzt dann in einem
rechten Moment wie eine Seifenblase.
Was bleibt und erfahrbar wird ist
grenzenloser Gleichmut und Stille, totale Stille,
nibbānische Stille… Und das alles inmitten jeden
Trubels, jeder Menschenmenge. Stille inmitten der
siebenhundert rezitierenden Yogis: „Addha imāya
dhammānu dhammapaipattiyā jātijarā vyādhi maranam
mhā parimuccissāmi!“ (Mit Sicherheit werde ich durch
diese wahre Praxis des Dhamma befreit von den Leiden
Geburt, Alter, Krankheit und Tod.) Kein Funke eines
Zweifels bleibt – nur Vertrauen in die
Einsichtspraxis und diese Stille.
Top
Quelle: Die
Einsichtspraxis
in Burma
Die
Menschen in Burma waren inspiriert von einer
Prophezeiung, die zum 2.500. Geburtstag des
Buddhismus ein neues Zeitalter vorhersagte, in dem
es, dank der Vipassana Meditation, wieder
vollständig erleuchtete Menschen geben werde.
„Meditation als Weg zur
Erkenntnis taugt nicht für Laien” – diese nüchterne
Einschätzung war noch vor wenigen Jahrzehnten in
Südostasien weit verbreitet. Damals war es üblich,
zuerst meditative Versenkung – Samatha – zu
üben, bevor man die Meditation der Erkenntnis –
Vipassana – praktizierte.
Dieser Weg der tiefen Sammlung des Geistes erfordert
aber ideale Umstände und besondere Fähigkeiten und
war damit im Grunde nur Nonnen und Mönchen
zugänglich – nur sie hatten die Zeit und
Möglichkeit, in dieser Art zu meditieren. Laien
blieb der Weg der Vipassana-Meditation daher meist
verschlossen, ein Weg, der Anfang des 20.
Jahrhunderts in Ländern wie Burma und Sri Lanka
ziemlich in Vergessenheit geraten war.
Dies änderte sich jedoch
innerhalb einiger Jahrzehnte grundlegend: „Im
buddhistischen Jahr 2.500 (1956) war die
Vipassana-Meditation zu einer wichtigen Betätigung
… in Burma geworden.” wie der Mönch Dr. Rewatta
Dhamma Sayadaw es ausdrückte. Vielleicht inspirierte
die Menschen eine Prophezeiung, die zum 2.500.
Geburtstag des Buddhismus ein neues Zeitalter
vorhersagte, in dem es wieder vollständig
erleuchtete Menschen geben werde. Wahrscheinlich war
auch das Ende der britischen Kolonialherrschaft ein
Grund, sich wieder auf die eigenen spirituellen und
kulturellen Wurzeln zu besinnen.
Den unmittelbaren Anstoß
für die „Wiedergeburt” der Vipassana-Meditation
hatten einige Meister der Jahrhundertwende gegeben.
Sie waren davon überzeugt, dass Meditation im Sinne
der „Vier Grundlagen der Achtsamkeit“ schon zu
Buddhas Lebzeiten nicht nur von Ordinierten
praktiziert worden war, sondern auch von Laien.
Und sie erkannten, dass man mit der „Meditation der
Erkenntnis“ auch beginnen kann, wenn Samatha, die
vollständige Konzentration des Geistes, noch nicht
erreicht ist. Diese Erkenntnis war die spirituelle
(Wieder-)Entdeckung des Jahrhunderts! Denn sie
machte Vipassana den Laien wieder zugänglich.
2.
Die Grundlagen der
Vipassana-Meditation Top
Grundlage der Vipassana-Meditation ist bis
heute das Satipatthana Sutta, eine Lehrrede Buddhas,
in der er die „vier Grundlagen der Achtsamkeit”
beschreibt. In dieser Rede verspricht Buddha nichts
weniger als das: „Dieser eine Weg führt (…) zur
Überwindung von Kummer und Klage, zum Schwinden von
Leid und Schmerz, (…) zur Verwirklichung der
Befreiung, Nibbana.” Die dafür zu
praktizierenden „vier Grundlagen der Achtsamkeit”
sind:
- die Achtsamkeit des
Körpers, d. h. Achtsamkeit aller
Körperempfindungen, einschließlich des Atems;
- die Achtsamkeit der
Gefühlstönung (vedana), d. h. Achtsamkeit der
angenehmen, unangenehmen oder neutralen
Gefühlstönung jedweder Erfahrung;
- die Achtsamkeit des
Geistes, d. h. Achtsamkeit unserer
Geistesqualitäten, Geisteszustände und Emotionen
(z. B. Liebe, Hass, Wachheit, Schläfrigkeit,
Konzentration, Verwirrung),
- die Achtsamkeit der
Objekte des Geistes, d. h. Achtsamkeit aller
übrigen Erfahrungen (Sehen, Hören, Schmecken,
Riechen), der „Fünf Hemmnisse”, der „Sieben
Faktoren des Erwachens”, der „Vier edlen
Wahrheiten” und mehr.
Das ist es, was in Vipassana-Retreats geübt
wird. Schweigend, von morgens früh bis abends spät.
Entscheidend dabei ist die innere Haltung des
Übenden: Wach und kontinuierlich, freundlich und
offen sollte sie sein, mit Gelassenheit und
Mitgefühl alles, wirklich alles wahrnehmend, was in
Körper, Herz und Geist entsteht, sich verändert und
wieder vergeht – oder, wie Buddha in seiner Rede
sagt: „eifrig, mit klarem Verständnis, alle
weltlichen Wünsche und Sorgen loslassend“. Es ist
der Weg des ethischen Verhaltens (sila/shila), der
Meditation (samadhi) und der Erkenntnis
(pañña/prajña).
Über die konkrete Methode des Vipassana-Trainings
sagt Buddha wenig; er legt nur das Grundsätzliche
fest und lässt die praktische Umsetzung offen. So
entwickelten sich über die Jahrhunderte
verschiedenste Methoden und Formen der Meditation,
die jedoch alle dasselbe Ziel anstreben: die
Erkenntnis der grundlegenden Charakteristiken
aller Dinge des Daseins, nämlich der Tatsache, dass
sie vergänglich (anicca), unerfüllend (dukkha) und
nicht-selbst (anatta) sind.
Dies ist eine Erkenntnis, die zum Aufgeben
von Anhaftung und Abneigung und letztlich zur
Befreiung vom Leiden führt. Zwar sind die meisten
Lehrenden überzeugt, dass ihr Weg der effektivste
und einzig wahre, von Buddha gelehrte Weg sei. Zum
Glück gilt aber, dass jede die beste und wirksamste
Methode ist – wenn man sie tatsächlich konsequent
praktiziert.
