Suri Nagamma: Briefe aus dem Ramanashram
Suri Nagamma: Briefe aus dem Ramanashram |
Der Vater ist dem Sohn untergeordnet
Selbst-Gewahrsein
Vorbereitungen für ein Fest im Skandashram
Im Skandashram
Der Dienst am Selbst ist der Dienst am Guru
Gleichheit mit allen
Weltliche Probleme
Was ist mit Samsara gemeint?
Nimm den Weg, den du gekommen bist
Absichtsloses Bhakti
Mutter Alagammal
Das erste Almosen (Bhiksha)
Woher weißt du, dass du nichts weißt?
Leoparden und Schlangen
So hör doch meine stumme Bitte!
Das Streifenhörnchen
Die Bedeutung der Dinge
Moksha (Befreiung)
Die Verehrung der Kuh
Die beiden Tauben
Die Gepardenjungen
Medikamente, die nicht helfen
Der Geschmack der Hingabe (Bhakti)
Die göttliche Waffe
Die Theta-Gita
Zorn
Das Lied von Avvaiyar
Astrale Pfade – Höhere Welten
Bücher
Krankheit
Glücklich sind jene, die nur ein Lendentuch tragen
Befreiung (Moksha) im Körper
Unsterbliche Lebewesen
Uma
Sein, Bewusstsein und Seligkeit
Was Pradakshina wirklich bedeutet
Mitgefühl mit allen
Das, was ist, ist nur das Eine
Die schwarze Kuh
Die Gestalt des Höchsten Seins
Die Ethik des sozialen Lebens
Was ist der Wagen?
Japa, Tapas und ähnliches
Was bedeutet Samadhi?
Wie kann man alles als sich selbst betrachten?
Der Tod Madhavaswamis
Kleiner als das Kleinste und größer als das Größte
Träume sind Täuschungen
Hingabe ist der wahre Dienst
Der Lehrer ist die Konzentration
Siddhas
Die Früchte der Handlungen werden vom Schöpfer bestimmt
Gleichheit
Jeder wie er will
Das Programm zum Goldenen Jubiläum
Ein unbekannter Devotee
Der eine Buchstabe und das Unvergängliche (Ekam Aksharam)
Zufriedenheit
Die Umrundung des Selbst (Atma Pradaskhina)
Der Dämonengott und das Lichterfest
Das Leben auf dem Berg
Opfer
Spirituelle Übung (Sadhana)
Brahman ist wirklich – die Welt ist eine Illusion
Der Swami ist überall
Bhagavans Handschrift
„Die Quintessenz der spirituellen Unterweisung“ und „Die Vierzig Verse“
Das „Ich“ ist der Geist
Das Goldene Jubiläum
Das Kartikai-Fest
Die Gestalt des Selbst – Atmakaravritti
Andavane
Omkar und Aksharam
Anekdoten über das Leben in der Virupaksha-Höhle
Natur
Wer ist Ramana?
Das „Tamil-Kind“
Jnana Sambandar
Die Göttliche Kraft
Schlaf und der wahre Zustand
Dakshinamurti
Maya (Illusion)
Der Geist des Jnani ist Brahman
Bezeugung von Respekt
Sadhana in der Gegenwart des Guru
Das Herz und das Kronenchakra
Die Entstehung der „Fünf Verse über das Selbst“
Geburt
Das Selbst (Atman)
Der Guru
Keine Verschwendung
Täuschung und Geistesfriede
Mutter Alagammal
Menschliche Anstrengung
Das Oberhaupt eines Maths
Mäßigung von Schlaf, Essen und Bewegung
Keine Unregelmäßigkeit
Grundsätze
Völlige Hingabe
Traumvisionen
Göttliche Visionen
Der weiße Pfau
Was ist der Kopf und was der Fuß?
Selbstmord
Es gibt nur eine einzige Kraft (Shakti)
Prarabdha (Schicksal)
Wenn man einen Löwen im Traum sieht
Intensive Konzentration (Nididhyasana)
Die Bedeutung von Ajapa
Wozu all die Heimlichkeiten?
Die Widmung eines Buches
Von der Hand in den Mund
Die Bedeutung von Upanayanam
Aufgezwungenen Mahlzeiten
Fragen, die auf Halbwissen gründen
Brief: Puja mit Blumen
Verehrung mit Wasser (Abhishekam)
Thirthas und Prasadas
Kein Segensgestus
Eine Geschichte aus dem Vichara Sagaram
Die ewige Welt
Der Blick der Weisheit
Äußeres und inneres Zuhören und Überdenken
Schweigen
Samadhi
Bleibe wo du bist
Nur das eine und alldurchdringende Selbst
Die Manifestation des Selbst
Einfachheit
Geistesfriede ist Befreiung
Der Schläfer im Wagen
Das Allgegenwärtige
Bindungen
Brindavan
Was es bedeutet, ein spiritueller Meister zu sein
Auf Eins gerichtet sein
Das Leben nach der Verwirklichung
Sprachkenntnisse
Der Vierte Zustand (Turiya)
Universelle Brüderlichkeit
Erinnerung und Vergessen
Der Pfad der Selbstergründung
Die heilige Deepam-Flamme
Der arme Mann
Die Größe der Wunschlosigkeit und Nicht-Anhaftung
Die Selbstergründung ist die Hauptsache
Das Selbst kann ohne geistige Aktivität nicht verwirklicht werden
Der Tod Mahatma Gandhis
Gleichheit
Nihilisten und Advaitins
Bhagavans erstes Manuskript
Kailash
Verbeugungen (Namaskara)
Die Herrlichkeit der Natur
Das erste Bad und die erste Rasur
Der Pfad der Liebe
Ungeteilte Aufmerksamkeit
Die Leinwand
Handelnder und Handeln
Ganapati Muni und die Ramana Gita
Konzentration und Wunschlosigkeit
Die Größe des Menschen
Dienst
Mitgefühl
Lakshmis Tod
Lakshmis Begräbnis
Lakshmis Geschichte
Eine arme alte Frau
Die angemessene Belehrung
Tierliebe
Was bedeutet Glück?
Wo ist der Swami?
Astrologie
Das Leben auf dem Berg
Spielen mit den Kindern
Vom Umgang mit Weisen
Bhagavans Füße
Besuch des Oberhaupts des Math in Puri
Das Oberhaupt des Math in Sivaganga
Einweihung
Übersinnliche Wahrnehmungen vom Arunachala
Das große Selbst
Kundalini-Shakti
Das Selbst
Die Seligkeit des Selbst
Mutter
Das Tigerfell
Der Sohn ist dem Vater untergeordnet Top

Vorgestern war Vollmond und das jährliche Lichtfest Deepotsava [1] wurde feierlich begangen. In der Frühe ist die Prozession mit dem Herrn Arunachaleswara (der Gott des Berges Arunachala) [2] und den Verehrern unter Musikbegleitung aufgebrochen, um den Berg zu umrunden (Giri Pradakshina). Als die Prozession das Ashramtor erreicht hatte, kam Sri Niranjanananda (der Ashram-Verwalter und Sri Ramanas jüngerer Bruder) mit den Devotees des Ashram heraus, opferte Kokosnüsse und Kampfer und erwies Gott die Ehre. Die Prozession hielt an und die Priester schwenkten vor Arunachaleswara die Lichter (Arati).
Bhagavan war gerade auf dem Weg zum Kuhstall. Als er das herrliche Schauspiel sah, setzte er sich in der Nähe des Buchladens hin. Seine Devotees brachten ihm die Arati-Schale (Arati = indische Lichtzeremonie). Er nahm ein wenig von der heiligen Asche (Vibhuti) und zeichnete sie sich auf die Stirn, während er leise, mit von Emotionen erstickter Stimme sagte: „Der Sohn ist dem Vater untergeordnet.“ Sein Gesichtsausdruck bestätigte das alte Sprichwort: „Der Höhepunkt der Hingabe (Bhakti) ist Erkenntnis (Jnana).“ Sri Bhagavan ist der Sohn Shivas. Ganapati Muni sagt von ihm ganz richtig, er sei die Wiedergeburt Skandas (Sohn Shivas) [3]. Es machte uns betroffen, dass Bhagavan uns lehrte, dass sogar der Selbstverwirklichte (Jnani) Gott (Ishwara) untergeordnet ist, da alle Kreaturen Kinder Gottes sind.
Wir können nie übermitteln, wie bedeutungsvoll die Worte der Großen Seelen (Mahatmas) sind. Du hast mich darum gebeten, sie irgendwie aufzuschreiben, aber wie kann ich die erlesene Schönheit seiner Worte wiedergeben? Wie kann ich sie adäquat übermitteln? Ich habe kürzlich in einem Gedicht geschrieben, dass jedes Wort, das er spricht, heilige Schrift ist. Doch warum sollte man nur von seinen Worten berichten? Wenn man ihn versteht, ist selbst sein Blick, seine Art zu gehen, sein Tun und Nicht-Tun, sein Ein- und Ausatmen, dann ist alles an ihm bedeutungsvoll. Kann ich all das verstehen und interpretieren? Mit vollem Vertrauen auf Sri Bhagavans Gnade werde ich dir schreiben, was immer mir in den Sinn kommt, und ihm mit voller Hingabe dienen.
[2] der Gott des Berges Arunachala
[3] Skanda ist der Sohn Shivas.
Vorbereitungen für ein Fest im Skandashram Top
Im Skandashram Top

Bild 2: Sri Ramana in einen Schal gehüllt im Skandashram
Bruder, wie kann ich dir dieses Bild vermitteln? Der Maharshi ist still und sein ernster Blick, der aus dem Ursprung kommt, dringt überallhin. Sein freundliches Lächeln erstrahlt wie der kühlende Mondschein. Es war wolkiger geworden und ein heftiger Wind blies. Die Devotees gaben Bhagavan einen breiten Schal, in den er sich völlig einhüllte, so dass nur noch sein Gesicht zu sehen war. Er sah nun wie seine Mutter Alagammal aus. Tante Alamelu und ich dachten dasselbe. Es gibt sogar ein Foto davon.
Dann übermittelte Sri Bhagavan seine Lehre durch Schweigen. Bestimmt waren auch einige reine Seelen anwesend, die von all ihren Zweifeln befreit wurden. Mein Geist war allerdings mit der Zubereitung von Pulihodara (Tamarindenreis) und Dadhyodhanam (Joghurt mit Reis),und anderen Gerichten beschäftigt, da es Mittagszeit war. Die Devotees wollten, dass Bhagavan an einem bequemen Platz separat bedient werden sollte. Aber er ließ vor seinem Sofa einen Tisch aufstellen und hielt sein Festmahl inmitten von uns allen.
Nach dem Essen wurde sein Sofa auf die Veranda getragen. Tante Alamelu, ich und einige andere Frauen saßen in einem angrenzenden Raum und sahen Bhagavan durch ein Fenster, das den Blick auf seine Füße freigab. Er begann zu reden, erzählte Geschichten von seinem früheren Leben auf dem Berg, wie seine Mutter zu ihm kam, er berichtete vom Bau des Skandashram, von der Wasser- und Nahrungsversorgung, den Gesetzen der Affenstämme, dem Tanz der Pfauen und von seinem Umgang mit Schlangen und Leoparden. Dann erinnerte er sich an etwas und sagte, indem er seinen strahlenden Blick auf eine Stelle gerichtet hielt: „Hier ist Mutter gestorben. Wir haben sie draußen hingesetzt. In ihrem Gesicht war immer noch kein Anzeichen des Todes erkennbar. Sie sah aus wie jemand, der in tiefem Samadhi versunken ist. Göttliches Licht tanzte auf ihrem Angesicht. Es war genau dort, wo du jetzt sitzt.“
Bevor Mutter hier wohnte, wurde im Ashram nicht gekocht. Sie sorgte dafür, dass die Ashrambewohnern ordentlich zu essen hatten. Das Herdfeuer, das sie entfacht hat, besteht bis heute und füllt die Mägen tausender Devotees.
Es wurden verschiedene Leckerbissen serviert. Nachdem wir uns bedient hatten, machten wir uns auf den Rückweg. Als Bhagavan sah, dass wir uns nach und nach aufmachten, ging auch er in Begleitung seiner Helfer langsam den Berg hinunter und erreichte den Ashram zu seinen Füßen, als die Sonne im Westen hinter dem Berg versank. Dann folgte das Veda-Parayanam.
Als ich heute früh zum Veda-Parayana in den Ashram (Ramanashram) kam, waren alle sehr beschäftigt. Die Küche bot einen einmaligen Anblick. Die einen kochten, die anderen putzten, wieder andere gaben Anweisungen, jeder war mit irgendetwas beschäftigt. Pulihodara (Tamarindenreis) Dadhyodhanam (Joghurt mit Reis), Pongal (süßer Reis), Vadai (eine Art Snacks), Chips, Poories (flache, gebackene Weizenbrote) und Kootu (Nebenspeise aus Gemüse) und noch viele andere Gerichte wurden in Körbe verpackt und den Berg hinaufgeschickt. Der Ashram-Verwalter schien die ganze Nacht kein Auge zugetan zu haben. Er hatte sich um alles gekümmert.
Der Dienst am Selbst ist der Dienst am Guru Top
[5] Solche Dienste am Guru werden als verdienstvoll angesehen und sind deshalb sehr begehrt.
Gleichheit mit allen Top
Bhagavan erwiderte: „Ja, aber was besitze ich selbst? Wenn ich nur eine Viertel Anna [6] möchte, muss ich den Ashram-Verwalter darum bitten. Wie kann ich ihn darum angehen? Wenn die Glocke läutet, bekomme ich mein Essen. Ich esse mit den anderen und komme dann hierher zurück. Man könnte mir das Essen verweigern, wenn ich zu spät bin. Selbst wenn das Essen verteilt wird, komme ich als letzter dran.“
Der arme Arzt sagte mit gefalteten Händen: „Swami, ich habe dir nur die Liste gezeigt. Ich selbst werde die nötigen Dinge besorgen.“ Darauf erwiderte Bhagavan: „Tatsächlich? Du wirst sie besorgen? Aber wenn dieses Medikament gut für mich ist, dann muss es auch für alle anderen hier gut sein. Kannst du es auch für die anderen besorgen?“ Da meinten einige Anwesende: „Swami, wozu sollten wir es brauchen?“ Bhagavan erwiderte: „Wenn die Leute, die körperliche Arbeit verrichten, kein aufbauendes Tonikum brauchen, wozu sollte ich es dann nötig haben? Ich sitze die ganze Zeit nur da und esse. Nein, das kann nicht sein!“
Schon früher hatte Dr. Srinivasa Rao Bhagavan gemeint, es wäre gut, wenn Bhagavan eine stärkende Arznei nehmen würde. Bhagavan erwiderte: „Ja, das mag schon sein. Du bist reich und kannst dir alles leisten, aber was ist mit mir? Ich bin ein Bettler. Wie könnte ich mir so eine kostspielige Arznei leisten?“ Der Arzt meinte: „Bhagavan weist immer alles zurück, was man ihm anbietet, aber wenn er einwilligen würde etwas zu nehmen, würde dann das Geld dafür nicht kommen? Und wenn schon keine Arznei, warum sollte er nicht nahrhafte Kost wie Milch, Obst und Mandeln essen?“
Bhagavan antwortete: „Schon möglich, aber ich bin ein Bettler. Wie kann ich es mir leisten? Zudem muss ich nicht nur für mich sorgen. Ich habe eine große Familie. Wie können sie alle Obst, Milch, Mandeln und solche Dinge bekommen?“
Bhagavan will nichts Besonderes für sich. Er hat uns oft gesagt, es würde ihm nichts ausmachen übergangen zu werden, wenn jemand etwas zu essen bringt und es unter allen verteilt. Aber er fühlt sich verletzt, wenn nur ihm etwas gebracht wird, wovon nicht auch die anderen etwas erhalten.
Wenn ihm unterwegs Leute entgegenkommen, will er nicht, dass sie seinetwegen zur Seite treten, sondern macht selbst Platz und lässt sie vorbei. Erst dann geht er weiter.
Wenn begriffsstutzige Leute wie ich, die seine Anschauung nicht kennen, ihn beim Essen und anderem bevorzugt behandelt, verzeiht er es meistens, da er von Natur aus nachsichtig ist, doch wenn es zu weit geht, äußert er seinen Unwillen: „Was kann ich schon machen! Sie haben die Oberhand. Sie sind diejenigen, die bedienen und ich bin derjenige, der isst. Ich muss ihnen gehorchen und essen, was sie mir vorsetzen. So ist das Leben eines Swami, versteht ihr?“
Könnte es einen größeren Tadel als diesen geben?
[6] 16 Annas sind 1 Rupie; die Münze ist heute nicht mehr im Umlauf.
Weltliche Probleme Top
Die Leute in der Halle lachten. Der alte Mann kauerte sich auf den Boden und sagte: „Ja, aber was macht es Bhagavan schon aus? Er ist von allen Bindungen frei und kann die Last jeder Familie tragen, wie groß sie auch sein mag.“
Du solltest sehen, wie humorvoll Bhagavan über die Dinge spricht. Was immer er auch sagt, birgt eine Lehre für uns.
Devotees wie ich haben die Angewohnheit, Bhagavan von ihren Schmerzen in den Beinen, im Magen oder im Rücken zu erzählen. Einmal sagte jemand zu ihm: „Meine Augen sind schlecht. Ich kann nicht mehr richtig sehen. Ich bitte Bhagavan um Hilfe.“ Bhagavan nickte wie üblich, doch sobald der Mann die Halle verlassen hatte, meinte er: „Er erzählt von Schmerzen in den Augen. Ich habe Schmerzen in den Beinen. Wen soll ich um Hilfe bitten?“ Wir waren alle betroffen und schwiegen.
Was ist mit Samsara gemeint? Top
Der arme Mann! Er nahm seinen Mut zusammen und fragte: „Wie kann man das Samsara des Geistes aufgeben?“ Bhagavan antwortete: „Genau darauf kommt es an. Du hast mir erzählt, dass du Japa des Namens von Rama praktizierst. Du sagst, dass du manchmal bemerkst, dass du dein Japa vergessen hast, wenn dich Gedanken überkommen. Versuche dich daran so oft wie möglich zu erinnern und nimm den Namen Ramas immer wieder auf. Die anderen Gedanken werden dann allmählich abnehmen. Für die Praxis der Wiederholung des Namens Gottes gibt es mehrere Stufen. Es ist besser, den Namen nur durch stilles Bewegen der Lippen zu wiederholen, als es laut zu tun. Noch besser ist die geistige Wiederholung und das allerbeste Japa ist die Meditation (Dhyanam).
In Upadesa Saram, Vers 6, heißt es: „Geistige Meditation durch Japa ist besser als die schönsten Hymnen, ob sie nun laut oder leise gesungen werden.“
Nimm den Weg, den du gekommen bist Top
Wir amüsierten uns darüber. Der junge Mann wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er wartete, bis Bhagavan die Halle verlassen hatte, und wandte sich dann entmutigt an die anderen: „Ich bin voller Hoffnung einen weiten Weg hierher gekommen und habe weder Kosten noch Unannehmlichkeiten gescheut, weil mein Wunsch, den Weg zu Moksha zu erfahren, so stark ist. Ist es da fair, mir zu sagen, ich solle den Weg zurückgehen, den ich gekommen bin? Ist das etwa nur ein gewaltiger Scherz?“
Darauf erwiderte einer der Anwesenden: „Nein, es ist kein Scherz. Es ist die beste Antwort auf deine Frage. Bhagavan lehrt, dass die Suche „Wer bin ich“ der leichteste Weg zu Moksha ist. Du hast ihn gefragt, welchen Weg du gehen sollst. Seine Antwort: „Nimm den Weg, den du gekommen bist“, bedeutet: Wenn du den Pfad, den das „Ich“ genommen hat, untersuchst und zurückverfolgst, dann wirst du die Befreiung erlangen.“
Die Stimme des Mahatma weist auf die Wahrheit hin, selbst wenn er nur beiläufig etwas sagt. Der junge Mann wunderte sich über diese Interpretation. Man gab ihm das Buch „Wer bin ich?“. Er nahm die Worte Bhagavans als Belehrung (Upadesa) an, verneigte sich vor ihm und ging.
Bhagavan gibt uns seine Lehre entweder auf humorvolle, beiläufige oder tröstliche Weise. Während der ersten Jahre, die ich im Ashram verbrachte, verspürte ich manchmal ein Verlangen, nach Hause zu gehen. Dann ging ich immer zu Bhagavan, wenn gerade keine Leute da waren und sagte zu ihm: „Bhagavan, ich möchte heim, aber ich fürchte mich, wieder in das Familiendurcheinander zurückzufallen.“ Er pflegte dann zu sagen: „Wie können wir in etwas fallen, wenn doch alles kommt und in uns fällt?“
Bei einem anderen Anlass sagte ich: „Swami, ich bin von diesen Bindungen noch nicht frei.“ Bhagavan erwiderte: „Lass kommen was kommt und gehen was geht. Warum sorgst du dich?“
Absichtsloses Bhakti Top
Die Hingabe, die Bhagavan für Arunachala hegt, ist ein Beispiel für diese Art von Bhakti. Im 7. Vers von „Arunachala Navamani Mala“ („Halsband aus neun Edelsteinen für Arunachala“), das Bhagavan in Tamil geschrieben hat, heißt es:
„O Arunachala, kaum hast Du Deinen Anspruch auf mich erhoben, waren mein Leib und meine Seele auch schon Dein. Was kann ich noch begehren? Du bist sowohl Verdienst als auch Verlust, o Du mein Leben! Beides kann nicht ohne Dich sein. Tu denn was Du willst, mein Geliebter, aber gewähre mir eines: eine ständig wachsende Liebe für Dich!“ [9]
Was also ist der Zweck dieses Bhakti? Nichts. Bhagavan sagt uns, dass absichtsloses Bhakti, das nicht zwischen dem Verehrer und dem Verehrten unterscheidet und vollkommen ist, dasselbe ist wie Jnana (Erkenntnis) und sich nicht davon unterscheidet.
[7] bengalischer Musiker und Sänger von religiösen Liedern, Anhänger Aurobindos
[8] bengalischer Mystiker aus dem 15./16. Jh.
[9] The Necklet of Nine Gems in: Collected Works, S. 96
Mutter Alagammal Top
Bhagavan hatte davon gehört, dass der Skandashram renoviert wurde. Am nächsten Tag zur Mittagszeit ging er heimlich mit seinem Gehilfen Rangaswami hin, um es sich anzusehen, und wollte unbemerkt wieder zurückkehren. Was geschah? Wir alle folgten ihm und umringten ihn, so dass er sich nicht von der Stelle bewegen konnte. Nur mit großer Mühe gelang es ihm, um 8 Uhr abends mit der ganzen Menge zurückzukehren.
Vierzehn Tage später berichteten die Arbeiter Bhagavan, dass der Weg zum Skandashram fertig sei und baten ihn, es sich anzusehen. Bhagavan erwiderte: „Wir werden sehen.“ Um 17 Uhr machte er sich zu seinem üblichen Spaziergang auf den Berg auf und entwischte heimlich zum Skandashram. Sobald es bemerkt wurde, folgten ihm Männer und Frauen mit Fackeln und Laternen trotz der einbrechenden Dunkelheit.
Echammals Tod Top

Bild 3: Echammal: stehend, zweite von rechts
29.12.45: In der Nacht von Donnerstag auf Freitag, am 27. Dezember um 2.45 Uhr starb Echammal [10], die für Bhagavan wie eine Mutter war, und erlangte die Einheit mit dem Allmächtigen. Ich bin darüber eher dankbar denn kummervoll. Als ich bei ihr auszog, um in Ashramnähe zu wohnen, sagte sie: „Ich liebe dich wie mein eigenes Kind. Ich dachte, du wirst dabei sein, wenn ich diese Welt verlasse, aber jetzt wohnst du weiter weg. Du wirst erst zu mir kommen, wenn ich schon tot bin.“ Als sie das sagte, kamen ihr die Tränen, aber es kam genauso. Ich hörte von ihrem Tod, ohne etwas von ihrer Krankheit gewusst zu haben.
Du wirst Dich an den 25. erinnern, als Du und Deine Frau Echammal Kleider schenkten und sie eifrig zuhause für die Gäste kochte. Am selben Abend konnte sie nicht mehr aufstehen und bat um Wasser. Als sie getrunken hatte, legte sie sich schweigend hin und alle Gäste gingen. Sie konnte danach weder essen noch reden und blieb bettlägerig. Am nächsten Tag wurde Bhagavan darüber informiert.
Am 27. wurde ihr Zustand ernst. Man sandte Telegramme an ihre Verwandten. Obwohl sie meist ohne Bewusstsein war, öffnete sie etwas ihre Augen, wenn jemand sie ansprach. Etwa um 4 Uhr nachmittags wollte eine Frau prüfen, wie weit sie bei Bewusstsein war und sagte: „Heute ist wohl kein Essen zu Bhagavan gesandt worden.“ Als sie das Wort „Essen“ hörte, riss sie mit einem Ausruf ihre Augen weit auf und blickte fragend um sich. Beruhigend sagte ihre Nichte: „Wir haben es hingeschickt“, und Echammal nickte.
Das war alles. Um 8 Uhr abends sprach sie unzusammenhängend, ihre Augen wurden glasig, der Todeskampf hatte eingesetzt. Ihr Neffe benachrichtigte Bhagavan. Der Ashram-Arzt untersuchte sie und sagte, es sei hoffnungslos. Nachdem Bhagavan davon unterrichtet worden war, musste sie nicht mehr viel leiden. Ihr Atem wurde schwächer und um 2.45 nachts starb sie.
Im Ashram hörte ich die traurige Nachricht. Bhagavan sagte zu mir: „Oh, ist sie tot? Ich habe auf den Zeitpunkt gewartet, an dem sie von allen weltlichen Sorgen loskommt. Jetzt ist sie all diese Sorgen los. Geh hin und komme dann wieder zurück.“
Ich ging mit einigen Devotees hin und wurde von Kummer überwältigt, als ich ihren Körper mit dem noch unverstellten Gesicht sah. Sie war zweifelsohne eine starke Persönlichkeit gewesen. In meiner ersten Zeit, die ich alleine hier verbrachte, war sie meine einzige Hilfe. Obwohl ich gegen ihren Willen meine Unterkunft gewechselt hatte, brachte sie mir etwas zu essen vorbei, wenn ich krank war. Wie sie es mir aufgetragen hatte, badete ich ihren Leib in Gangeswasser, gab heilige Asche darauf und legte ihr eine Gebetskette um. Dann begleitete ich sie auf ihrer letzten Reise. Ihre Verwandten beschlossen, dass sie verbrand und nicht beerdigt werden sollte.
Als ich mich heute Nachmittag um 2.30 Uhr vor Bhagavan verneigte, fragte er: „Wie ist sie gestorben? Was wurde mit ihr getan?“ Ich antwortete: „Man beschloss, sie zu verbrennen. Ihre Verwandten sagten, sie habe gewollt, dass ihre Asche in ihrem Dorf begraben wird. Man solle einen Grabstein errichten und einen Tulsi (Basilikum) [11] darauf pflanzen. Bhagavan erwiderte: „Ja, das ist gut. So wurden auch Ganapati Sastri (der Sanskritdichter Ganapati Muni) und andere beerdigt.“
Als ich mich gesetzt hatte, sagte Bhagavan tröstend: „Ich habe ihr immer wieder gesagt, sich nicht ums Essen zu sorgen, sondern damit aufzuhören. Aber nein! Sie war unnachgiebig und weigerte sich, selbst zu essen, solange sie den Swami nicht bedient hatte. Sogar heute wurde in ihrem Namen Essen für mich gebracht.“ Ich erwiderte: „Jetzt nicht mehr.“ „Die alte Frau von Mudaliar ist noch da“, meinte er. Da wurde ich von Kummer überwältigt und sagte: „Immer, wenn Echammal mir etwas zu essen brachte, wurde sie ärgerlich, wenn ich es nicht auf der Stelle aß.“ Meine Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. Bhagavan sagte: „Ja, ja“, und wechselte das Thema. Das irdische Leben einer Devotee, die 38 Jahre lang an ihrem Gelübde festgehalten und Gott verehrt hat, ist jetzt zu Ende.
Noch eine interessante Begebenheit: Als ich am Abend des 27. nach dem Veda-Parayana und meiner üblichen Runde um die Halle hereinkam und mich vor Bhagavan verneigte, saß er bewegungslos in tiefer Versenkung mit hängenden Armen in Padmasana-Haltung (Lotussitz). Seine Augen strahlten wie zwei Sterne und ich spürte, dass der geistige Glanz des Universums sich in der Gestalt Bhagavans verdichtet hatte. Ich wollte es näher und länger betrachten, konnte aber dem machtvoll blendenden Licht nicht standhalten, verneigte mich lediglich und ging nach Hause. Die ganze Zeit dachte ich, dass dieser tiefe meditative Zustand Bhagavans eine besondere Bedeutung haben müsse.
Nach dem Abendessen und dem anschließenden kurzen Gespräch mit Bhagavan kam Krishna Bhikshu mit einem Freund zu mir. Als ich nach den Neuigkeiten im Ashram fragte, erzählte er, dass Bhagavan den ganzen Abend auf diese Weise in völliger Selbstversunkenheit mit einem strahlenden und in die Ferne gerichteten Blick dagesessen habe und es damit eine besondere Bewandtnis haben müsse. Wir fragten uns, was es sein könnte. Als wir später ausführlich von Echammals Sterben hörten, stellten wir fest, dass sie an diesem Abend ab 5 Uhr im Todeskampf lag und dass um 9 Uhr, als Bhagavan davon berichtet wurde, ihr Todeskampf aufhörte und sie ein friedvolles Ende hatte. Da glaubten wir, dass Bhagavan diese grandiose strahlende Form angenommen hatte, um diese große Devotee von ihrem sterblichen Zustand zu befreien.
[10] näheres zu Echammal s. Ebert: Ramana Maharshi und seine Schüler, Band 1, S. 111-116. Sie hatte das Gelübde abgelegt, Sri Ramana täglich das Essen zu bringen. Suri Nagamma lebte in der ersten Zeit, die sie im Ashram verbrachte, bei ihr.
[11] Indisches Basilikum, auch „Heiliges Basilikum“ genannt, gilt als heiliges Kraut und spielt bei religiösen Zeremonien eine Rolle.
Das erste Almosen (Bhiksha) Top
Ein Devotee meinte: „So viel ich weiß, gibt es noch eine andere Geschichte, wie Sri Bhagavan zum ersten Mal zum Betteln in die Stadt ging.“ Bhagavan erzählte: „Ja, da war eine fromme Frau. Sie brachte mir oft etwas zu essen. Eines Tages richtete sie für alle Sadhus ein Fest aus und wollte mich zwingen, daran teilzunehmen. Ich gab ihr durch Zeichen zu verstehen, dass ich das nicht wollte und dass ich betteln gehen würde. Entweder musste ich mich jetzt hinsetzen und mit ihnen allen essen oder betteln gehen. Ich glaubte, dass letzteres Gottes Wille sei, und machte mich auf den Weg. Die Frau war sich nicht im Klaren darüber, was ich vorhatte, und schickte mir einen Mann hinterher. Da ich keinen anderen Ausweg mehr sah, ging ich zu einem Haus auf der linken Seite des Tempels und klatschte in die Hände [12]. Die Hausfrau hatte schon von mir gehört, erkannte mich und lud mich ein: „Komm herein, mein Sohn!“ Sie gab mir reichlich zu essen und sagte: „Mein Junge, ich habe einen Sohn verloren. Wenn ich dich sehe, erinnerst du mich an ihn. Komm doch jeden Tag.“ Später erfuhr ich, dass sie Muthamma hieß.“
[12] Das Händeklatschen signalisiert, dass ein Sadhu vor dem Haus steht und um Nahrung bittet. Ihm zu essen zu geben bedeutet Segen.
Woher weißt du, dass du nichts weißt? Top
Er antwortete: „Wenn ich all die Fragen höre, die die Leute stellen, und Bhagavans Antworten darauf, spüre ich, dass ich nichts weiß.“
„Das ist in Ordnung. Du hast herausgefunden, dass du nichts weißt. Das genügt schon. Was braucht es mehr?“
„Aber wie kann ich allein dadurch die Befreiung erlangen, Swami?“
Bhagavan erwiderte: „Warum nicht? Da ist einer, der weiß, dass er nichts weiß. Es genügt, wenn du nachforschen und herausfinden kannst, wer dieser Jemand ist. Das Ego entfaltet sich, wenn man glaubt, dass man alles weiß. Ist es stattdessen nicht viel besser, sich der Tatsache bewusst zu sein, dass man nichts weiß und sich dann zu fragen, wie man die Befreiung erlangen kann?“
Der Mann war glücklich über die Antwort und ging seiner Wege. Er mag die Kernaussage dieser Worte verstanden haben oder auch nicht, für uns hier waren sie wie die Worte des Evangeliums, die in unserem Innersten widerhallten.
Leoparden und Schlangen Top
So hör doch meine stumme Bitte! Top
Da verließ der Hund die Halle. Bhagavan sagte zu mir: „Hast du das gesehen? Der Hund hat mich gefragt, wo seine Leute hingegangen sind und wann sie zurückkehren. Sosehr die Leute auch versucht haben, ihn zu vertreiben, er hat sich nicht von der Stelle bewegt, bis ich seine Fragen beantwortet habe.“
Eines Tages hatte die Hausfrau den Hund mit einem Stock geschlagen und ihn einen halben Tag lang in ein Zimmer eingesperrt, weil er etwas angestellt hatte. Als sie ihn wieder herausließ, ging er schnurstracks zu Bhagavan, als wolle er sich gegen sie beschweren, und blieb vier oder fünf Tage im Ashram. Bhagavan sorgte dafür, dass er gefüttert wurde und stellte die Frau zur Rede: „Was hast du dem Hund angetan? Warum ist er so wütend auf dich? Er ist zu mir gekommen und hat sich beschwert. Worüber? Was hast du mit ihm gemacht?“
Sie gab schließlich ihre Schuld zu und brachte ihren Hund mit viel Zureden dazu, wieder mit ihr heimzukommen.
Das Streifenhörnchen Top

Bild 4: Das Streifenhörnchen
03.01.46: Weißt du, wie viel Freiheit sich unser Bruder, das Streifenhörnchen, mit Bhagavan herausnahm? Vor zwei oder drei Jahren gab es einen sehr mutwilligen Burschen unter ihnen. Als es eines Tages zur Fütterung zu Bhagavan kam, las Bhagavan gerade, womit sich das Füttern etwas verzögerte. Der Kerl fraß grundsätzlich nichts, wenn nicht Bhagavan selbst es ihm hinhielt. Da biss er ihn unerwartet in den Finger, weil es ihn ärgerte, dass er warten musste. Aber Bhagavan gab ihm immer noch nichts zu fressen. Amüsiert sagte er zu ihm: „Du bist ein freches Geschöpf! Du hast mich in den Finger gebissen! Geh, ich werde dich nicht mehr füttern.“ Für einige Tage fütterte er das Streifenhörnchen nicht mehr.