In Bezug auf die Überlieferung der
Vipassana-Meditation in den Westen hatten vor allem
zwei burmesische Traditionen eine entscheidende
Wirkung: Die Tradition von U Ba Khin, welche auf
Ledi Sayadaw zurückgeht und von S. N. Goenka
(sprich: Go-enka) und anderen nach Indien und in den
Westen gebracht wurde und die Tradition von Mahasi
Sayadaw (sprich: Sayado), die auf Mingun Sayadaw
zurück geht und durch Anagarika Munindra und andere
in Indien für seine westlichen Schüler und
Schülerinnen zugänglich gemacht wurde..
3. Meditation mit
Lohnfortzahlung – die Tradition von U Ba Khin Top
Die eine dieser zwei Überlieferungslinien
kann man bis ins letzte Jahrhundert zurück
verfolgen: 1846 kam in Burma ein Mann zur Welt, der
schon mit 20 Jahren Bhikkhu, ein vollordinierter
Mönch, wurde: der Ehrwürdige Ledi Sayadaw. Er war
ein großer Gelehrter und Verfasser von Dharma-Texten
und Kommentaren und gründete Zentren für
Vipassana-Meditation, die auch Laien zugänglich
waren – im damaligen Burma etwas eher
Ungewöhnliches.
Einer von Ledi Sayadaws Schülern war Saya
Thet – kein Mönch, sondern Bauer von Beruf. Saya
Thet war von der Wirkung der Vipassana-Meditation so
begeistert, dass er seine Angestellten und
Landarbeiter dazu ermunterte, ebenfalls zu
meditieren. Er bot ihnen 10-Tage-Kurse an, und als
sie zögerten, zahlte er ihnen während dieser Zeit
den üblichen Lohn weiter. Saya Thet war wohl einer
der ersten Laien-Meditationsmeister in Burma, der
kein Mönch war und auch überwiegend Laien die
Meditation lehrte.
Saya Thets wichtigster Schüler, der die Tradition
seines Lehrers mit Begeisterung fortsetzte, war
Sayagyi U Ba Khin. Als leitender Regierungsbeamter
galt er als sehr geschickt in der Bekämpfung der
Korruption. In seinem Departement war er damit so
erfolgreich, dass ihm die Leitung mehrerer
Regierungsdepartements anvertraut wurde. Seine
Anti-Korruptionsmethode bestand darin, dass er die
Mehrzahl seiner Beamten zum Meditieren brachte.
Das Resultat: Die Leute wurden ehrlicher,
verantwortungsvoller, fleissiger. Anfangs
meditierten die Beamten auf dem Dachboden seines
Verwaltungsgebäudes, später erlaubte man U Ba Khin,
seine 10-Tage-Kurse in geeigneten Räumen abzuhalten.
Jeder, der die zehn Tage saß, erhielt seinen Lohn
weiterbezahlt, denn es war offensichtlich, wie
positiv sich die Meditation auf die Arbeit
auswirkte. (Vielleicht sollten unsere Verwaltungen
das auch einmal probieren …)
Sayagyi U Ba Khin begann 1941, Vipassana-Meditation
zu lehren, und auch er lehrte, wie Saya Thet,
hauptsächlich Laien. Er war ein Mann voller Energie,
ein „spiritueller Dynamo“, wie ihn ein Zeitgenosse
beschrieb. Neben all der Arbeit und seiner grossen
Familie fand er noch Zeit, in einem Aussenbezirk von
Rangoon, dem heutigen Yangon, ein
Meditationszentrum, das International Meditation
Center (IMC), zu leiten. Unter seinen Schülerinnen
und Schülern waren nicht nur Burmesen, sondern auch
Westler, von denen U Ba Khin später einige
autorisierte, Vipassana-Meditation zu lehren.
Darunter waren so ungewöhnliche Leute wie ein
US-Amerikaner, der als CIA-Agent darauf
spezialisiert war, „ungesehen in Gebäude
einzudringen“ und ein Ingenieur, der bei der NASA
als Raketeningenieur arbeitete. Eine Schülerin von U
Ba Khin, Ruth Denison, lehrt seit 1975 in den USA
und einmal jährlich auch in Deutschland, im Waldhaus
am Laacher See. Eine sehr verwirklichte und im
Westen bekannte burmesische Schülerin von U Ba Khin
ist Mutter Sayama. Sie lebt heute in England und
leitet dort Meditationskurse zusammen mit ihrem Mann
Sayagyi U Chit Tin.
4. Hippies, Freaks und ein
achtbarer Geschäftsmann – Wirken von
Goenka-jee Top
Sri S. N. Goenka, bekannt als Goenka-jee,
geboren um 1920, burmesischer Geschäftsmann
indischer Abstammung, ist U Ba Khins wohl
bekanntester Schüler. Goenka verliess Burma 1969,
nach vierzehn Jahren Praxis unter U Ba Khin, um
Dhamma – die Lehre – und die Vipassana-Meditation
nach Indien zurückzubringen. Seit den
Moslem-Invasionen im 12. Jahrhundert war der
Buddhismus aus Indien verschwunden. Goenka
verwirklichte U Ba Khins langgehegten Wunsch, die
buddhistische Lehre in das Land ihres Ursprungs
zurückzubringen.
1969 war auch die Zeit, in der die Morgenlandfahrt
der Hippies und Freaks einen ersten Höhepunkt
erreichte. So fanden sich in Goenkas Kursen nicht
nur Inder, sondern mehr und mehr junge Menschen aus
Europa, Amerika und Australien: langhaarige wilde
Gesellen, die Eltern, Schule, Universität verlassen,
mit allen Konventionen gebrochen hatten und das
Dharma der psychedelischen Drogen, des Sex und
Rock’n Roll praktizierten. Für Goenka-jee, den
achtbaren Geschäftsmann aus wohlhabender Familie,
eine Gefolgschaft, wie er sie sich wohl nie hatte
träumen lassen. Goenkas erster 10-Tage-Kurs in
Indien fand 1969 mit elf Teilnehmern statt. Ein Jahr
später, in Bodhgaya, waren es schon 150.
Goenka lehrte nach folgender Methode:
- 1. – 3. Tag: Sammlung
durch Gewahrsein des Atems (anapanasati).
- Ab dem 4. Tag:
Vipassana. Dies bedeutet in dieser Tradition vor
allem ein gleichmäßiges, achtsames „Durchkehren”
des ganzen Körpers auf der Ebene der subtilsten
Körperempfindungen. Dies übt man in einstündigen
Sitzperioden, ohne Gehmeditation.
- Ab dem 5. Tag
verpflichtet man sich zu den sogenannten
Gelübde-Stunden – drei einstündige Sitzperioden
pro Tag, in denen man sich unter keinen Umständen
bewegen sollte. Diese Methode hilft, tiefer in die
vergängliche Natur der Körperempfindungen (anicca)
einzudringen und dabei unerschütterliche
Gelassenheit zu entwickeln.
Begleitet wurden die Kurse von den
morgendlichen Gesängen Goenkas auf Hindi und Pali,
der Sprache Buddhas, und von Rezitationen der
Buddha-Belehrungen, zum Beispiel über
Vergänglichkeit, ethisches Verhalten, Liebe und
Mitgefühl. Entsprechend der Tradition seines Lehrers
U Ba Khin, führt Goenka die Meditation der liebenden
Güte (metta) mit in die Vipassana-Kurse ein – anders
als in manchen Schulen, in denen Metta (Liebe)
gesondert, als Konzentrationspraxis über einige
Wochen oder Monate geübt wird.
Satya Narayan Goenka war wie U Ba Khin ein
aussergewöhnlich energievoller Mensch – klein,
rundlich, charismatisch. Manchmal erzählte er, wie
es ihm in seinem ersten Retreat ergangen war. Als
junger Mann – Sohn einer reichen, hinduistischen
Industriellen-Familie – litt er an starker Migräne.
Man hatte ihn zu Spezialisten geschickt, bis nach
New York und Zürich, aber nichts half.
Schon ziemlich verzweifelt, hörte er davon,
dass Leute in buddhistischen Meditationskursen
manchmal eine Besserung von ihren Krankheiten
erfahren hätten. Skeptisch und widerstrebend ließ er
sich auf einen 10-Tage-Kurs ein. Doch im Grunde
hatte er für Meditation wenig übrig – und als Hindu
noch weniger für die buddhistische Lehre. Daran
änderte auch der Kurs bei U Ba Khin nichts, und nach
ein paar Tagen beschloss er zu fliehen.
Er ließ dem Chauffeur seiner Familie eine
Notiz zukommen über die Stunde, zu der er ausserhalb
des Zentrums warten solle, um ihn wieder nach Hause
zu bringen. Irgendwie bekam Mutter Sayama, eine
Burmesin, die zu dieser Zeit am IMC lehrte, Wind von
dem Plan. Sie nahm Goenka das Versprechen ab, noch
für einen vollen Tag mit absoluter Hingabe und
Bemühen zu meditieren. Er tat es – und der Chauffeur
fuhr allein nach Hause. Goenka fand sich bald in
tiefen Meditationserfahrungen, seine Migräne heilte,
und er entwickelte sich zu einem verwirklichten
Meditierer.
14 Jahre praktizierte Goenka unter U Ba Khin,
der ihn 1969 zum Lehren der Meditation autorisierte.
Bald darauf zog er nach Indien und begann dort – und
später auch im Westen – Vipassana zu lehren. In der
Art wie er seine Kurse führte, war er pragmatisch
und praktisch, klar in seinen Anweisungen und
Entscheidungen. Er strahlte Zuversicht, Gelassenheit
und Ruhe aus, und seine Lehrvorträge, die er
übrigens nur selten je veränderte, waren von großer
Klarheit, aber auch von viel Humor geprägt. Sein
Mitgefühl und seine Metta-Praxis waren immer spürbar
– und der oft verwendete Ausspruch „Be happy!“ wurde
fast zu seinem Markenzeichen.
In den ersten Jahren seines Lehrens in Indien,
leitete er beinahe ein Retreat nach dem anderen. Er
hielt einen 10-Tage-Kurs, manchmal zweisprachig,
irgendwo in gemieteten oder zur Verfügung gestellten
Gebäuden, Viharas oder in Hotels, reiste dann drei
Tage durch halb Indien und begann am vierten Tag den
nächsten Kurs. Unermüdlich lehrte er, gab in jeder
freien Minute Interviews, aus Zeitmangel oft sogar
während des Gehens, das er als tägliche Körperübung
pflegte.
Damals gab Goenka im Winter einen oder zwei
10-Tage-Kurse im Burmese Vihara in Bodhgaya. Danach
zog er sich selbst zu einem 10- bis 14tägigen
Retreat zurück, an dem immer rund 30 erfahrenere
Schülerinnen und Schüler mitsitzen durften. Wir
übernachteten – ähnlich wie heute die Teilnehmer der
Vipassanakurse im Thai-Tempel – Strohmatratze
an Strohmatratze. Manche schliefen in einer
Hausruine unter freiem Himmel, und, wenn es regnete,
im Treppenhaus des Hauptgebäudes.
Gleich nebenan, ausserhalb der Mauer, tobte
der Alltag: lautes Gehupe, stinkende Lastwagen,
menschenüberfüllte Busse, Pferdekarren,
Händlergeschrei. Während der Festtage im Januar
begleitete markerschütternde indische Filmmusik
unsere Meditation, manchmal von Mitternacht bis
Mitternacht. Ein lärmiger Jahrmarkt in der äusseren
Welt, oft auch in unserer inneren Welt – und ein
perfektes Feld für das Üben „heiterer Gelassenheit”.
Heute finden in Indien viele sogenannte Goenka-Kurse
statt, und ein paar Stunden nördlich von Bombay gibt
es ein grosses Goenka-Retreatzentrum. Auch in Europa
und den USA sind inzwischen einige von Goenka
inspirierte Zentren entstanden. Die meisten seiner
Kurse, die immer noch „Goenka-Kurse“ heissen, werden
heute von seinen Assistenten geleitet, die
Teilnehmer erleben Goenkas zehn Vorträge und seine
Gesänge auf Video.
Sehr grossen Wert legt Goenka auf die
Reinheit der Methode: Wer sich tiefer in seiner
Tradition engagieren möchte, wird dringend
aufgefordert, alle Verbindungen zu anderen Lehrenden
und anderen Meditationswegen abzubrechen. Diese
Einschränkung kann für manche unterstützend sein,
besonders angesichts der Tendenz im Westen, sich für
immer neue, noch vielversprechendere spirituelle
Angebote zu begeistern, ohne sich klar auf einem Weg
zu engagieren.
Auf viele wirkt diese Ausschließlichkeit aber
zu einschränkend. Sie finden, dass sie zu einer
Fixierung auf eine einzige Methode und Sichtweise
führen kann, die vom Reichtum der vorhandenen Mittel
der vielfältigen buddhistischen Belehrungen und
Gruppierungen isoliert. Sicher ist diese
Überlieferungslinie aber eine der wertvollen Perlen,
die wir Abendländer aus dem Osten überliefert
erhalten haben.