Aber gab der Bursche Ruhe? Nein. Er bettelte Bhagavan um Vergebung an, indem er hin und her sprang. Bhagavan legte die Nüsse auf den Fenstersims und auf das Sofa und sagte ihm, er möge sich selbst bedienen. Aber er rührte sie nicht einmal an. Bhagavan schien ihn nicht mehr zu beachten. Da kletterte der Kerl sein Bein hinauf, hüpfte auf ihn, kletterte auf seine Schultern und tat alles, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Da sagte Bhagavan zu uns: „Seht euch diesen Burschen an. Er bettelt darum, dass ich ihm vergebe, weil er mich so boshaft in den Finger gebissen hat, und dass ich ihn wieder mit eigener Hand füttere.“
Nach einigen Tagen musste Bhagavan sich schließlich geschlagen geben.
Doch das war noch nicht alles. Das Streifenhörnchen begann mit einigen aus seiner Gruppe auf dem Dach der Halle, genau über Bhagavans Sofa, ein Nest zu bauen. Sie quetschten Fäden, Kokosnussfasern und ähnliches zwischen die Dachbalken. Wenn es windig war, fielen diese Dinge immer herunter. Die Leute ärgerten sich darüber und vertrieben die Streifenhörnchen. Bhagavan war sehr bekümmert, dass es für die Streifenhörnchen nicht genügend Platz gab, um ein Nest zu bauen und dass die Leute sie vertrieben. Wir mussten dann nur sein Gesicht beobachten, um seine tiefe Liebe und Zuneigung für diese Lebewesen zu erkennen.
Als ich Bhagavan erzählte, dass ich dir von den Streifenhörnchen geschrieben habe, meinte er erfreut: „Es gibt noch eine Geschichte über sie. Vor einiger Zeit hatten sie ein Nest neben dem Dachbalken über mir gebaut. Sie hatten Junge und diese hatten wieder Junge. So wurde die Familie sehr groß. Sie spielten auf meinem Sofa, wie es ihnen gefiel. Wenn ich spazieren war, haben sich einige kleine Streifenhörnchen unterm Kissen versteckt, und wenn ich mich nach meiner Rückkehr auf dem Kissen zurücklehnte, wurden sie zerdrückt. Wir konnten es nicht länger ertragen. Deshalb vertrieb Madhava die Streifenhörnchen aus ihrem Nest und vernagelte es mit Holzbrettern. Es gäbe viele Geschichten über sie, wenn man sich die Mühe machen würde, sie aufzuschreiben.“
Die Bedeutung der Dinge Top
Vor einiger Zeit brachte jemand Meerwasser. Bhagavan nahm es mit den Worten entgegen: „Bis jetzt sind alle Flüsse zu mir gekommen, aber jetzt kommt zum ersten Mal das Meer. Das ist sehr gut. Gib es her.“
Da erinnerte ich mich mit einem Mal an die alten Überlieferungen, die besagen, dass alle Flüsse, Meere und Gottheiten zu solchen Weisen wie Ramana kommen, um ihnen zu huldigen. Ich dachte immer, dass das eine poetische Übertreibung sei, denn Steine und Wasser können nicht zu den Orten gehen, wo die Großen leben. Aber jetzt erkenne ich, dass die heiligen Wasser, die heilige Asche und ähnliches von den Verehrern zu Bhagavan gebracht werden und er sie mit den Worten annimmt: „Sie sind gekommen.“ Ich kann jetzt aufgrund der Ereignisse, die in der direkten Anwesenheit der Mahatmas geschehen, begreifen, dass man die innere Bedeutung der Dinge sorgfältig herauslesen sollte.
[13] Pilger-Städte in Tamil Nadu
[14] die jeweiligen Gottheiten der Orte
Moksha (Befreiung) Top
Derselbe Gedanke ist auch im Maharatnamala zu finden, wo es heißt: „Die völlige Zerstörung der Vasanas (Wünsche, Neigungen) ist Brahman und Moksha.“
Die Verehrung der Kuh Top

Bild 5: Ramana und Lakshmi
16.01.46: Gestern wurde das Fest der Kühe (Mattu Pongal) [15] begangen. An diesem Tag wird im ganzen Land das Vieh geschmückt und mit Pongal [16] gefüttert. Gestern Vormittag bereitete man im Ashram verschiedene Süßigkeiten zu und fertigte Girlanden daraus. Der Kuhstall wurde reichlich geschmückt, die Kühe wurden gebadet und erhielten einen roter Punkt auf ihre Stirn. Sie bekamen Girlanden um die Hälse und wurden mit Pongal gefüttert. Schließlich folgte die Puja mit Singen von Mantren und Zerbrechen von Kokosnüssen.
Lakshmi ist die Königin der Kühe. Du solltest ihre Würde sehen! Ihre Stirn war mit Kumkum verziert. Um ihren Hals und ihre Hörner hingen Girlanden aus Rosen, anderen Blumen, Esswaren und Süßigkeiten. Zudem trug sie Girlanden aus Bananen, Zuckerrohrstückchen und Kokosnusskernen um ihren Nacken. Der Kuhhüter war selbst damit nicht zufrieden und brachte von Zuhause noch eine zusätzliche Girlande aus Appetithappen mit, die er Lakshmi umlegte. Als Niranjanandaswami (der Ashram-Verwalter) ihn fragte, warum er das täte, antwortete er mit berechtigtem Stolz, dass dies für ihn ein jährlicher Brauch sei.
Bhagavan ging um 10 Uhr zum Kuhstall hinüber. Als er auf einem Stuhl neben Lakshmi saß und sich an ihrem schönen Schmuck freute, brachten Devotees brennenden Kampfer und sangen vedische Hymnen. Einige Devotees wollten Lakshmi fotografieren. Man führte sie in die Mitte des Kuhstalls und bat die Devotees, für sie Platz zu machen. Lakshmi warf ihren Kopf anmutig zurück. Bhagavan stellte sich neben sie, tätschelte sie mit seiner linken Hand und sagte: „Halte bitte still.“ Lakshmi schloss langsam die Augen und verharrte völlig bewegungslos, als wäre sie in Samadhi. Sri Ramana legte seine linke Hand auf ihren Rücken und hielt in seiner Rechten den Gehstock. So stand er würdevoll neben Lakshmi, als der Fotograf zwei oder drei Fotos machte. Man muss diesen Anblick gesehen haben, um ihn richtig würdigen zu können.
[15] der 3. Tag des Pongal-Festes (eine Art indisches Erntedankfest Mitte Januar) ist den Hoftieren gewidmet, v. a. den Kühen und Bullen
[16] Das Pongal-Gericht besteht aus Reis mit frischer Milch und Sirup aus dem Palmzucker der neuen Ernte.
Die beiden Tauben Top
Die Devotees benötigten fast eine Stunde, um einen Käfig aufzutreiben. Als der Käfig gebracht wurde, streichelte Bhagavan sie, setzte sie hinein und redete ihnen gut zu: „Geht hinein. Ihr werdet in dem Käfig sicher sein.“
Als die Tauben auf seinem Schoß saßen, fragte ein Devotee: „Wozu soll das gut sein?“ Bhagavan antwortete: „Wer weiß? Sie sind hergekommen und wollen nicht mehr zurück. Sie sagen, dass sie hier bleiben wollen. Eine weitere Familie ist aufgetaucht, als ob die, die ich bereits habe, nicht schon groß genug wäre.“
Lieber Bruder, es ist sehr interessant, diese seltsamen Begebenheiten zu beobachten. Vom Herrscher Bharata [17] wird berichtet, er habe der Welt entsagt und sich strenger Askese unterworfen. Aber gegen Ende seines Lebens dachte er nur noch an sein Reh und wurde deshalb in seinem nächsten Leben als Reh wiedergeboren. In den heiligen Schriften des Vedanta wie dem Bharatham und dem Bhagavatham gibt es viele solche Geschichten. Bhagavan hat zu uns vor langer Zeit gesagt: „Jedes Lebewesen, das zu mir kommt, muss die Differenz seines Karmas ausgleichen. Hindert deshalb niemanden daran, zu mir zu kommen.“ Als ich die Tauben betrachtete, kam mir der Gedanke, dass sie vielleicht große Heilige waren, die von ihrer strengen Meditation abgefallen sind. Wie hätten sie sonst auf Bhagavans Schoß kommen können, ein Privileg, das für gewöhnliche Menschen unmöglich ist?
[17] Nach der Hindu-Mythologie ist Bharata der erste Herrscher, der Indien einte. Als Bharata alt wurde, übergab er seinem Sohn die Herrschaft und zog sich zu einem asketischen Leben an einen Fluss zurück. Dort rettete er ein Rehkitz und zog es auf. Das Reh wurde ihm so teuer, dass er darüber seine spirituellen Übungen vergaß und nur noch an das Reh dachte. Deshalb wurde er im nächsten Leben als Reh wiedergeboren.
Die Gepardenjungen Top

Bild 6: Ramana und ein Gepardenbaby
Ein Devotee fragte: „Stimmt es, dass jemand aus Furcht vor einem Tiger geflohen ist, als du im Pachiamman-Tempel [18] gelebt hast?“ Bhagavan bestätigte das. „Als ich dort lebte, besuchte mich Rangaswami Iyengar. Er ging hinaus um auszutreten und bemerkte ein Tigerweibchen im Gebüsch. Als er sie mit Schreien vertreiben wollte, gab sie ein schwaches Gebrüll von sich. Er zitterte vor Angst, sprang auf, kam atemringend zu mir gerannt und schrie: „Bhagavan! Ramana! Ramana!“ Als ich ihn fragte, warum er solche Angst habe, rief er händeringend: „Hilfe, ein Tiger! Komm, Swami, wir müssen in den Tempel und alle Türen verschließen, sonst kommt er herein! Warum kommst du nicht?“ Ich erwiderte lachend: „Lass uns abwarten. Wo ist der Tiger? Ich sehe ihn nirgends.“ Er zeigte auf das Gebüsch: „Da, in diesem Busch.“ Ich sagte: „Du wartest hier. Ich sehe nach.“ Ich konnte keinen Tiger entdecken, doch er konnte seine Angst immer noch nicht ablegen. Ich versicherte ihm, dass es ein harmloses Tier sei und es keinen Grund zur Furcht gäbe, aber er glaubte mir nicht.
An einem anderen Tag saß ich auf dem Rand des Wasserbeckens dem Tempel gegenüber. Da kam das Tigerweibchen zur Tränke und strich eine Weile furchtlos umher, sah mich an und ging wieder. Iyengar hatte sich im Tempel versteckt und alles beobachtet. Er hatte Angst, dass mir etwas zustoßen könnte. Als der Tiger fort war, ging ich in den Tempel und beruhigte ihn: „Sieh doch, was für ein sanftes Tier es ist! Wenn wir es bedrohen, wird es uns angreifen, aber sonst nicht.“ Damit konnte ich ihm seine Angst nehmen.“
[18] Ramana lebte 1905 während einer Pest-Epidemie sechs Monate lang im Pachiamman-Tempel.
Medikamente, die nicht helfen Top
Es heißt, dass ein großer Yogi immerwährende Seligkeit genießt, als wäre er ein Kind oder ein Narr. Er weiß alles, aber er benimmt sich so, als wüsste er nichts. Könnte Bhagavan nicht jede Krankheit heilen, wenn er nur wollte? Könnte er sich nicht selbst heilen? Er überlässt es anderen, weil er seinen Körper nicht als den seinen betrachtet.
Als Bhagavan vor zwei oder drei Jahren die Gelbsucht hatte, widerstand ihm das Essen. Eine Woche oder zehn Tage lang aß er nur Puffmais und ähnliches. Da Echammal und Mudaliar Pati sich das Gelübde auferlegt hatten, erst dann selbst zu essen, wenn Bhagavan wenigstens einen Bissen von ihrem Essen genommen hatte, nahm er ein paar Körner vom Reis der beiden Frauen, mischte sie unter den Puffmais und würgte es hinunter, damit sie an ihrem Gelübde festhalten konnten. Sein Wohlwollen und die Beachtung der Gefühle seiner Devotees ist grenzenlos, wie immer die Situation auch aussehen mag. Er lässt nicht zu, dass jemand verletzt oder irgendwie gekränkt wird.
Viele Ärzte gaben ihm Medikamente für seine Gelbsucht. Bhagavan nahm sie ein, damit sie zufrieden waren. Aus demselben Grund aß er von den Gerichten der Frauen. Die gute Wirkung von ersterem und die schlechte von letzterem glichen sich aus. Es vergingen Monate. Die Gelbsucht hielt an. Da bestellte man einen bekannten Arzt aus Madras. Doch es änderte sich immer noch nichts. Nachdem alle Ärzte gescheitert waren und man alle Arzneien erfolglos ausprobiert hatte, heilte er sich selbst mit getrocknetem Ingwer, Brechwurzel und anderen ayurvedischen Kräutern.
Der Geschmack der Hingabe (Bhakti) Top
Die göttliche Waffe Top

Bild 7: Omkar, das Sanskrit-Zeichen für OM
22.01.46: Gestern kam ein Junge von etwa 18 Jahren auf dem Fahrrad hierher. Nachdem er eine viertel Stunde in der Halle gesessen hatte, ging er zu Bhagavan und fragte ihn: „In was geht man ein, wenn man Omkar (das Sanskrit-Zeichen für OM) [19] überquert hat?“ Bhagavan antwortete lächelnd: „Ach! Woher kommst du jetzt? Wohin gehst du? Was möchtest du wissen? Wer bist du in Wirklichkeit? Wenn du mir zuerst sagst, wer du bist, darfst du mich über Omkar fragen.“ „Ich weiß nicht einmal das“, antwortete der Junge. Bhagavan erwiderte: „Du weißt aber mit Sicherheit, dass du existierst. Wie bist du gegenwärtig? Wo warst du zuvor? Was genau ist dein Körper? Finde das zuerst heraus. Wenn du das alles weißt, kannst du mir Fragen stellen, falls du immer noch Zweifel hast. Warum sollen wir uns darum kümmern, in was Omkar eingeht und was danach kommt, wenn es aufgehört hat zu existieren? In was gehst du letztlich ein? Wie kommst du zurück? Wenn du zuerst die Wahrheit über deinen Zustand und deine Bewegungen herausfindest, können wir über den Rest nachdenken.“
Der Junge wusste nichts zu antworten, verneigte sich vor Bhagavan und ging. Welch andere göttliche Waffe gibt es gegen einen Frager? Wenn diese Waffe zur Anwendung kommt, verstummt der Frager.
Als vor zwei oder drei Jahren ein Sannyasin damit prahlte, alle religiösen Bücher gelesen zu haben und Bhagavan alle möglichen Fragen stellte, gab er ihm wiederholt dieselbe Antwort: „Finde heraus, wer du bist.“ Als der Sannyasin immer noch nicht von seinen bedeutungslosen Fragen und Argumenten abließ, erwiderte Bhagavan entschieden: „Du hast mir so viele Fragen gestellt und so viele Argumente vorgebracht. Warum antwortest du nicht zuerst auf meine Frage und argumentierst dann? Wer bist du? Beantworte erst meine Frage, dann werde ich dir eine passende Antwort geben. Sage mir zuerst, wer es ist, der argumentiert.“ Er konnte darauf nichts sagen und ging.
Einige Zeit später schrieb ich fünf Strophen über „die göttliche Waffe“ (Divya Asthram) und zeige sie Bhagavan. Er erinnerte sich: „Vor langer Zeit waren Nayana (Ganapati Muni) und Kapali hier. Wenn einer von ihnen mich etwas fragen wollte, faltete er zuerst die Hände und sagte: „Swami, ich werde dir eine Frage stellen, wenn du versprichst, nicht deine göttliche Waffe (Brahmasthram) anzuwenden.“ Wenn mir während des Gesprächs die Worte „Wer bist du?“ entwichen, sagte er: „Jetzt hast du doch deine göttliche Waffe (Brahmasthram) abgefeuert. Was kann ich jetzt noch sagen?“ Sie nannten es „Brahmasthram“ und du nennst es „Divya Asthram“.
Von da an gebrauchte auch ich das Wort „Brahmashtram“ für die göttliche Waffe. Wer wird von dieser Waffe nicht niedergezwungen?
[19] Omkar: das Sanskrit-Zeichen für OM, symbolisiert den schöpferischen Klang, sowie die vier Zustände von Wachen, Träumen, Tiefschlaf und absolutem Bewusstsein. Der Junge stellt hier eine rein philosophische Frage.
Die Theta-Gita Top
Als ich gestern früh zum Parayana kam, gab er mir ein Blatt Papier, auf dem der Vers ins Reine geschrieben war. Als ich ihn zuhause studierte, kamen mir Zweifel, ob ein bestimmter Buchstabe richtig geschrieben war. Zudem überkam mich der Wunsch, ihn in das Notizbuch des Ashrams zu schreiben und das Original für mich zu behalten. Deshalb schnitt ich das Blatt schön mit der Schere zurecht, legte es in meine Tasche und ging zum Ashram. Bhagavan meinte über den zweifelhaften Buchstaben: „Er muss verbessert werden. Gib mir mein Blatt zurück. Ich sollte es vorzeigen können, wenn jemand danach fragt.“ Er konnte erraten, was ich im Sinn hatte. Ich war verblüfft.
Als Bhagavan wie ein Schuljunge darauf bestand, dass ich seinen Zettel zurückgab, schämte ich mich über meinen Wunsch, fürchtete mich vor seiner Schelte und war zugleich über seine neckischen Worte amüsiert.
„Ich habe ihn dabei,“ erwiderte ich und gab den Zettel her. Er nahm ihn und legte ihn sorgsam beiseite, als handelte es sich um einen großen Schatz.
Der Vers lautet:
„Genauso wenig wie ein Betrunkener sich dessen bewusst ist, ob er Kleider anhat oder nicht, beachtet der Siddha diesen vergänglichen Körper, ob er nun sitzt oder steht, ob er dem Schicksal unterworfen oder frei von ihm ist, da er seine wahre Form erlangt hat.“
[20] die tröstenden Worte Krishnas in Liedform an seinen Freund Uddhava, bevor er starb
Zorn Top
Bhagavan antwortete lachend: „Was du tun sollst? Leiste deinem Beleidiger Gesellschaft und beleidige dich selbst. Dann kommt alles in Ordnung.“ Alle lachten.
Der Devotee konnte das nicht verstehen und fragte: „Ich soll mich also selbst beleidigen?“
Bhagavan sagte: „Ja, natürlich! Was die Leute beleidigen, ist dein Körper, nicht wahr? Welchen größeren Feind gibt es als diesen Körper, der die Wohnstatt von Zorn und ähnlichen Gefühlen ist. Wir müssen ihn deshalb hassen. Wenn wir unbedacht sind und jemand uns beleidigt, sollten wir wissen, dass er uns wachrüttelt. Wenigstens dann sollten wir es begreifen und ihn darin unterstützen und den Körper niederschreien. Was nützt es schon, die Beleidigung zurückzugeben? Wir sollten jene, die uns beleidigen, als unsere Freunde betrachten. Es ist für uns gut, unter solchen Leuten zu sein. Wenn du unter Leuten bist, die dich preisen, wirst du nur getäuscht.“
Im Juni 1924 waren Diebe in den Ashram eingebrochen und hatten nicht nur die Devotees verprügelt, sondern auch Bhagavan auf den Schenkel geschlagen. Als die Devotees darüber berichteten, welche Schläge sie einstecken mussten, entrüsteten sie sich: „Diese üblen Burschen haben sogar Bhagavan geschlagen!“ Es ist überliefert, dass Bhagavan erwidert haben soll: „Ihr alle verehrt mich mit Blumen. Sie haben mich mit einem Stock verehrt. Das ist auch eine Form der Verehrung. Wenn ich die eure annehme, soll ich die ihre dann nicht auch annehmen?“ [21]
[21] näheres zum Einbruch im Ashram s. Ebert: Ramana Maharshi: Sein Leben, S. 101f
Das Lied von Avvaiyar Top
Astrale Pfade – Höhere Welten Top
Bücher Top
Der Schüler war zufrieden und ging ermutigt fort. Ein anderer Schüler nahm den Gesprächsfaden wieder auf: „Bhagavan, du hast ihm eine merkwürdige Antwort gegeben.“ „Was ist daran merkwürdig?“, fragte Bhagavan. „Es ist wahr. Welche Bücher habe ich schon gelesen, als ich jung war? Was habe ich von anderen gelernt? Ich war immer in Meditation versunken. Nach einiger Zeit brachte Palaniswami Bücher der Vedanta-Literatur, die er sich von verschiedenen Leuten geliehen hatte, und las sie vor. Er machte viele Fehler. Er war schon älter und nicht belesen, doch sehr aufs Lesen erpicht. Er war beharrlich und las mit religiösem Eifer. Deshalb war ich darüber glücklich. Als ich selbst diese Bücher las, um ihm ihren Inhalt zu erzählen, wurde mir klar, dass ich alles bereits erfahren hatte, was in ihnen geschrieben steht. Ich war überrascht. Ich fragte mich: „Wie kommt das? In diesen Büchern steht bereits alles über mich selbst.“ Es ging mir mit allen Büchern gleich. Alles, was dort geschrieben stand, hatte ich bereits erlebt. Ich verstand die Texte unmittelbar. Wozu Palaniswami zwanzig Tage brauchte, las ich in zwei Tagen. Er gab die Bücher zurück und brachte neue. Auf diese Weise erfuhr ich, was in den Büchern steht.“
Einer der Schüler meinte: „Vielleicht hat Sivaprakasam Pillai deshalb in Bhagavans Biografie geschrieben: „Er ist ein Brahma Jnani, ohne den Namen Brahmans zu kennen.“ Bhagavan bestätigte es: „Ja, ja! Das ist richtig. Darum sollte man zuerst sich selbst kennen, bevor man ein Buch liest. Wenn man das tut, wird man erkennen, dass das Buch lediglich das beinhaltet, was man selbst erfahren hat. Wenn man sein Selbst nicht im Blick hat und ein Buch liest, findet man viel Mangelhaftes.“ „Ist es für alle möglich, wie Bhagavan zu werden? Ein Buch kann uns zumindest helfen, unsere Fehler zu korrigieren“, meinte der Schüler. Bhagavan erklärte: „So ist es. Ich habe nicht gesagt, dass Lesen nicht hilft. Ich habe lediglich gesagt, dass ungebildete Menschen nicht denken müssen, sie könnten deshalb nie die Befreiung erlangen, und den Mut verlieren. Sieh nur, wie niedergeschlagen er war, als er mich danach fragte. Wenn man ihm die Tatsachen nicht richtig erklärt, wird er weiterhin niedergeschlagen sein.“
Krankheit Top
Glücklich sind jene, die nur ein Lendentuch tragen Top
Da das Handtuch immer mehr zerriss und inzwischen tausend Löcher hatte, behielt ich es nicht mehr bei mir, damit Sesha Iyer und andere es nicht zu sehen bekamen. Ich benutzte es nach dem Baden, ließ es trocknen und versteckte es im Loch eines Baumstamms im Tempelbereich. Als ich eines Tages nicht da war, fanden Sesha Iyer und die anderen zufällig das Handtuch, als sie nach etwas anderem suchten und das Loch im Baumstamm erkundeten. Als sie sahen, in welchem Zustand es war, machten sie sich Vorwürfe über ihre Nachlässigkeit und entschuldigten sich wortreich, als ich zurückkehrte. „Was ist los?“, fragte ich. „Trocknest du dich täglich nach dem Baden mit diesem Handtuch ab, das tausend Löcher hat? Wir schämen uns, dass wir dir so nachlässig gedient haben. Wir wussten es nicht einmal.“ Daraufhin brachten sie mir einige Bündel Handtücher.
Zuvor war noch etwas anderes geschehen. Mein Lendentuch (Koupina) war zerrissen. Ich bitte normalerweise niemanden um etwas. Die Schicklichkeit musste aber gewahrt bleiben. Woher konnte ich Nadel und Faden bekommen, um das Koupina zu flicken? Schließlich fand ich einen Dorn, machte ein Loch hinein, zog aus dem Koupina einen Faden, steckte ihn in das Loch und flickte so den Stoff. Um die geflickte Stelle zu verbergen, legte ich immer eine entsprechende Falte, bevor ich es anzog. So verging die Zeit. Was brauchten wir schon? Was für Tage waren das!“
Befreiung (Moksha) im Körper Top
Wir wissen nicht, was im nächsten Augenblick mit etwas geschieht, das wir jetzt sehen. Man kann keinen Friede finden, solange man nicht durch Selbstergründung begreift, dass man nicht der Körper ist und durch Vairagya (die Abkehr von weltlichen Wünschen und Leidenschaften) aufhört, sich um ihn zu kümmern. Moksha ist, wenn man vollkommenen Frieden (Shanti) erlangt hat. Da man diesen Frieden nicht finden kann, solange man den Körper mit dem Selbst identifiziert, vermehrt jeder Versuch, den Körper für immer zu erhalten, die Bindung anstatt sie aufzulösen. Es ist eine Illusion.“
Unsterbliche Lebewesen Top
Uma Top
„Es gibt noch eine andere Geschichte. Parvati begann mit ihren Bußübungen (Tapas), obwohl Menaka alles versuchte, es ihr auszureden. Da sie sich nicht davon abbringen ließ, brachte Himavantha Parvati zu der Einsiedelei, in der Shiva in Gestalt von Dakshinamurti lebte, und sagte zu ihm: „Mein Kind möchte Tapas tun. Bitte, nimm es in deine Obhut.“ Als Shiva Parvati sah, meinte er: „Warum will sie in diesem zarten Alter Buße tun? Warum geht sie nicht mit ihrem Vater heim?“ Parvati erwiderte: „Ich will nicht.“ Da versuchte Parameswara (Shiva) es ihr mit Geschick auszureden, indem er zu ihr sagte: „Ich habe die Natur (Prakriti) überwunden und kann mich deshalb auf dieses Tapas konzentrieren. Wenn du hier bleibst, wirst du den Heimsuchungen der Natur ausgesetzt sein. Bitte, geh zurück.“ Parvati erwiderte ebenso gewandt: „Oh Herr, du sagst, dass du die Natur überwunden hast. Doch wie kannst du ohne eine Beziehung zur Natur Tapas tun? Du hast soeben gesprochen. Wie kannst du das ohne die Natur tun? Wie kannst du gehen? Ohne dass du dir dessen bewusst bist, bewohnt die Natur dein Herz. Wenn du nicht nur argumentieren willst, sondern wirklich über den Einflüssen der Natur stehst, warum fürchtest du dich dann davor, dass ich hier bleiben will?“ Shiva war mit der Antwort zufrieden und sagte: „Du kannst Gedanken lesen und gewandt sprechen. Also bleib!“ Und er schickte Himavantha heim. Die Geschichte wird ausführlich in diesem Buch erzählt.“
Ich sagte: „Die Geschichte ist auch im Bhagavatham zu finden, aber nicht dieses Gespräch. Sie ist sehr interessant. Bhagavan meinte lachend: „Ja, ja. Ich habe anderswo noch eine andere Geschichte gelesen. Dort wird folgendes erzählt: Nachdem Kama (der Liebesgott) [von Shiva] zu Asche verbrannt worden war, kam Parameswara (Shiva) im Gewand eines Brahmanen zu Parvati, liebte sie und heiratete sie. Himavantha machte sich über die Kaste seines Schwiegersohnes Sorgen. Was konnte er tun? Wen immer er auch fragte, keiner wusste ihm einen Rat. So schwieg er künftig darüber. Da geschah es, dass Parvati aus Spaß die Augen Parameswaras schloss, worauf die ganze Welt ins Chaos stürzte. Parameswara rettete die Welt, indem er das dritte Auge öffnete. Da erkannte Parvati ihre Schuld und unterwarf sich Bußübungen. Sie verweilte an verschiedenen Orten. Als sie schließlich hierher kam, billigte Arunachaleswaras ihr Tapas und sie erhielt den halben Leib Shivas. Als Himavantha davon erfuhr, sagte er: „Mein Schwiegersohn stammt nicht aus einer anderen Kaste, sondern gehört der unseren an.“ Und er war zufrieden und glücklich. Arunachala ist ein Berg. Himavantha ist auch ein Berg (im Himalaja).“
Sein, Bewusstsein und Seligkeit Top
Was Pradakshina wirklich bedeutet Top
Dann erläuterte Bhagavan uns allen: „Was bedeutet Pradakshina? Shankara hat es so formuliert: „Das wahre Pradakshina ist die Meditation, dass tausende von Welten sich um den Höchsten Herrn drehen, der die unbewegte Mitte aller Gestalten ist.“ Derselbe Gedanke wird ausführlicher vom Autor der Ribhu Gita in Tamil ausgedrückt. Bhagavan nahm das Buch und las uns die Stelle vor: „Oh Herr, ich habe die ganze Welt umrundet, um Dir zu Ehren Pradaskhina zu tun, aber Du bist überall in Fülle. Wie könnte ich da eine Runde vollenden? Ich werde dich als die unbewegliche, vollständige Gestalt der Welt verehren. Das ist das einzige Pradakshina für dich.“
Namaskar bedeutet dasselbe. Das Eingehen des Geistes ins Selbst ist Namaskar und nicht nur der Akt des Sich-Verbeugens, wenn du aufsteht, dich hinsetzt, gehst oder kommst.“
Dr. Srinivasa Rao meinte: „Was du über Pradakshina, Namaskar und ähnliches sagst, mag für jene gelten, die schon höher entwickelt sind, aber ist es für uns nicht nötig, dass wir uns vor dem Guru verneigen? Es heißt, dass die Haltung des Advaita nicht auf den Guru angewandt werden soll, selbst dann nicht, wenn sie auf die drei Welten [24] angewandt wird.“
„Ja, so ist es. Die Haltung des Advaita bedeutet nicht, dass du dich nicht verneigen sollst und ähnliches. Man sollte es nur nicht damit übertreiben. Advaita sollte die Grundhaltung des Geistes sein. Es taugt aber nichts für die äußeren, weltlichen Angelegenheiten. Du sollst alles als gleichwertig betrachten, aber können wir deshalb dasselbe wie ein Hund essen? Einem Vogel genügt eine Handvoll Körner, aber genügt sie uns auch? Wir nehmen eine bestimmte Menge an Nahrung zu uns, aber würde sie auch für einen Elefanten ausreichen? Du sollst die Haltung des Advaita nur im Geist hegen, aber in den anderen Dingen der Welt folgen. Obwohl der Jnani weder Schmerz noch Freude kennt, tut er alles den anderen zuliebe. Er ist wie einer von jenen, die sich auf Bestellung und gegen Bezahlung an die Brust schlagen und laut weinen. Das ist alles. Er wird davon nicht berührt.“
Jemand fragte: „Was meinst du mit jenen, die sich für Geld an die Brust schlagen und weinen?“ Bhagavan erwiderte: „Früher gab es diese Praxis. Was sollte man tun, wenn ein älterer Mensch starb und keiner um ihn weinte? Jemand musste um die tote Person weinen. So war es Brauch. Deshalb gab es Professionelle, die gegen Bezahlung weinten. Wenn man sie bestellte, weinten sie bitterlicher als die Angehörigen eines Toten. Sie weinten methodisch und in allen Spielarten, indem sie sich an die Brust schlugen und Tränen vergossen, die sie entweder durch ständige Übung zum fließen brachten oder indem sie sich Zwiebelsaft in die Augen träufelten. Sie spulten dieses Programm ordnungsgemäß ab. Auf dieselbe Weise verhält sich der Jnani gegenüber den Wünschen anderer. Er hält den Takt zu jeder Melodie. Da er über große Erfahrung verfügt, ist ihm nichts neu. Er geht zu jedem, der ihn ruft. Er legt jedes Gewand an, das man ihn zu tragen bittet. Es ist alles für das Wohl anderer, da er sich nichts für sich selbst wünscht. Er handelt nach dem Wunsch desjenigen, die ihn bitten.“
Ich habe eine Belehrung (Upadesa) erhalten. Sri Bhagavans Stimme schien zu sagen: „Wenn ich in meiner Fülle überall bin, wie kannst du dann Pradakshina für mich tun? Glaubst du denn, dass ich ein Steinbildnis in einem Tempel bin, das du immer wieder umrunden musst?“
[23] Pradakshina: die Umrundung eines heiligen Objektes (eines Tempels, heiligen Berges oder Gurus) im Urzeigersinn ist eine gebräuchliche Form der hinduistischen Verehrung.
[24] drei Welten: physikalische Welt, subtile, geistige Welt und Welt der Götter
Mitgefühl mit allen Top
Als Bhagavan vom Kuhstall zurückkam, hatten die Devotees die Blätter zu einem Haufen gesammelt und baten ihn um Vergebung. Bhagavan ging in die Halle und sagte: „Wie grausam! Seht bloß wie viele Schläge der Baum erhalten hat! Wie groß ist der Haufen Blätter!“
Als Bhagavan in der Virupaksha-Höhle lebte, hatte Echammal jeweils ein Bild von Bhagavan und von Seshadri Swami in ihrem Haus aufgestellt und wollte eine Puja mit hunderttausend zarten Blättern begehen. Sie begann damit, nachdem sie Bhagavan über ihr Vorhaben informiert hatte. Nachdem sie die Puja mit fünfzigtausend Blätter beendet hatte, war der Sommer gekommen und sie konnte keine Blätter mehr finden, obwohl sie den ganzen Berg danach absuchte. Sie wurde dessen müde und ging zu Bhagavan, um ihm von ihrer Not zu berichten. Bhagavan meinte: „Wenn du keine Blätter mehr finden kannst, warum zwickst du dich stattdessen nicht selbst und macht so deine Puja? „Aber das tut weh!“ Bhagavan erwiderte: „Wenn es dir weh tut, wenn du dich in den Körper kneifst, tut es dann nicht auch dem Baum weh, wenn du ihm seine Blätter abzwackst?“ Sie wurde blass und fragte: „Swami, warum hast du mir das nicht früher gesagt?“ Er antwortete: „Wenn du weißt, dass es schmerzhaft ist, wenn der Körper gekniffen wird, warum weißt du dann nicht, dass es für den Baum genauso schmerzhaft ist, wenn du ihn seiner Blätter beraubst? Muss ich dir das wirklich sagen?“
Dass die zarten Blätter nicht von den Bäumen gepflückt werden sollten, steht auch im Devikalottera Stotram [25]. Dort heißt es: „Man soll keine Wurzeln ausreißen und keine Blätter abreißen. Man soll keine Lebewesen verletzen und keine Blumen pflücken.“
[25] eine der heiligen Schriften
Das, was ist, ist nur das Eine Top
„Das, was nie zerstört werden kann, nennt man Allah. Wenn du zuerst die Wahrheit über dich selbst herausfindest, wird sich dir die Wahrheit über Allah von selbst eröffnen.“
Das war genug, um ihn loszuwerden. Er ging mit seinen Freunden wieder. Kurz nachdem sie fort waren sagte Bhagavan zu den Devotees in seiner Nähe: „Er möchte Allah sehen. Ist es denn möglich, ihn mit diesen Augen zu sehen? Wie könnten diese Augen ihn wahrnehmen?“
Vor vier oder fünf Tagen fragte ein Devotee, der im Ashram lebt: „Du hast einmal gesagt, dass sich auch die Seligkeit (Ananda) auflöst. Wenn es so ist, was bedeutet dann Dhyanam (Meditation), Samadhi (Versenkung) und Samadhanam [26]?“
Bhagavan erklärte: „Was ist mit Auflösung gemeint? Es sollte nicht mit der Seligkeit (Ananda) enden. Es muss jemanden geben, der die Seligkeit erfährt. Solltest du ihn nicht kennen? Wenn du diesen Jemand nicht kennst, wie kann es sich dann um Dhyanam (Meditation) handeln? Wenn derjenige bekannt ist, der das alles erlebt, weiß man, dass dieser Eine das Selbst ist. Wenn man zum eigenen Selbst wird, wird das zu Dhyanam. Dhyanam bedeutet das eigene Selbst. Das ist Samadhi. Das ist auch Samadhanam.“
[26] die vollkommene Versunkenheit aller Gedanken in das Objekt der Meditation, d.h. Versunkenheit in den Höchsten Geist.