5. Keine Flucht vor dem
Moment – die Tradition von Mahasi Sayadaw und
Anagarika Munindra Top
Die andere Überlieferungslinie, deren
Einfluss auf den Theravada Buddhismus im Westen sehr
stark ist, kann auch über hundert Jahre
zurückverfolgt werden: 1904 wurde im Dorf Mahasi in
Burma ein Mann geboren, der entscheidendes für die
Verbreitung der Vipassana Meditation in Burma und
letztlich auch im Westen beitragen sollte: Mahasi
Sayadaw. Sayadaw (sprich: Sayado) ist ein Titel, der
nach zwanzig Jahren des Mönch-Seins verliehen wird.
Schon im Alter von sechs Jahren begann er mit
intensiven Studien und wurde schließlich zu einem
bedeutenden Gelehrten. Nach vielen Jahren des
Lehrens buddhistischer Texte brach er auf, um nach
einer klaren und effektiven Meditationspraxis zu
suchen. Er fand seinen Meister, U Narada Mingun
Jetawan Sayadaw, der ihn in der intensiven Praxis
der Vipassana-Meditation anleitete. Nach Jahren der
Meditation und weiteren Studien kehrte Mahasi
Sayadaw in sein Dorf zurück und begann dort, die
Erkenntnismeditation zu lehren.
Als Meditationslehrer weitherum bekannt unter
dem Namen Mahasi Sayadaw, zog er 1949 nach Rangoon,
wo er zwei Dutzend Menschen ins Vipassana einführte
und damit die „Mahasi Tathana Yeiktha”, das
größte Vipassana-Retreatzentrum Burmas – und
wahrscheinlich der Welt – eröffnete. Seitdem üben
dort jahraus, jahrein Hunderte von Menschen,
Ordinierte und Laien, die befreiende Meditation der
Erkenntnis.
Dieser sehr praktische und im Grunde einfach
zu übende Aspekt des Buddhismus hat sich seither
weltweit verbreitet. Vipassana kehrte in dieser Form
auch zurück nach Sri Lanka, das Land, aus dem der
Theravada-Buddhismus nach Burma gekommen war. Die
Mahasi-Schule zählt heute in Burma, in Südostasien
und ausserhalb Asiens an die 300 Zentren, in denen
Vipassanakurse angeboten werden.
Eine aussergewöhnliche Ehre wurde Mahasi
Sayadaw 1956, am buddhistischen Weltkonzil, 2.500
Jahre nach der ersten Lehrrede Buddhas, zuteil. Er
wurde mit der Rolle des Hauptbefragers betraut, der
zentralen Rolle zur Klärung und Erhaltung von
Buddhas Lehren für viele kommende Generationen.
Anfangs der sechziger Jahre besuchte der Inder
Anagarika Munindra das Mahasi-Zentrum in Yangon.
Munindra wurde um 1917 geboren und stammt aus der
Sippe der Baruas, die vor tausend Jahren vor den
eindringenden Mohammedanern nach Osten geflüchtet
waren. Sie bilden bis heute eine buddhistische
Minderheit im heutigen Bangla Desh.
Munindra war aktiv am Buddhismus interessiert
und zog deshalb in jungen Jahren nach Bodhgaya,
Indien, wo er Mitglied des Mahabodhi-Tempel-Komitees
wurde. Dieses verwaltet den Tempel beim Baum, unter
dem Buddha die Erleuchtung erlangte. Letztlich
genügte es aber Munindra nicht, ein Verwalter des
buddhistischen Erbes zu sein.
Deshalb reiste er nach Burma, wo er im
Zentrum des Mahasi Sayadaw die Vipassana Meditation
gründlich und erfolgreich praktizierte. Er blieb –
als ordinierter Mönch – etwa acht Jahre im Zentrum,
wo er die Lehre studierte und auch als
Meditationslehrer wirkte. Munindra ist ein schmaler,
kleiner Mensch, fröhlich, unbeschwert und gerne in
Bewegung – ein an allen Dingen interessierter,
geradezu neugieriger Mensch.
Ob es sich um die Tiefen der Meditation oder
um die Besonderheiten einer anderen Kultur handelte,
immer war er bereit Neues zu lernen. Am Ende der
sechziger Jahre, etwa zur gleichen Zeit wie Goenka,
kehrte er nach Indien zurück, wo er vorerst in
Bodhgaya im Burmese Vihara lebte und in der
Tradition seines Lehrers Mahasi Sayadaw
Vipassana-Meditation lehrte.
Anagarika Munindra war sehr präzise in der Methode,
die er lehrte. Zugleich erinnerte er immer wieder
daran, dass es nicht um eine spezielle Methode oder
Technik geht, sondern um die Achtsamkeit, welche zu
befreiender Einsicht führt. Munindra hatte am Ende
seiner Lehrzeit bei Mahasi Sayadaw in Burma 14
Vipassana-Zentren besucht.
Er fand, dass sie viele verschiedene Methoden
anwandten und oft von der Einzigartigkeit ihres
Zugangs überzeugt waren. Doch sie beruhen alle auf
ein und derselben Grundlage: dem achtsamen
Gewahrsein zum Zwecke der befreienden Erkenntnis.
Im Burmese Vihara in Bodhgaya, wo auch Goenka im
Winter Kurse gab, waren wir bei Anagarika Munindra
immer zehn bis dreißig Leute, die den ganzen Winter
blieben, darunter Joseph Goldstein, Sharon Salzberg,
Christina Feldman und viele andere.
Auch Surya Das, der sonst meist mit dem
tibetischen Lama Kalu Rinpoche praktizierte,
besuchte bei Munindra einige Kurse. Wegen der Hitze
zogen wir im Frühling nach Dalhousie oder Dharamsala
in die Berge am Fuße der Himalajas. Im Winter, wenn
es in der Ebene kühler war, praktizierten wir wieder
in Bodhgaya.
Munindra gab zu Beginn seiner Kurse die Belehrungen
immer selbst, war aber froh, wenn ihn nach zwei,
drei Tagen jemand ablöste. So bat er 1972 Anagarika
Sujata, einen Amerikaner, den Kurs fortzusetzen. Und
Sujata tat das auf spezielle Art: In sogenannten
„Intensivgruppen“ wurde täglich 16 Stunden formale
Meditation geübt, wobei man sich zu zweit
gegenübersaß, zu zweit am gleichen Ort Gehmeditation
praktizierte und sich auch beim Essen zu zweit
gegenübersetzte. Der Effekt war eine sehr starke
Präsenz – eine „Flucht” vor dem gegenwärtigen Moment
war fast unmöglich, sowohl äusserlich und, bis zu
einem gewissen Grad, auch innerlich.
6. Freude, Freude – Wut,
Wut – Denken, Denken –Vipassana nach Mahasi
Sayadaw Top
Anagarika Munindra lehrte nach der Methode
seines Lehrers Mahasi Sayadaw aus Burma. Die
Grundübung, der Anker- und Sammlungspunkt der
Meditation, ist dabei die Achtsamkeit des Ein- und
Ausatmens (anapanasati). Sobald eine gewisse
Konzentration, Ruhe und Kontinuität der Präsenz
erreicht ist, beginnt man, das Gewahrsein für alle
anderen „Objekte” zu öffnen, wenn diese in den
Vordergrund treten – seien es Körperempfindungen,
Sinneserfahrungen, Gefühle oder Gedanken.
Diese „Erfahrungsobjekte” werden nun direkt
und unmittelbar wahrgenommen als das, was sie sind:
die Erfahrung des Hörens als „Hören“, Gefühle als
„Fühlen“, Gedanken als „Denken“ – ohne sich um ihren
Inhalt zu kümmern oder sich gar darin zu verlieren.
Um dieses nicht-involvierte, „nackte”
Gewahrsein der Erfahrung eines jeden Moments zu
unterstützen, kann die Methode des innerlichen
„Benennens“ sehr hilfreich sein. Dabei wird die
unmittelbare, direkte Erfahrungsqualität benannt:
das Heben der Bauchdecke beim Einatmen als „Heben“,
beim Ausatmen als „Senken“, das Hören von Geräuschen
als „Hören, Hören“, das Sehen von Farben und Formen
als „Sehen, Sehen“, das Erfahren einer Emotion als
„Wut, Wut“ oder als „Freude, Freude“, Gedanken über
Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft als „Denken,
Denken“ und so weiter.
Das Benennen sollte aber höchstens fünf bis
zehn Prozent des achtsamen Geistes beanspruchen. Die
anderen 90 Prozent sollten in direktem Kontakt mit
der eigentlichen Erfahrung stehen. Die Methode des
Benennens ist aber nicht jedermanns Sache. Im Westen
wird sie, selbst von Lehrenden der
Mahasi-Meditation, meistens weggelassen. Viel
wichtiger bei der Praxis ist: Die innere Haltung des
Gegenwärtigseins soll nicht kritisch, wertend oder
urteilend, sondern sanft, liebevoll und gelassen
sein. Gelingt dies nicht, können wir das Urteilen
selber, oder die Ungeduld selber zum Objekt der
Achtsamkeit machen.
Von grösster Bedeutung für diese Übung sind
Entschlossenheit, Interesse und Ausdauer. Je
präziser, kontinuierlicher, fließender die
Moment-zu-Moment-Achtsamkeit wird, je tiefer die
nicht-reaktive Ruhe und Wachheit zunimmt, desto
klarer können wir die wahre Natur aller Erfahrungen
und aller Dinge erleben und erkennen. Die
vergängliche (anicca), unerfüllende (dukkha),
nicht-fassbare/nicht-selbst Natur (anatta), die leer
ist von jeder Selbstexistenz, wird dadurch deutlich
spürbar und letztlich unübersehbar. Dies überzeugt
Herz und Geist, allen Dingen des Daseins weniger
reaktiv, mit weniger Festhalten und „Haben-Wollen”
und mit weniger Abneigung und „Weghaben-Wollen” zu
begegnen.
Eine sich vertiefende Gelassenheit ermöglicht
dem Geist letztlich, sich der „Erfahrung” des
Unbedingten (nibbana) zu öffnen. All unsere
leidschaffenden Emotionen und Verhaltensweisen
können wir durch diese Praxis verringern und uns
letztlich sogar vollständig von ihnen befreien –
zugunsten eines Verhaltens, das von echter Weisheit
geprägt ist, von tiefem Mitgefühl bewegt wird und
das mit den Dingen des Seins in Einklang steht. Es
ist ein Weg zu innerem Frieden, zur Freiheit vom
Leiden und zu inniger Verbundenheit mit allem Leben.
7. Sechszehn Stunden
sitzen, gehen, sitzen – die Praxis in Burma
Top
Wie in Asien Ordinierte, aber auch Laien in
der Mahasi Tradition praktizieren, zeigt der Blick
auf einen typischen Tagesablauf in einem
Vipassana-Zentrum in Yangon:
- 3.15 Uhr: Der Tag
beginnt – wegen der Hitze oft mit einer kalten
Dusche.
- 3.45 Uhr: Die
Meditation beginnt; immer eine volle Stunde
Sitzmeditation, eine Stunde Gehmeditation, eine
Stunde Sitzmeditation … bis ca. 22 Uhr.
- 6.30 Uhr: Frühstück.
- 10.45 Uhr:
Mittagspause. Das Mittagessen ist die einzige
Hauptmahlzeit – für manche der Höhepunkt des
Tages. Meist gibt es, ganz nach dem Geschmack der
Einheimischen, sehr scharfe, ölige Fleisch- und
Gemüsecurrys, die von freiwilligen Helfern ins
Zentrum gebracht oder dort zubereitet werden.
- Für Mönche, Nonnen
und praktizierende Laien kochen zu dürfen und
ihnen das Essen zu bringen, gilt in diesen Ländern
bei Buddhisten als hochgeschätztes Privileg. So
bringen die Leute meist das Beste von dem, was sie
geben können. Nach dem Mittagessen gibt es,
entsprechend den buddhistischen Regeln, nichts
mehr zu essen – allenfalls unter dem Begriff
„Medizin“ laufende Kleinigkeiten, wie Kugeln aus
Koreander, Schmalz und Zucker oder ähnliches.
- 21 Uhr: Die letzte
Gehmeditation (bis 22 Uhr). Nach einem
16-Stunden-Meditationstag kann das ganz schön
anstrengend sein.
- 22-23 Uhr:
„Sitzmeditation auf dem Bett“, was auch immer
dabei herauskommt.
- 3.15 Uhr: Jetzt ist
wieder Zeit zum Aufstehen …
Auch in Yangon begleiten die Geräusche des
Alltags die Meditation: Baulärm,
Zementmischmaschinen, Lautsprecher … und zahllose,
bei jeder Gelegenheit heulende Hunde. Täglich oder
jeden zweiten Tag gibt es „Interviews”, kurze
Gespräche mit dem Lehrer, die meist in großen
Gruppen stattfinden. „Privatsphäre“ ist in diesen
Kursen, wie wohl in Asien überhaupt, ein Fremdwort.
In diesen Interviews geht es niemals um
philosophische, gedankliche oder emotionale Inhalte,
sondern ausschließlich um Fragen der
Meditationstechnik und der unmittelbaren
Meditationserfahrung: Was erfährst du beim Einatmen,
was beim Ausatmen? Was genau nimmst du wahr, wenn du
den Fuß hebst, vorwärts bewegst, senkst und wieder
hinstellst?