Die schwarze Kuh Top
Die Gestalt des Höchsten Seins Top
Das Höchste Sein schien auf Bhagavans Gesicht zu tanzen. Dieses vor Glück strahlende Gesicht muss man gesehen haben. Obwohl der junge Mann seine Worte nicht verstand, war er mit seinem gnadenvollen Blick zufrieden, verneigte sich vor Bhagavan und ging mit seinen Leuten wieder.
Als sie fort waren, sagte Bhagavan voll Begeisterung zu einem Devotee, der in seiner Nähe saß: „Die wahre Bedeutung ist schon in seinen eigenen Worten enthalten. Paratpara Rupam bedeutet die Form oder Gestalt des Höchsten Seins, des Allerhöchsten. Er hat die Bedeutung seiner Frage nicht verstanden. Wenn man sie versteht, ist die Antwort bereits in der Frage enthalten.“
Die Ethik des sozialen Lebens Top
Was ist der Wagen? Top
Gestern erfuhr Bhagavan, dass die beiden Kinder noch am selben Tag nach Hause zurückkehren würden. Als er zu seinem Spaziergang um 9.45 aufbrach und Vidya beim Ashramtors stehen sah, ergriff er ihre Hand und sagte: „Kind! Kannst du auch mich mitnehmen? Schnüre mich fest zusammen, setz mich in einen Wagen und bring mich fort.“
Bevor Vidya ging, brachte sie seine Fotos zu ihm, um sie ihm zu zeigen. Als er die Fotos sah, sagte Bhagavan sagte: „Du bringst mich also fort! Schnüre mich fest zusammen und wirf mich auf den Wagen.“ Alle Anwesenden waren glücklich und Vidya rief übermütig: „Ja, ich nehme Großvater Bhagavan mit!“
Japa, Tapas und ähnliches Top
Der Brahmane frage: „Löscht nicht der Verdienst, den man sich durch gute Taten (wie Japa) erwirbt, die Folgen der Sünden aus?“
Bhagavan erklärte: „So lange das Gefühl, der Täter zu sein, da ist, muss man auch die Folgen seiner Taten erleben, seien sie nun gut oder schlecht. Wie könnte man eine Tat mit einer anderen Tat auslöschen? Wenn das Gefühl, der Täter zu sein, verschwunden ist, beeinträchtigt den Menschen nichts mehr. Solange man das Selbst nicht verwirklicht hat, wird das Gefühl „ich tue“ nicht verschwinden. Doch wozu sollte der Selbstverwirklichte noch Japa üben? Wozu sollte er Tapas üben? Das Leben geht seinem Prarabdha Karma (seinem Handeln im vorherigen Leben) gemäß weiter, aber er wünscht sich nichts mehr. Prarabdha Karma besteht aus drei Kategorien: Ichha (persönliche Wünsche), Anichha (Wunschlosigkeit) und Parechha (den Wünschen anderer zu entsprechen). Für denjenigen, der sein Selbst verwirklicht hat, gibt es kein Ichha-Prarabdha mehr. Die beiden anderen, Anichha und Parechha bleiben bestehen. Was immer er tut, er tut es lediglich für die anderen. Wenn es für ihn Dinge für andere zu tun gibt, tut er sie, aber die Folgen beeinträchtigen ihn nicht. Was immer diese Menschen tun, es geschieht ohne den Gedanken an Verdienst oder Sündenfolgen. Sie tun aber nur, was den allgemeinen Konventionen der Welt entspricht, nichts anderes.“
Obwohl Bhagavan dem Frager erklärte, dass es für den Selbstverwirklichten kein Ichha-Prarabdha, sondern nur noch Anichha- und Parechha-Prarabdha gebe, findet man seine übliche Ansicht über Prarabdha in seinen Ergänzungen zu den „Vierzig Versen“ (Unnathi Nalupadhi). Dort heißt es in Vers 33:
„Der Jnani hat kein vergangenes, kein zukünftiges und kein gegenwärtiges Karma. Wenn man sagt, dass Prarabdha (das gegenwärtige Karma) bleibt, ist das nur die Antwort auf die entsprechende Frage. Genauso wenig wie eine der Frauen, deren gemeinsamer Mann gestorben ist, der Witwenschaft entkommen kann, können die drei Karmas [29] bleiben, wenn der Täter verschwunden ist.“
[27] Shiva-Mantra
[28] Rama-Mantra
[29] drei Karmas: das in der Vergangenheit angesammelte Karma, das Karma, das in der Zukunft abgearbeitet werden muss und das Karma der Gegenwart
Was bedeutet Samadhi? Top
Bhagavan erwiderte: „Ich verstehe, was du wissen willst. Du denkst: „Dieser Swami spricht immer. Was für ein Jnani ist das bloß? Du glaubst, dass es kein Samadhi ist, solange man nicht mit gekreuzten Beinen und gefalteten Händen in Padmasana-Stellung dasitzt und mit dem Atmen aufhört. Es muss auch eine Höhle in der Nähe sein. Man muss hinein- und hinausgehen. Dann werden die Leute sagen: „Das ist ein großer Swami.“ Jetzt fangen die Leute an, an mir zu zweifeln und sagen: „Was für ein Swami ist das, der immer mit seinen Devotees spricht und seinen geregelten Tagesablauf hat?“ Was kann ich machen? Die Leute, die mich in Gurumurtam (einem kleinen Tempel am Stadtrand von Tiruvannamalai, in dem Ramana zu Anfang seines spirituellen Lebens lebte) besucht haben und später im Skandashram sahen, wie ich mit allen Leuten sprach und mich an den normalen Arbeiten beteiligte, sagten sehr besorgt zu mir: „Swami, Swami, bitte gib uns den Darshan in dem Zustand, in dem du früher warst.“ Sie glaubten, dass ich mich verwöhnen ließ. Was kann ich machen? In der Zeit, als ich in Gurumurtam lebte, musste ich auf jene Weise leben. Jetzt muss ich auf diese Weise leben. Die Dinge geschehen, wie sie geschehen müssen. Aber ihrer Ansicht nach genügt es, wenn man nicht isst und redet. Dann wird man automatisch zu einem heiligen Swami. Das ist der Irrglaube der Leute.“
Wie kann man alles als sich selbst betrachten? Top
Der junge Mann ließ nicht locker: „Ist nicht ein Guru und spirituelle Übung (Sadhana) nötig, um sein eigenes Selbst zu erkennen?“
Bhagavan sagte: „Wozu willst du einen Guru und Sadhana? Du sagst, du weißt alles. Wozu brauchst du dann einen Guru? Du kümmerst dich nicht darum, was man dir sagt, das du tun sollst. Was kann ein Guru da ausrichten? Die Hilfe eines Gurus ist nur dann da, wenn du dem Weg folgst, den er dir zeigt. Du sprichst von Sadhana. Zu welchem Zweck? Welche Art von Sadhana? Wie viele Fragen? Man muss auf einem Weg bleiben. Was nützt es, mit endlosen Zweifeln herumzurennen? Wird dein Hunger gestillt, wenn du isst oder wenn andere essen? Was nützt es, deine Zeit damit zu vergeuden, dich über diese und jene Leute und über dies und das zu erkundigen? Du vergisst dich selbst, umrundest Himmel und Erde und fragst: „Was ist Glück?“ Du musst zuerst fragen: „Wer bin ich, der ich überall herumgehe und Fragen stelle?“ Wenn man auf diese Weise sein eigenes Selbst ergründet, wird keine andere Frage mehr auftauchen.“
Inzwischen hatte ein anderer das Fragen übernommen: „Wie ist die individuelle Seele (Jiva) zum Karma gekommen?“
Bhagavan erwiderte: „Finde zuerst heraus, wer der Jiva ist, dann werden wir auch herausfinden, wie das Karma zustande kam. Wie kam der Jiva zum Karma? Ist das Karma mit dem Jiva verbunden oder ist es von ihm getrennt? Das sind die wahren Überlegungen. Es wird sich kein solcher Zweifel einstellen, wenn der Geist, der nach außen hin so aktiv ist, dazu gebracht wird, nach innen zu schauen.“
Der Tod Madhavaswamis Top
Kunju Swami kümmerte sich um die Begräbnisriten für Madhava in Kumbakonam. Er kam heute früh zurück und berichtete: „Madhavaswami hat nach innerem Frieden gesucht, konnte ihn aber nicht finden. Er erzählte den Leuten, dass er nicht länger leben wolle. Als er in den Math in Kumbakonam kam, hatte er einen Tag lang heftigen Durchfall und klagte über Atemprobleme. Die Leute im Math erzählten, dass er nicht mehr zu Bewusstsein gekommen sei. Sie bewahrten den Leichnam auf, bis ich kam. Obwohl drei Tagen vergangen waren, war er noch in gutem Zustand. Ich habe ihn beerdigt.“
Bhagavan meinte: „Madhava war ein guter Mann. Deshalb tut es uns allen leid, dass er tot ist. Aber anstatt seinen Tod zu beklagen, sollten wir uns alle über unser Sterben Gedanken machen. Ein Jnani freut sich auf die Zeit, wenn er von der Gebundenheit an den Körper frei ist und ihn wegwerfen kann. Jemand, der für Lohn eine Last trägt, sehnt sich ständig nach dem Zeitpunkt, an dem er das Ziel erreicht hat. Wenn es soweit ist und der Eigentümer ihm sagt, er könne die Last ablegen, legt er sie erleichtert ab. Ebenso ist dieser Körper für den Menschen, der Unterscheidung übt, eine Last. Er spürt, dass der andere gegangen ist und sehnt sich dem Ende seines eigenen Körpers entgegen. Wenn das kleine Ding, das man Leben nennt, gegangen ist, braucht es vier Männer, um die Last des Körpers zu tragen. Solange Leben in ihm ist, ist er keine Last, aber wenn es gegangen ist, ist nichts so schwer wie der Körper. Für einen solchen Körper unternehmen manche Menschen Verjüngungsprozesse mit dem Wunsch, im Körper die Befreiung (Moksha) zu erlangen. Trotzdem sterben auch diese Leute früher oder später. Es gibt keinen, der für immer in diesem Körper bleiben kann. Wenn ein Mensch das einmal begriffen hat, will er dann diesen vergänglichen Körper noch? Man sollte sich nach dem Zeitpunkt sehnen, an dem man diese Last abwerfen und frei sein kann.“
Madhavaswami stammte aus Palghat in Kerala. Er war ein Brahmachari. Vor etwa 15 Jahren war er hierher gekommen. Er war erst 20 Jahre alt und hat Bhagavan persönliche Dienste geleistet. Seit einiger Zeit hatte er den Wunsch, heilige Stätten zu besuchen. Er ging häufig weg und kam dann wieder zurück.
[30] Acharyaswami war ein Devotee Bhagavans, der in Kumbakonam (Tamil Nadu) die Verantwortung für einen Math trug, den man für ihn erbaut hatte.
Kleiner als das Kleinste und größer als das Größte Top
Träume sind Täuschungen Top
Der Besucher schwieg. Bhagavan sah alle mit einem gütigen Blick an und erklärte: „Es gibt nur zweierlei: die Schöpfung aller Dinge und der Schlaf. Wenn du einschläfst, ist nichts da. Wenn du aufwachst, ist alles da. Wenn du lernst zu schlafen, während du wach bist, kannst du ein reiner Zeuge sein. Das ist die Wahrheit.“
Vor einiger Zeit fragte Subbaramayya Bhagavan etwas Ähnliches: „Was ist mit Asparsa Rupam gemeint?“ „Es bedeutet, dass ein Ding sichtbar, aber nicht greifbar ist.“ „Was bedeutet Chhaya Rupam?“ Bhagavan antwortete: „Es bedeutet dasselbe: etwas, das als Schatten auftaucht. Wenn du es untersuchst, findest du nichts. Nenne es Gott, Teufel, Traum, Vision, Inspiration oder wie immer du willst. Das alles existiert nur, wenn auch jemand da ist, der es wahrnimmt. Wenn du herausfindest, wer es ist, der das alles sieht, werden all diese Dinge nicht mehr da sein. Das, was kein Ding (nichts) ist, das, was die Quelle aller Dinge ist, ist das Selbst. Wenn ein Mensch sein eigenes Selbst nicht wahrnimmt, was nützt es ihm dann, wenn er alle anderen Dinge wahrnimmt?“
Kürzlich hat jemand Bhagavan erzählt, er habe einen Freund, der die Ausdehnung der Aura eines Menschen sehen könne und er habe die Auras großer Menschen gesehen. Aurobindos Aura würde sich fast eine Meile ausdehnen, die von Bhagavan könne er drei Meilen weit sehen, aber er könne nicht erkennen, wie weit sie sich noch ausdehnen würde. Die Ausstrahlung von Buddha und anderen sei nicht so groß. Bhagavan ließ ihn geduldig ausreden und meinte dann lächelnd: „Bitte sag ihm, dass er zuerst auf seine eigene Ausstrahlung achten soll, bevor er die Ausmaße der Ausstrahlungen von so vielen anderen betrachtet. Was soll diese ganze Untersuchung der Auras? Wenn man in sein eigenes Selbst blickt, kommen einem keine solchen dummen Gedanken. Für den, der sein Selbst verwirklicht, ist das alles bloß Kleinkram.“
Hingabe ist der wahre Dienst Top

Bild 8: Myrobalams (indische Stachelbeere)
Als Mutter kam und mit dem Kochen begann, sagte sie, es wäre gut, wenn wir einen Schöpflöffel hätten. Ich sagte: „Wir wollen sehen.“ Am nächsten oder übernächsten Tag brachte jemand fünf oder sechs Schöpflöffel. So war es auch mit den Kochutensilien. Mutter sagte, es wäre gut, dieses oder jenes zu haben und ich erwiderte: „Tatsächlich?“ Am selben oder am nächsten Tag erhielten wir zehn Stück anstatt einen. Ich dachte: „Es ist genug! Wer wird sich um das alles kümmern?“ Es gab viele solche Vorfälle.“
„Wie war das mit den Weinbeeren?“, fragte der Devotee. Bhagavan erinnerte sich: „Sie dienten demselben Zweck wie die Myrobalams. Eines Tages waren keine mehr da. Palaniswami fragte, ob er jemanden damit beauftragen könne, welche im Laden zu besorgen. Ich sagte, es eile nicht und er solle sich darüber keine Gedanken machen, sondern abwarten. Kurz darauf kam Gambhiram Seshayyas Bruder mit einem großen Paket. Als ich ihn fragte, was er da bringe, antwortete er: „Weinbeeren.“ „Gerade vorher haben wir davon gesprochen, dass unser Vorrat zu Ende ist. Woher weißt du davon?“, fragte ich ihn. Er erwiderte: „Swami, wie konnte ich das wissen? Als ich mich auf den Weg machte, spürte ich, dass ich nicht mit leeren Händen kommen sollte und ging zum Markt. Da es Sonntag ist, waren alle Läden geschlossen, außer einem. Ich sagte zum Verkäufer: „Ich gehe zu Bhagavan. Was hast du da?“ Er erwiderte, er habe nur Weinbeeren und das nur, weil sie soeben eingetroffen seien.“ Als wir die Zeitpunkte verglichen, stellte sich heraus, dass sie sich deckten.
Das war auch für Ayyaswami [32] eine alltägliche Erfahrung. Wir dachten, es wäre gut, wenn wir einen bestimmter Artikel hätten, und noch in derselben Stunde hatte Ayyaswami das Gefühl, dass er diesen Artikel zu Bhagavan bringen sollte. Wenn wir ihn fragten: „Woher weißt du davon?“, erwiderte er: „Swami, woher kann ich es wissen? Es kam mir lediglich in den Sinn, dass ich es Bhagavan bringen sollte. Das habe ich getan. Das ist alles. Du sagst, du hast zur selben Zeit daran gedacht. Swami allein weiß über diese seltsamen Dinge Bescheid.“ Er hat seinen Geist rein gehalten und was immer wir dachten, hat sich in seinem Geist widergespiegelt.“
[31] Frucht mit einer heilsamen Wirkung für den Magen-Darm-Trakt
[32] Ayyaswami stammte aus Karala und diente im Ashram.
Der Lehrer ist die Konzentration Top
Yogi Ramaiah meinte: „Ich weiß nicht, Swami. Du magst das hundert- oder tausendmal wiederholen. Wenn man sicher sein will, Fortschritte zu machen, braucht man einen lebenden Guru wie dich. Wie können wir einem leblosen Bild den Status eines Gurus geben?“
Bhagavan sagte lächelnd: „Ja, ja“, nickte und schwieg. Bruder, alles was ich sagen kann ist, dass dieses Lächeln und diese Stille voller Weisheit war. Wie könnte ich es beschreiben?
Siddhas Top
Vers 35 von den Vierzig Versen (Ulladu Narpadu) bringt das gut zum Ausdruck: „Siddhi bedeutet, das zu kennen und zu verwirklichen, was immer wirklich ist. Andere Siddhis sind reine Traum-Siddhis. Sind sie noch wirklich, wenn man vom Schlaf erwacht? Können jene, die mit der Wahrheit vermählt und von Maya befreit sind, sich von ihnen irreführen lassen?“
[33] Menschen von großer Reinheit und Heiligkeit, die über übernatürliche Fähigkeiten (Siddhis) verfügen.
Die Früchte der Handlungen werden vom Schöpfer bestimmt Top
Das war die passende Antwort auf Krishna Bhikshus Frage und ich schrieb sie ihm.
[34] der Verfasser der Ramana-Biografie Sri Ramana-Leela
[35] Das folgende Gespräch bezieht sich auf Upadesa Saram, Vers 1: „Die Frucht (des Handelns) erhält man nach dem Beschluss des Herrn des Handelns (des Schöpfers). Ist Handeln das Höchste? Nein! Handeln ist ohne eigene Kraft.“ in: Ramana Maharshi: Die Quintessenz, S. 19
Gleichheit Top

Bhagavan toleriert keine Unterschiede. Er besteht auf Gleichheit. Erschrocken band der arme Helfer das Gras wieder zusammen. Das Abendlicht fiel auf Bhagavan und verband sich mit dem Licht seiner Augen. Der Duft der Räucherstäbchen verteilte sich. Sein Rauch freundete sich mit der kühlen Brise an, und wie von einem Fächer getrieben, strich er an Bhagavans Füßen vorbei, um sich dann gleichmäßig unter allen Devotees zu verteilen.
[36] Die hohen Ständer des Khus-Khus-Grases werden gern zur Umzäunung von Veranden benutzt, um Schmutz abzuhalten und Schatten zu spenden.
Jeder wie er will Top
Das Programm zum Goldenen Jubiläum Top
Der Devotee brachte mit gefalteten Händen vor, dass Bhagavan jeden Punkt streichen könne. „Habe ich denn um einen der Programmpunkte gebeten, sodass ich jetzt dagegen Einwände erheben könnte? Macht es wie ihr wollt. Es ist lediglich eine Reihe von Vorträgen. Ich werde wie immer auf dem Sofa sitzen und ihr könnt machen, was ihr wollt“, erwiderte Bhagavan lächelnd.
[37] das Goldene Jubiläum zu Sri Ramanas Ankunft in Turuvannamalai am 1.9.1896
Ein unbekannter Devotee Top
Der eine Buchstabe und das Unvergängliche (Ekam Aksharam) Top
„Das eine Unvergängliche (Ekam Aksharam [39]), das beständig im Herzen wohnt, erstrahlt aus sich selbst. Wie könnte man es niederschreiben?“
[Aus den Gesammelten Werken:
„Akshara ist ein einzigartiger Buchstabe. Du willst ernsthaft, dass ich ihn in dieses Buch schreibe. Da dieser einzigartige Buchstabe beständig als das Selbst im Herzen erstrahlt, wer könnte ihn da niederschreiben?“] [40]
Als die Leute aus dem Gujarat heute ihre Bitte vorbrachten und ein „Nein“ ernteten, erinnerte ich mich wieder daran.
Vor etwa zehn Monaten besuchte ein telugischer Gelehrter den Ashram. Als er Bhagavan mit einem Gedicht, das er aus dem Stehgreif verfasst hatte, gepriesen hatte, bat er ihn: „Bitte, gib mir etwas, das mich an das heutige Ereignis erinnert und segne mich.“ „Was soll ich dir geben?“, fragte Bhagavan. „Was immer du magst. Nur ein Buchstabe (Akshara) der Belehrung.“ Bhagavan antwortete: „Wie kann ich dir das geben, was unvergänglich (Akshara) ist?“ und sah mich an. Ich meinte: „Vielleicht ist der Vers „Ekam Aksharam“ hilfreich.“ Der Sastri fragte: „Wie lautet der Vers?“ Ich las ihm den Sanskritvers vor. „Wo ist der telugische Vers?“, fragte Bhagavan. Ich las auch diesen vor. Der Sastri freute sich so sehr, als habe er einen großen Schatz erhalten, und schrieb sich beide Versionen ab. Als ich ihm erzählte, wie die Verse entstanden waren, war er sehr glücklich, verneigte sich vor Bhagavan und ging.
[38] Der Bruder Suri Nagammas arbeitete in einer Bank.
[39] Akshara(m) hat zwei Bedeutungen: etwas, das unvergänglich ist, aber auch: Buchstabe; ekam = ein
[40] Einschub der Übers., aus „Collected Works“, S. 149
Zufriedenheit Top
Es gibt noch einen anderen Vorfall. Als ich vor zwei oder drei Jahren morgens in die Halle kam, erzählte Bhagavan folgendes:
„Als ich in der Virupaksha-Höhle lebte, ging Sundaresa Iyer in die Stadt zum Betteln und brachte uns zu essen. Manchmal hatten wir keinen Curry oder Chutney. Es waren viele Münder zu stopfen, aber wir bekamen nur wenig zu essen. Was sollten wir tun? Ich mischte alles zusammen, goss heißes Wasser darüber und machte einen Brei daraus. Dann gab ich jedem eine Portion davon und nahm auch eine für mich. Manchmal glaubten wir, es wäre gut, wenn wir wenigstens etwas Salz hätten. Aber wo war das Geld, um Salz zu kaufen? Wir hätten jemand darum bitten müssen. Wenn wir einmal damit anfingen, um Salz zu bitten, würden wir auch um Dhal (Linsen) bitten wollen. Wenn wir um Dhal bitten würden, würden wir auch um Payasam (Aprikosen) bitten und so weiter. Deshalb meinten wir, wir sollten um gar nichts bitten und den Brei, so wie er war, hinunterschlucken. Wir waren mit dieser Ernährung äußerst glücklich. Da die Nahrung sattwisch und ohne jegliche Gewürze, ja nicht einmal gesalzen war, war sie nicht nur gesund für den Körper, sondern gab auch dem Geist großen Frieden.“
„Ist Salz nicht auch eines der Dinge, die Rajas (die Leidenschaft) stimuliert?“, fragte ich. „Ja, zweifelsohne. Es steht irgendwo in den Schriften. Warte, ich schau nach“, erwiderte Bhagavan. „Es genügt, wenn Bhagavan es sagt. Wozu brauchen wir noch eine Schrift“, antwortete ich.
Wir lassen das Salz nicht weg, sondern glauben, dass auch Chili für den Geschmack nötig ist. So haben wir unsere Ernährungsgewohnheiten. Große Seelen essen, um zu leben und der Welt zu dienen, während wir leben um zu essen. Das ist der Unterschied. Wenn wir essen um zu leben, brauchen wir nicht an Geschmack zu denken. Wenn wir leben um zu essen, sind die Geschmäcker grenzenlos. Und dafür nehmen wir so viel Mühsal auf uns.
Die Umrundung des Selbst (Atma Pradaskhina) Top
In voller Gewissheit, dass er das Rennen gewonnen hatte, vollendete Subrahmania seine Runde um die Welt und kam wieder an seinem Ausgangspunkt an. Da fand er Ganapati vor, der vor Parvati und Parameswara saß und die Frucht aß. Als er Parameswara bat, ihm die Frucht zu geben, da er das Rennen gewonnen habe, sagte er: „Dein älterer Bruder isst sie gerade.“ Subrahmania fragte seinen Vater, ob das gerecht sei. Parameswara erklärte ihm, was geschehen war. Da erkannte Subramania seine Eitelkeit. Er verneigte sich vor seinen Eltern und bat sie um Vergebung.
Das ist die Geschichte. Ihre Bedeutung ist, dass das Ego, das wie ein Wirbelwind umherstreift, vernichtet werden und im Atman (Selbst) aufgehen muss. Das ist Atma Pradakshina, die Umrundung des Selbst.“
Der Dämonengott und das Lichterfest Top
[41] dämonische Gottheit der Hindu-Mythologie. Am ersten Tag von Dipavali (dem Lichterfest) wird der Sieg Krishnas über Narakasura gefeiert.
Das Leben auf dem Berg Top
Da fragte Rajagopala Iyer: „Kam in dieser Zeit nicht auch die Großmutter?“ „Ja, sie kam, als wir dort lebten und wollte etwas für sich kochen. Wir sagten ihr, sie könne das in der kleinen Höhle tun, die in der Nähe liegt. Sie sagte zu mir: „Venkataraman, ich koche heute. Du solltest deshalb nichts anderes essen.“ Ich sagte: „Ja“, und als sie weg war, aß ich wie immer mit den anderen. Die andere Höhle lag etwas entfernt, weshalb sie das nicht sehen konnte. Als sie mit dem Kochen fertig war, aß ich auch ihr Essen. Sie glaubte wirklich, ich hätte nichts anderes gegessen, als das, was sie gekocht hatte.
Wir hatten auch einen Großvater unter unseren Verwandten. Er hatte die Angewohnheit, jeden zu beschimpfen. Trotzdem lud ihn jeder gerne ein, weil seine Beschimpfungen amüsant waren. Er war gutmütig und meinte es mit keinem schlecht. Er kam mich in der Virupaksha-Höhle besuchen. Kaum war er eingetroffen, sagte er scherzhaft zu mir: „Sieh mal einer an, Venkataraman! Es sieht so aus, als seiest du ein großer Swami geworden! Sind dir Hörner auf dem Kopf gewachsen?““
Es war interessant, wie Bhagavan diese Geschichten mit der entsprechenden Modulierung seiner Stimme und den passenden Gesten erzählte.
[42] Kastenangehöriger; Reddi ist eine Unterkaste im Süden Indiens.
Opfer Top
Es ist ein Irrglaube, so leichthin von der Opfergabe zu denken. Opfer bedeutet, dass der Geist im Selbst untergeht und eins mit ihm wird. Es bedeutet, dass der Geist von allen Vasanas leer werden soll. Aber das wird sich nicht ereignen, wenn man sich selbst nicht anstrengt und Gott seine Gnade schenkt. Gottes Macht kann sich deiner nicht bemächtigen und dich in sich hineinziehen, solange du dich nicht völlig hingibst. Was aber ist Hingabe? Wir müssen unser eigenes Selbst hingeben. Man sollte unaufhörlich kämpfen, bis man es zuwege bringt. Nur wenn man es immer wieder versucht, wird man schließlich mit seinem Bemühen Erfolg haben. Wenn es dir einmal gelungen ist, gibt es kein Zurück mehr. Das ist der richtige Lauf der Dinge.
Wie könnte es ein „Opfer“ ohne dieses Etwas geben, das wir „Ich“ nennen? Die völlige Hingabe kann sich nicht einstellen, solange man nicht erkennt, wer man ist. Wenn du das erkennst, wirst du verstehen, dass das, was übrig bleibt, nur ein Einziges ist. Der Geist, der das „Ich“ ist, unterwirft sich dann von selbst. Und das ist das wirkliche Opfer.“
Spirituelle Übung (Sadhana) Top
Jemand anderer fragte: „Es heißt, dass jemand, der meditiert, durch sein Sadhana die physische Manifestation seiner Lieblingsgottheit sehen und andere segensreiche Dinge erlangen kann. Was bedeutet das?“
Bhagavan antwortete: „Das, was immer da ist, ist offenkundig (manifest). Die Person „Ich“ ist immer offenkundig. Die Leute glauben, dass Gott von irgendwoher herabkommt und sich manifestiert, indem das Selbst, das immer existiert, nach seinem Wunsch eine Gestalt erschafft, worüber man dann meditiert. Du gibst dann das Selbst auf, das immer und überall existiert, und machst spirituelle Übungen in der Hoffnung, dass irgendein Gott erscheint, um dann wieder zu verschwinden. Du gibst das ewige Selbst auf und strebst nach so einer vergänglichen Erscheinung, strebst nach seinen Wohltaten und vermehrst dadurch deine geistigen Kämpfe und Anstrengungen. Es würde überhaupt keine Schwierigkeiten geben, wenn man lediglich so bleiben würde, wie man ist.“
Obwohl Bhagavan uns eindeutig lehrte, dass das, was offenbar wird, lediglich der gute Zustand jenseits des Denkers bedeutet, tat es mir leid, dass wir das nicht verstehen konnten. Als ich noch darüber nachdachte, fragte jemand: „Dieser erhabene Zustand, der über der normalen mentalen Ebene liegt, ist nur für Leute wie Bhagavan möglich und natürlich. Ist er auch für uns gewöhnliche Leute erreichbar, wenn wir keine spirituellen Übungen machen?“ Bhagavan bestätigte: „Gewiss! Sadhana ist nötig, aber wozu? Das Selbst ist immer und überall da. Deshalb muss man es nicht von irgendwoher erlangen. Sadhana ist nur nötig, um von der körperlichen Illusion und von anderen Illusionen frei zu werden, die verhindern, dass das Selbst sich als Selbst erhebt. Diese falschen Vorstellungen tauchen nur deshalb auf, weil wir denken, dass diese körperliche Welt wirklich ist, anstatt dass wir auf das Selbst schauen, das wirklich ist. Sadhana hat den einzigen Zweck, von dieser Illusion frei zu werden. Das Selbst braucht kein Sadhana, um sein eigenes Selbst zu erlangen. Wer sein eigenes Selbst erkannt hat, sieht nichts anderes mehr.
Brahman ist wirklich – die Welt ist eine Illusion Top
Dem Sadhaka (spirituell Übenden) muss man sagen, dass die Welt eine Illusion ist. Es gibt keine andere Möglichkeit, denn wenn ein Mensch vergisst, dass er das wirkliche, immerwährende und allgegenwärtige Brahman ist und sich selbst täuscht, indem er denkt, er sei ein Körper im Universum, das voller vergänglicher Körper ist, und unter dieser Täuschung steht, dann muss man ihn daran erinnern, dass die Welt unwirklich und eine Täuschung ist. Warum? Weil er sein eigenes Selbst vergessen hat und der äußeren, materiellen Welt anhängt. Er wird sich erst dann in einer Selbstprüfung nach innen wenden, wenn du ihm einschärfst, dass diese ganze äußere, materielle Welt unwirklich ist. Wenn er einmal sein eigenes Selbst erkennt und versteht, dass es nichts anderes als sein eigenes Selbst gibt, wird er die ganze Welt als Brahman betrachten. Ohne das eigene Selbst gibt es keine Welt. Solange ein Mensch sein eigenes Selbst nicht sieht, das der Ursprung von allem ist, sondern lediglich die äußere Welt als wahr und dauerhaft betrachtet, muss man ihm sagen, dass diese ganze äußere Welt eine Illusion ist. Es geht nicht anders. Nimm als Beispiel ein Stück Papier. Wir sehen nur die Schrift darauf und keiner bemerkt das Papier, worauf die Schrift geschrieben steht. Das Stück Papier ist da, ob etwas darauf steht oder nicht. Jenen, die die Schrift als wirklich betrachten, muss man sagen, dass sie unwirklich und eine Illusion ist, da sie auf dem Papier basiert. Der Weise sieht beides als eines, das Papier und die Schrift. Ebenso ist es für ihn mit Brahman und der Welt.
Mit dem Kino ist es dasselbe. Die Leinwand ist immer da. Die Bilder kommen und gehen und beeinträchtigen die Leinwand nicht. Was macht es der Leinwand aus, ob Bilder auf ihr erscheinen oder verschwinden? Die Bilder haben die Leinwand als Grundlage. Aber wozu sind sie ihr nütze? Der Mensch, der nur auf die Bilder schaut und nicht auf die Leinwand selbst, wird von der Freude und dem Leid der Geschichte berührt. Jener aber, der die Leinwand betrachtet, versteht, dass die Bilder lediglich Schatten sind und nicht von der Leinwand getrennt existieren noch von ihr verschieden sind. So ist es auch mit der Welt. Es ist alles ein Schattenspiel.“
Der Frager war glücklich über die Antwort, verabschiedete sich und ging.
Der Swami ist überall Top
Bhagavan hat den restlichen Tag damit zugebracht, seine Beine immer wieder zu strecken, um sie dann erneut zu kreuzen. Er meinte, dass es sonst als respektlos angesehen werden könnte. Seine Beine werden in zehn Minuten steif, wenn er sie kreuzt, und die Steifheit verschwindet erst, nachdem er sie mindestens eine halbe Stunde lang ausgestreckt hat, ganz zu schweigen von den Schmerzen, die das verursacht.
Als ich heute Nachmittag in die Halle kam, waren nur zwei oder drei Leute da. Bhagavan streckte gerade seine Beine aus und sagte: „Ich weiß nicht, ob ich sie ausstrecken darf. Man sagt, es gehöre sich nicht. Der arme Rajagopala Iyer war ganz niedergeschlagen und reumütig. Da hatte Bhagavan Mitlied mit ihm und streckte seine Beine wieder aus wie immer. Wir waren alle froh.
Als er mich in der Halle sitzen sah, erzählte er uns eine Geschichte über Avvaiyar [43]:
„Als der Rajah von Chera bemerkte, dass Sundaramurthi (einer der berühmten 63 tamilischen Heiligen aus dem 8. Jh.) [44] auf einem weißen Elefanten zum Kailash ritt, flüsterte er seinem Pferd das Panchakshara Mantra „Om Namah Shivaja“ ins Ohr und machte sich ebenfalls zum Kailash auf. Avvaiyar, die gerade dem Herrn Ganesha zu Ehren eine Puja feierte, sah die beiden zum Kailash reiten. Sie beeilte sich, mit ihrer Puja fertig zu werden, da sie auch zum Kailash wollte. Als Ganesha das bemerkte, sagte er zu ihr: „Alte Frau, du brauchst dich nicht zu beeilen. Feiere deine Puja wie immer. Ich werde dich zum Kailash bringen und du wirst noch vor ihnen dort sein.“ Sie feierte also ihre Puja wie immer. Dann winkte Ganesha mit der Hand und sagte: „Alte Frau, schließ die Augen.“ Als sie ihre Augen wieder öffnete, fand sie sich auf dem Kailash vor Parvati und Parameswara wieder. Als Sundaramurthi und der Rajah von Chera eintrafen, waren sie überrascht und fragten sie, wie sie hergekommen sei. Sie erzählte ihnen, wie der Herr Ganesha ihr geholfen hatte. Da freuten sie sich sehr, dass ihre Hingabe belohnt worden war.