Achtsamkeit von höchster Präzision und
Kontinuität wird erwartet, und der wohl häufigste
Rat lautet: „Bitte streng dich mehr an, schau
genauer hin, sei noch kontinuierlicher präsent.”
„Heroische Anstrengung”, die Betonung des Bemühens,
ist häufig das Motto dieser Kurse – wobei die
asiatischen Temperamente dies oft mit mehr
Unbeschwertheit tun als wir Abendländer.
Die Kurse dauern von zehn Tagen bis zu einigen
Monaten. Nicht wenige Menschen aber, die ihr Leben
vollständig der Befreiung durch Meditation widmen
wollen, praktizieren sehr viel längere Perioden,
solange, bis sie die angestrebten Ziele verwirklicht
haben. Manche burmesischen Schulen gehen diese
Praxis äußerst systematisch an. Und von Menschen,
die nach diesem System die erste Stufe der
Erleuchtung erlangt haben, heißt es, dass sie „den
(ersten) Kurs abgeschlossen“ haben.
Erfahrene Meditierende werden in dieser Tradition
auch dazu ermutigt, die sogenannten Brahmaviharas zu
praktizieren. Dabei geht es um das meditative
Kultivieren der Herzensqualitäten von liebevoller
Güte (metta), Mitgefühl (karuna), Mitfreude (mudita)
und Gleichmut (upekkha). Diese Qualitäten werden mit
den Methoden der Samatha-Meditation – der Sammlung
und des ruhevollen Verweilens – systematisch
entwickelt und vertieft.
Mehr als durch die bloße gute Absicht oder
durch sporadisches Üben in Alltagssituationen kann –
vor allem im Retreat – durch konzentrierte Praxis
eine tiefgreifende innere Wandlung hin zu stärkerer
Zuwendung, Verbundenheit und tiefem Mitgefühl für
alle Lebewesen bewirkt werden. Mit dieser
Überlieferungslinie ist uns Menschen des Westens
eine Mine reinen Goldes zugänglich gemacht worden.
8. Aufbruch nach Westen –
Vipassana in den USA und in Europa Top
Joseph Goldstein, ein Amerikaner, war während
des Vietnam-Krieges mit dem von John F. Kennedy
gegründeten Peace Corps nach Thailand gekommen,
hatte dort die Meditation entdeckt, war weiter nach
Indien gezogen und hatte dort schon sieben Jahre bei
Munindra und Goenka praktiziert. 1973 bat Anagarika
Munindra Goldstein, den eben stattfindenden Kurs
gemeinsam mit ihm zu leiten.
Joseph Goldsteins erster Vortrag über „Bare
Attention“ (nackte Achtsamkeit) war für mich eine
Offenbarung. Es war, als hätte ich nach all den
Jahren intensiver Praxis, mit all meinen westlichen
Konzepten und Vorstellungen noch einmal ganz von
neuem begriffen, worum es in Praxis und Lehre
wirklich geht.
Zum ersten Mal hörte ich das Dharma in
unserer Sprache, in der Sprache unserer Kultur und
Psychologie, für die es im asiatischen Sprachraum
oft gar keine Worte gibt. Dieses Problem der
sprachlichen Hürden zeigte sich bei einem Besuch von
Mahasi Sayadaw im Westen. Bei einem Gespräch mit
Schülern aus den USA war – wie so oft – von
emotionalen und psychologischen Problemen die Rede.
Es stellte sich heraus, dass eine genaue
Übersetzung nicht möglich war, weil verschiedene
westliche Begriffe im burmesischen Wortschatz
einfach nicht existieren. Durch Joseph Goldsteins
„Übersetzen” der Lehre in westliche
Denkvorstellungen jedoch waren viele von uns vom
Dharma inspirierter als je zuvor!
1974 wurden Joseph Goldstein und Jack Kornfield, die
eben aus Asien in die USA zurückgekehrt waren (Jack
Kornfield hatte als Mönch in Thailand praktiziert),
von Lama Chögyam Trungpa Rinpoche eingeladen, in
einem seiner Seminare Vipassana-Meditation zu
lehren. Man muss sich die Szene vorstellen:
Da waren Hunderte von Hippies und Freaks, die
Trungpas brillante Vorträge über tibetischen
Buddhismus hörten, gefolgt von Ram Dass, der
eineinhalb Stunden voller Hingabe das Singen
indischer Mantras und Kirtans anleitete. Und
schließlich, nach kurzer Pause: stilles Sitzen in
Vipassana-Meditation, mit den präzisen Anweisungen
von Joseph Goldstein und Jack Kornfield. Es waren
„die wilden alten Tage“ der Geburt des Dharma im
Westen!
Noch 1974 leiteten Joseph Goldstein, Jack Kornfield
und Sharon Salzberg das erste
Drei-Monate-Vipassana-Retreat in den USA. Seitdem
findet das Retreat einmal im Jahr mit rund hundert
Teilnehmern in der Insight Meditation Society (IMS)
in Barre, Massachusetts, statt. Daneben gibt es das
ganze Jahr Retreats von unterschiedlicher Länge,
hauptsächlich unter der Leitung westlicher Lehrer
und Lehrerinnen der Vipassana-Meditation.
Jack Kornfield, damals einer der Leiter des
IMS, war Mitte der 80er Jahre Mitbegründer des
Spirit Rock-Zentrums in Kalifornien.
Auch dieses Zentrum bietet heute ein
breites Programm von Seminaren über Spiritualität,
Meditation und verwandte Themen sowie
Vipassana-Meditationsretreats an. Zudem bildet Jack
Kornfield langjährig Praktizierende zu
Meditationslehrenden aus.
Aus der Insight Meditation Society (IMS), die
inzwischen ihr 20jähriges Jubiläum feierte, sind
seit den 70er Jahren eine stattliche Anzahl von
Vipassana-Lehrenden hervorgegangen. Die wohl
bekanntesten, die heute in Europa Kurse von einigen
Tagen bis zu mehreren Wochen leiten, sind –
neben Joseph Goldstein, Jack Kornfield, Ruth Denison
und Sharon Salzberg – Carol Wilson, Corrado Pensa,
Fred von Allmen und andere.
Christopher Titmuss, ein Engländer, lebte in den
70er Jahren in Thailand als Mönch im Kloster von
Ajahn Dhammadharo. Nach Jahren intensiver Praxis
wurde er von seinem Lehrer eingeladen, für die
westlichen Schüler und Besucher zu lehren. Später
ging Christopher nach Indien, wo er, noch als Mönch,
viele Kurse für Westler leitete. Dies tat er oft
gemeinsam mit der Kanadierin Christina Feldman, die
bei Lehrern der tibetischen (Geshe Rabten) und der
Theravada-Tradition (Goenka und Munindra)
praktiziert hatte. Anfang der achtziger Jahre zogen
Christopher und Christina nach England, wo sie im
Südwesten, in Devon, das Gaia House gründeten.