Avvaiyar war sehr alt, und deshalb setzte sie sich dem höchsten Herrn gegenüber, indem sie ihre Beine ausstreckte wie ich. Parvati konnte den Anblick nicht ertragen. Sie ärgerte sich, da sie es als eine große Beleidigung ansah, dass jemand Swami mit ausgestreckten Beinen gegenübersaß. Deshalb bat sie Parameswara, dass sie das der alten Frau sagen dürfe. Ishwara aber meinte: „Sage lieber nichts. Wir sollten schweigen.“ Doch ist Parvati etwa nicht seine bessere Hälfte? Wie konnte sie diese Beleidigung ertragen? Sie flüsterte ihrer Magd ins Ohr, es der alten Frau zu sagen. Diese ging zur alten Frau hin und sagte zu ihr: „Großmutter, du solltest deine Beine nicht gegen Ishwara ausstrecken.“ Da erwiderte Avvaiyar: „Tatsächlich? Dann sage mir, auf welcher Seite Ishwara nicht ist. Soll ich mich dahin wenden?“ Sie streckte ihre Beine in die andere Richtung aus, doch Ishwara erschien nun dort. Sie änderte ihre Position nochmals, doch er drehte sich ebenfalls dorthin. Der Herr wandte sich jeweils auf die Seite, wohin sie ihre Beine legte. Ishwara sah Parvati an und sagte: „Verstehst du es jetzt? Du wolltest ja nicht auf mich hören! Sieh bloß her, wie sie mich ständig herumdreht. Deshalb habe ich dir gesagt, du sollst deinen Mund halten.“ Da bat Parvati die alte Frau um Verzeihung.
Es ist dasselbe, wenn man den Leuten sagt, sie sollen ihre Beine nicht Swami entgegenstrecken, denn wo ist er nicht?“
Derselbe Devotee meinte: „Gibt es nicht eine ähnliche Geschichte über Namdev [45]?“ „Ja“, erwiderte Bhagavan und begann, sie uns zu erzählen:
„Namdev war auf sich stolz, da Vittal ihn lieber mochte als die anderen. Deshalb nahmen ihn Jnanadeva und die anderen zu einem Fest bei Gorakumbhar mit. Nach der Mahlzeit saßen sie alle beisammen. Da sagte einer von ihnen zu Gorakumbhar: „Du bist doch ein guter Töpfer. Jetzt sage uns, welche von diesen Töpfen hier (gemeint sind die Anwesenden) gut und welche schlecht sind?“ Gorakumbhar nahm eine Töpferprüfstange und schlug damit jedem von ihnen auf den Kopf. Aus Respekt vor ihm hielten alle still und ihre Köpfe gesenkt. Als Namdev an der Reihe war, protestierte er gegen diese Methode und weigerte sich, den Test an sich vornehmen zu lassen. Gorakumbhar gab sofort bekannt, dass dies ein unreifer Topf sei. Alle brachen in Gelächter aus. Der arme Namdev konnte seinen Ärger nicht beherrschen und beschuldigte sie, dass sie das gemeinsam gegen ihn ausgeheckt hätten, um ihn zu erniedrigen. Dann ging er mit Tränen in den Augen zu Vittal, um sich bei ihm zu beschweren.
Vittal fragte ihn: „Was ist denn los?“ und Namdev erzählte ihm die ganze Geschichte. „Was haben denn die anderen gesagt, als sie geprüft wurden?“, wollte der Swami wissen.
Namdev: „Sie hielten alle den Mund und neigten die Köpfe, als sie geschlagen wurden.“
Vittal: „Und du?“
Namdev: „Bin ich denn wie sie? Ich bin mit dir vertraut. Muss ich mich da zur Prüfung schlagen lassen?“
Vittal: „Das ist das Ego. Alle kennen mein wahres Selbst und sind zufrieden. Du bist es nicht.“
Namdev: „Du bist freundlich zu mir. Was brauche ich mehr?“
Vittal: „Darum geht es nicht. Du musst den Älteren dienen, wenn du die Wahrheit erkennen willst. Was bin ich? Wenn du tanzt, tanze ich. Wenn du lachst, lache ich und wenn du hüpfst, hüpfe ich. Wenn du die Wahrheit herausfindest, wirst du nicht mehr so unstet sein.“
Namdev: „Du sprichst von den Älteren. Aber wer ist älter als du?“
Vittal: „Im Wald in der Nähe gibt es einen Tempel. Dort lebt ein Sadhu. Gehe zu ihm und du wirst die Wahrheit erkennen.“
Als Namdev zu dem Tempel im Wald kam, traf er auf einen ungepflegten Mann, der dort lag. „Wie kann dieser Mann ein Sadhu sein?“, dachte er. Als er näher kam, sah er, dass der Mann seine Beine auf ein Lingam gelegt hatte. Namdev erschauderte und sagte ängstlich: „Herr, was machst du da? Du legst deine Beine auf den Kopf Gottes!“ Der Mann erwiderte: „Ah, Namdev, du bist es. Vittal hat dich hergeschickt, nicht wahr?“ Betroffen fragte sich Namdev, wie der Sadhu ihn kennen konnte und fragte nochmals: „Herr, du bist ein Sadhu. Wie kannst du da deine Beine auf ein Lingam legen?“ „Tu ich das, mein lieber Sohn? Ich habe keine Ahnung. Ich kann meine Beine nicht heben. Wirst du sie bitte für mich anheben und sie vom Lingam weglegen?“ Namdev willigte ein, hob seine Beine an und versuchte, sie anderswo hinzulegen, aber auch dort war ein Lingam. Wohin er auch die Beine des Sadhus legen wollte, es war ein Lingam an der Stelle. Deshalb legte er sie schließlich auf sich selbst. Da wurde auch er zu einem Lingam. Durch die Berührung der heiligen Füße erwachte er zur Erkenntnis des Selbst. Namdev stand benommen auf. Da fragte ihn der Sadhu: „Kennst du jetzt die Wahrheit?“ Namdev verneigte sich vor dem Sadhu, der Visobakesar, ein Schüler von Jnaneswar war, und bestätigte: „Ja, ich habe das Selbst verwirklicht.“ Dann ging er nach Hause, setzte sich in sein Zimmer und tauchte in tiefe Meditation ein. Er ging nicht mehr zu Vittal.
Nach einigen Tagen kam Vittal zu ihm gerannt und fragte ihn: „Namdev, warum kommst du nicht mehr zu mir?“ Namdev entgegnete: „Oh Herr, wo gibt es einen Ort, an dem du nicht gegenwärtig bist? Ich sehe dich hier immerfort. Ich bin du und du bist ich. Deshalb komme ich nicht mehr zu dir.“ „Ich verstehe. Das ist gut so“, sagte Vittal und verschwand.
[43] Avvaiyar s.a. Brief 32
[44] einer der berühmten 63 tamilischen Heiligen aus dem 8. Jh.
[45] religiöser indischer Dichter aus dem 13./14. Jh.
Bhagavans Handschrift Top

Bild 10: Sri Ramanas Handschrift in Tamil
26.08.46: Rajagopala Iyer kam gegen Ende Juli in den Ashram zurück. Er half dabei, Schriften und Bücher zu ordnen und kümmerte sich um die Bibliothek. Als er in den Papieren stöberte, die dort seit langem herumlagen, fand er einen Zettel mit einem Tamilvers in Bhagavans Handschrift mit der Übersetzung ins Telugu und gab ihn Bhagavan. Bhagavan konnte sich nicht erinnern, wer den Vers geschrieben hatte. Er rief mich herbei, zeigte ihn mir und fragte mich. Der Vers stammte von Narasimha Shetti und hatte die Einweihungszeremonie des Sundara Mandiram (Sri Ramanas Geburtshaus) in Tiruchuli zum Thema. Die Übersetzung ins Telugu stammte von mir selbst. Ich fragte ihn, ob ich davon eine Abschrift machen dürfe. Er war damit einverstanden.
Nach dem abendlichen Veda-Parayana wollte ich mich auf den Heimweg machen, als er fragte: „Wo ist mein Zettel?“ Er hatte Zweifel, ob ich ihn auch wirklich zurückgeben würde. Jedes Mal wenn ich seine schöne Handschrift mit den runden, perlenartigen Buchstaben sehe, möchte ich das Schriftstück behalten. Bhagavan spürte das.
Am selben Abend machte ich die Abschrift. Ich wollte sie Bhagavan zeigen, um sie dann ins Ashrambuch (das Buch mit der Sammlung von Gedichten der Devotees) zu übertragen. Als ich am nächsten Morgen in den Ashram kam, fragte er mich erneut: „Wo ist der Zettel?“ „Ich habe ihn dabei, Swami. Ich habe den Vers abgeschrieben und werde ihn ins Ashrambuch eintragen. Würdest du bitte überprüfen, ob es so richtig ist?“ Er sah ihn sich an und gab ihn mir zurück. Während er auf dem Berg spazieren war, nahm ich das Ashrambuch aus dem Regal. Er hatte das nicht gesehen und als ich mit dem Zettel und meiner Tasche in der Hand gehen wollte, sagte er: „Gib mir den Zettel zurück, wenn du den Vers abgeschrieben hast. Es kann sein, dass ich ihn noch brauche.“
Ich fühlte mich erniedrigt, weil er es so oft wiederholte, konnte mich nicht mehr beherrschen und erwiderte: „Durch meine Schreibarbeiten sind so viele Schriftstücke durch meine Hände gegangen und ich habe kein einziges behalten. Ich habe sie alle zurückgegeben. Er (damit deutete ich auf Rajagopala Iyer) ist mein Zeuge.“ Rajagopala Iyer bestätigte das. Doch ich konnte meine Gefühle immer noch nicht bändigen und fuhr fort: „Ich möchte ihn überhaupt nicht. Ich gebe ihn sofort zurück.“ Meine Stimme brach und mir kamen die Tränen. Ich machte die Abschrift in das Ashrambuch und gab es Bhagavan. Das Original gab ich Rajagopala Iyer, der in der Nähe stand, und sagte mit bebender Stimme: „Ich habe ihm den Zettel gegeben.“
Bhagavan sagte mitleidsvoll und mit sanfter Stimme: „Behalte ihn, wenn du magst.“ Doch ich habe auch meinen Stolz. „Wozu?“, erwiderte ich bebend. „Die Schrift wird mit der Zeit unleserlich und das Papier zerreißt.“
Wenn Bhagavan vor zwei oder drei Jahren einen Vers gedichtet hatte, wetteiferten die Leute jedes Mal darum, ihn in seiner Handschrift zu bekommen. Einige nutzten die Chance, etwas von ihm Geschriebenes zu ergattern, versteckten es und weigerten sich es zurückzugeben. Da ich das beobachtete hatte und meinen eigenen Wunsch niederhalten wollte, schrieb ich einen Vers in Telugu. Er lautet: „Du bist immer in Gestalt des unzerstörbaren Seins im Innersten meines Herzen da. Wäre es da recht, dich um etwas Handschriftliches zu bitten, unfähig, die Wirklichkeit zu erkennen, da sie vom Schleier der Wünsche verhüllt ist?“
Die Quintessenz der spirit. Unterweisung und die 40 Verse Top

Bild 11: Sri Ramanas Handschrift in Malayalam
27.08.46: Anm. der Übers.: „Die Quintessenz der spirituellen Unterweisung“ (Upadesa Saram) sowie „Die Vierzig Verse“ (Ulladu Narpadu) mit dem späteren Anhang von weiteren vierzig Versen sind zwei der bedeutendsten Werke Sri Ramana Maharshis. Übersetzung in dt. Sprache s. Literaturverzeichnis.
Sri Bhagavan selbst übersetzte sein Upadesa Saram ins Malayalam. 1944 borgte ich es mir von ihm aus, um es mir in mein Notizbuch abzuschreiben. Als ich das Original zurückgab, sagte ein Devotee zu ihm: „Bhagavan hat Upadesa Saram nur geschrieben, weil Muruganar die Geschichte von Shiva und den Asketen im Pinienwald verfasst hat, nicht wahr?“ Bhagavan bejahte. „Aber er wollte nicht nur die Geschichte der Asketen vom Pinienwald schreiben, sondern auch 100 Verse über alle Verkörperungen (Avatare) des Herrn. Er griff dafür das Volkslied „Undeepara“ auf und schrieb 70 Strophen, die auch die Geschichte der Asketen vom Pinienwald beinhalten, und bat mich, die restlichen 30 Strophen zu schreiben, die der Lehre Shivas gewidmet sein sollten. Ich sagte zu ihm: „Du hast schon alles gemacht. Was kann ich dem noch hinzufügen? Du solltest sie selber schreiben.“ Aber er machte sich nicht daran. Er bestand darauf, dass ich sie schreiben sollte, da er nichts über die Lehre Shivas sagen und Bhagavan allein diesen Teil verfassen könne. Was konnte ich machen? Mir blieb nichts anderes übrig. Als ich die 30 Strophen geschrieben hatte, nannten wir sie „Upadesa Undiyar“ (Die Quintessenz der spirituellen Unterweisung). Da sagte Yogi Ramiah, er verstünde kein Tamil, und nötigte mich, sie auch ins Telugu zu übertragen. Dann kam Nayana (Ganapati Muni) und meinte: „Was ist mit Sanskrit?“ Ich schrieb sie auch in Sanskrit (Upadesa Saram). Schließlich kamen Kunjuswami, Ramakrishna und andere und baten mich, sie ins Malayalam zu übertragen. Also tat ich das auch noch.“
Ich fragte: „Demnach ist das Original in Tamil, dann folgte Telugu, dann Sanskrit und schließlich Malayalam?“ Bhagavan bejahte. Ich fragte weiter: „Als Nayana Upadesa Saram sah, schrieb er einen Kommentar dazu, nicht wahr?“ „Ja,“ antwortete Bhagavan. „Er lebte damals in der Mangobaum-Höhle. Ich ließ ihm die Sanskritverse zukommen. Er sagte zu den Anwesenden: „Könnte einer von uns nur einen einzigen solchen Vers schreiben?“. Er verfasste den Kommentar an einem Tag. Upadesa Saram wurde 1928 veröffentlicht.
Ich fragte: „Wie ist Ulladu Narpadu (Die Vierzig Verse) entstanden?“ „Auch sie habe ich auf die drängende Bitte Muruganars hin in Tamil geschrieben. Yogi Ramiah war zu der Zeit auch da. Er bat mich, wenigstens den Sinn der Verse ins Telugu zu übertragen, und so ist es in Prosa entstanden. Dann meinte Madhava: „Was ist mit Malayalam?“ Ich willigte ein und übertrug sie in Versform ins Malayalam und dann noch ins Telugu. Du kannst davon eine Abschrift machen, wenn du magst.“
„Warum hat Bhagavan sie nicht auch ins Sanskrit übertragen?“, fragte ich weiter. Bhagavan antwortete: „Nayana, Lakshmana Sarma und andere waren zu der Zeit hier. Ich überließ es ihnen. „Warum soll ich mich darum kümmern?“, dachte ich, und sagte deshalb nichts.“ Ich fragte: „Hat Nayana damals Ulladu Narpadu in Sanskrit übertragen?“ Bhagavan erwiderte: „Nein. Als die Verse entstanden sind, haben Muruganar und ich sie in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht. Nayana hat uns beraten, aber nicht die Sanskrit-Verse geschrieben. Anschließend ging er nach Sirsi. Viswanathan und Kapali blieben für einige Zeit bei ihm. Lakshmana Sarma schrieb die Sanskritverse zu Ulladu Narpadu. Sie wurden zur Korrektur an Nayana geschickt. Nayana sagte, er könne sie auch selbst schreiben, anstatt sie zu korrigieren, und schickte sie unbearbeitet zurück. Daraufhin übertrug er Ulladu Narpadu mit der Hilfe von Viswanathan und Kapali ins Sanskrit und sandte sie her. Die Version von Lakshmana Sarma blieb wie sie war, während die von Nayana unter dem Titel „Sad Darshanam“ veröffentlicht wurde. [46] Die Dinge geschehen wie sie geschehen sollen. Was können wir daran ändern? Zu dieser Sanskritübersetzung schrieb Kapali dann seinen Kommentar in Englisch und in Sanskrit und Viswanathan übersetzte ihn ins Tamil.“
„Wie ist der Anhang zu den Vierzig Versen entstanden?“, fragte ich. „Ich habe ihn aus keinem besonderen Grund geschrieben. Wenn immer jemand einen Vers wollte, habe ich einen niedergeschrieben. Die Verse wurden zu diesem Anhang zusammengefügt. Bei der ersten Veröffentlichung bestand er nur aus 30 Versen. Später wurden 40 Verse daraus. Auch sie entstanden zunächst nur in Tamil. Später übertrug ich sie ins Telugu und Malayalam. Einige der Verse stammen von berühmten Männern früherer Zeiten und einige von Lakshmana Sarma, der sie nach meiner Prosa verfasst hat.“ Ich fragte: „Stammen nicht auch einige Verse von Bhagavan selbst?“ „Lediglich zwei oder drei“, antwortete er. „Bhagavan hat auch einige der Teluguverse geschrieben“, meinte ich. „Ja, einige. Wenn es dich interessiert, kannst du dir das Manuskript ansehen. Dann kannst du es genau verfolgen.“
[46] 1940 wurde auch die Version von Lakshama Sarma in englischer Übersetzung unter dem Titel „Revelation“ veröffentlicht.
Das „Ich“ ist der Geist Top
„Wir müssen das Herz selbst erkennen. Wenn du das tun willst, muss der Geist völlig untertauchen. Es bringt nichts, Japa mit den Worten: „Wer bin ich? Wer bin ich?“ zu üben oder „Neti, Neti“ zu wiederholen.“
Als der Besucher sagte, dass er das nicht fertig brächte, meinte Bhagavan: „Ja, so ist das. Das ist die Schwierigkeit. Wir existieren immer und überall. Wir selbst sind es, die diesen Körper und alle anderen Dinge um uns versammeln. Das ist nicht schwierig. Die wirkliche Schwierigkeit besteht darin, sie zurückzuweisen. Wir finden es schwierig zu erkennen, was uns innewohnt und was uns fremd ist. Was für eine Tragik!“
Vor einiger Zeit hatte ein junger Bengale ähnliche Fragen gestellt und Bhagavan hatte ihm alles ganz ausführlich erklärt. Der junge Mann war immer noch nicht überzeugt und fragte: „Du sagst, dass das Selbst immer und überall ist. Wo genau ist dieses „Ich“?“ Bhagavan erwiderte mit einem Lächeln: „Wenn ich dir sage, dass du immer und überall bist und du fragst: „Wo ist dieses „Ich“?, ist es etwa so als würdest du fragen: „Wo ist Tiruvannamalai?“, während du in Tiruvannamalai bist. Wo könntest du suchen, wenn du überall bist? Der Irrtum ist, dass du glaubst, du seiest der Körper. Wenn du dich davon befreist, ist das, was übrig bleibt, dein Selbst. Du müsstest nach etwas suchen, das nicht bei dir ist, aber worin besteht die Notwendigkeit, nach etwas zu suchen, das immer bei dir ist? Alle spirituellen Übungen (Sadhanas) sind nur dazu da, den Irrtum, dass man der Körper sei, loszuwerden. Das Wissen, dass „ich bin“, ist immer da, nenne es Atman oder Paratman oder wie immer du willst. Man sollte die Vorstellung loswerden, der Körper zu sein. Es ist nicht nötig, nach diesem „Ich“ zu suchen, das man selbst ist. Das Selbst durchdringt alles.“
Um das zu verdeutlichen, gebe ich Vers 16 von Bhagavans Ulladu Narpadu wieder, wo es heißt: „Wo ist Raum und Zeit ohne das Selbst? Wenn wir lediglich der Körper sind, sind wir durch Raum und Zeit gebunden. Doch sind wir der Körper? Wir sind ein- und dasselbe jetzt, damals und immer, hier, dort und überall. Wir existieren ohne Raum und Zeit.“
[47] Die ständige Wiederholung: „Ich bin nicht dies, ich bin nicht das“ (i. e. ich bin nicht der Körper, der Geist etc.) ist eine gängige spirituelle Praxis der Negation.
Das Goldene Jubiläum Top

Bild 12: Goldenes Jubiläum 1946
08./09.09.46: Der Ashram-Verwalter war etwa zwanzig Tage vor dem Fest aus Madras zurückgekehrt, wo Devotees zusammengekommen waren und die Feierlichkeiten geplant hatten. Sobald er zurück war, fingen die Vorbereitungen so richtig an. Ich weiß nicht, welche Überlegungen im Büro angestellt wurden und auf wen es zurückging, dass man eine große, überdachte Plattform (Pandal = die Jubiläums-Halle) [48] neben der dem Berg zugewandten Seite der Halle baute. Im vergangenen Monat hatte sich Krishnaswami schwach gefühlt. Doch sobald die Arbeit an dem Pandal aufgenommen wurde, war er voller Elan. Er stieg die Leiter hinauf, steckte die Palmzweige des Dachs zusammen und machte viele solche Arbeiten. Danach musste der Boden des Pandal zementiert werden. Krishnaswami entwickelte die Kraft eines Hünen, wässerte den Boden und stampfte ihn fest.
Alle, die am Festtag sprechen sollten, kamen um 9 Uhr am Vorabend mit dem Bus an. Die Feierlichkeiten sollten am nächsten Morgen beginnen. Als wir um 5 Uhr in der Frühe zum Ashram kamen, wurde bereits das „Na karmana“ rezitiert. Man hatte den Tagesablauf um eine Stunde vorverlegt. Die Ashramstudenten brachten die Dinge für die Puja zu Bhagavan, um sie dann zum Tempel zu bringen. Wir machten uns Vorwürfe, da wir uns um nichts gekümmert hatten, doch als wir ins Pandal kamen, waren wir überrascht, dass es schon wundervoll dekoriert war.
Bhagavan war um 6.30 mit seinem Bad und dem Frühstück fertig und machte seinen Spaziergang auf den Arunachala. Als er zurückkehrte, hatte Krishnaswami das steinerne Sofa mit handgewebtem Baumwollstoff bedeckt und die Sitzfläche mit einem neuen Tuch bedeckt, auf dem das Spinnrad und die Nationalflagge abgebildet war. Es sah in seiner Einfachheit sehr gut aus und war auch deshalb ansprechend, weil die Flagge inmitten all des schmückenden Beiwerks ein Symbol unserer nationalen Ehre ist.
Um 7 Uhr saß Bhagavan mit einem strahlenden Lächeln in seinem üblichen Lendentuch auf dem Sofa, um seine Devotees zu segnen. Sein gnadenvoller Blick machte alle glücklich. Es war ein großes Privileg, ihn an diesem Tag zu sehen.
Um 7.15 Uhr begann das morgendliche Programm. Uma und andere verheiratete Frauen brachten unter Singen von Bhajans ein Gefäß mit Milch und stellten es vor Bhagavan hin. Danach trugen Devotees Essays, Lieder und Gedichte vor, die sie in Sanskrit, Tamil, Telugu, Kannada, Englisch und Urdu geschrieben hatten. Dieser Lobpreis Ramanas dauerte, mit kurzen Unterbrechungen, bis 2 Uhr. Budalur Krishnamurti Sastri gab von 8.30 bis 9.30 Uhr ein Konzert, von 9.45 bis 10.00 war eine Pause, um 10.15 folgten Puja und Arati (Lichtzeremonie) im Tempel der Mutter. Um 11 Uhr brachten die Ashrambewohner Prasadam* vom Arunachala-Tempel zu Bhagavan. Von 11 bis 12 Uhr war Mittagspause.
*In der vedischen Kultur war es üblich, dass die Menschen Ihr Essen zuerst Gott opferten, bevor sie es selbst zu sich nahmen. Solche geopferte Nahrung wird traditionsgemäß als Prasadam bezeichnet.
Die Devotees baten Bhagavan, er möge seine übliche Pause bis 2 Uhr machen, aber er war nicht damit einverstanden. Sobald er gegessen hatte, saß er wieder auf seinem Sofa. Da viele Menschen von weither zum Darshan gekommen waren und er sie nicht enttäuscht wegschicken wollte, gab er Darshan, ohne seine übliche Mittagspause einzuhalten, da ansonsten die Zeit zu knapp gewesen wäre.
Ab 2 Uhr versammelten sich die Menschen erneut. Die freiwilligen Helfer schafften Platz für alle. Die Festschrift wurde überreicht. Anschließend rezitierten Brahmanen die Veden. Dann wurde ein Text von der Hindu-Universität in Madras vorgelesen. Lautsprecher wurden angeschlossen und Eröffnungsreden gehalten. Dann begannen die Vorträge.
Sri C.S. Kuppuswami Iyer, ein Richter des Madraser Obersten Gerichtshofs, hielt die Eröffnungsrede in Englisch. Danach wurde von T.K. Doraiswami Iyer ein Text von S. Radhakrishnan vorgelesen, der gerade noch rechtzeitig mit der Post gekommen war. Dann sprachen Swami Rajeswarananda und T.M.P. Mahadeven in Englisch, der Richter Chandrasekhara Iyer sprach in Telugu, M.S. Chellam und Omandur Ramanswami Reddiar in Tamil und K.K. Iravatham Iyer in Malayalam. R. S. Venkatarama Sastri las Preislieder vor und hielt dann einen Vortrag in Sanskrit. Danach trug Kunjuswami einige Lieder vor. Um 4.45 Uhr hielt der Vorsitzende die Schlussrede. Derweilen hatten Vertreter des indischen Fremdenverkehrsamtes mehrere Fotos aufgenommen. Dann war eine viertelstündige Pause. Um 5 Uhr hielt Annamalai Pillar als Vertreter der Bewohner Tiruvannamalais eine Dankesrede, dann folgte eine Musikdarbietung von Musiri Subrahmania Iyer, dann Veda Parayana, was bis um 7.15 dauerte. Doch zuvor, um etwa 6 Uhr, kam der Elefantenführer mit dem Tempelelefanten, der reich geschmückt war, und brachte ihn dazu, vor Bhagavan in die Knie zu gehen. Der Elefant wird normalerweise bei der Tausendsäulenhalle im Arunachaleswara-Tempel gehalten. Bhagavan hatte in der ersten Zeit in einer unterirdischen Zelle unter dieser Halle gewohnt. Es passte deshalb sehr gut, dass der Elefant, der dort gehalten wird, dem Herrn dieser Halle Ehre erweist.
[48] die Jubiläums-Halle
Das Kartikai-Fest Top
Am Abend von Deepam brachen die Leute bereits um 2 Uhr nachts zum Giripradakshina (Umrundung des Arunachala) auf und kamen mit durchnässten Kleidern in den Ashram. Damit sie ungehindert zum Darshan kommen konnten, lässt Bhagavan normalerweise eine der Türen schließen und sein Sofa waagerecht zur Tür aufstellen. Wir dachten, es würde auch dieses Mal so sein, doch Bhagavan meinte: „Wozu? Ich kann hier bleiben.“
Die ganze Nacht blies ein stürmischer Wind und es regnete stark. Als ich draußen die Stimmen der Menge hörte, stand ich auf. Ich machte mich rasch fertig, um nicht zu spät zu kommen. Doch als ich nach draußen ging, sah ich, dass das Wasser in gurgelnden Bächen vom Berg herunterströmte und auf der Straße das Wasser schwamm. Ich hastete zur Halle. Es war 4.30 Uhr. Bhagavan war nicht da. Als ich jemanden fragte, wo er war, antwortete er: „in dem Unterstand“. Ich rief: „in diesem Regen und Wind!“ und eilte hinüber. Bhagavan saß auf seinem Sofa und hatte nicht einmal eine Decke umgelegt. Sein lächelndes Gesicht strahlte alle Anwesenden voller Güte und Glückseligkeit an. Der süße Duft der Räucherstäbchen erfüllte die offene Halle.
Als ich mich vor ihm verneigt hatte, sagte er: „Die Rezitation der Veden ist schon vorüber.“ Ich schämte mich, weil ich zu spät dran war, und fragte ihn: „Warst du die ganze Nacht hier?“ Er erwiderte: „Nein. In jedem Jahr kommen die Leute ab 2 Uhr. Deshalb bin ich seitdem hier. Aber weil es regnet, sind sie noch nicht gekommen.“ „Du musst Buße tun, weil du zu spät dran bist“, sagte ein Devotee zu mir. Alle lachten.
Die Gestalt des Selbst – Atmakaravritti Top
19.12.46: Vorgestern kam ein Herr aus Andhra Pradesh und überreichte Bhagavan einen Brief mit folgender Frage: „Manche sagen, dass der Jnani im Schlaf in der Gestalt des Selbst (Atmakaravritti) ist, während andere das Gegenteil behaupten. Was ist deine Ansicht?“ Bhagavan erwiderte: „Wir wollen zuerst lernen, im Zustand des Selbst zu sein, wenn wir wachen. Es ist dann noch Zeit genug darüber nachzudenken, was im Schlafzustand geschieht. Ist man nicht im Wach- und Schlafzustand derselbe?“
„Swami, die Frage bezieht sich nicht auf mich, sondern auf den Jnani.“ Bhagavan erwiderte: „Ach, tatsächlich! Aber solltest du nicht zuerst über dich Bescheid wissen? Die Jnanis können sich um sich selbst kümmern. Wir wissen nichts von uns selbst, aber wir wollen über die Jnanis Bescheid wissen. Was macht es für uns für einen Unterschied, ob sie in der Gestalt von Atman oder Brahman sind? Wenn wir über uns Bescheid wissen, stellt sich die Frage nach den Jnanis nicht.“
Der Besucher antwortete: „Swami, diese Frage ist nicht meine eigene, sondern wurde mir von einem Freund aufgetragen.“ „Ach, Freunde haben die Frage gestellt. Was sollen wir ihnen antworten? Wenn wir von einer Gestalt sprechen, ist damit Dualität beinhaltet. Aber das, was IST, ist nur eines. Es stellt sich dann die Frage: „Wie kann es ohne die Bewusstheit des Höchsten Selbst irgendeine Bewegung von der Vergangenheit zur Gegenwart und Zukunft geben?“ Deshalb müssen wir es irgendwie benennen, wie etwa Gestalt der Unbegrenztheit, Gestalt des Selbst oder Brahmans, so wie wir sagen, dass der Fluss letztendlich die Gestalt des Meeres hat. Alle Flüsse münden ins Meer, lösen sich in ihm auf, verlieren ihre Gestalt und werden eins mit ihm. Was bedeutet es dann, wenn man sagt, dass der Fluss die Gestalt des Meeres hat? Hat das Meer irgendeine Gestalt wie etwa: es ist so tief und so breit? Auf dieselbe Weise sagt man, dass der Jnani die Gestalt des Unendlichkeit oder des Atman hat, aber in Wirklichkeit ist alles dasselbe. Das sind nur Antworten, die man auf entsprechende Fragen gibt, aber für den Jnani ist das alles eins.“
Jemand anderer fragte: „Haben all jene, die Brahman erkennen, einen reinen Geist?“ „Ja, im allgemeinen Sprachgebrauch kann man das so sagen. Aber in Wirklichkeit gibt es für sie kein solches Ding wie den Geist. Die Vasanas machen den Geist aus. Wenn keine Vasanas da sind, ist auch kein Geist da. Das, was ist, ist Sein. Sein ist Brahman, es erstrahlt aus sich selbst, es ist Atman, das Selbst.“
Andavane Top

Ramanatha Brahmachari ist der erste von links.
20.12.46: Heute brachte ein Telegramm die Nachricht, dass Ramanatha Brahmachari alias Andavane vergangene Nacht in Madras gestorben ist. Ramanatha hatte sich in sehr jungen Jahren der Gruppe von Bhagavans Schülern angeschlossen, als Bhagavan noch in der Virupaksha-Höhle lebte. Er hat ihn nie mehr verlassen und blieb lebenslang ein Brahmachari. Der treue Devotee war nach Madras gegangen, um sich dort ärztlich behandeln zu lassen. 15 Tage später starb er.
Am Nachmittag sangen zwei Frauen ein Tamillied. Bhagavan sagte ergriffen zu mir: „Dieses Lied hat Ramanatha geschrieben. Es gibt von ihm noch ein anderes Lied. Dazu gibt es eine interessante Geschichte. Als ich in der Virupaksha-Höhle lebte, gingen wir alle in einer Vollmondnacht um den Berg herum (Giripradakshina). Subramanya Iyer aus Chidambaram war auch dabei. Der Mond schien hell und alle waren in bester Stimmung. Es wurde beschlossen, dass während des Gehens jeder einen Vortrag zu verschiedenen Themen halten sollte. Subramanya Iyer sollte den Vorsitz führen. Ramanatha hielt den ersten Vortrag. Er hatte sich als Thema ausgesucht: Die Gemeinsamkeit des höchsten Selbst, das im menschlichen Herzen wohnt, des Herrn Nataraja in Chidambaram und Sri Ramanas in der Virupaksha-Höhle. Der Vorsitzende bewilligte ihm eine halbe Stunde. Er fand kein Ende, all die Gemeinsamkeiten auszuführen. Als der Vorsitzende sagte, dass die Zeit um sei, bat Ramanatha um eine weitere halbe Stunde. Er sprach volle drei Stunden lang, indem er sich immer wieder mehr Zeit ausbat, bis der Vorsitzende ihm endgültig einen Riegel vorschob. Du hättest seinen Enthusiasmus sehen sollen. Er fasste die Punkte des Vortrags in einem Lied mit vier Strophen zusammen. Da das Wort „Andavane“ mehrmals in dem Lied vorkommt [49], erhielt Ramanatha den Spitznamen „Andavane“.
Das Lied lautet: „Ich sah den Herrn von Tiruchuli [50], konnte mich nicht mehr umwenden und blieb wie angewurzelt stehen. Er ist der Herr, der in Chidambaram tanzt, die Hilflosen schützt und zu ihnen barmherzig ist. Er manifestiert sich als der Gott, der in der Virupaksha-Höhle auf dem Berg im heiligen Tiruvannamalai lebt.“
[50] Tiruchuli ist der Geburtsort Ramanas.
Omkar und Aksharam Top
Die beiden jungen Männer waren am nächsten Tag wieder in der Halle. Da fragte jemand anderer Bhagavan: „Swami, es heißt das A, U und M OM bilden. Was bedeuten diese drei Buchstaben? Welche Gestalt hat Omkar?“ Bhagavan erwiderte: „Omkar ist Brahman. Brahman ist das namen- und formlose reine SEIN (Sat). Es wird Omkar genannt. A, U, M oder Sat, Chit, Ananda (Sein, Bewusstsein, Seligkeit), beides bedeutet Brahman. Omkar ist jenseits der Sprache und des Geistes. Es kann nur erfahren, nicht aber mit Worten beschrieben werden. Man kann nicht sagen, von welcher Gestalt es ist.“
Dies war auch die Antwort für die beiden jungen Männer.
Mehrmals wurde Bhagavan eine ähnliche Frage gestellt: „Was ist die Gestalt von Akshara (das Unvergängliche, OM)? [52] Wie sieht es aus? Wie können wir es erkennen?“ Bhagavan antwortete auf solche Fragen: „Die Gita sagt, dass das Höchste und das Beständige die Gestalt von Akshara ist. Das Selbst ist Akshara. Das, was unzerstörbar ist, ist Akshara. Wie können wir es erkennen? Diese Frage würde sich nur dann stellen, wenn Akshara etwas anderes als das Selbst wäre. Aber beides ist dasselbe. Das, was ist, ist nur eines. Es ist SEIN (Sat). Dieses SEIN ist das SELBST. Es gibt nichts anderes als das Selbst. Deshalb ist es das Beste, was man tun kann, zu erforschen und zu erkennen, wer das Selbst ist und im Selbst zu verbleiben.“
[51] Omkar = die heilige Silbe OM; zu Omkar s .a. Briefe 28 und 43
[52] s. a. Brief 62
Anekdoten über das Leben in der Virupaksha-Höhle Top
Ramana erzählte weiter: „Es war auch Sastri, der mich umarmte und weinte, als mein Herz zu schlagen aufhörte. Eines Tages ging ich mit Vasu und anderen zum Wasserspeicher am Pachiamman-Schrein. Wir badeten dort und nahmen für den Heimweg eine Abkürzung. Als wir den Schildkröten-Felsen erreichten, fühlte ich mich müde und schwindelig und setzte mich auf den Felsen. Plötzlich verschwamm die Umgebung vor meinen Augen und wurde wie von einem weißen Leintuch zugedeckt. Ich blieb stehen. Ich ging weiter, als das Weiße vor meinen Augen wieder verschwunden war. Dasselbe geschah ein weiteres Mal. Ich wurde noch schwächer und musste mich an den Schildkrötenfelsen lehnen. Als es zum dritten Mal geschah, setzte ich mich auf ihn. Alles um mich herum war weiß wie ein Tuch. Mir drehte sich alles. Der Kreislauf brach zusammen, das Herz hörte zu schlagen auf und mein Körper wurde dunkel wie der einer Leiche. Die Veränderung meiner Hautfarbe ließ Vasu glauben, ich sei wirklich gestorben. Er begann zu weinen und umarmte mich. Vasus Umarmung, das Beben seines Körpers und die Gespräche der anderen – ich war mir all dessen bewusst. Ich bemerkte auch, wie meine Hände und Füße kalt wurden und mein Herz zu schlagen aufhörte, aber ich fürchtete mich nicht. Der Fluss meiner Gedanken und mein Selbstbewusstsein waren nicht verloren, und um den Zustand meines Körpers sorgte ich mich nicht. Ich saß mit gekreuzten Beinen im Lotussitz. Ich lehnte mich nicht an den Felsen hinter mir. Das Blut hörte zu fließen auf, aber meine Sitzposition blieb unverändert. Das alles dauerte etwa 15 Minuten. Plötzlich wurde mein Körper von Energie durchströmt. Das Blut fing wieder zu fließen an und der Herzschlag setzte wieder ein. Die dunkle Verfärbung meines Körpers verschwand. Aus allen Poren drang mir der Schweiß. Ich öffnete meine Augen, stand auf und sagte: „Kommt, wir wollen weitergehen.“ Wir erreichten die Virupaksha-Höhle ohne weiteren Zwischenfall. Es war nicht das einzige Mal, dass mein Herz und mein Atem gleichzeitig aufgehört hatten. Ich hatte diese Erfahrung schon früher gemacht [53], doch diesmal war sie heftiger.“
Sastri ergänzte: „Während die anderen abseits standen und weinten, umarmte ich ihn plötzlich. Ich war damals noch sehr jung und hatte die Freiheit, dies zu tun. Niemand berührte für gewöhnlich den Swami. Er war für etwa zehn Minuten in diesem Zustand und kam dann wieder zu Bewusstsein. Ich sprang vor Freude umher. Bhagavan tröstete uns mit den Worten: „Warum weint ihr? Dachtet ihr, ich sei gestorben? Werde ich es euch nicht vorher sagen, wenn ich sterbe?“
[53] Ramana bezieht sich hier auf seine erste Todeserfahrung im Alter von 16 Jahren.
Natur Top
„Diese Frage ist als ob jemand, der im Ramanashram wohnt fragt, wo Ramanashram ist. Die Seele ist immer und überall in dir. Wenn man glaubt, sie sei irgendwo weit entfernt und sie sucht, ist das wie mit dem Panduranga Bhajan (Loblied). Dieses nächtliche Bhajan beginnt damit, dass die Verehrer sich Schellen um ihre Fußgelenke binden und einen Lampenständer aus Messing in der Mitte ihres Hauses aufstellen. Sie tanzen um den Lampenständer zur Melodie: „Pandharpur ist so weit weg! Pandharpur ist so weit weg! Lasst uns weitergehen!“ [54] Aber obwohl sie immer den Lampenständer umrunden, kommen sie doch keinen Schritt vorwärts. In den frühen Morgenstunden singen sie: „Seht her, da ist Pandharpur! Da ist Pandharpur, seht nur!“. Doch wie zu Beginn gehen sie immer noch um denselben Lampenständer herum. Wenn es dämmert, singen sie: „Jetzt sind wir in Pandharpur angekommen!“, verneigen sich vor dem Lampenständer und beenden das Bhajan. Es ist hiermit dasselbe. Wir gehen ständig umher, auf der Suche nach Atman (der Seele) und fragen: „Wo ist Atman? Wo ist sie?“, bis uns schließlich die Erkenntnis dämmert und wir sagen: „Das ist Atman. Ich bin es selbst.“ Wir sollten zu dieser Sichtweise kommen. Wenn wir sie einmal haben, gibt es keine Anhaftungen mehr, selbst wenn der Jnani Umgang mit der Welt pflegt. Wenn du dir Schuhe angezogen hast, spürst du die vielen Steine und Dornen auf dem Weg nicht mehr. Unbekümmert gehst du über Berge und Hügel. Ebenso ist für jene, die zu dieser Erkenntnis (Jnana Drishti) gekommen sind, alles natürlich. Was gibt es, was von unserem eigenen Selbst getrennt wäre?“
Der Besucher fragte: „Dieser natürliche Zustand kann erst dann erkannt werden, wenn die weltliche Sichtweise verebbt. Wie aber kann das geschehen?“ Bhagavan erwiderte: „Wenn sich der Geist legt, legt sich damit auch die ganze Welt. Der Geist ist die Ursache von allem. Wenn er sich legt, zeigt sich der natürliche Zustand ganz von selbst. Die Seele tut sich immer als „Ich-Ich“ kund. Sie erstrahlt aus sich selbst! Sie ist hier. Das alles ist DAS. Wir sind immer darin. Wenn wir darin sind, warum sollten wir ES dann suchen? Die Alten sagen: „Wenn man die Welt im Zustand von Jnana sieht, sieht man sie als Brahman.“
[54] Pandharpur ist eine berühmte Pilgerstätte in Maharasthra.
Wer ist Ramana? Top
Amritanathas Frage lautete: „Wer ist dieser Ramana, der in der Höhle auf dem Arunachala wohnt und durch seine Barmherzigkeit bekannt ist? Ist er nicht Vararuchi, Isa Guru, Hari oder Yatindra? Ich möchte gerne die übernatürlichen Kräfte dieses Gurus kennen.“
Bhagavans Antwort lautet: „Aruanchala Ramana ist das höchste Selbst (Paratman), das im Herzen aller Lebewesen, von Hari abwärts, als Bewusstsein spielt. Er ist das höchste Sein. Du wirst es verstehen, wenn du das Auge der Erkenntnis öffnest und die Wahrheit begreifst.“
[55] ein Zeitgenossen Shankaras
[56] einer der 63 Shiva-Heiligen aus dem 7. Jh., s. a. die beiden nachfolgenden Briefe
[57] Hari=Vishnu, Yativara=Shiva, Isa Guru=höchster Herr
Das „Tamil-Kind“ Top
Der telugische Kommentar besagte, dass mit dem „Tamil-Kind“ Shankara gemeint sei. Am nächsten Tag sagte ich das Bhagavan. Er erwiderte: „Das muss ein Fehler im telugischen Kommentar sein. Das tamilische „Soudarya Lahari“ macht klar, dass damit Sambandar und nicht Shankara gemeint ist.“ Er ließ sich die tamilische Version bringen und las vor, wie Sambandar zu diesem Titel „Dravida Sisuhu“ gekommen ist. Dann erzählte er uns folgendes über Sambandar:
„Sambandar war das Kind einer orthodoxen Brahmanenfamilie in Sirkali. Seine Eltern nannten ihn Aludaya Pillayar. Als der Knabe drei Jahre alt war, nahm ihn sein Vater zum Baden im Wasserbecken des Tempels mit. Das Kind konnte seinen Vater im Wasserbecken nicht mehr sehen und sah sich verängstigt um. Doch sein Vater war spurlos verschwunden. Da fing es zu weinen an, sah zum Tempelwagen hinüber und jammerte: „Vater! Mutter!“ Da erschienen Parvati und der Herr Shiva am Himmel und gaben ihm ihren Darshan. Shiva wies Parvati an, ihm von der Milch ihrer Brust zu geben. Die Milch enthielt die göttliche Weisheit Shivas. Der Junge trank und wurde all seinen Kummer los. Da verschwand das göttliche Paar wieder. Sambandar saß von der Milch der Weisheit gesättigt und glücklich am Wasserspeicher. Die Milch tropfte noch aus seinen Mundwinkeln, als sein Vater aus dem Wasser stieg. Er schwang einen Stock und fragte ärgerlich: „Wer hat dir Milch gegeben? Wie kannst du die Milch trinken, die Fremde dir anbieten? Sag mir sofort, wer es war, oder du bekommst Schläge!“ Da antwortete Sambandar mit einem zehnstrophigen Lied in Tamil, das besagte, dass Shiva und Parvati, sein Vater und seine Mutter, ihm die Milch gegeben hatten. Von diesem Tag an strömte die Poesie ununterbrochen aus ihm hervor. Darauf bezieht sich Shankara. Die Kommentatoren von Shankaras Werk machen klar, dass sich „Dravida Sisuhu“ nur auf Sambandar beziehen kann.
[58] Sambandar: einer der 63 Shiva-Heiligen aus dem 7. Jh., der ein großer Tamil-Poet war. Seine Werke sind im Tevaram enthalten, einer Sammlung frommer Gesänge aus dem 6.-9. Jh.
Jnana Sambandar Top
Ich fragte: „Im „Sri Ramana Leela“ heißt es, dass Sambandar von den Waldvölkern ausgeraubt wurde, als er nach Tiruvannamalai kam. Aber er war doch ein Mann der Weisheit. Welchen Besitz hatte er?“ „Ach, das! Er folgte dem Pfad der Verehrung. Deshalb hatte er goldene Schellen, eine perlenbesetzte Sänfte und andere symbolträchtigen Dinge, weil Gott es so verfügt hatte. Er hatte auch einen Math und alles, was dazugehört.“ „Wann hat er das alles bekommen?“, fragte ich.
Bhagavan erzählte voller Emotionen: „Seit dem Tag, als er den Namen Jnana Sambandar erhalten hatte, also bereits in seiner Kindheit, sang er ununterbrochen heilige Lieder und ging auf Pilgerschaft. Zuerst besuchte er einen heiligen Ort namens Tirukolakka, ging in den Tempel, sang Preislieder und schlug mit seinen kleinen Händen den Takt dazu. Gott gefiel es und er gab ihm dafür zwei goldene Schellen. Seitdem hatte er immer die goldenen Schellen in der Hand, was er auch sang und wohin er auch ging. Er besuchte Chidambaram und andere heilige Orte und machte sich dann auf den Weg nach Maranpadi. In jenen Tagen gab es noch keinen Zug. Der Hauptgott in Maranpadi beobachtete den kleinen Jungen, wie er zu Fuß heilige Orte besuchte. Da hatte er Mitleid mit ihm und erschuf eine Sänfte aus Perlen, einen Perlenschirm und andere Dinge aus Perlen, die einem Sannyasin dienen konnten. Da es Gaben von Gott waren, konnte er sie nicht zurückweisen. Von da an benutzte er die Sänfte, wohin er auch ging. Allmählich schlossen sich ihm Menschen an und ein Math wurde gegründet. Doch er stieg aus der Sänfte, sobald er den Tempeltorturm des nächsten Heiligtums sah, und ging den Rest zu Fuß. So kam er auch von Tirukoilur zu Fuß hierher.
Von Tirukolur aus konnte er den Gipfel des Arunachala erblicken. Als er dort in einem Mandapam (Höhlentempel) saß, erschien ihm der Herr Arunachaleswara in Gestalt eines Lichtes und dann in Gestalt eines alten Brahmanen. [59] Sambandar wusste nicht, wer der alte Brahmane war, der einen Korb mit Blumen trug. Mit gefalteten Händen fragte er ihn: „Woher kommst du?“ „Ich komme gerade vom Arunachala. Das Dorf, in dem ich wohne, liegt hier in der Nähe.“ Sambandar fragte ihn erstaunt: „Von Arunachala! Seit wann bist du hier?“ Der Brahmane antwortete gleichmütig: „Ich komme jeden Morgen hierher, pflücke Blumen und winde für den Herrn Arunachala eine Girlande.“ Sambandar sagte überrascht: „Aber man hat mir gesagt, dass es bis dahin weit ist.“ Der alte Brahmane erwiderte: „Wer hat dir das gesagt? Du kannst Arunachala mit einem Schritt erreichen.“ Als Sambandar das hörte, wollte er unbedingt Arunachala besuchen und fragte: „Kann ich dorthin zu Fuß gehen?“ „Wenn ein betagter Mann wie ich täglich hin- und hergeht, kann es dann so ein junger Mann wie du nicht auch?“
Da bat Sambandar inständig: „Herr, bitte nimm mich mit!“ Der Brahmane ging voraus und Sambandar folgte ihm mit seinen Begleitern. Doch plötzlich war der Brahmane verschwunden. Als sie sich verwirrt überall nach ihm umsahen, wurden sie von Wilddieben umzingelt. Sie raubten die Sänfte, den Schirm, die goldenen Schellen, die Perlen und alles von Wert, den Proviant und sogar die Kleider, die sie trugen, und ließen sie in ihren Lendenschürzen zurück. Sie kannten den Weg nicht, es war sehr heiß, es gab keinen Unterschlupf und sie waren hungrig, da es Essenszeit war. Da betete Sambandar zu Gott: „Oh Herr, warum prüfst du mich auf diese Weise? Mich kümmert es nicht, was aus mir wird, aber warum sollen jene, die mir nachfolgen, diese harte Prüfung erdulden?“ Gott hörte sein Gebet, erschien ihm und sagte: „Mein Sohn, auch diese Wilddiebe gehören zu meinen persönlichen Bediensteten. Sie haben dich deines Besitzes beraubt, da es besser ist, wenn du ohne Show und Pomp zum Herrn Arunachala kommst, um ihn zu verehren. Du wirst deinen Besitz wiedererhalten, sobald du dort angekommen bist. Es ist jetzt Mittagszeit. Genieße eine gute Mahlzeit und gehe dann weiter.“ Dann verschwand er.
Da erschien ein großes Zelt in der Nähe. Einige Brahmanen kamen aus dem Zelt und luden Sambandar und seine Leute ein. Sie bewirteten sie mit köstlichen Speisen. Sambandar, der immer die anderen bewirtet hatte, wurde jetzt vom Herrn persönlich bewirtet. Als sie sich ausgeruht hatten, stand einer der Brahmanen auf und sagte: „Herr, sollen wir jetzt zum Arunachala weitergehen?“ Sobald sie sich auf den Weg gemacht hatten, verschwanden das Zelt und die Leute, die sie bedient hatten. Sambandar staunte über all die seltsamen Ereignisse. Als sie am Arunachala ankamen, verschwand ihr Führer. Plötzlich kamen das Zelt mit den Leuten und die Wilddiebe, die sie ausgeraubt hatten, von allen Seiten auf sie zu. Sie gaben Sambandar alles zurück und verschwanden wieder. Mit Freudentränen pries Sambandar den Herrn für seine Freundlichkeit. Er blieb einige Tage hier, verehrte den Herrn mit seinen Gedichten und setzte dann seine Wanderschaft fort. Es scheint, dass Gott selbst Sambandar, der ihm so eifrig diente, aus Zuneigung auf diesen Berg eingeladen hat.“
[59] s. a. Sri Ramanas eigenes Erlebnis in diesem Tempel in Tirukoilur: Ebert, Ramana Maharshi, S. 28f
Die Göttliche Kraft Top
Ich sagte: „Es gibt also eine Kraft?“ „Ja,“ erwiderte Bhagavan. „Es gibt eine Kraft. Sie wird „das Bewusstsein des Selbst“ (Swasphurana) genannt.“ Ich sagte mit bebender Stimme: „Bhagavan hat soeben beiläufig gesagt, dass es ausreicht, wenn wir denken, dass es keinen Unterschied zwischen uns und Gott gibt. Aber wir können diese unwirklichen Eigenschaften nur ablegen, wenn wir fähig sind, diese Kraft zu erlangen. Ob es nun die göttliche Kraft oder das Bewusstsein des Selbst ist, sollten wir sie nicht kennen? Wir sind dazu aber nicht in der Lage, sosehr wir es auch versuchen.“
Ich habe Bhagavan niemals zuvor in Gegenwart anderer so frei heraus Fragen gestellt. Da mir die Tränen kamen, wandte ich mein Gesicht der Wand zu. Eine Frau, die neben mir saß, erzählte mir später, dass auch Bhagavan feuchte Augen bekam.
Bhagavan pflegt manchmal zu sagen: „Der Jnani weint mit den Weinenden, lacht mit den Lachenden, spielt mit den Spielenden und singt mit den Singenden. Was verliert er schon dabei? Seine Gegenwart ist wie ein klarer Spiegel. Er reflektiert unser Gesicht. Wir sind es, die verschiedene Rollen im Leben spielen und die Früchte unseres Handelns ernten. Wie könnte der Spiegel oder der Ständer, auf dem er angebracht ist, davon in Mitleidenschaft gezogen werden? Nichts beeinträchtigt sie, denn sie sind lediglich hilfreiche Dinge. Die Handelnden in dieser Welt müssen für sich entscheiden, was dem Wohl der Welt dient, was den Sastras entsprechen und was praktikabel ist.“
Schlaf und der wahre Zustand Top
Ein anderer Devotee nahm den Gesprächsfaden auf und fragte: „Swami, du sagst, dass man seinen wahren Zustand kennen muss und dass dafür Meditation nötig ist. Aber was ist Meditation?“ Bhagavan antwortete: „Meditation bedeutet Brahman. Es heißt, man muss sich eine religiöse Praxis aneignen und meditieren, um von den Übeln, die der Geist hervorbringt, frei zu werden. Wenn man das beständig tut, werden diese Übel verschwinden. (ist Meditation nun Sadhana oder nicht?) Wenn sie verschwunden sind, wird die Meditation unwiderruflich zu Brahman. Tapas* bedeutet dasselbe. (Ist Tapas etwa keine Sadhana?) Wenn du fragst, wie du alle Vasanas loswerden kannst, rät man dir: „Mache Tapas.“ Was aber ist die Belohnung für dieses Tapas? Es heißt, dass Tapas selbst die Belohnung sei. Tapas bedeutet die Verwirklichung des Selbst. Was wirklich ist, ist die Verwirklichung des Selbst, Atmans, des höchsten Selbst, Brahmans. Das ist alles. Um eine Anweisung zu geben, muss man natürlich sagen: „meditiere“. Doch diese Zweifel tauchen nicht auf, wenn man weiß, wer es ist, der meditiert.“
Derselbe Gedanken findet sich in Bhagavans Upadesa Saram, Vers 30: „Die Wahrnehmung des eigenen Selbst, das fortbesteht, wenn jede Spur von „Ich“ verschwunden ist, ist das höchste Tapas.“
*Anmerkung zu Tapas: Tapas bedeutet Askese. Tapasya oder Tapas ist die Ausübung von physischer und geistiger Strenge und Disziplin um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Hierbei werden Wille und Energie konzentriert und genutzt um Körper, Emotion und Verstand zu kontrollieren und zu wandeln. In den Religionen des Hinduismus und Buddhismus, bei den Sikhismus und Jainismus praktizieren die Mönche, Gurus und deren Schüler Askese, um ihre Hingabe zu Gott zu stärken und die spirituellen Befreiung zu erlngen.In der Bhagavad-Gita versteht man unter der Askese auch die sexuelle Enthaltsamkeit:
Bhagavad Gita Kapitel 5, Vers 21 (Handeln im Krishnabewusstsein): „Ein befreiter Mensch fühlt sich weder zu materieller Sinnenfreude noch zu äußeren Objekten hingezogen, sondern befindet sich immer in Trance und genießt die Freude im Innern. Auf diese Weise genießt der Selbstverwirklichte unbegrenztes Glück, denn er konzentriert sich auf den Höchsten.“
Ein Brahmachari (im klassischen Sinne) ist so sehr in den liebevollen Dienst des Herrn vertieft, daß er das Interesse an materieller Sinnenfreude verliert. Die höchste materielle Freude ist sexuelle Freude. Die ganze Welt bewegt sich unter ihrem Zauber, und ein Materialist kann ohne diese Sinnesbefriedigung nicht leben. Aber ein Brahmachari vermeidet sexuelle Freuden. Dadurch besitzt er eine größere Energie. Dies ist der Prüfstein für die spirituelle Verwirklichung, für die Befreiung von allem Leid. Spirituelle Verwirklichung und sexuelle Freude sind unvereinbar. Ein selbstverwirklichter Brahmachari wird von keinerlei Sinnenfreude angezogen, da er eine befreite Seele ist. Es wird übrigens noch an einigen anderen Stellen der Bhagavad Gita die Notwendigkeit des Brahmacharya (der sexuellen Enthaltsamkeit) betont:
Kapitel 6, Vers 14: Mit beherrschtem Geist, ohne Furcht und völlig frei von Sexualität (fest im Gelübde des Brahmacharya) sollte man über mich meditieren und mich zum endgültigen Ziel des Lebens machen.
Kapitel 8, Vers 11: In den Veden bewanderte Persönlichkeiten, die das Omkara (Om) chanten und große Weise im Lebensstand der Entsagung sind, gehen in das Brahman ein. Mit dem Wunsch nach dieser Vollkommenheit leben sie im Zölibat. Ich werde dir jetzt diesen Vorgang erklären, durch den man Erlösung erlangen kann.
Kapitel 17, Vers 14: Die Enthaltung des Körpers besteht in der Verehrung des Höchsten Herrn, der Brahmanas (heiligen Schriften), des spirituellen Meisters und Höherstehender wie Vater und Mutter. Sauberkeit, Einfachheit, sexuelle Enthaltsamkeit und Gewaltlosigkeit sind ebenfalls Enthaltungen des Körpers.
Übrigens, auch Ramana Maharshi lebte selbstverständlich enthaltsam.
Dakshinamurti Top
Brahma (der Schöpfergott) bat seine Söhne Sanaka, Sanatkumara, Sanandana und Sanatsujata, die er aus seinem Geist erschaffen hatte, ihm bei der Schöpfung zu helfen. Sie waren aber nicht daran interessiert und weigerten sich. Sie lebten, von himmlischen Gottheiten, Heiligen und anderen Helfern umgeben, im Paradies. Sie dachten darüber nach, wer sie Jnana, die höchste Weisheit, lehren könnte. Da erschien ihnen Narada und sagte: „Wer könnte das tun, außer Brahma selbst? Kommt, lasst uns zu ihm gehen.“ Sie waren damit einverstanden und begaben sich zum Satya Loka, der Wohnstatt Brahmas. Dort fanden sie Saraswati (die Frau Brahmas) vor, die auf der Vina spielte, und Brahma, der vor ihr saß, sich an der Musik freute und den Takt dazu schlug. Sie betrachteten die Szene und fragten sich, wie jemand, der so sehr in die Musik seiner Frau vertieft war, sie die Essenz der spirituellen Weisheit lehren könnte. Narada sagte zu ihnen: „Kommt, wir wollen zu Vaikunta gehen, wo Vishnu wohnt.“ Also begaben sie sich dorthin. Der Herr Vishnu war in den privaten Gemächern seines Palastes. Da Narada Privilegien genoss, betrat er die Wohnung des Herrn. Bald kam er wieder heraus und berichtete: „Dort saß Brahma in der Nähe seiner Frau, die für ihn auf der Vina spielte, aber hier sitzt die Göttin Lakshmi auf Gottes Sofa und massiert ihm die Füße! Das ist ja noch schlimmer! Wie kann dieser Familienmensch, der vom innigen Blicken seiner Gefährtin bezaubert ist, uns helfen die Weisheit zu verstehen? Seht euch bloß den Prunk seines Palastes und dieser Stadt an! Das ist nicht gut. Wir wollen Shivas Hilfe suchen.“
Sie gingen zum Himalaja weiter und bestiegen voller Hoffnung den Kailash. Aber Shiva vollführte gerade vor einer großen Versammlung seiner Gefährten den himmlischen Tanz mit seiner Frau, die die Hälfte seines Körpers besaß. Vishnu spielte dazu auf der Trommel und Brahma schlug mit Schellen den Takt zum Tanz. Jene, die auf der Suche nach spiritueller Führung hergekommen waren, waren fassungslos und dachten: „Oh! Auch er ist hinter den Frauen her! Brahma hatte seine Frau nahe bei sich sitzen, doch er hatte keinen körperlichen Kontakt mit ihr. Vishnu hatte körperlichen Kontakt mit seiner Frau, aber sie hat nur seine Beine massiert. Aber Shiva hat Parvati zum Teil seines Körpers gemacht. Das ist sehr schlimm! Genug damit.“ Da machten sie sich auf den Rückweg.
Shiva verstand ihre Bedenken und fühlte Mitleid mit ihnen. Er sagte: „Wie sehr täuschen sie sich doch! Sie glauben, dass es den drei Gottheiten an spiritueller Weisheit mangelt, nur weil sie gerade mit ihren jeweiligen Frauen beschäftigt waren, als sie sie sahen. Wer sonst könnte diesen ernsthaften Wahrheitssuchern spirituelle Weisheit vermitteln?“ Da sandte Shiva Parvati mit der Ausrede fort, er wolle Tapas tun, und setzte sich als Dakshinamruti in Gestalt eines jungen Mannes mit der Geste des Chinmudra [61] unter einen Banyan-Baum nördlich des Mansarovar-Sees, wo die enttäuschen Devotees auf ihrem Heimweg vorbeikommen mussten. – Ich habe diese Geschichte irgendwo gelesen.“
„Wie interessant!“, sagte ich. „Warum hat Bhagavan sie nicht ins Vorwort aufgenommen?“
„Ich weiß es nicht. Ich hielt es für unnötig, all diese Ereignisse aus Dakshinamurtis Leben in dieser Einleitung zu berichten. Ich habe nur das eingefügt, was sich auf die 8 Strophen des Stotram bezieht.“
Als ich weiter nachforschte, fand ich heraus, dass diese Geschichte im zehnten Gesang des Siva Rahasyam steht.
Ich gebe meine Übersetzung der Einleitung Bhagavans zum Dakshinamurti Stotram wieder:
„Sanaka, Sanandana, Sanatkumara und Sanatsujata waren die vier Söhne, die Brahma aus seinem Geist geboren hatte. Als sie erfuhren, dass sie erschaffen worden waren, um die Schöpfung und Erhaltung der Welt weiterzuführen, waren sie nicht an der Aufgabe interessiert. Sie suchten nach Wahrheit und Weisheit und machten sich auf die Suche nach einem Lehrer. Da hatte der Herr Shiva mit den ernsthaften Wahrheitssuchern Mitleid und setzte sich als der schweigende Dakshinamurti in der Geste des Chinmudra unter einen Banyan-Baum. Als Sanaka und die anderen ihn sahen, wurden sie sofort von ihm wie von einem Magneten angezogen. Sie erlangten in seiner Gegenwart unmittelbar die Selbstverwirklichung. Shankara hat für jene, die nicht in der Lage sind, die Bedeutung des Schweigens von Dakshinamurti zu verstehen, die universelle Wahrheit in diesem Stotram zusammengefasst. Er erklärt, dass die Kraft (Shakti), die die drei Hindernisse zur Verwirklichung der Wahrheit auflöst – nämlich die Welt, der Seher und das Gesehene – nicht vom eigenen Selbst verschieden ist und dass letztendlich alles im eigenen Selbst aufgeht.“
[60] ein Preislied auf Dakshinamurti von Shankara. Dakshinamurti bedeutet wörtlich „nach Süden schauend“. Er ist Shiva, der sich als jugendlicher Guru manifestiert und die Schüler, die älter als er sind, durch seine schweigende Belehrung direkt zur Verwirklichung des Selbst führt. Dakshinaamurti bedeutet auch „gestaltlose Energie“. Ramana wird oft mit Dakshinamurti verglichen, da auch er in Schweigen lehrte.
[61] die Geste der Weisheit: Daumen und Zeigefinger berühren sich, während die übrigen Finger abstehen
Maya (Illusion) Top
„Wird damit diese Illusion zur „reinen Illusion“?“, fragte der Devotee. Bhagavan antwortete: „Ja, darauf läuft es hinaus. Wenn das Individuum einmal versteht, wer es ist, werden die schlechten Einflüsse der Illusion es nicht mehr berühren. Nenne es „reine Illusion“ oder wie immer du magst. Das ist das Wesentliche.“
Jemand anderer griff das Thema auf und fragte: „Es heißt, dass der Jiva (das Individuum) den schlechten Einflüssen der Illusion unterliegt. Seine Sichtweise und sein Wissen sind beschränkt, während Ishwara alles sieht und allwissend ist und andere solche Merkmale hat. Der Jiva und Ishwara werden eins, wenn das Individuum seine beschränkte Sichtweise und sein beschränktes Wissen ablegt und alle anderen Merkmale, die ihm gewöhnlich anhaften. Sollte aber Ishwara nicht ebenso seine besonderen Merkmale ablegen? Sie sind doch ebenso Illusionen.“
„Ist das dein Zweifel? Lege zuerst deine eigene beschränkte Sichtweise und deine Merkmale ab, dann können wir immer noch über Ishwaras allumfassende Sichtweise, sein vollkommenes Wissen etc. nachdenken. Zuerst werde dein beschränktes Wissen los. Warum sorgst du dich um Ishwara? Er wird sich um sich selbst kümmern. Hat er nicht dieselbe Fähigkeit wie wir? Warum sollten wir uns darum kümmern, ob er diese Merkmale besitzt oder nicht? Es genügt wirklich vollauf, wenn wir uns um uns selbst kümmern!“
Der Devotee fragte weiter: “Aber zuerst müssen wir doch alle einen Guru finden, der uns die Praxis lehrt und uns dadurch fähig macht, uns von diesen Gunas (Merkmalen) zu befreien.“
„Wenn wir sie wirklich loswerden wollen, finden wir dann nicht auch einen Guru? Zuerst müssen wir von ihnen frei werden wollen. Dann wird der Guru sich von selbst einstellen und nach uns suchen oder er wird uns irgendwie an sich ziehen. Der Guru ist immer wachsam und achtet auf uns. Ishwara wird uns den Guru zeigen. Wer sonst kümmert sich um das Wohlergehen seiner Kinder, wenn nicht der Vater selbst? Er ist immer bei uns und um uns. Er beschützt uns wie ein Vogel, der seine Eier beschützt, indem er sie im Schutz seiner Flügel ausbrütet. Aber wir müssen völliges Vertrauen in ihn haben.“
Sankaramma, die normalerweise zu schüchtern ist, um Bhagavan Fragen zu stellen, sagte leise: „Aber Swami, die Belehrung (Upadesa) des Guru ist doch für die spirituelle Praxis nötig.“ Bhagavan sagte: „Aber diese Belehrung wird jeden Tag gegeben. Jene, die sie brauchen, bekommen sie.“
Andere meinten: „Bhagavan muss uns seinen Segen geben, damit wir fähig sind, die Lehre zu empfangen. Das ist unsere Bitte.“ „Der Segen ist immer da“, antwortete Bhagavan.
Der Geist des Jnani ist Brahman Top
Jemand anderer fragte: „Es heißt, dass Satva (Reinheit) Brahman ist und dass Rajas (Leidenschaft) und Tamas (Trägheit) Phantome sind. [62] Stimmt das?“ Bhagavan erwiderte: „Ja. Sat (Sein, Existenz) ist das, was existiert. Sat ist Satva. Es ist natürlich. Es ist die subtile Bewegung des Geistes. Wenn es mit Rajas und Tamas in Kontakt kommt, erschafft es die Welt mit ihren unzähligen Formen. Nur wegen dieses Kontakts mit Rajas und Tamas sieht der Geist die Phantom-Welt und wird irregeführt. Wenn du diesen Kontakt beseitigst, scheint Satva rein und unbefleckt. Das nennt man reines Satva. Doch dieser Kontakt kann nicht beseitigt werden, solange du nicht mit einem äußerst subtilen Geist Selbstergründung übst und ihn zurückweist. Alle Vasanas (Wünsche) müssen bezwungen werden und der Geist muss sehr fein werden (Ist das kein Sadhana? Von allein geschieht es sicherlich nicht.). Er muss das Subtilste vom Subtilen werden. Man sagt, er muss so fein werden wie ein Atom in einem Atom. Er muss sogar im Verhältnis zu einem Atom winzig klein sein. Wenn er dann unterworfen wird, erhebt er sich als Unendliches unter Unendlichem. Nenne ihn den sehenden Geist oder den Geist, der Kräfte erlangt hat, nenne ihn wie immer du willst.