Seit 1984 gibt es dort Meditationskurse mit
verschiedenen LehrerInnen, vor allem im Stil der
Vipassana-(Erkenntnis-) Meditation (insight
meditation). Im Zentrum besteht auch die
Möglichkeit, langdauernde, von Lehrenden betreute
Einzelretreats zu machen. Christina Feldman bietet
gelegentlich spezielle Meditationskurse für Frauen
an, und Christopher Titmuss ist als Aktivist für die
Umwelt und den Frieden tätig. Auch als Buchautoren
sind die beiden bekannt. Weitere LehrerInnen
im Gaia House sind die Amerikanerin Sharda Rogell,
die Schweizerin Yvonne Weier, der Neuseeländer Yanai
Pastelnik und andere.
In der Schweiz finden seit 1974 Vipassana-Kurse
statt, anfangs mit westlichen Lehrenden der U Ba
Khin-Tradition. Die oben erwähnten Lehrenden der
Mahasi-Tradition werden vor allem von der Dhamma
Gruppe Schweiz eingeladen. Sie wurde 1978 gegründet
und hat in den mehr als 20 Jahren ihres Bestehens
weit über hundert Vipassana-Meditationskurse und
-retreats organisiert. Seit 2001 führt sie ein
Zentrum für buddhistische Meditation in den
Schweizer Alpen.
Auch in Deutschland gibt es eine Anzahl
Meditationszentren, welche Vipassana-Kurse
anbieten. Im Norden ist es das Haus der
Stille (50 km östlich von Hamburg), in
der Eifel das Waldhaus
am Laacher See (10 km von Andernach/Rhein –
zwischen Koblenz und Bonn), in Bayern das Seminarhaus
Engl (Eggenfelden), welche
Vipassana-Kurse in der Mahasi- und ähnlichen
Traditionen anbieten.
Noch mehr Kurse und Belehrungen dieser
Traditionen gibt es in einer Vielzahl von
Stadtzentren. Im Buddha Haus
im Allgäu (130 km südwestlich von München –
Stadtzentren: Stuttgart und München, Berlin,
Hamburg) wird in der Nachfolge der verstorbenen
Nonne Ayya Khema gelehrt, in einem Stil, der sich
stark an die Samatha Meditation, die Meditation der
inneren Sammlung anlehnt.
In Italien gibt es seit 1987 den Verein A. Me. Co.
(Vereinigung für Erkenntnis-Meditation), der
Kurse und Retreats mit Corrado Pensa und vielen
anderen westlichen und östlichen Lehrenden anbietet.
Gründer des Vereins ist Corrado Pensa,
Psychotherapeut und Professor für orientalische
Studien aus Rom, der ebenfalls in Asien sowie am IMS
in den USA lange Jahre Vipassana praktizierte. (Vipassana
Meditationszentren
in Europa)
Überall in Europa und den USA gibt es heute eine
große Zahl von Organisationen und Zentren, die Kurse
und Retreats in den verschiedenen Stilen der
Vipassana-Meditation anbieten. Dieser Weg ist das
Erbe einer langen Überlieferungskette von Menschen,
die diese Lehre und Praxis geübt, verwirklicht,
gelehrt und weitergegeben haben. Es ist ein
kulturfreier, unkomplizierter, aber sehr
wirkungsvoller Weg zur Befreiung von Herz und Geist,
der von jedem von uns entdeckt, erforscht,
praktiziert werden kann. Wenn wir dieses Geschenk
nutzen, wird es uns in zunehmendem Maß befreien und
helfen, eine sinnvolle, liebevolle Art und Weise des
Lebens zu entwickeln.
Inhaltsverzeichnis
von: Vipassana
Story
5. Meditationsübung:
Die achtsame Verbeugung
Top
Ich bin eben im Buch Der direkte Weg von Ajahn
Tong, einem thailändischen Mönch, auf eine
Meditationsmethode gestoßen, bei der man nicht still
zu sitzen braucht. Diese Methode eignet sich
vielleicht besonders für Menschen, denen es schwer
fällt, während der Meditation still zu sitzen.
Ausgangsstellung:
Falls möglich, beginne
sitzend im Knien, wobei die Hände mit den
Handflächen nach unten auf den Oberschenkeln liegen:
die rechte Hand auf dem rechten Oberschenkel, die
linke Hand auf dem linken Oberschenkel, die Finger
berühren sich; der Oberkörper ist aufrecht und die
Schultern sind entspannt.
Wenn Männer in Thailand im Knien auf den Fersen
sitzen, sind die Füße traditionellerweise mit stark
gebeugten Zehen zum Zehenstand aufgerichtet, während
bei Frauen die Füße unter dem Gesäß nach hinten
zeigen. Wem es nicht möglich ist, in dieser Weise zu
sitzen, der kann in anderer Haltung oder, falls
nötig, auch auf einem Kissen oder Stuhl sitzen.
1. Lenke jetzt deine
Achtsamkeit (bzw. Aufmerksamkeit) auf das Wahrnehmen
der Sitzhaltung und benenne sie im Geiste mit:
„Sitzen, Sitzen, Sitzen!“, wobei du bei jedem
Etikett ein klares Gewahrsein der Sitzhaltung
aufrechterhältst.
2. Nun richtest du deine
Achtsamkeit auf deine rechte Hand und drehst sie
langsam auf der Handkante um 90° nach rechts,
während du achtsam feststellst: „Drehen, Drehen,
Drehen!“ Achte darauf, dass dein Gewahrsein bei der
Bewegung der rechten Hand bleibt.
3. Dann hebst du deine
rechte Hand langsam an und führst den Daumen bis zum
Brustbein. Etikettiere: „Heben, Heben, Heben!“
4. Jetzt berührst du mit
dem Daumen der rechten Hand das Brustbein und
etikettierst: „Berühren, Berühren, Berühren!“
5. Dann richtest du deine
Aufmerksamkeit auf deine linke Hand, drehst sie auf
der Handkante langsam um 90° nach links und benennst
die Drehung im Geiste: „Drehen, Drehen, Drehen!“
6. Hebe deine linke Hand
zur Brust und etikettiere: „Heben, Heben, Heben!“
7. Lege nun beide
Handflächen vor dem Brustbein zusammen (wie beim
Beten) 1 und etikettiere: „Berühren, Berühren,
Berühren!“
8. Hebe beide Hände zur
Stirn hoch und etikettiere: „Heben, Heben, Heben!“
9. Berühre mit beiden
Händen die Stirn2 und etikettiere: „Berühren,
Berühren, Berühren!“
10. Senke beide Hände zum
Brustbein und etikettiere: „Senken, Senken, Senken!“
11. Berühre das Brustbein
mit beiden Händen und etikettiere: „Berühren,
Berühren, Berühren!“
12. Beuge den Oberkörper
um 45° nach vorn und etikettiere: „Beugen, Beugen,
Beugen!“
13. Senke die rechte Hand
zum Fußboden ab und etikettiere: „Senken, Senken,
Senken!“
14. Berühre mit der
rechten Handkante den Fußboden und etikettiere:
„Berühren, Berühren, Berühren!“
15. Drehe die rechte Hand
auf der Handkante nach links, bis die Handfläche den
Fußboden bedeckt und etikettiere: „Bedecken,
Bedecken, Bedecken!“ (Der rechte Arm sollte
gestreckt sein; ein Teil des Gewichts kann auf der
rechten Hand ruhen.)
16. Lass jetzt die linke
Hand nach unten sinken und etikettiere: „Senken,
Senken, Senken!“
17. Berühre mit der
linken Handkante den Fußboden und etikettiere:
„Berühren, Berühren, Berühren!“
18. Drehe die linke Hand
auf der Handkante nach rechts, bis die Handfläche
den Fußboden bedeckt und etikettiere: „Bedecken,
Bedecken, Bedecken!“ (Beide Arme sollten gestreckt
sein; die beiden Daumen berühren sich, zwischen den
Zeigefingern ist etwa eine Handbreite Abstand und
die Finger zeigen gerade nach vorn.)
19. Beuge dich nach vorn,
bis deine Ellbogen den Fußboden berühren und deine
Stirn knapp über dem Daumen ist; etikettiere:
„Beugen, Beugen, Beugen!“
20. Berühre den Fußboden
mit der Stirn und etikettiere: „Berühren, Berühren,
Berühren!“
21. Richte jetzt deinen
Körper langsam auf, bis deine Arme wieder gestreckt
sind und etikettiere: „Aufrichten, Aufrichten,
Aufrichten!“
22. Drehe nun deine
rechte Hand wieder um 90° und etikettiere: „Drehen,
Drehen, Drehen!“
23. Hebe deine rechte
Hand zum Brustbein und etikettiere: „Heben, Heben,
Heben!“
24. Berühre das Brustbein
und etikettiere: „Berühren, Berühren, Berühren!“
25. Drehe nun deine linke
Hand um 90° und etikettiere: „Drehen, Drehen,
Drehen!“
26. Hebe deine linke Hand
zum Brustbein und richte gleichzeitig deinen Körper
auf; etikettiere: „Heben, Heben, Heben!“
27. Berühre mit
zusammengelegten Händen die Mitte des Brustkorbs
(añjali) und etikettiere: „Berühren, Berühren,
Berühren!“
28. Hebe beide Hände zur
Stirn hoch und etikettiere: „Heben, Heben, Heben!“
29. Berühre die Stirn mit
beiden Händen und etikettiere: „Berühren, Berühren,
Berühren!“
30. Senke beide Hände zur
Brust und etikettiere: „Senken, Senken, Senken!“
31. Berühre mit beiden
Händen das Brustbein und etikettiere: „Berühren,
Berühren, Berühren!“
32. Wiederhole die
Schritte 12 – 31 noch zwei Mal, um drei vollständige
Verbeugungen1 auszuführen. Dann kehre in folgenden
Schritten zur Ausgangsstellung zurück:
33. Senke deine rechte
Hand zum rechten Oberschenkel hin ab und
etikettiere: „Senken, Senken, Senken!“
34. Berühre den rechten
Oberschenkel mit der rechten Handkante und
etikettiere: „Berühren, Berühren, Berühren!“
35. Drehe die rechte Hand
auf der Handkante nach links, so dass die Handfläche
den Oberschenkel bedeckt; etikettiere: „Bedecken,
Bedecken, Bedecken!“
36. Senke deine linke
Hand zum linken Oberschenkel hin ab und etikettiere:
„Senken, Senken, Senken!“
37. Berühre den linken
Oberschenkel mit der linken Handkante und
etikettiere: „Berühren, Berühren, Berühren!“
38. Drehe die linke Hand
auf der Handkante nach rechts, so dass die
Handfläche den Oberschenkel bedeckt; etikettiere:
„Bedecken, Bedecken, Bedecken!“
39. Nun bist du zur
Ausgangsstellung zurückgekehrt. Etikettiere sie:
„Sitzen, Sitzen, Sitzen!“
Hinweis: Die Übung der
achtsamen Verbeugung ist relativ langsam
auszuführen. Je nach Person soll sie etwa 1 – 3
Minuten benötigen. Die Bewegungen sollten natürlich
sein und langsam genug, um die Achtsamkeit und das
Verständnis zu fördern, jedoch nicht so langsam,
dass der Geist abzuschweifen beginnt. Andererseits
soll man es mit den Bewegungen nicht eilig haben,
weil es dazu führt, dass sich die Aufmerksamkeit
schon in die Zukunft richtet. Die Achtsamkeit und
gesammelte Aufmerksamkeit sollen ganz dem
gegenwärtigen Augenblick gewidmet sein.
1 Diese ‚Handhaltung, bei
der die Hände vor der Brust zusammengelegt sind‘
(añjali m.) dient in Südasien auch der ehrerbietigen
Begrüßung.
2 Diese Geste drückt
große Ehrfurcht aus. Ajahn Tong, Der direkte Weg
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6.
Weiterführende Links Top
Bücher
1.
Buch: Vipassana-Meditation (C.
Sayadaw und A. Janakabhivamsa)
2. Buch: Fortschreitende Einsicht
(C. Sayadaw und A.
Janakabhivamsa)
3. Buch: Die Einübung der
Einsichtsmeditation (Sayadaw, Janakabhivamsa)
Vipassana Meditation (30 Tage
Kursus)
Ñānārāma Mahāthera. Die Sieben
Betrachtungen (Onlinebuch)
Visuddhi
Magga, Der Weg zur Reinheit
Vipassana Tabelle (Der Weg zum
Nibbana) (PDF-Dokument)
Die Praxis der liebenden Güte in
der Vipassana-Meditation
Der Weg zum Nichtanhaften
Die Praxis der Einsichtsmeditation
Der direkte Weg (Ajahn Tong)
Die Meisterung des Kerns der Lehre
Buddhas
Audio-Dateien (mp3)
und Filme (wma)
Etliche kostenlose Audiodateien
und Filme über die Vipassana Meditation
Vorträge, Bücher und Filme
Geleitete Vipassana Meditation
(sehr gut
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