Wenn wir schlafen, liegt der Geist mit all seinen Aktivitäten bezwungen im Herzen. Was sehen wir dann? Nichts. Warum? Weil der Geist unterworfen ist. Sobald wir wieder vom Schlaf erwachen ist der Geist im Augenblick des Aufwachens wieder da. Da ist Sat und Brahman. Sobald jedoch der erwachte Geist mit den Gunas (Reinheit, Leidenschaft, Trägheit) in Kontakt kommt, tauchen alle Aktivitäten auf. Wenn du diese Launen des Geistes ablegst, erscheint Brahman überall. Es strahlt aus sich selbst und ist offensichtlich. Es ist Aham, „Ich“. Dann erscheint alles als alldurchdringend. Dies wird in der Sprache des Vedanta zum Ausdruck gebracht, wenn man von einem Brahma Vid (einer, der Brahman kennt) und von einem Brahma Vidvarishta (Höchster unter denen, die Brahman kennen) spricht. Er ist Brahman. Deshalb sagt man, dass der Geist des Jnani Brahman ist.“
Jemand anderer fragte: „Es heißt, dass der Jnani sich allen gegenüber gleich verhält.“ Bhagavan bejahte und zitierte:
„Freundschaft, Freundlichkeit, Glück, Gleichmut und andere Eigenschaften sind für sie natürlich. Sie haben Zuneigung für die Guten, Freundlichkeit für die Hilflosen, sie sind glücklich, wenn sie Gutes tun und vergeben den Bösen. Dies alles sind natürliche Eigenschaften der Jnani.“ (Patanjali Yoga Sutra, 1:37)
[62] Satva, Rajas und Tamas sind die drei Eigenschaften (Gunas) des Geistes. Satva = der reine, ungetrübte Geist, das, was ist, die Wirklichkeit; Rajas = Leidenschaft und Ruhelosigkeit; Tamas = Trägheit, Unwissenheit, Dunkelheit
Bezeugung von Respekt Top
Sobald sie draußen waren, sah mich Bhagavan an und sagte: „Es ist schade, dass sie gehen.“ Da merkte ich, dass ich etwas Schlimmes getan hatte und antwortete: „Es tut mir Leid. Ich wusste nicht, dass sie fortgehen.“ Bhagavan erwiderte: „Das ist es nicht. Sie leiden, wenn sie auf dem Boden sitzen müssen. Deshalb bleiben viele weg, die gerne kommen würden. Sie sind es nicht gewohnt, auf dem Boden zu hocken. Was können sie machen? Es ist ein Jammer.“
Vor einiger Zeit kam eine alte Frau mit ihren Verwandten. Alle verneigten sich vor Bhagavan und setzten sich auf den Boden, aber sie blieb stehen. Bhagavans Helfer Krishnaswami bat sie, sich hinzusetzen, aber vergebens. Ihre Verwandten forderten sie auf, aus dem Weg zu gehen, aber sie hörte auch nicht auf sie. Da sagte ich zu ihr, sie möge doch zu ihren Verwandten hinübergehen und sich hinsetzen, aber sie nahm davon keinerlei Notiz. Jemand anderer ermahnte sie: „Warum tust du nicht, was die Leute sagen?“ Ich sah zu ihren Verwandten hinüber, um den Grund für ihre Sturheit herauszufinden. Sie sagten, sie sei fast blind und wolle nahe an den Swami herangehen, um ihn aus der Nähe zu sehen. Da stand ich auf, nahm sie bei der Hand und führte sie zu Bhagavans Sofa. Sie beschattete ihre Augen mit der Handfläche, sah ihn konzentriert an und sagte: „Swami, ich kann nicht richtig sehen. Bitte segne mich, damit ich dich im Geist sehen kann.“ Bhagavan sah sie voller Zärtlichkeit an, nickte und erwiderte: „In Ordnung.“
Als sie fort waren sagte Bhagavan: „Die arme Frau kann nicht richtig sehen und hat sich nicht getraut, näher zu kommen. Was konnte sie tun? Deshalb stand sie einfach da. Für jene, die kein Augenlicht haben, ist der Geist das Auge. Sie haben nur ein Sehvermögen, das des Geistes, und nicht viele, die sie ablenken. Es ist nur nötig, dass sie den Geist sammeln. Wenn sie das einmal erreicht haben, sind sie viel besser dran als wir.“
Sadhana in der Gegenwart des Guru Top
Bhagavan antwortete: „Man muss sich anstrengen, um sie abzulegen (Ist das kein Sadhana?). Man muss in guter Gesellschaft sein, gute Kontakte pflegen und Gutes tun etc., um die Vasanas zu beseitigen. Wenn du in deinem Bemühen nicht nachlässt, wird dein Geist reifer. Mit Gottes Gnade werden die Vasanas verschwinden und deine Anstrengungen Erfolg haben. Das nennt man Purushakaram (menschliche Anstrengung). Wie kannst du von Gott erwarten, dir seine Gunst zu erweisen, wenn du dich nicht bemühst?“
Jemand anderer nahm den Gesprächsfaden auf und meinte: „Es heißt, dass das ganze Universum Gottes Spiel ist und dass alles die Gestalt von Brahman ist. Warum müssen wir dann schlechte Gewohnheiten und Taten ablegen?“
Bhagavan erwiderte: „Ich werde es dir sagen. Nimm einmal an, der menschliche Körper ist verwundet. Wenn du dich nicht darum kümmerst, weil du dir sagst, es sei ja nur ein kleiner Teil des Körpers, der betroffen ist, verursacht die Wunde dem ganzen Körper Schmerzen. Wenn sie nicht durch die übliche Behandlung heilt, muss der Arzt kommen, die betroffene Stelle mit einem Messer herausschneiden und das verunreinigte Blut entfernen. Wenn die kranke Stelle nicht herausgeschnitten wird, wird sie eitern. Wenn du die Wunde nach der Operation nicht verbindest, wird sich ein Eitergeschwür bilden. Mit dem Verhalten ist es dasselbe. Schlechte Gewohnheiten und schlechtes Benehmen sind wie eine körperliche Wunde. Wenn der Mensch sie nicht ablegt, wird er in den Abgrund stürzen. Deshalb muss man jede Krankheit entsprechend behandeln.“
Jemand fragte: „Bhagavan sagt, dass man Sadhana tun muss, um alle schlechten Dinge loszuwerden. Aber der Geist ist träge und kann aus sich selbst heraus nichts tun. Reines Bewusstsein dagegen ist bewegungslos und wird nichts tun. Wie also kann man Sadhana tun?“
„Oho! Aber wie kannst du dann sprechen?“
„Swami, ich verstehe das nicht, und deshalb bitte ich um eine Erklärung.“
Bhagavan antwortete: „Gut, dann hör mir bitte zu. Der träge Geist ist fähig, alles durch die Macht des Bewusstseins zu erlangen, mit dem er in Verbindung steht und das unbewegt ist. Aber aus sich selbst heraus und ohne die Hilfe des Bewusstseins kann der träge Geist nichts zuwege bringen. Das unbewegliche Bewusstsein kann ohne die Hilfe des Geistes ebenfalls nichts zuwege bringen. In dieser Beziehung ist das eine vom anderen abhängig, beides ist untrennbar miteinander verbunden. Dieses Thema wurde schon in alten Zeiten aus verschiedenen Gesichtswinkeln diskutiert und man kam zu dem Schluss, dass der Geist Bewusstsein und Trägheit ist. Wir müssen also folgern, dass die Verbindung von Bewusstsein (Selbst) und Trägheit (Materie) die Handlung hervorbringt.“
Bhagavan hat dies im Vers 24 der „Vierzig Verse“ folgendermaßen ausgedrückt:
„Der Körper sagt nicht „Ich“. Der Atman ist ungeboren. Zwischen den beiden wird das Gefühl „Ich“ im Körper geboren. Welchen Namen du ihm auch immer geben magst, es ist der Knoten zwischen dem Bewusstsein und der Trägheit (der Materie) und es bedeutet Bindung.“
Das Herz und das Kronenchakra Top
Ganapati Muni sagte, dass das Sahasrara (Kronenchakra [63]) der Ursprung und die Mitte von allem ist und vom Herzen unterstützt und erhellt wird, wohingegen ich sagte, dass das Herz der Ursprung von allem ist und dass die Kraft, die aus dem Herzen kommt, im Sahasrara erstrahlt. Deshalb ist das Herz die Sonne und das Sahasrara der Mond.“
Diese Doppelbedeutung wird in den Versen sehr gut ausgedrückt, wenn es dort heißt: „Bhagavan ist die Sonne. Von dort nehmen die Strahlen seiner Worte ihren Ausgang und verleihen dem Mond, i. e. Ganapati Muni (i. e. steht für „id est“, lateinisch für „das ist, mit anderen Worten“), ihren Schein und ihre Kraft. Dieser seinerseits gibt das Licht an uns weiter.“
[63] das höchste Chakra im Yoga
Die Entstehung der „Fünf Verse über das Selbst“ Top
Der Devotee meinte: „Wäre es nicht ein Segen für die Welt, wenn Bhagavan dasselbe täte?“ Ramana erwiderte: „Ich weiß nicht warum, aber mein Geist weigert sich, in diese Richtung zu gehen. Was kann ich machen?“
„Aber wir haben nur diese wenigen Verse. Wenn es einige mehr wären und ein verwandtes Metrum ausgearbeitet würde, würde es unsere Sprache ungemein bereichern“, meinte ich.
„Das ist ja alles schön und gut, aber bin ich ein Gelehrter? Wenn das getan werden soll, muss man zuerst das Bhagavatam, das Bharatam und alle diese Schriften studieren. Und worüber sollte ich schreiben? Was gibt es für ein Thema?“
„Worüber Bhagavan auch immer schreibt ist von Interesse“, erwiderte ich.
Er antwortete: „Du schreibst so viele Verse. Genügt das nicht? Du kannst sie selbst schreiben.“
„Aber ich will nichts schreiben. Wenn Bhagavan etwas schreibt, werde ich es lesen, sonst nicht“, erwiderte ich. Da lachte er und schwieg.
Ich ging hinaus und setzte mich auf die Veranda. Bhagavan ist voller Güte. Sobald ich draußen war, dichtete er ein Venba und las es den Devotees vor. Am Abend, als er spazieren ging, sagte er zu mir: „Hier ist ein weiteres Venba, das ich gerade geschrieben habe. Du kannst es dir ansehen.“ Ich war überglücklich. Bhagavan übersetzte es ins Tamil. Er sagte zu Muruganar: „Ich bin in Telugu nicht belesen. Deshalb vermeide ich es, etwas in Telugu zu schreiben, aber sie hört nicht auf, mich darum zu bitten. Ich habe immer wieder Einwände erhoben, aber sie hat nicht nachgegeben. Deshalb musste ich etwas schreiben.“
„Bhagavans Stimme musste sich auf diese Weise Gehör verschaffen“, meinte Munuganar.
Am nächsten Morgen um 8 Uhr sagte Bhagavan zu mir: „Hier ist noch ein weiterer Vers, den ich vergangene Nacht gedichtet habe. Das sind nun zusammen 5 Verse. Man könnte sie „Atma Panchakam“ nennen, aber es gibt bereits ein Gedicht mit diesem Titel von Shankara. Wir wollen es deshalb „Ekatma Panchakam“ (Fünf Verse über das Selbst) nennen. Ich habe die Verse bereits geordnet. Du kannst sie überprüfen und sie dann abschreiben.“
Der Text des Ekatma Panchakam (Fünf Verse über das Selbst):
dass man der Körper ist, durch unzählige Geburten geht
und sich schließlich erinnert und das Selbst wird,
so ist es wie das Erwachen aus einem Traum,
in dem man um die ganze Welt gewandert ist.
2. Man ist immer das Selbst.
Wenn man sich fragt: „Wer bin ich und wo bin ich?“,
ist es wie wenn ein Betrunkener fragt: „Wer und wo bin ich?“
3. Der Körper ist im Selbst.
Und doch denken wir, dass wir in diesem trägen Körper sind,
wie ein Zuschauer, der annimmt, dass die Leinwand,
auf die das Bild geworfen wird, im Bild ist.
4. Kann ein goldenes Schmuckstück ohne das Gold existieren?
Kann der Körper unabhängig vom Selbst existieren?
Der Unwissende glaubt: „Ich bin der Körper“,
während der Erleuchtete weiß: „Ich bin das Selbst“.
5. Das Selbst allein ist die einzige Wirklichkeit
und existiert für immer.
Wenn der erste Lehrer in alten Zeiten (Dakshinamurti)
es in ununterbrochenem Schweigen enthüllt hat,
sag, wer könnte es dann in Worten enthüllen? [66]
Ich schrieb mir die fünf Verse ab. Einige andere Devotees machten sich auch eine Abschrift und lernten sie auswendig. Am Nachmittag sang eine Frau das Ekatma Panchakam in der Halle vor. Als sie den dritten Vers sang, sah Bhagavan mich an und sagte: „Ich habe das Kino bereits als Beispiel verwendet, als ich noch in der Virupaksha-Höhle lebte und bevor Kinos so beliebt wurden. Zu Shankaras Zeit gab es noch keine Kinos. Deshalb hat er ein anderes Beispiel genommen. Das Kino ist ein sehr einleuchtendes Beispiel.“
[64] Das Venba ist eine Versform, die doppeldeutig ist.
[65] ein Heiliger, der einst in einer Höhle auf dem Arunachala wohnte
[66] aus Collected Works, S. 130 f, Einfügung durch die Übers.
Geburt Top
1. Ihr, die ihr Geburtstag feiern wollt, findet zuerst heraus, wer es ist, der geboren wurde. Unser wahrer Geburtstag ist der Tag, an dem wir in unser ewiges Sein eintreten, das weder Geburt noch Tod erreichen kann.
2. Besonders an den jährlichen Geburtstagen sollten wir beklagen, dass wir diesen Körper bekommen haben und in diese Welt geraten sind. Stattdessen feiern wir dieses Ereignis als ein Fest. Sich darüber zu freuen ist, als würde man einen Leichnam schmücken. Die Weisheit besteht darin, das Selbst zu erkennen und darin aufzugehen.
Es ist in einer bestimmten Gruppe der Bevölkerung in Malabar Brauch, über die Geburt eines Kindes zu weinen und einen Sterbefall prunkvoll zu feiern. Man sollte es wirklich beklagen, dass man seinen wahren Zustand verlassen hat und wiederum in der Welt geboren wurde und das nicht als festlichen Anlass begehen.“
Ich fragte: „Was hat Iswaraswami geschrieben?“
„Er hat Verse geschrieben, die mich als einen Avatar (eine Verkörperung Gottes) preisen und solche Dinge. Es war damals kurzweilig mit ihm. Er pflegte einen Vers zu dichten und ich dichtete einen im Gegenzug usw. Wir haben viele Gedichte geschrieben, aber keiner hat sich die Mühe gemacht, sie aufzubewahren. Damals waren wir die meiste Zeit alleine. Es gab keine Verköstigung. Wer wollte da bleiben? Heute, da Verköstigung und alles geboten wird, scharen sich viele Leute um mich und sitzen hier. Was aber gab es in jenen Tagen? Wenn Besucher kamen, blieben sie für eine Weile und gingen dann wieder. Das war alles.“
Ich bat ihn um eine Übersetzung der Geburtstagsverse ins Telugu. Er machte sie und gab sie mir.
Das Selbst (Atman) Top
Frau: „Um Friede (Shanti) zu haben.“
Bhagavan: „Dann gibt es also etwas, das man Friede nennt, nicht wahr?“
Frau: „Ja.“
Bhagavan: „Gut. Und du weißt, dass du ihn erlangen solltest. Woher weißt du das? Um das zu wissen, musst du ihn bereits erfahren haben. Nur wenn man weiß, dass Zuckerrohr süß ist, will man es auch haben. Also musst du Frieden erfahren haben. Du erfährst ihn immer wieder. Woher käme sonst der Wunsch danach? Tatsächlich wünscht sich jeder Mensch Friede, irgendein Friede. Es ist deshalb offensichtlich, dass Friede das Wirkliche ist. Es ist die Wirklichkeit, wie immer du es nennen magst: Friede, Seele, Paramatma oder Selbst. Wir alle wollen es, nicht wahr?“
Frau: „Ja, aber wie kann man es erlangen?“
Bhagavan: „Du hast bereits den Frieden. (Anmerkung: Hätte sie ihn, dann hätte sie bestimmt nicht danach gefragt.) Was kann ich sagen, wenn jemand um etwas bittet, was er bereits empfangen hat? Wenn es etwas wäre, das man von irgendwo herbeiholen müsste, müsste man sich anstrengen. Der Geist mit all seinen Aktivitäten ist zwischen dich und dein Selbst gekommen. Was du tun musst ist deshalb, davon loszukommen. (Anmerkung. Ist das etwa nicht mit Anstrengung verbunden?)“
Frau: „Ist ein Leben in Einsamkeit fürs Sadhana nötig oder genügt es, wenn wir lediglich alle weltlichen Freuden ablegen?“
Bhagavan antwortete nur auf den zweiten Teil der Frage: „Entsagung bedeutet innerliche Entsagung, nicht äußerliche.“ (Anmerkung: Und was bedeutet dies konkret? Ist innere Entsagung ohne äußere Entsagung überhaupt möglich? Ich sage, nein.)
Dann schwieg er und der Gong im Speisesaal läutete zum Essen.
Was hätte Bhagavan der Frau auf den ersten Teil ihrer Frage antworten können? Sie hat eine große Familie. Sie ist gebildet und kultiviert. Bhagavan sagte stets dasselbe zu den Familienvätern und -müttern und es klingt angemessen. Doch ist die innere, geistige Entsagung überhaupt so leicht? Vielleicht hätte die nächste Frage gelautet: „Was ist mit „innerer Entsagung“ gemeint?“ und es hätte eine Antwort darauf gegeben, wenn nicht der Gong dazwischengekommen wäre.
Ich ging nach Hause. Ich lebe dort allein. Wie du siehst, hat Gott jedem Einzelnen das zugeteilt, was für ihn geeignet und angemessen ist. Bhagavan hat mich nie gefragt: „Warum lebst du alleine?“ und er hat es auch nie irgendjemand gegenüber erwähnt. Wenn man nach dem Grund fragen würde, könnte man nur sagen: es ist so, weil es den Umständen meines Lebens angemessen ist.
Der Guru Top
Frager: „Doch dazu brauchen wir einen Guru.“
„Bhagavan: „Ja, ein Guru ist nötig.“ (Anmerkung: Ein Guru kann hilfreich sein, aber er ist nicht unbedingt notwendig. siehe Buddha, Samyaksambuddha oder Pratyekabuddha)
Frager: „Wie kann man wissen, wer ein geeigneter Guru ist? Von welcher Gestalt ist er?“
Bhagavan: „Jener ist ein geeigneter Guru, mit dem dein Geist übereinstimmt. Du fragst, wie du entscheiden sollst, welcher dein Guru ist und wie er sein sollte. Er sollte Ruhe ausstrahlen, geduldig sein, vergeben und andere Tugenden haben. Er sollte andere allein durch seinen Blick wie ein Magnet anziehen und ein Gespür für die Gleichheit aller haben. Wenn er diese Tugenden besitzt, ist er ein wahrer Guru. Will man die wahre Gestalt des Gurus kennen, muss man zuerst seine eigene Gestalt kennen. Wie könnte man seine wahre Gestalt erkennen, wenn man nicht zuerst seine eigene erkennt? Wenn du die wahre Gestalt des Gurus wahrnehmen willst, musst du zuerst lernen, die ganze Welt als die Gestalt des Gurus zu betrachten. Man muss alle Lebewesen als Guru betrachten. Mit Gott ist es dasselbe. Du musst alle Dinge als Gottes Gestalt sehen. Wie aber kann jemand, der sein eigenes Selbst nicht kennt, die Gestalt Ishwaras (Gottes) oder des Gurus erkennen? Wie kann er sie bestimmen? Deshalb kenne zuerst deine eigene wahre Gestalt.“
Frager: „Braucht man nicht einen Guru, um selbst das zu erkennen?“
Bhagavan: „Das ist wahr. Es gibt viele große Menschen in der Welt. Betrachte denjenigen von ihnen als deinen Guru, mit dem dein Geist übereinstimmt. Derjenige, dem du vertraust, ist dein Guru.“
Der Junge war immer noch nicht zufrieden. Er zählte viele große Männer der Gegenwart auf und meinte: „Dieser hat diesen Fehler und jener hat jenen Fehler. Wie könnte man sie als Guru betrachten?“
Bhagavan lässt zwar zu, dass man ihn selber schlecht macht, aber er akzeptiert nicht die leiseste Krittelei an anderen. Ungeduldig sagte er: „Man hat dir gesagt, dass du dein eigenes Selbst kennen sollst. Stattdessen suchst du Fehler bei den anderen. Es reicht völlig, wenn du deine eigenen Fehler berichtigst. Die Leute können sich selbst um ihre Fehler kümmern. Es sieht so aus, als könnten sie keine Erlösung erlangen, solange sie kein Zeugnis von dir erhalten haben. Was für ein Jammer! Sie warten alle auf dein Zeugnis. Du bist ein großer Mann. Können sie Erlösung finden, wenn du sie nicht billigst? Hier tadelst du sie, anderswo tadelst du uns. Du weißt alles. Wir wissen nichts und müssen dir gehorchen. Ja, das sollten wir wohl. Du kannst dann herumerzählen: „Ich war im Ramanashram und habe dem Maharshi Fragen gestellt, doch er konnte sie nicht richtig beantworten. Er weiß nichts.“
Der Junge wollte mit seiner Rede fortfahren, aber ein Devotee verhinderte es. Bhagavan meinte: „Warum hältst du ihn auf? Wir wollen alle still sein und ihn sprechen lassen so lang er will. Er ist ein weiser Mann. Ich habe ihn seit seiner Ankunft beobachtet. Er saß anfangs in einer Ecke, stellte seine Fragen zusammen und hielt sich bereit. Seitdem ist er jeden Tag näher an mich herangerückt, bis er schließlich nahe genug war, um seine Fragen zu stellen. Als er gestern die Fragen der Frau gehört hat, beschloss er sein Wissen auszubreiten und öffnete sein Bündel. Alles, was darin ist, muss herauskommen, oder etwa nicht? Er sucht die ganze Welt nach einem Guru ab. Anscheinend hat er noch keinen gefunden, der die nötigen Qualifikationen vorweisen kann, um sein Guru zu sein.
Dattatreya (Dattatreya ist eine Gottheit des Hinduismus. Er ist eine Verkörperung der Dreigestalt (Trimurti), Brahma, Vishnu und Shiva und wird als oberster Guru betrachtet.) [67] ist der universale Guru. Die ganze Welt war sein Guru. Wenn du das Böse siehst, spürst du, dass du es nicht tun sollst. Deshalb war das Böse sein Guru. Wenn du das Gute siehst, möchtest du es gerne tun. Deshalb war das Gute sein Guru. Beides, gut und böse, waren seine Gurus.
Als Dattatreya einen Jäger nach dem Weg fragte, ignorierte der seine Frage, da er sich gerade darauf konzentrierte, einen Vogel abzuschießen. Dattatreya sagte: „Du bist mein Guru! Obwohl das Töten des Vogels schlecht ist, ist es gut, dass du dein Ziel so fest im Auge behalten hast, um den Bogen abzuschießen und meine Frage ignoriert hast. Du lehrst mich, dass ich meinen Geist beständig auf Ishwara gerichtet haben sollte. Deshalb bist du mein Guru.“
Er betrachtete sogar seinen physischen Leib als seinen Guru, da das Körperbewusstsein während des Schlafes nicht existiert und deshalb der Körper nicht mit der Seele verwechselt und identifiziert werden darf. Da er die ganze Welt als seinen Guru betrachtete, verehrte ihn die ganze Welt als ihren Guru. Mit Ishwara ist es dasselbe. Wer die ganze Welt als Ishwara betrachtet, wird von der Welt als Ishwara verehrt, denn du wirst zu dem, was du wahrnimmst. Was wir sind, das ist auch die Welt.
Stell dir einen großen Garten vor. Wenn ein Kuckuck in den Garten kommt, sucht er auf dem Mangobaum nach Früchten. Die Krähe sucht auf dem Niembaum nach Futter. Die Biene sucht Blumen, um Honig zu sammeln und die Fliegen suchen nach Kot. Wer nach dem Salagrama (kleiner heiliger Stein) sucht, wird alle anderen Steine beiseite schieben und nur ihn auflesen. Dieser heilige Stein ist inmitten eines Haufens gewöhnlicher Steine zu finden. Man erkennt das Gute, weil das Böse mit ihm zusammen existiert. Licht scheint, weil es die Dunkelheit gibt. Ishwara ist nur da, wenn es die Illusion gibt. Wer die Essenz sucht, ist damit zufrieden, wenn er unter hundert Dingen etwas Gutes findet. Er weist die 99 von sich und nimmt nur das eine, das gut ist, und ist damit zufrieden, dass er mit diesem einen guten Ding die Welt überwinden kann. Er wird seine Augen immer auf dieses eine Gute richten.“
Bhagavan sagte das alles mit lauter Stimme und schwieg dann.
In der Halle herrschte ehrfürchtiges Schweigen. Die Uhr schlug vier. Der Ashram-Pfau kam von der Nordseite in die Halle und schrie laut. Bhagavan antwortete ihm mit: „Aav, Aav (komm, komm!“) und sah in seine Richtung.
[67] Gottheit des Hinduismus und Verkörperung der Dreigestalt von Brahma, Vishnu und Shiva (Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung)
Keine Verschwendung Top
Da heute Vormittag an den Geburtstagsversen etwas geändert worden war, wollte ich ein kleines Blatt Papier, um sie mir abzuschreiben und in mein Notizbuch zu kleben, aber ich konnte in der Halle keines finden. Ich wollte nicht extra heimgehen, um mir Papier zu holen, und sagte deshalb zu Bhagavan, dass ich im Büro darum bitten würde. Sie zeigten mir schönes Papier. Ich nahm ein Blatt für mich und sagte, auch Bhagavan könnte einige Blätter gebrauchen. Sie gaben mir vier Blätter. Ich brachte sie Bhagavan und schlug ihm vor, darauf seine Gedichte zu schreiben, um sie dann in ein Buch zu kleben. Er fragte: „Woher kommt das Papier? Hast du es aus dem Büro?“ Ich bejahte. Da sagte er: „Wozu brauche ich es? Wenn du willst, kannst du es haben. Ich kann mir etwas von den Zeitungen abreißen und darauf schreiben. Wozu brauche ich so gutes Papier?“ Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und legte das Papier auf das Bücherbrett.
Als die Post erledigt war, las Bhagavan die Zeitung. Er entdeckte darin einen leeren Teil von etwa 10 cm, faltete die Zeitung und riss ihn heraus. Er lächelte mich an, aber ich wusste nicht warum. Als er das Stück Papier herausgerissen hatte, faltete er es schön zusammen, legte es auf das Bücherbrett und sagte: „Ich werde dieses Stück Papier benutzen. Wie sonst könnte ich zu Papier kommen? Ist es nicht gut genug für das, was ich schreibe?“ Ich erwiderte: „Das soll uns eine Lehre sein. Bhagavan lehrt uns immer etwas, aber wir lernen unsere Lektionen nicht.“ Da lächelte er und schwieg.
Wenn Leute Büchersendungen bekommen, bringen sie manchmal die Bücher mit dem Packpapier in die Halle. Bhagavan faltet das Papier schön zusammen und sagt zu seinen Gehilfen: „Bewahrt es sorgfältig auf. Wir können es zum Verpacken eines Buches verwenden. Wie können wir sonst zu Papier kommen? Es ist umsonst.“
Bhagavan wird täglich die eingegangene Post aus dem Büro gebracht, damit er sie durchsieht. Beamte wie du beschreiben nur einen Teil des Papiers. Bhagavan pflegt diese unbeschriebenen Teile abzureißen und aufzubewahren. Ebenso macht er es mit den Klammern der Zeitungen. Wenn er die Zeitung gelesen hat, nimmt er die Klammern heraus und gibt sie seinen Helfern mit den Worten: „Wir können sie gebrauchen. Sonst werden sie nur weggeworfen. Wie könnten wir sonst zu solchen Klammern kommen? Man müsste sie kaufen. Und wo ist das Geld dafür?“
Als Bhagavan auf dem Berg lebte, hat er aus Kokosnussschalen Löffel, Tassen und anderes geschnitzt und auf Hochglanz poliert. Bis vor kurzem hat er das noch gemacht und zu seinen Helfern gesagt: „Bewahrt sie sorgfältig auf. Wir können sie brauchen. Wie können wir uns silberne Tassen und goldene Löffel leisten? Dies sind unsere silbernen Tassen und goldenen Löffel. Damit verbrennt man sich die Hände nicht und sie schlagen nicht an wie Waren aus Metall.“ Bhagavan benutzt nur diese Dinge.
Wenn jemand Orangen und ähnliches bringt, lässt Bhagavan nicht zu, dass man die Schalen fortwirft. Sie werden für Chutneys (indische Gewürzsoße) und Mixed Pickles verwendet. Sie werden auch in die Suppe und in andere Gerichte getan. Bhagavan isst seinen Blattteller immer leer. Nicht ein Bissen wird weggeworfen. Auf diese Weise zeigt er uns durch sein eigenes Beispiel, dass nichts verschwendet werden sollte.
Wenn ihm jemand Rosen bringt, drückt Bhagavan sie gegen seine Augen, legt sie auf die Uhr und isst die Blüten, wenn sie trocken sind und abfallen. Er gibt davon auch den Anwesenden. Als einmal jemand eine Rosengirlande brachte, wurde sie als Dekoration der Statue im Tempel der Mutter verwendet und anschließend von den Priestern zusammen mit anderen Blumen in den Abfallkorb geworfen. Bhagavan ärgerte sich über die Priester. Er sammelte alle Rosenblätter auf und mischte sie ins Payasam (in den Pudding), das dadurch einen wundervollen Geschmack bekam. Wenn er auf seinem Spaziergang irgendwelche essbaren Blätter sieht, pflückt er sie mit seinen Helfern und gibt Anweisung, wie man sie kocht und daraus ein leckeres Gericht macht. Er mag lieber Gerichte, die nichts kosten, als teure Gerichte. Das alles mag nichts Besonderes sein, aber wenn wir darüber nachdenken, erkennen wir, dass es für uns eine gute Lektion ist. Er lehrt uns, wie wir mit wenigen Mitteln gut leben können.
Täuschung und Geistesfriede Top
Er fragte nochmals: „Kann ich immer kommen, wenn ich diesen Wunsch habe oder soll ich den Wunsch verdrängen?“
„Die Dinge geschehen von selbst, wenn du aufhörst, in die Zukunft zu denken“, erwiderte Bhagavan.
„Immer wenn ich den Wunsch habe, Bhagavan zu sehen, kann ich ihn überhaupt nicht kontrollieren. Ist dieser Wunsch bloß eine geistige Täuschung?“
Ich erwiderte: „Wie kann der Wunsch, Darshan von einer großen Person zu haben, nur eine geistige Täuschung sein? Warum glaubst du, dass nur dieser Wunsch eine Täuschung ist, wenn es doch so viele Täuschungen des Geistes gibt, die man kontrollieren und unterdrücken muss?“
Er stellte keine weiteren Fragen.
In der Halle waren noch einige Besucher aus Andhra Pradesh, die auf Pilgerreise waren. Einer von ihnen stand auf und fragte: „Swami, wie erlangt die Seele Frieden?“ Bhagavan erwiderte lachend: „Frieden für die Seele?“ „Nein, ich meine Frieden für den Geist.“ „Ach so, für den Geist! Der Geist erlangt Frieden, wenn die Vasanas unterdrückt werden. Dafür muss man erforschen und erkennen, wer man ist. Wie könnte man Frieden erlange, indem man lediglich sagt: „Ich möchte Frieden! Ich möchte Frieden!“, ohne zuerst zu fragen, was Friede eigentlich bedeutet? Bemühe dich zuerst zu erkennen, was wirklich existiert.“
Unter ihnen war auch ein Gelehrter. Er fragte: „Das Leben ist an manchen Orten extrem schwierig. Wie kann man an solchen Orten Sadhana tun?“
Bhagavan antwortete: „Der Ort ist in dir. Du bist nicht an einem Ort. Wenn du doch überall bist, wie können dann an manchen Orten Schwierigkeiten auftreten und an anderen nicht? Alle Orte sind in dir. Wie können sie dir Schwierigkeiten bereiten?“ „Aber wir erlangen nicht überall Geistesfrieden“, protestierte er. Bhagavan antwortete: „Das, was immer existiert, ist Friede. Es ist dein natürlicher Zustand. Du bist nicht in der Lage, deinen natürlichen Zustand wahrzunehmen. Du lässt dich von etwas täuschen, das unwirklich ist und bedauerst, dass es keinen Frieden gibt. Wenn du dein Selbst verstehst, sind alle Orte gleichermaßen für Sadhana geeignet.“
Mutter Alagammal Top
„In der ersten Zeit, als Mutter bei mir in der Virupaksha-Höhle wohnte, wurde nicht gekocht. Sie aß was Echammal oder jemand anderer ihr brachte. Eines Tages dachte sie, dass ich nichts Rechtes zu essen hätte und es eine gute Idee wäre, doppelte Appalams (Fladenbrot) zu machen, da ich sie sehr mochte. Ohne dass ich davon wusste, bat sie die alte Frau Mudaliar, Echammal und andere, die Zutaten zu besorgen. Eines Abends sagte sie, sie würde ins Dorf gehen. Ich wollte wissen, wohin sie wirklich ging und wartete auf sie unter dem Baum am Eingang. Sie dachte, ich wisse nichts. Sie ging in mehrere Häuser, sammelte alle Zutaten in einem großen Gefäß ein und kam zurück. Ich schloss die Augen und tat so, als hätte ich nichts mitbekommen. Sie verstaute die Zutaten in der Höhle, bis alle Besucher fort waren. Als es dunkel wurde, aß ich wie üblich, legte mich hin und gab vor zu schlafen. Da holte sie das Wallholz und das Holzbrett, Mehl und die anderen Zutaten hervor und begann Appalams zu machen. Es sollten etwa zwei- bis dreihundert Stück werden. Sie konnte sie nicht alleine machen. Ich kenne die Arbeit. Deshalb sagte sie zu mir: „Mein Junge, bitte hilf mir.“ Jetzt hatte ich die Gelegenheit, auf die ich gewartet hatte. Wenn ich mit ihr nachsichtig war, würde sie mit etwas anderem beginnen. Ich wollte dem rechtzeitig Einhalt gebieten. Deshalb sagte ich: „Du hast alles aufgegeben und bist hierher gekommen. Wozu also das alles? Du solltest mit dem zufrieden sein, was gerade da ist. Ich werde dir nicht helfen. Ich werde nichts davon essen. Mache sie alle für dich und iss sie selber.“ Sie schwieg für eine Weile und fing dann wieder an: „Mein lieber Sohn, bitte hilf mir ein bisschen.“ Ich gab nicht nach. Sie bat mich immer wieder. Als ich spürte, dass es keinen Zweck mehr hatte, mit ihr zu debattieren, sagte ich: „Also gut. Du machst diese Appalams. Ich mache eine andere Sorte davon“, und ich begann dieses Appalam-Lied zu dichten. Sie kannte bereits ein Reislied, ein Suppenlied und andere Lieder, alle mit vedantischer Bedeutung, aber bislang hatte noch niemand ein Appalam-Lied verfasst. Deshalb dachte ich, dass ich eines dichten sollte. Sie mochte diese Lieder sehr und konnte noch ein weiteres dazulernen. Als sie mit der Zubereitung der Appalams fertig war, war auch mein Lied fertig. Ich sagte zu ihr: „Ich esse dieses Appalam (das Lied) und du isst die Appalams, die du gemacht hast.“ Das war 1914 oder 1915.“
Streng dich an und mache Appalams,
iss sie und dein Verlangen ist gestillt.
1. Durchwandere nicht trostlos diese Welt.
Beherzige das ungesprochene, einzigartige Wort
des wahrhaften Meisters,
der die Wahrheit von Sein-Bewusstsein-Seligkeit lehrt.
2. Nimm die schwarzen Linsen [70],
das Ego, das in den fünf Hüllen des Körpers [71] wächst,
und zermahle es in der Mühle,
der Frage der Weisheit: „Wer bin ich?“,
zum feinsten Mehl.
3. Gib Pirandai-Saft [72] hinzu, das ist gute Gesellschaft,
und Kreuzkümmel, das ist Geisteskontrolle,
den Pfeffer der Selbstbeherrschung,
das Salz der Nicht-Anhaftung
und als Gewürz Asafötida, die Liebe zur Tugend.
4. Gib den Teig in den Mörser des Herzens
und mit der Mörserkeule des nach innen gerichteten Geistes
zerstoße ihn kräftig mit den Schlägen von „Ich“, „Ich“.
Dann welle ihn aus mit dem Wallholz der Stille
auf der Steinplatte des Seins.
Arbeite unermüdlich, beständig und guten Mutes.
5. Lege das Appalam in die zerlassene Butter von Brahman
in die Pfanne des unendlichen Schweigens
und brate es über dem Feuer der Erkenntnis.
Wenn dann das „Ich“ zum Selbst geworden ist,
iss und koste das Selbst als das Selbst,
und bleibe das Selbst allein.
Bhagavan erinnerte sich noch an ein anderes Ereignis: „Einige Zeit nachdem ich das Appalam-Lied gedichtet hatte, machten wir uns alle auf den Weg zum Giri Pradakshina. Jemand bat: „Swami, bitte erkläre uns die Bedeutung des Appalam-Liedes.“ Ich zitierte viele Quellen und erklärte die Bedeutung eines jeden Wortes. Wir beendeten unsere Runde um den Berg und kehrten zur Virupaksha-Höhle zurück. Ich erklärte noch immer. Die ganze Essenz des Vedanta ist in diesem Lied enthalten. Ein Kommentar dazu würde ein großes Buch ergeben.“
Dann erzählte er weiter. „Obwohl ich meiner Mutter Vorhaltungen machte, fing sie allmählich mit dem Kochen an. Zuerst war es nur Gemüse, dann Suppe und so weiter. Später sind wir in den Skandashram gezogen. Sie wanderte auf dem ganzen Berg umher und sammelte alles Mögliche. Sie sagte: „Er mag dieses Gemüse und diese Frucht“ und nahm von meinem Protest keine Notiz. Sie sagte, sie werde mich nicht verlassen und woanders hingehen, weil sie Angst hatte, dass sie dort sterben könnte. Sie wollte unbedingt in meinen Armen sterben. Alamelu (Bhagavans jüngere Schwester) hatte ein neues Haus in ihrem Dorf in der Nähe von Manamadurai gebaut und bat Mutter, es sich anzusehen. Sie sagte, sie wäre schon damit zufrieden, wenn Mutter nur ihren Fuß hineinsetzen würde. Aber sie ging nicht, weil sie Angst hatte, dort krank zu werden und dann nicht mehr rechtzeitig mit dem Zug zurückzukommen, um in den Armen ihres Sohnes zu sterben. Sie sagte: „Selbst wenn du meinen toten Körper in dieses Dornengestrüpp wirfst, kümmert mich das nicht, aber ich muss mein Leben in deinen Armen beenden.“
Als er das erzählte, begann seine Stimme vor Ergriffenheit zu zittern.
[68] Appalam: ein sehr dünner, knuspriger Kuchen aus dunklem Linsenmehl
[69] Einschub der Übers., Übers. aus Collected Works, S. 132f
[70] gemeint ist eine schwarze Bohnensorte, die v. a. für Dhal (Linsen) etc. verwendet wird.
[71] die fünf Hüllen: die physische, vitale, mentale, intellektuelle Hülle und die Hülle der Seligkeit
[72] eine Sorte ganzjähriger Kletterpflanze, die in den trockenen Gegenden Indien wächst
Menschliche Anstrengung Top
Bhagavan: „Es heißt, dass es keinen Gott gibt, außer das Karma, das aus den früheren Geburten resultiert. Das Handeln (Karma), das man in der jetzigen Geburt gemäß der Anleitung der heiligen Schriften ausführt, heißt man menschliche Anstrengung (Purushakara). Das frühere und das gegenwärtige Karma treffen zu einem Kampf Kopf an Kopf aufeinander. Der Schwächere wird ausgeschaltet. Deshalb heißt es, man soll sich anstrengen. Wenn man allerdings fragt, was der Ursprung von Karma ist, heißt es, man soll diese Frage nicht stellen, da sie wie die ewige Frage ist, was zuerst kommt: der Same oder der Baum. Diese Frage führt nur zu Diskussionen und nicht dazu, eine klare Antwort zu finden. Deshalb sage ich: finde zuerst heraus, wer du bist. Wenn man fragt: „Wer bin ich?“ Wie bin ich zu diesem Leben gekommen?“, wird man das Selbst verwirklichen. Das Mangelhafte wird beseitigt und man erlangt Friede. Doch warum überhaupt von „erlangen“ sprechen? Das Selbst bleibt einfach wie es IST.“
Im Yoga Vashishta heißt es im zweiten Lied:
„Wer bin ich? Wie ist dieses falsche Samsara entstanden?“ Diese Erforschung nennt man den Pfad der Suche (Vichara). Durch Vichara wird die Wirklichkeit verstanden und solches Verstehen bringt das Ruhen im Selbst mit sich. Der Geist wird still und alle Sorgen finden ein Ende.“
Das Oberhaupt eines Maths Top
„Ein Sannyasin wollte die Leitung eines Maths übernehmen. Dafür brauchte er Schüler. Er versuchte alles, Schüler für sich zu gewinnen. Doch alle, die kamen, fanden bald heraus, dass er nicht viel wusste und gingen wieder. Keiner blieb. Was konnte er tun? Eines Tages hatte er etwas in einer Stadt zu erledigen. Er musste dort seiner Position entsprechend auftreten, aber er hatte keinen Schüler. Er dachte, es müsse ja niemand wissen. Also plante er, sein Bündel Kleider, das er auf dem Kopf trug, unbeobachtet in einem Haus abzulegen und dann so zu tun, als ob er gerade erst kommen würde. Er durchwanderte die ganze Ortschaft, doch jedes Mal, wenn er ein Haus betreten wollte, standen Leute davor. Armer Kerl! Was konnte er tun? Es war schon fast Abend und er war müde. Schließlich fand er ein Haus, vor dem niemand stand. Die Tür war offen. Erleichtert legte er sein Bündel in eine Ecke des Hauses und setzte sich dann draußen auf die Veranda. Nach einer Weile kam die Hausfrau heraus und fragte ihn, wer er sei. „Ich bin das Oberhaupt eines Maths. Ich habe in der Stadt zu tun und da ich gehört habe, dass ihr gute Leute seid, habe ich mein Gepäck von meinem Schüler herbringen lassen, da ich hoffe, wir können die Nacht bei euch verbringen. Morgen werden wir wieder gehen. War mein Schüler da?“ „Niemand war da, Herr“, antwortete sie. „Ich habe ihn geheißen, mein Bündel hier abzulegen und dann auf dem Bazar einige Dinge zu besorgen. Bitte sieh nach, ob er es irgendwo abgelegt hat.“ Als die Frau das Haus durchsuchte, fand sie das Bündel in der Ecke liegen. Da hießen sie und ihr Mann ihn willkommen und gaben ihm etwas zu essen und ein Zimmer zum Schlafen. Spätabends fragte sie: „Dein Schüler ist immer noch nicht da?“ Er antwortete: „Vielleicht hat dieser Bursche im Bazar gegessen und streunt herum. Bitte geht zu Bett. Wenn er kommt, werde ich ihm öffnen.“
Das Ehepaar hatte inzwischen den Sannyasin durchschaut. Die beiden dachten, sie würden noch mehr Spaß mit ihm haben und legten sich schlafen. Da begann der Sannyasin mit seiner Vorstellung. Er öffnete geräuschvoll die Tür und schloss sie wieder, was jeder im Haus hören sollte. Dann sagte er laut: „Wo bist du so lange gewesen? Nimm dich bloß in Acht! Wenn das wieder vorkommt, werde ich dich grün und blau schlagen.“ Dann verstellte er seine Stimme und sagte leidend: „Swami, Swami, bitte vergib mir! Ich werde es nicht wieder tun.“ Mit seiner eigenen Stimme sagte er: „In Ordnung, komm her und massier meine Beine – hier, nicht da – klopfe leicht mit den Fäusten. Ja, ein bisschen fester.“ Er massierte seine eigenen Beine. „Jetzt ist es genug. Es ist schon spät. Geh zu Bett.“ Dann ging er schlafen. Es gab im Zimmer der Eheleute ein Loch in der Wand, durch das sie die ganze Posse beobachten konnten.
Am frühen Morgen wiederholte der Sannyasin die Vorstellung vom Vorabend: „Du fauler Kerl! Die Hähne krähen schon. Geh zum Haus von XY, erledige diese und jene Arbeit und komm dann zurück.“ Damit öffnete er die Tür und gab vor, ihn wegzuschicken. Dann ging er wieder ins Bett zurück. Das Paar beobachte auch das. Am Morgen packte er sein Bündel zusammen, legte es in eine Ecke und ging zum Wasserbecken in der Nähe, um sein Bad zu nehmen. Unterdessen versteckte das Ehepaar das Bündel. Als der Sannyasin zurückkam, durchsuchte er das ganze Zimmer, aber das Bündel war nirgends zu finden. Da fragte er die Hausfrau: „Wo ist mein Bündel?“ Das Paar erwiderte: „Herr, dein Schüler war da und hat es mitgenommen. Er sagte, dass er es dir bringen soll. Es war derselbe, der gestern Abend deine Beine massiert hat. Er muss um die Ecke verschwunden sein.“
Was konnte er machen? Er hielt den Mund und ging nach Hause.“
Mäßigung von Schlaf, Essen und Bewegung Top
„Von den Behinderungen ist die erste der Schlaf. Wir müssen so weit als möglich versuchen, ihm nicht zu erliegen. Wir müssen herausfinden, warum wir müde werden und unser Essen, unsere Bewegungen usw. mäßigen und darauf achten, dass wir uns nicht müde fühlen. Aber es bringt nichts, den Schlaf aufhalten zu wollen, wenn wir bereits schläfrig sind. Wir werden müde, wenn wir herzhaft essen. Dann nicken wir ein, wenn wir uns zur Meditation hinsetzen. Manche befestigen ihre Haare an einem Nagel an der Wand, um sich wach zu halten. Sie wachen dann auf, wenn sie einnicken. Doch von welchem Nutzen ist das für die Meditation? Mein Kindheitserlebnis mit dem Schlaf ist bekannt. Ich band einen Faden an den Nagel an der Wand und befestigte meine Haare daran, um während des Schulunterrichts nicht einzuschlafen. Wenn mein Kopf nach unten sank, wurde der Faden stramm gezogen und das weckte mich auf. Sonst verdrehte mir der Lehrer die Ohren und weckte mich auf“, erzählte Bhagavan und lachte.
Muruganar fragte: „Ist es möglich, dass sich Bhagavan diese Geschichte nur ausgedacht hat?“
„Nein, es ist wahr! Ich habe das gemacht, weil ich Angst hatte, dass mich der Lehrer bestrafen würde, wenn ich nicht aufpasste. So war das damals.
In meiner ersten Zeit hier wusste ich kaum, ob es Tag oder Nacht war, wenn ich mit geschlossenen Augen in Meditation versunken war. Wenn ich dann irgendwann meine Augen öffnete, fragte ich mich immer, ob es Tag oder Nacht sei. Ich aß nicht und schlief nicht. Wenn man sich bewegt, braucht man Nahrung und wenn man isst, braucht man Schlaf. Wenn man sich nicht bewegt, braucht man keinen Schlaf und es genügt sehr wenig Nahrung, um das Leben zu erhalten. Das war damals meine Erfahrung. Irgendjemand gab mir immer eine winzige Menge flüssige Nahrung, wenn ich die Augen öffnete. Das war alles. Aber wenn man nicht in bewegungsloser Konzentration verharrt, kann man Schlaf und Nahrung nicht völlig aufgeben. Wenn Körper und Geist den üblichen Beschäftigungen des Lebens nachgehen, fängt der Körper an zu taumeln, wenn du ihm Nahrung und Schlaf verweigerst. Deshalb gilt, dass Nahrung und Bewegung beschränkt werden müssen, um die Seele zu erheben. Große Menschen beschränken ihren Schlaf auf das Minimum, damit sie nicht ihre Zeit vergeuden, und nutzen die Zeit, um selbstlose gute Taten zu vollbringen. Manche sagen, es sei gesund, um 10 Uhr abends zu Bett zu gehen und um 2 Uhr wieder aufzustehen. Das bedeutet, dass vier Stunden Schlaf ausreichen. Andere sagen, dass vier Stunden Schlaf nicht genügen, sondern dass es sechs sein sollten. Es läuft darauf hinaus, dass man nicht im Übermaß essen und schlafen sollte. Wenn du eines von beidem völlig aufgeben willst, musst du nur ständig daran denken. Deshalb sollte der Sadhaka in allem maßvoll sein.“
In der Bhagavan Gita VI, 16f heißt es:
„Yoga ist nicht für den geeignet, der zu viel isst, aber auch nicht für den, der sich zu sehr enthält, weder für den, der zu viel schläft, noch für den, der zu viel wacht. Yoga macht allem Leid ein Ende, wenn man maßvoll ist im Essen und Zeitvertreib, im Handeln, im Schlafen und im Wachen.“
Keine Unregelmäßigkeit Top
Im Dezember und Januar beginnt die Puja im Arunachaleswara-Tempel sehr früh am Morgen. Bhagavan ist zu dieser Zeit wach. Natürlich bewegt er sich auch wenig. Es heißt, dass diese Beschränkungen nur für Sadhakas (spirituelle Schüler, Yogaschüler) gelten und nicht für Jnanis (Schüler, die nach dem Selbst, nach der Vereinigung mit Gott streben). Aber die Jnanis beachten diese Disziplinen zum Wohl der Welt. Sie geben den Gipfel der völligen Leidenschaftslosigkeit nie auf. Die Beachtung von Grundsätzen, Bestimmungen usw., die nicht gegen die Naturgesetze verstoßen, sind für sie normal. Ihr ganzes Handeln ist für uns eine Lehre.
[73] Brahma Muhurtham: morgens zwischen 4 und 6 Uhr, beliebte Zeit für die Puja
Grundsätze Top
09.04.1947: Frage: „In welchem Asana (Yogahaltung) sitzt Bhagavan für gewöhnlich?“
Bhagavan: „Im Asana des Herzens. Wo immer es angenehm ist, dort ist mein Asana. Es heißt auch das Asana der Glückseligkeit. Dieses Asana des Herzens ist friedvoll und macht glücklich. Für jene, die in diesem Asana sitzen, ist kein anderes nötig.“
Frage: „In der Sri Ramana Gita kommt der Ausdruck „hridaya granthi bhedanam“ (das Aufbrechen des Herzensknotens) vor. Was bedeutet das?“
Antwort: „Es bedeutet: weggehen, beenden, Auslöschung aller Vasanas (Wünsche), Vernichtung des Egos, des Ichs, Vernichtung des Geistes. Es gibt dafür noch viele andere Namen. Alle bedeuten dasselbe: die Vernichtung des Ego-Geistes ist hridaya granthi bhedanam. Das Wort Jnana bedeutet dasselbe.“
Zu Beginn des Gesprächs hatte ein Helfer den Ventilator angestellt, da es in der Halle stickig war. Bhagavan ließ ihn ausschalten und bemerkte: „Seht euch das an! Viele Leute fragen, wie jemand, der ein Jnani geworden ist, sich weiterhin mit Handeln befassen kann. Um das zu veranschaulichen, hat man früher das Beispiel von der Töpferscheibe gewählt. Während sich die Scheibe ständig dreht, entsteht das Gefäß. Aber selbst wenn das Gefäß fertig ist und die Scheibe abgestellt wird, dreht sie sich noch eine Zeit lang weiter. Heute können wir als Beispiel den elektrischen Ventilator nehmen. Wir haben ihn abgestellt, aber er dreht sich noch eine Zeit lang weiter. Ebenso ist es, wenn jemand ein Jnani geworden ist. Er gibt den Körper nicht auf, solange er die Handlungen, die für ihn bestimmt sind, nicht ausgeführt hat.
Plötzlich begann ein kleines Kind von etwa 8 Monaten hinter meinem Rücken „Thatha, Thatha“ (Opa, Opa) zu plappern. Als Bhagavan diese süßen Worte hörte, hob er den Kopf und fragte, wer es sei. Ich sagte: „Es ist unsere kleine Mangalam.“ Bhagavan mag kleine Kinder sehr. Er sagte: „Ach, sie ist es? Ich dachte, es sei ein älteres Mädchen. Hat sie schon damit begonnen „Thatha, Thatha“ zu sagen?“ Das Kind sagte weiterhin: „Thatha, Thatha.“ Bhagavan sagte: „Seht bloß dieses Wunder! Kinder sagen als erstes Wort „Thatha“, das „than than“ (than – selbst) bedeutet. Thanthan bedeutet das eigene Selbst. Mit uns ist es dasselbe. Das Wort „ich“ kommt automatisch zuerst. Erst dann folgen die Wörter „du“, „er“ usw., so wie bei kleinen Kindern alle anderen Wörter dem Wort „thatha“ folgen. Erst wenn das Gefühl von „aham“ (ich) da ist, folgen die anderen Empfindungen.“
Es war fast 9 Uhr und Krishnaswami machte das Radio an, um die Zeit abzugleichen. Als die Uhr neun schlug, beendete der Sprecher im Radio seine Ansage mit: „Namaste* an alle“ (Ich verbeuge mich vor dir.). Bhagavan lächelte und sagte: „Der Radiosprecher sagt: „Namaste an alle“, als ob er sich von denen, die er anspricht, unterscheiden würde. Ist er nicht einer von ihnen? Es läuft doch darauf hinaus, dass er sich selbst ebenfalls grüßt. Die Menschen bemerken das nicht. Das ist seltsam.“
*Einer Überlieferung zufolge soll Mahatma Gandhi auf eine Nachfrage von Albert Einstein, was er denn mit dem bei ihm beobachteten Gruß „Namaste“ ausdrücken wolle, dem Wissenschaftler Folgendes geantwortet haben: „Ich ehre den Platz in dir, in dem das gesamte Universum residiert. Ich ehre den Platz des Lichts, der Liebe, der Wahrheit, des Friedens und der Weisheit in dir. Ich ehre den Platz in dir, wo, wenn du dort bist und auch ich dort bin, wir beide nur noch eins sind.“
Völlige Hingabe Top
Bhagavan las den Brief langsam durch und sagte: „Alleinige Zuflucht bedeutet zweifelsohne, frei von Anhaftung an Gedanken zu sein, aber bedeutet es auch, selbst die Gedanken an Essen und Wasser usw., die für den Körper notwendig sind, abzulegen? Er fragt, ob er nur essen soll, wenn er etwas durch Gottes Gnade erhält, ohne darum zu bitten, oder ob er sich wenigstens ein wenig darum bemühen soll. Nehmen wir einmal an, dass die Nahrung von selbst kommt. Aber wer ist es dann, der sie isst? Nehmen wir weiter an, dass jemand sie dir in den Mund legt. Musst du sie dann nicht wenigstens hinunterschlucken? Ist das keine Anstrengung? Er fragt, ob er Arznei nehmen soll, wenn er krank ist, oder alles Gott überlassen soll. Da der Hunger auch wie eine Krankheit ist, muss man gegen diese Krankheit Nahrung als Medizin nehmen. Shankara schreibt, dass die Krankheit Hunger mit Nahrung behoben werden muss, die man als Almosen erhält. Also muss man zumindest betteln gehen. Wenn alle Leute mit geschlossenen Augen dasitzen und sagen würden: „Wir essen, wenn Nahrung kommt“, wie könnte sich dann die Welt weiterdrehen? Man muss die Dinge nehmen wie sie kommen, gemäß der Tradition, in der man lebt, und man muss frei vom Gefühl sein, dass man selbst etwas tut. Das Gefühl, der Handelnde zu sein, ist Bindung. Deshalb ist es nötig, darüber nachzudenken und eine Methode zu finden, womit ein solches Gefühl überwunden werden kann, anstatt Zweifel zu hegen, ob man die Medizin nehmen soll, wenn man krank ist, oder ob man essen soll, wenn man hungrig ist. Solche Bedenken werden sich immer einstellen und es wird kein Ende mit ihnen geben. Selbst solche Bedenken wie: „Darf ich stöhnen, wenn ich Schmerzen habe? Soll ich nach dem Ausatmen einatmen?“ werden sich einfinden.
Ob du nun von Ishwara oder Karma sprichst, irgendein Täter vollbringt alles in dieser Welt, wie es der Entwicklung des Geistes eines jeden Individuums entspricht. Wenn man alle Verantwortung auf ihn, den großen Handelnden, wirft, werden die Dinge ihren Lauf nehmen. Wenn wir gehen, denken wir dann etwa bei jedem Schritt darüber nach, ob wir ein Bein nach dem anderen heben sollen? Geschieht das Gehen nicht von selbst? Ebenso ist es mit dem Ein- und Ausatmen. Dafür ist keine besondere Anstrengung nötig. Mit diesem Leben ist es dasselbe. Können wir irgendetwas aufgeben und tun, was uns gefällt? Viele Dinge tun wir automatisch, ohne dass wir uns ihrer bewusst sind.
Völlige Hingabe an Gott bedeutet, alle Gedanken aufzugeben und den Geist auf Ihn zu konzentrieren. Wenn wir uns auf Ihn konzentrieren können, verschwinden die anderen Gedanken. Wenn die Tätigkeiten unseres Geistes, Sprache und Körper mit Gott verschmolzen sind, liegt alle Last unseres Lebens auf Ihm. Der Herr Krishna sagte zu Arjuna in der Gita:
„Wer alleine Mich verehrt und an nichts anderes denkt, dem gebe ich völlige Geborgenheit und ich kümmere mich um seine Bedürfnisse.“
Arjuna musste kämpfen. Deshalb sagte Krishna zu ihm: „Lege alle Last auf Mich und tu deine Pflicht. Du bist nur ein Instrument. Ich werde mich um alles kümmern. Nichts wird dich beunruhigen.“ Aber bevor man sich Gott hingibt, sollte man auch wissen, wer es ist, der sich hingibt. Solange man nicht alle Gedanken aufgegeben hat, ist es keine Hingabe. Wenn es keine Gedanken mehr gibt, ist das, was übrig bleibt, das Selbst. Deshalb ist es im Grunde nur die Hingabe an sein eigenes Selbst. Wenn die Hingabe auf Gott bezogen ist, muss man die Last auf Gott werfen, wenn sie durch gute Taten erfolgt, sollte man gute Taten tun, bis man sein eigenes Selbst kennt. Das Ergebnis ist in beiden Fällen dasselbe. Hingabe bedeutet, sein eigenes Selbst zu erforschen und zu erkennen und dann im Selbst zu bleiben. Was gibt es, was vom Selbst getrennt wäre?“
Der junge Mann fragte: „Wie kann ich es erkennen?“ Bhagavan antwortete: „In der Gita werden verschiedene Wege aufgezeigt. Du sollst meditieren (Dhyana). Wenn du das nicht kannst, dann sollst du Bhakti, Yoga oder selbstloses Tun üben. Es werden noch viele andere Wege aufgezeigt. Einem dieser Wege muss man folgen. Das eigene Selbst ist immer da. Die Dinge geschehen von selbst, in Übereinstimmung mit den Früchten der Handlungen aus früheren Geburten. Das Gefühl, dass der Handelnde „ich“ ist, ist die Bindung. Wenn man dieses Empfinden durch Vichara (Selbsterforschung) losgeworden ist, werden sich diese Fragen nicht mehr stellen. Saranagathi (Zuflucht) bedeutet nicht, mit geschlossenen Augen dazusitzen. Wenn alle so dasitzen würden, wie könnten sie in der Welt bestehen?“
Da läutete die Glocke zum Essen. „Es läutet. Sollten wir nicht zum Essen gehen?“, sagte Bhagavan lächelnd und stand auf.
Traumvisionen Top
Der Devotee fragte: „Stimmt es, dass Bhagavan ihm im Traum erschienen ist?“ Bhagavan erwiderte lächelnd: „Ich weiß es nicht. Wer weiß? Er hat es gesagt. Das ist alles.“
Ein anderer Devotee fragte: „Mit einem Notizbuch war es einmal dasselbe, nicht wahr?“ Bhagavan erwiderte: „Ja, das stimmt. Ich bat Madhava, ins Büro zu gehen und ein Notizbuch von länglichem Format und mit schwarzem Einband zu holen, weil ich den Kommentar zur Sri Ramana Gita in Malayalam schreiben wollte. Er versprach es, vergaß es dann aber.
In der Zwischenzeit kam Nambiar und brachte mir ein Notizbuch von derselben Größe und Art wie das, um das ich gebeten hatte. Als ich ihn fragte, wie er dazu käme, erwiderte er: „Bhagavan ist mir im Traum erschienen und hat mich um ein Notizbuch gebeten. Er hat es mir genau beschrieben. Ich fand ein solches im Laden und habe es dir mitgebracht.“
Unterdessen war Madhava hereingekommen. Er war überrascht, erinnerte sich an den Auftrag und brachte ein Notizbuch aus dem Büro. Es hatte genau dasselbe Format. Es war gerade groß genug für die Sri Ramana Gita und den Kommentar. Als diese Arbeit fertig war, kam Nambiar und nahm es mit. Er sagte, er wolle es veröffentlichen. Doch er wollte das Buch mit der Handschrift Bhagavans nicht der Druckerei überlassen. Also machte er eine Abschrift und sandte diese an die Druckerei. Das Original behielt er. Er muss es immer noch haben.
Auch mit Rajagopalan war es dasselbe. Als der Vorrat an Tinte zu Ende ging, bat ich die Leute sie nachzufüllen. Am nächsten Tag oder einen Tag später brachte Rajagopalan ein großes Gefäß Tinte mit. Als ich ihn fragte, wie es komme, dass er davon wusste, sagte er, dass Bhagavan ihm im Traum erschienen sei und ihm gesagt habe, dass er Tinte bräuchte. Also habe er sie gebracht. Diese Dinge geschehen immer wieder.“
Göttliche Visionen Top
„Hat sie jemandem von ihrem Erlebnis erzählt?“, fragte ich.
Bhagavan antwortete: „Wir haben es zu erfahren versucht, aber sie konnte nicht mehr sprechen.“
„Das bedeutet, dass du sie auf dieselbe Weise mit deinem Darshan gesegnet hast wie Nayana. Sie hatte ja auch das Privileg, von deiner Mutter gestillt zu werden.“
„Ja, so ist es. Mutter stillte uns beide. Ich wurde von ihr bis zu meinem 5. Lebensjahr gestillt. Wenn mein Vater es bemerkte, schalt er sie: „Wie kannst du einem so großen Kind noch die Brust geben?“ Also wartete ich immer ab, bis er fort war, und trank dann ihre Milch. Mutter hatte viel Milch.“
Ein Devotee fragte: „Warum nennt Bhagavan Ganapati Sastri „Nayana“[75]“
„Das hat seinen Grund“, erwiderte er. „Es ist meine Angewohnheit, alle Menschen respektvoll anzureden. Zudem war er älter als ich. Deshalb habe ich ihn immer mit „Ganapathi Sastri Garu“ angeredet. Das hat ihm überhaupt nicht gefallen und er hat mich oft gebeten, es bleiben zu lassen. Er sagte: „Bin ich etwa nicht dein Schüler? Du solltest mich mit einem vertrauten Namen anreden. Das ist sehr ungerecht.“ Ich habe auf seinen Protest nicht geachtet, doch eines Tages hat er darauf bestanden, dass ich die formale Anrede aufgab und ihn auf vertraute Weise anredete. Alle seine Schüler nennen ihn „Nayana“. Also sagte ich, dass ich ihn künftig auch mit „Nayana“ anreden wollte. Er war damit einverstanden, da man mit „Nayana“ auch sein eigenes Kind oder seinen Schüler anreden kann, und für mich war es in Ordnung, weil „Nayana“ auch „Vater“ bedeutet und ich ihn immer noch auf respektvolle Weise anredete.“
Ich sagte: „Du hast gesagt, dass Meenakshi nicht mehr in der Lage war, anderen von ihrem Darshan zu erzählen. Aber Nayana hat anderen von seinem Darshan berichtet. Wie nennt es das Vedanta, wenn zwei Menschen zur selben Zeit dasselbe Erlebnis haben?“
Bhagavan erwiderte lächelnd: „Man spricht von „göttlichen Visionen“.
[74] Nayana (Ganapati Muni) hatte in Tiruvottiyur eine Erscheinung von Ramana, s. Ebert: Ramana Maharshi und seine Schüler, I, S. 71 f
[75] Nayana ist ein Kosename mit einer Doppelbedeutung: es heißt einerseits „Vater“, aber man redet damit auch sein Kind oder seinen Schüler an.
Der weiße Pfau Top
20.04.1947: Am 12. dieses Monats brachte jemand einen weißen Pfau und sagte, die Rani von Baroda ließe ihn als Geschenk an den Ashram überbringen. Als Bhagavan ihn sah, meinte er: „Ist es nicht genug, dass zehn oder zwölf bunte Pfauen hier sind? Sie werden mit ihm kämpfen wollen, weil er von anderer Züchtung ist. Zudem muss man ihn vor den Angriffen der Katzen schützen. Es ist besser, wir schicken ihn zurück.“ Der Überbringer nahm davon keinerlei Notiz und ließ den Pfau einfach da. Es wurde beschlossen, dass Krishnaswami sich um ihn kümmern sollte.
Als ich am nächsten Tag in den Ashram kam, erzählte Bhagavan gerade: „Ein Großhändler von Streichholzschachteln brachte eines Tages ein Reh namens Valli mit und ließ es ebenfalls hier. Es ist im Ashram herumgestreunt. Wenn man ihm einen Teller Dhal (Linsen) mit Mura Muras (Puffreis) hinstellte, fraß es den Dhal bis aufs letzte Korn, ließ aber das Mura Muras unangetastet. Nach einiger Zeit ging es mit den Ziegenherden in den Wald. Die Leute wussten, dass es zum Ashram gehörte, und brachten es immer zurück. Später kam es von selbst wieder zurück. Also ließen wir es frei laufen. Als eines Tages ein Unberührbarer das Bein von Valli brach, da er das Tier töten und essen wollte, trug es jemand, der wusste, dass es zum Ashram gehörte, den ganzen Weg zurück. Es blutete. Wir haben es gepflegt, aber es starb einige Tage später in meinem Schoß. Annamalai Swami und ich haben für Valli einen Schrein in der Nähe der Stufen, die zum Berg hinaufführen, gebaut.“
Als der Pfau einmal ausgerissen war, fing ihn Krishnaswami wieder ein und brachte ihn zurück. Bhagavan legte eine Hand auf seinen Nacken und strich mit der anderen zu seinem Herzen hin. Er sagte zu ihm: „Du ungezogener Kerl, wo bist du gewesen? Wie können wir uns um dich kümmern, wenn du ausreißt? Bitte, mach das nicht wieder! Anderswo gibt es grausame Tiere. Warum bleibst du nicht hier?“ So redete er dem Pfau gut zu. Der Pfau riss künftig nicht mehr aus, spazierte dafür aber überall auf dem Ashramgelände herum. Bhagavan sagte: „Er ist jetzt wie der Ashram-Verwalter.“
Als ich heute Nachmittag um 2.30 Uhr kam, spielte das Radio und der elektrische Ventilator war an. Der Pfau saß mit geschlossenen Augen neben dem Radio, als würde er meditieren. Jemand sagte: „Seht bloß, wie aufmerksam er zuhört.“ Bhagavan erwiderte: „Ja. Die Pfauen mögen Musik, ganz besonders Flötenmusik.“
Jemand meinte: „Dieser Pfau ist weiß, aber die anderen Pfauen sind viel schöner.“ Bhagavan erwiderte, indem er auf den Pfauen deutete: „Er hat seine eigene Schönheit. Jene Pfauen haben viele prächtige Farben. Dieser hier ist rein weiß wie das reine Selbst, ohne die Vermischung von anderen Attributen (Farben). Im Vedanta dient der weiße Pfau dafür als Beispiel. Auch die anderen Pfauen sind nicht so bunt, wenn sie zur Welt kommen. Sie sind einfarbig. Wenn sie aufwachsen, bekommen sie viele Farben und einen mächtigen Schweif mit vielen Augen. Seht bloß, wie viele Farben und Augen sie haben! Unser Geist ist ebenso. Bei seiner Geburt ist er unverdorben. Später ist er voller Aktivitäten und Ideen, wie die Farben des Pfauen.“
Was ist der Kopf und was der Fuß? Top
Der Devotee fragte: „Es heißt, man soll Mutter, Vater, Guru und Gott verehren. Aber wenn sich das individuelle Ich auflöst, wie ist es dann möglich, ihnen mit Bhakti zu dienen?“ Bhagavan erwiderte: „Was ist mit dem Auflösen des individuellen Ichs gemeint? Es bedeutet, das Bhakti auszuweiten. Alles entsteht in einem selbst. Wenn man im eigenen Selbst ist, bekommt man die Energie, alles zu umfassen.“
Der Devotee fragte: „Bedeutet das Auflösen des Egos an seinem Ursprung, dass man mit dem Verstand (Buddhi) die materielle Hülle und die anderen Hüllen des Körpers verwirft und zuletzt auch den Verstand?“ Bhagavan erwiderte: „Wohin wendest du dich, wenn du den Verstand verwirfst? Wenn der Verstand in seinem Urzustand bleibt, bedeutet das, dass man sich erkennt. Um die anderen Dinge, die bereits erwähnt wurden, zu verwerfen, muss man den Verstand wie eine Rute gebrauchen. Der Verstand kann rein oder unrein sein. Wenn er mit der Tätigkeit des Egos in Verbindung tritt, ist er unrein. Das nennt man dann „mind“ (individueller Geist) oder Egoismus (Ahankara, das Tun des Egos). Wenn aber der Verstand als eine Rute benutzt wird, um diese Dinge zu vertreiben und die Inspiration des Selbst (Aham Sphurana) in Form des reinen Ichs hervorzubringen, spricht man vom reinen Verstand. Wenn man an ihm festhält und das Übrige verwirft, bleibt das, was ist, wie es ist.“
Eine weitere Frage lautete: „Es heißt, dass der Verstand mit dem Atman eins werden muss. Wie geht das?“ Bhagavan erwiderte: „Wie könnte man ihn eins mit Atman machen, da er nichts ist, was von außen kommt? Er ist in einem selbst. Das Gefühl, der Schatten des Atman ist der Verstand (Buddhi). Wenn man ihn erkennt, verbleibt man als sein eigenes Selbst. Die einen nennen es Verstand (Buddhi), die anderen nennen es Energie (Shakti) oder Ich (Aham). Wie immer man es auch benennen mag, man muss es fest ergreifen, um alles, was von anderswoher kommt zu vertreiben.“
Selbstmord Top
Manche predigen gegen das Töten von Tieren. Sie sagen, dass sie fasten werden, bis sie sterben, wenn die Leute nicht auf sie hören. „Wir werden uns selbst umbringen und unser Leben aufgeben.“ Wenn jemand sagt, er will sich selbst umbringen, wenn andere nicht damit aufhören, Tiere zu töten, ist dann ihr Suizid nicht ebenfalls ein Mord an einem Lebewesen? Sie glauben, Suizid bedeute lediglich, den Körper zu verlassen. Aber ist nicht der Körper ein Teil des Selbst? Atman ist immer und überall da.
Wenn man, anstatt auf das Selbst zu schauen, das wirklich und beständig ist, seinen Körper usw. als sein Selbst betrachtet, ist das Selbstmord. Welchen anderen Mord könnte es geben als diesen? Wer durch Einsicht und Weisheit in der Lage ist, sein eigenes Selbst zu erkennen, wird durch nichts beeinträchtigt, was auch immer kommen mag. Er wird die Sorgen und das Glück der Welt lediglich als ein Schauspiel betrachten. Aus seiner Perspektive ist die ganze Welt eine Bühne. Auf dieser Bühne legt derselbe Mann mal das Gewand eines Königs an, mal das eines Ministers, mal das eines Dieners, eines Wäschers, Friseurs und viele andere Gewänder. Er handelt der jeweiligen Situation entsprechend, aber er ist sich seines wahren Selbst bewusst und weiß, dass er nicht das ist, was er spielt. Die verschiedenen Wechselfälle des Lebens, die er jeweils darstellt, betrüben ihn nicht. Auf dieselbe Weise ist die Welt eine Bühne Ishwaras. Auf dieser Bühne bist du ein Schauspieler. Du kannst helfen, so weit du dazu in der Lage bist, aber du kannst nicht alle Menschen gleich machen. Keiner in der Vergangenheit hat das fertig gebracht und es wird auch in Zukunft nicht möglich sein.“
Der junge Mann sagte: „Deshalb gibt es keinen Frieden in der Welt. Ich bin darüber unglücklich.“
Bhagavan erwiderte: „Jetzt bist du wieder an dem Punkt, an dem du begonnen hast. Anstatt sich darüber zu sorgen, dass es keinen Frieden in der Welt gibt, ist es besser herauszufinden, wie du Frieden in dieser Welt findest. Was nützt es, dich um das Fehlen des Friedens in der Welt zu sorgen, wenn du dieses Ziel aufgibst? Wenn der eigene Geist friedvoll ist, erscheint die ganze Welt als friedvoll. Sage mir, hast du diesen Frieden?“
„Nein.“
„Aha, das ist es. Du hast keinen Frieden. Du weißt nicht, wie du dir diesen Frieden sichern kannst. Wenn du versuchst, den Frieden der Welt zu sichern, anstatt deinen eigenen, ist es wie wenn einer, der nichts zu essen hat und um Nahrung bettelt, sagt, er will mit dem Erbettelten unzählige andere Menschen ernähren, oder wie der Lahme, der sagt: „Wenn mich nur jemand aufrecht hält, kann ich die Diebe verprügeln!“
Es gibt nur eine einzige Kraft (Shakti) Top
Der Frager meinte: „Swami, wie können Jnanis wie du dasitzen und nichts tun? Wenn es Streit und Tumult in der Welt gibt, sollten sie dann nicht für Frieden sorgen?“
Bhagavan erwiderte: „Ja, das sollten sie. Aber woher weißt du, dass die Jnanis nicht helfen? Wenn sie bleiben wo sie sind, ist das bereits eine Hilfe für die Welt. Sie scheinen nichts zu tun, was die äußeren Dinge betrifft. Stell dir einen wohlhabenden Mann vor. Er träumt, er gehe betteln, arbeite als ein Tagelöhner und fege die Straßen. Wenn er aufwacht, begreift er, dass er diese Person gar nicht ist und bewahrt sich seine Würde im Gedanken, ein wohlhabender Mann zu sein. Ebenso handelt der Jnani seinem Prarabdha (seinem früherem Karma) entsprechend, aber er bleibt davon unberührt und bewahrt sich eine würdevolle Distanziertheit. Seine Shakti (spirituelle Energie) arbeitet auf vielerlei Weise, aber er ist weder glücklich noch unglücklich über Erfolg und Misserfolg seiner Bemühungen. Das ist so, weil er die Welt von Brahman erfüllt sieht und es deshalb nichts gibt, was ihn glücklich oder unglücklich machen könnte. Wie könnte er Gefühle von Befriedigung oder Sorge haben, wenn er sich nicht mit seinem Körper identifiziert und nicht glaubt, dass er dieser Mann und jenes die Welt ist? Sobald jemand die Perspektive eines Jnanis erlangt hat, erscheint ihm alles von Brahman erfüllt. Wo ist da noch Raum für das Gefühl: „ich tue“? Die Jnanis verstehen, dass alles durch eine Kraft (Shakti) weitergeht.“ (Anmerkung: Jeder identifiziert sich gewollt oder ungewollt mit seinem Körper, auch Ramana Maharshi. So konnte er das Rheuma in seinen Beinen und den Schmerz in seinem linken Arm, der vom Krebs befallen war, nicht ignorieren, denn nachts stöhnte er oft vor Schmerzen.)
Jemand anderer sagte: „Es heißt, dass Jnanis verwünschen und Gunst erweisen können. Du sagst aber, dass sie nichts tun. Wie kann das sein?“ Bhagavan erwiderte: „Wer sagt, sie seien dazu nicht in der Lage? Aber sie haben nicht das Empfinden, dass sie das eine sind und die Shakti oder Ishwara etwas anderes. Es gibt nur eine einzige Kraft. Sie wissen, dass sie sich aufgrund dieser Shakti bewegen und halten die Empfindung von sich fern, die Handelnden zu sein. Allein schon ihre Gegenwart ist hilfreich für die Welt. Sie tun, was immer sie ihrem Prarabdha (Karma) gemäß tun müssen.“
Prarabdha (Schicksal) Top
In diesem Vers steht, dass Ishwara (Gott) Gestalt annimmt, sobald die Tugenden der Guten und die Sünden der Schlechten sich vermischen. Er wird Prarabdha und muss für Gerechtigkeit sorgen. Das nennt man Parechcha Prarabdha (Handeln für andere Menschen). Der Körper ist Prarabdha. Der Zweck, zu dem dieser Körper ins Dasein gekommen ist, wird sich von selbst erfüllen.“
Der Frager von gestern meinte: „In der Gita wird dem Karma Yoga (Yoga des Handelns) größere Bedeutung zugesprochen.“
Bhagavan erwiderte: „Ach, tatsächlich? Karma Yoga ist nicht das einzige Yoga. Was ist mit den anderen Yogaarten? Wenn du sie alle verstehst, kennst du das wirkliche Geheimnis von Karma Yoga. Aber das tust du nicht.“
Der Herr Krishna sagt in der Gita, dass ihn sein Tun nicht bindet. Dort heißt es auch: „Er ist derselbe in Freud und Leid. Ein Klumpen Erde, ein Felsbrocken und Gold sind für ihn gleichwertig. Er ist derselbe für jene, die ihn lieben und für jene, die ihn nicht lieben, für jene, die ihn tadeln und die ihn preisen.“ (XIV,24). Und: „Ich bin derselbe, wenn ich geehrt oder geschmäht werde, derselbe für Freund und Feind“ (XVI,25).
Die großen Menschen, die in der Gita erwähnt werden, sind verwirklichte Seelen. Alle Menschen, die den vier Kategorien von Schüler, Verehrender (Bhakta), Unbekümmerter und Sünder zugehören, werden durch die Gnade der Jnanis beschützt. Der Schüler verehrt ihn als seinen Lehrer, empfängt die Wahrheit und erlangt die Befreiung (Mukti). Der Bhakta sieht ihn als die Gestalt Gottes, betet zu ihm und wird von seinen Sünden erlöst. Der Unbekümmerte hört, was der Guru sagt, begeistert sich dafür und wird zum Verehrer. Der Sünder hört, was die Leute über ihn erzählen, und wird von seinen Sünden befreit. Alle Menschen, die diesen vier Kategorien angehören, werden durch die Gnade der Jnanis beschützt.“
Der Frager von gestern meinte: „Werden die Sünder von ihren körperlichen oder geistigen Krankheiten befreit?“ „Es gilt nur für den Geist“, erwiderte Bhagavan. „Glück ist nur möglich, wenn der Geist in Ordnung ist. Wenn er nicht in Ordnung ist, gibt es keinen Frieden, was auch immer geschehen mag. Der Geist reift entsprechend der Fähigkeit eines jeden Einzelnen. Der Agnostiker wird zu einem Gläubigen, der Gläubige wird zu einem Verehrenden (Bhakta), der Verehrender wird zu einem, der sich nach Erkenntnis sehnt und dieser wird zu einem Jnani. Das bezieht sich lediglich auf den Geist. Was könnte es in Bezug auf den Körper nützen? Wenn der Geist glücklich ist, ist nicht nur der Körper, sondern die ganze Welt glücklich. Deshalb muss man einen Weg finden, selbst glücklich zu werden.
Das ist aber nur möglich, wenn man durch Selbstergründung die Wahrheit über sich selbst herausfindet. Die Welt verändern zu wollen, ohne das zu tun, ist, als wolle man die ganze Welt mit Leder umwickeln, damit man nicht den Schmerz spürt, den das Gehen auf Steinen und Dornen bewirkt, wenn es doch viel einfacher ist, Lederschuhe zu tragen. Du kannst durch einen Sonnenschirm die Sonne abhalten. Aber kannst du dich auch vor der Sonne schützen, indem du ein Tuch um die ganze Erde bindest? Wenn ein Mensch seine Lage versteht und in seinem eigenen Selbst bleibt, werden die Dinge geschehen, die geschehen sollen, und jene, die nicht geschehen sollen, werden nicht geschehen. Die Energie (Shakti), die in der Welt wirkt, ist nur eine einzige. Die ganzen Probleme entstehen nur, wenn wir denken, dass wir von dieser Energie getrennt sind.“
Wenn man einen Löwen im Traum sieht Top
Der Besucher fragte: „Die Gnade des Gurus wird mit einem wilden Elefanten verglichen, der von einem Löwen träumt.“
Bhagavan antwortete: „Das ist wahr. Wenn ein Elefant im Traum einen Löwen sieht, wacht er erschreckt auf und schläft an diesem Tag nicht mehr, weil er Angst hat, dass der Löwe ihm wieder im Traum erscheint. Im Leben des Menschen, das ebenfalls einem Traum ähnelt, ist es dasselbe. Nicht nur die Gnade des Gurus, sondern auch Sravana, Manana, Nididhyasana usw. sind mit dem Auftauchen eines Löwen im Traum vergleichbar. Wenn sie immer wieder diese Träume haben, werden sie eines Tages den intensiven Traum vom Löwen haben, dass ist mit anderen Worten, die Erfahrung der Gnade des Gurus. Sie erschrecken und erlangen Jnana. Dann werden sich keine Träume mehr einstellen und sie werden nicht nur ständig wach sein, sondern sich auch keinen Lebensträumen mehr hingeben und wachsam bleiben, bis sie die wahre Erkenntnis erlangt haben. Diese Träume vom Löwen sind unvermeidlich. Man muss sie erleben.“
Überrascht fragte der Devotee: „Sind denn Sravana etc. und die Gnade des Gurus den Träumen ähnlich?“
„Ja. Für jene, die die Wahrheit erkennen, ist alles einem Traum ähnlich. Was ist denn die Wahrheit? Wenn du schläfst, hast du über den Körper keine Kontrolle. Du wanderst mit verschiedenen Körpern an verschiedenen Orten umher und machst alles Mögliche. Solange du träumst, erscheint dir alles als wirklich. Du machst alles, als wärest du der Handelnde. Erst wenn du aufwachst, spürst du, dass alles, was du im Traum erlebt hast, unwirklich ist und dass es nur ein Traum war. Aber das ist noch nicht alles. Manchmal gehst du mit überfülltem Magen zu Bett und träumst, dass du überall herumwanderst, aber nirgends etwas zu essen finden kannst und fast vor Hunger umkommst. Wenn du dann erschreckt aufwachst, musst du rülpsen und merkst, dass alles nur ein Traum war. Aber während des Traumes weißt du nicht, dass du zu viel gegessen hast. Ein anderer geht hungrig zu Bett und träumt, dass er an einem Festmahl teilnimmt. Denkt er in diesem Augenblick daran, dass er hungrig zu Bett gegangen ist? Wenn er aufwacht, spürt er, dass er schrecklichen Hunger hat und denkt: „Oh Gott, es war alles nur ein Traum!“
Du existierst im Wach- und im Traumzustand und auch im Tiefschlaf. Wenn du deinen wahren Zustand verstehst, in dem du die ganze Zeit bist, weißt du, dass alles Übrige wie ein Traum ist. Wenn du das weißt, verschwindet das Gefühl, dass der Guru von dir verschieden ist. Aber da man das durch die Gnade des Gurus erst begreifen muss, wird die Gnade des Gurus mit dem Traum von einem Löwen verglichen. Dieser Traum muss intensiv und einprägsam sein. Erst dann wird sich die richtige Wachheit einstellen. Die Zeit muss reif dafür sein. Wenn man unerbittlich Sadhana übt, stellen sich früher oder später positive Resultate ein.“ Damit schwieg Bhagavan.
Die Uhr schlug vier. Die Leute in der Halle, die völlig von Bhagavans Rede in Beschlag genommen waren, kamen wieder zu sich. Seine Stimme tönte mir noch in den Ohren, als ich heimging und mich fragte, ob ich jemals diesen einprägsamen Traum haben würde.
[76] Sravana: Hören der heiligen Schriften; Manana: Reflexion über die ewige Wahrheit; Nididhyasana: tiefe Meditation. Dies sind die drei klassischen Schritte, die aufeinander aufbauen.
Intensive Konzentration (Nididhyasana) Top
Wegen dieser fünf Arten von Maya tauchen die Schwierigkeiten im Selbst auf, wie die Bilder auf der Kinoleinwand. Nur um diese Maya zu beseitigen, sagt man, dass die ganze Welt unwirklich ist. Atman ist wie die Leinwand. Du wirst herausfinden, dass die Bilder, die auf der Leinwand gezeigt werden, von ihr abhängen und andernfalls nicht existieren würden. Ebenso muss man sagen, dass alles unwirklich ist, bis man durch Selbstergründung versteht, dass die sichtbare Welt nicht vom Atman verschieden ist. Doch wenn man einmal die Wirklichkeit erkannt hat, erscheint das ganze Universum nur noch als Atman. Deshalb haben dieselben Leute, die zuerst gesagt haben, dass die Welt unwirklich ist, später gesagt, dass sie die Gestalt Atmans sei. Letztlich ist es die Perspektive, die zählt. Wenn sie sich verändert, werden uns die Probleme der Welt nicht mehr bekümmern. Sind denn die Wellen vom Meer verschieden? Warum gibt es überhaupt Wellen? Was können wir auf diese Frage antworten? Die Probleme in der Welt sind dem vergleichbar. Die Wellen kommen und gehen. Wenn man herausfindet, dass sie sich nicht vom Atman unterscheiden, wird es keinen Kummer mehr geben.“
Der Devotee sagte traurig: „Sooft Bhagavan uns das auch lehrt, wir können es doch nicht verstehen.“
Bhagavan erwiderte: „Die Leute sagen, dass sie das allumfassende Atman nicht verstehen können. Was kann ich da tun? Selbst das kleinste Kind sagt: „Ich bin, ich tue, das gehört mir“. Also versteht jeder, dass dieses „Ich“ immer existiert. Nur wenn dieses „Ich“ da ist, ist auch das Gespür da, dass du der Körper bist und diesen oder jenen Namen hast. Um zu wissen, dass derjenige, der immer erkennbar ist, das eigene Selbst ist, muss man ihn da zuerst mit einer Kerze suchen gehen? Wenn man sagt, dass man die Gestalt Atmans nicht kennt, die doch unser eigenes Selbst ist, ist, als würde man sagen „Ich kenne mich nicht“.“
Der Devotee meinte: „Das bedeutet, dass jene, die durch Sravana und Manana (Hören und Überdenken der Worte des Gurus) erleuchtet werden und die ganze sichtbare Welt als Maya betrachten, letztendlich die wahre Gestalt durch Nididhyasana (intensive Konzentration) finden.“
„Ja, so ist es. Nidi bedeutet „Gestalt/Natur“. Nididhyasana ist intensive Konzentration auf die eigene Natur mithilfe von Sravana und Manana, das Hören und Überdenken der Worte des Gurus. Es bedeutet, ohne Ablenkung und mit Eifer darüber zu meditieren. Wenn man eine lange Zeit darüber meditiert hat, verschmilzt man damit. Dann erstrahlt es aus sich selbst. Es ist immer da. Es wird keine Probleme dieser Art geben, wenn man es so sehen kann, wie es ist. Wozu diese vielen Fragen, um sein eigenes Selbst zu sehen, das immer da ist?“
Die Bedeutung von Ajapa Top
Bhagavan antwortete: „Was stellst du dir unter Ajapa vor? Bedeutet Ajapa, ständig „Soham, Soham“ zu wiederholen? Ajapa bedeutet, das Japa zu kennen, das unwillentlich vor sich geht, ohne dass man es ausspricht. Die Leute, die die wahre Bedeutung von Japa nicht verstehen, glauben, dass man tausende Male „Soham“ wiederholen muss und die Anzahl an den Fingern abzählt oder an einer Perlenschnur. Doch bevor man mit dem Japa beginnt, muss man seinen Atem regulieren (Pranayama) und kann dann erst mit dem Mantra beginnen. Pranayama bedeutet aber, dass man zuerst den Mund schließt. Wenn man dann den Atem anhält, werden die fünf Elemente des Körpers niedergehalten und kontrolliert und was übrig bleibt, ist das wahre Selbst. Dieses Selbst wiederholt aus sich selbst beständig „aham aham“ (ich-ich). Das ist Ajapa. Wie kann die mündliche Wiederholung eines Wortes Ajapa sein? Das wahre Selbst, das das Japa von selbst und unwillentlich in einem nie endenden Strom ausführt, der wie das beständige Strömen von flüssiger Butter ist, ist Ajapa, Gayatri und alles andere.
Mit Omkar ist es dasselbe. OM ist allumfassend und vollkommen. Wie kann man das Wort wiederholen? Ohne das Wesentliche zu verstehen, sind darüber dicke Bücher geschrieben worden. In ihnen steht, wie oft man jeden Namen wiederholen soll: so viele tausendmal „Ganapati“ und so viele tausendmal „Brahma“, so oft „Vishnu“ und „Sadasiva“. Wenn du weißt, wer dieses Japa macht, weißt du auch, was Japa ist. Wenn du versuchst herauszufinden, wer dieses Japa macht, wird das Japa zum Selbst.“
Jemand anderer fragte: „Nützt es denn überhaupt nichts, mündliches Japa zu tun?“
Bhagavan sagte: „Wer sagt, dass es nichts nützt? Es ist ein Mittel, den Geist zu reinigen. Wenn Japa beständig geübt wird, reift es durch die Bemühung und führt einen früher oder später auf den richtigen Pfad. Ob gut oder schlecht, nichts, was getan wird, geht verloren.“
[77] Kombination von Atmung und dem Japa von „Soham“. Das Mantra „Soham“ (Ich bin Er) wird vom Atem selbst erzeugt. Die Einatmung klingt wie „So“, die Ausatmung wie „Ham“ (Soham = „Er bin ich“ oder Hamsa = „Ich bin Er“). Japa bedeutet die willentliche Wiederholung einer heiligen Silbe oder eines heiligen Wortes, während Ajapa (nicht-Japa) ein Japa ohne willentliche Anstrengung ist.
Wozu all die Heimlichkeiten? Top
Ich kam nachmittags in den Ashram. Nur die Helfer waren bei Bhagavan. Die Streifenhörnchen turnten auf dem Sofa herum und bettelten um Nüsse. Bhagavan leerte die Blechdose und sagte: „Es tut mir leid, es ist nichts mehr drin.“ Dann wandte er sich mir zu und sagte: „Die Cashewnüsse sind alle. Sie mögen keine Erdnüsse. Was soll ich jetzt machen?“ Fragend blickte ich die Helfer an. Sie sagten, selbst im Vorratsraum gäbe es keine Cashewnüsse mehr. Die Streifenhörnchen bettelten weiter. Ich musste etwas tun, doch gleichzeitig fürchtete ich mich davor, was Bhagavan dazu sagen würde, wenn ich Nüsse auf dem Markt besorgte.
Am Abend ging jemand in die Stadt. Ich gab ihm Geld für Cashewnüsse mit. Er brachte sie mir aber erst am folgenden Morgen. Ich gab das Päcken dem Gehilfen Krishnaswami, als Bhagavan spazieren war, weil ich mich davor fürchtete, was Bhagavan sagen würde, wenn ich sie ihm offen geben würde. Am Nachmittag kam ich wieder. Die Sache wurde nicht erwähnt. Erleichtert ging ich heim und kam um 6 Uhr abends wieder. Ich setzte mich in einigem Abstand zu Bhagavan. Das Vedaparayana (das Singen der Veden) war vorüber. Da leerte Krishnaswami die Cashewnüsse von mir in eine Dose. Bhagavan fragte ihn, woher er sie habe. Er antwortete: „von Nagamma“. „Wann hat sie sie gebracht?“ Heute früh, als Bhagavan spazieren war“, antwortete er.
Da brauste Bhagavan auf: „Ach, tatsächlich? Warum hat sie sie nicht in meiner Anwesenheit gebracht? Wozu diese Heimlichkeit? Vermutlich hat sie Angst gehabt, dass Bhagavan ärgerlich werden würde. Diese Possen haben also immer noch nicht aufgehört! Vielleicht steckte sie auch dahinter, als Subbulakshmi Cashewnüsse brachte. Sie hat sie Satyananda heimlich durchs Fenster zugesteckt und sich dann davongeschlichen. Sie hat sich damit herausgeredet, dass Athai (Bhagavans Schwester Alamelu) sie damit beauftragt habe. Sie hat es Athai angehängt, da sie glaubte, ich würde dann nichts sagen. Solchen Unsinn machen die Leute hier! Warum befassen sie sich mit diesen Dingen, anstatt sich auf den Zweck zu beschränken, zu dem sie hergekommen sind? Sie wollen Swami hintergehen und wissen nicht, dass sie sich dadurch selbst hintergehen. Diese Schwäche hat sie nicht verlassen, obwohl sie schon Jahre hier sind. Sind sie dazu hergekommen?“
Ich erstarrte zur Säule. Ich hatte Subbulakshmi niemals geheißen, Cashewnüsse zu bringen, ja nicht einmal davon gewusst. Aber ich wagte nicht, den Mund aufzumachen und die Sache richtig zu stellen. Doch ich erinnerte mich an den Grund, weshalb ich hergekommen war. Ich dachte, dass der Traum vom Löwen, das ist, mit anderen Worten, die Gnade des Gurus, so ähnlich sein musste. Die Uhr schlug die halbe Stunde. Erschrocken blickte ich auf und sah, dass es 18.30 war. Um diese Zeit müssen die Frauen den Ashram verlassen. Alle brachen allmählich auf. Irgendwie stand auch ich auf und verneigte mich vor Bhagavan. Sein stechender Blick traf mich. Seine Augen drückten Ärger, aber auch Sympathie aus. Ich konnte den Anblick seiner majestätischen Persönlichkeit nicht ertragen und ging, ohne meinen Kopf zu heben. Ich ging nach Hause und legte mich schlafen.
Als ich am Morgen erwachte, schien bereits die Sonne. Ich verstand, dass der Grund für den Rüffel nicht nur die Cashewnüsse gewesen waren, sondern dass ich vergessen hatte, wozu ich in den Ashram gekommen bin: nämlich um Jnana zu erlangen. Ich hatte das bestimmt oft vergessen und so bat ich Bhagavan im Geist, mir zu verzeihen. Ich beendete schnell mein morgendliches Programm und ging zum Ashram. Kaum war ich in der Halle, brachte Bhagavan mit einem Lächeln die Sache zur Sprache. Es wurde geklärt, dass ich nie etwas zu Subbulakshmi gesagt hatte und dass Alamelu Athai Subbulakshmi die Nüsse für die Streifenhörnchen gegeben hatte. Sie waren vom 60. Geburtstag ihres Mannes übrig geblieben. Bhagavan sagte: „Also so war es! Jetzt sieht die Geschichte ganz anders aus. Trotzdem, wozu diese Heimlichkeit? Aber es ist jetzt alles vorbei.“ Damit wechselte er das Thema.
Die Widmung eines Buches Top
Krishnaswami ließ die Bücher liegen. Deshalb überreichte ich sie selbst Bhagavan. Er schaute sie sich genau an und sagte: „Lass sie im Büro stempeln. Dann können sie wieder hergebracht werden.“ Ich öffnete ein Exemplar und zeigte Bhagavan, dass die Druckerei vergessen hatte, seinen Namen unter sein Foto zu setzen. Bhagavan meinte: „Das macht nichts. Der Name ist in der Form enthalten. Bring sie zum Büro.“ Ich überreichte sie dem Sarvadhikari im Büro.
Später brachte Mounaswami Bhagavan zwei Exemplare. Bhagavan fragte, ob eines für ihn und eines für Nagamma gedacht sei und sagte zu einem Devotee in seiner Nähe: „Gib ihr dieses Exemplar. Sie hat das Buch geschrieben und ihr Bruder hat es drucken lassen. Sie hat uns einige Exemplare gebracht und davon geben wir ihr eines zurück. Es ist als ob man bei der Puja ein Stück von einem Zucker-Ganeshan abbricht und es Ganeshan opfert. Wenn man uns Obst bringt, geben wir es dann nicht als Prasadam zurück?“
Von der Hand in den Mund Top
20.06.1947 Vor einigen Tagen war ein Notizbuch von Madhavaswami aufgetaucht. Als Bhagavan es durchsah, entdeckte er einen Tamilvers, den er vor langer Zeit hineingeschrieben hatte. Er erklärte uns seine Bedeutung: „Wenn ein Mensch Jnana erlangt, wird er seinem Körper keine Beachtung mehr schenken. So wie man nach dem Essen das Blatt, auf dem man gegessen hat, wegwirft, wie schön es auch aussehen mag, so wird man, wenn man Jnana erlangt hat, ungeduldig auf den Zeitpunkt warten, da man den Körper wegwerfen kann. Das ist die Kernaussage dieses Verses. Das Bild vom gebrauchten Blatt wurde oft verwendet. So schön auch der Blattteller aus Blättern zusammengenäht ist, nach der Mahlzeit hat er ausgedient. Wer interessiert sich dann noch für ihn? Man wirft ihn gleich nach dem Essen weg.
Reiche Leute essen von Silbertellern, die mit goldenen Blumen verziert sind. Wozu brauchen wir solche Dinge, wenn uns Gott doch Hände gegeben hat?
Als ich auf dem Berg lebte, brachte mir jemand einen Silberteller und bat mich, darauf zu essen. Ich habe ihn zurückgegeben, da ich dafür keine Verwendung habe. Wenn man mit den Händen essen kann, wozu braucht man dann Silber und Gold? Lange Zeit habe ich nicht einmal von einem Blatt gegessen. Wenn jemand etwas zu essen brachte, habe ich ihm meine geöffneten Hände hingehalten und das gegessen, was er mir hineinlegte. Erst später aß ich von einem Blatt. Wenn du Hände hast, wozu dann das alles? Es war damals eine beglückende Erfahrung. Wenn ich zum Betteln ging (Bhiksha), nahm ich die Almosen mit den Händen entgegen und aß sie auf der Straße. Wenn ich mit dem Essen fertig war, leckte ich mir die Hände ab. Ich habe mich nie um irgendetwas gekümmert. Ich scheute mich, jemand um etwas zu bitten. Ich traf große Gelehrte und Regierungsbeamte auf dem Weg. Was hat mich das gekümmert? Für einen armen Mann ist es erniedrigend, betteln zu gehen, aber für einen, der das Ego überwunden hat und zu einem Advaitin geworden ist, ist es sehr erhebend. Er würde sich nicht einmal darum kümmern, wenn er einem Herrscher begegnen würde.
Wenn ich betteln ging und in die Hände klatschte, sagten die Leute: „Der Swami kommt“ und gaben mir mit Ehrfurcht und Hingabe ein Almosen. Jene, die mich nicht kannten, sagten: „Du bist kräftig. Warum arbeitest du nicht als Tagelöhner, anstatt betteln zu gehen?“ Mich hat das amüsiert. Aber da ich ein schweigender Swami war, antwortete ich nicht. Ich lachte darüber und ging weiter. Für gewöhnliche Leute ist es normal, so etwas zu sagen. Mich amüsierte es sehr.
Im Vashishta gibt es eine Geschichte über Bhagiratha. Er war ein Herrscher, aber er empfand sein Reich als ein großes Hindernis für die Selbstergründung. In Absprache mit seinem Guru und unter dem Vorwand, ein Opfer zu bringen, verschenkte er seinen ganzen Besitz. Doch keiner wollte das Reich übernehmen. Da lud er den benachbarten König ein, der sein Feind war und nur auf eine passende Gelegenheit wartete, sein Reich an sich zu reißen, und schenkte es ihm. Jetzt musste er nur noch das Land verlassen. Er verkleidete sich und ging um Mitternacht fort. Er lebte in anderen Ländern. Er versteckte sich am Tag und ging nachts betteln, um nicht erkannt zu werden. Schließlich war er davon überzeugt, dass er genügend gereift war, um vom Egoismus frei zu sein. Da beschloss er, in seine Heimat zurückzukehren. Auch hier ging er in allen Straßen betteln. Eines Tages ging er zum Palast, doch der Wachmann erkannt ihn, verbeugte sich vor ihm und gab dem König Bescheid. Der König eilte herbei und bat Bhagiratha, sein Königreich wieder zu übernehmen, aber Bhagiratha lehnte ab und fragte: „Wirst du mir ein Almosen geben oder nicht?“ Da ihnen nichts anderes übrig blieb, gaben sie ihm ein Almosen und er ging hocherfreut weg.
Später wurde er König über ein anderes Land. Als der König seines eigenen Landes starb, übernahm er auch diese Regentschaft, da ihn die Leute darum baten. Das Königreich, das ihm zuvor eine Last gewesen war, hat ihm später, als er ein Jnani geworden war, keine Sorgen mehr bereitet.
Was ich damit sagen will, ist: Wie können andere das Glück des Bettelns kennen? Wenn ein Herrscher betteln geht, liegt eine Größe in diesem Bhiksha (Almosen). Doch heutzutage bedeutet Bhiksha, dass man etwas Besonderes zu essen bekommt. Selbst beim Padapuja (Verehrung der Füße des Gurus) wird erwartet, dass man Geld gibt. Die besondere Bedeutung des Almosens, das man mit den Händen empfängt, ist heutzutage völlig entartet.“
Die Bedeutung von Upanayanam Top
21.06.1947: Kürzlich kamen Leute mit einem Jungen, der die heilige Brahmanenschnur empfangen hatte (Upanayanam). Kaum waren sie fort, fragte ein Devotee Bhagavan nach der Bedeutung von Upanayanam und er erklärte es uns folgendermaßen: „Upanayanam bedeutet nicht nur, ihm die dreireihige Brahmanenschnur umzuhängen. Die drei Reihen bedeuten, dass es nicht nur zwei Augen gibt, sondern auch ein drittes Auge: das Auge der Weisheit. Öffne dieses Auge und erkenne deine eigene wahre Gestalt. Upanayanam bedeutet „zusätzliches Auge“. Dieses Auge muss geöffnet werden. Um das zu erreichen, wird der Junge zunächst in Atemkontrolle (Pranayana) unterrichtet und dann in die Lehre über Brahman eingeführt. Er erhält eine Bettelschale. Seine Mutter gibt ihm das erste Almosen und sein Vater erteilt ihm die Unterweisung in Brahman. Künftig soll er sich mit Betteln ernähren, während der Ausbildung im Haus seines Gurus wohnen und das Selbst verwirklichen, indem er sein Auge der Weisheit öffnet. Das ist die Bedeutung von Upanayanam.
Heutzutage hat man das alles vergessen. Pranayama bedeutet nur noch, sich die Nase mit den Fingern zuzuhalten und so zu tun, als würde man den Atem kontrollieren. Die Unterweisung in Brahman bedeutet nur noch, dass Vater und Sohn einen neuen Dhoti (Beinkleid der Männer) anziehen, während der Vater dem Sohn etwas ins Ohr flüstert. Bhiksha bedeutet nur noch, die Bettelschale mit Geld zu füllen. Wenn der Vater, der die Unterweisung gibt, und der Priester, der die Zeremonie ausführt, die wahre Bedeutung von Upanayanam nicht mehr kennen, was können sie den Jungen dann noch lehren?
Aber das ist noch nicht alles. Der Junge blieb so lange bei seinem Guru, bis er das nötige Wissen hatte. Danach schickte ihn der Guru heim, um herauszufinden, ob sein Geist sich in weltliche Angelegenheiten verstricken oder sich Sannyasa zuwenden würde. Nachdem die Jungen einige Zeit Zuhause waren, gingen sie nach Benares auf Pilgerreise. Sie waren von weltlichen Wünschen frei und hatten im Blick, ihnen völlig zu entsagen. Eltern, die Töchter im heiratsfähigen Alter hatten, versuchten dann, die Jungen von der Pilgerreise nach Benares abzubringen und boten ihnen ihre Töchter zur Heirat an. Jene, die der Welt entsagen wollten, gingen nach Benares, die anderen kehrten nach Hause zurück und heirateten. All das ist heute vergessen. Die Pilgerschaft nach Benares bedeutet heutzutage, dass der junge Mann einen silberdurchwirkten Seiden-Dhoti anzieht. Seine Augen werden dunkel geschminkt, auf der Stirn trägt er das Zeichen seiner Kaste und seine Füße sind mit gelber und roter Farbe verziert. Er ist mit Sandelholzpaste eingerieben und trägt eine Blumengirlande um den Hals. Geziert schreitet er zur Musik. Wenn der Bruder eines Mädchens ihm seine Schwester zur Heirat anbietet und ihn nötigt, das Angebot anzunehmen, sagt er: „Ich möchte eine Armbanduhr und ein Motorrad. Ich möchte dies und das. Wenn du mir das alles gibst, kann ich heiraten, sonst nicht.“ Die Eltern der Braut befürchten, dass die Hochzeit ins Wasser fallen könnte, und geben ihm was immer er verlangt. Dann machen sie Fotos, feiern und machen Geschenke. Heutzutage bedeutet Bhiksha, dass die Bettelschale mit Rupien gefüllt wird und die Pilgerreise nach Benares dient als Anlass, sich ausstaffieren zu lassen.“
Aufgezwungenen Mahlzeiten Top
27.06.1947: Heute Nachmittag kam ein Devotee vom Esanya Math [78] und verneigte sich vor Bhagavan. Bhagavan sagte zu ihm: „Ich habe heute ein Telegramm bekommen, dass der Swami vom Kovilur Math gestorben ist. Ist Natesa Swami gestorben?“
„Ja, vor zwei Tagen. Wir wussten, dass er krank war.“
Jemand fragte: „Wer ist Natesa Swami?“
„Er war zuerst für den Esanya Math verantwortlich. Nach dem Tod des Oberhaupts des Maths von Kovilur (im Bundesstaat Tamil Nadu, in Südindien) wurde er zum dortigen Oberhaupt gewählt. Es ist der bedeutendste Vedanta-Math in dieser Gegend. Obwohl Natesa nicht sehr gelehrt war, war er doch ein guter Sadhaka und deshalb hat man ihn gewählt. Das war vor etwa 20 Jahren.“
Ich fragte: „War er es, der Bhagavan zwang, in einen Wagen einzusteigen?“
Bhagavan erwiderte: „Nein. Es war sein Vorgänger. Er war ganz anders. Er war eine machtvolle Persönlichkeit.“
Jemand fragte: „Wann war das?“
„Das war während meiner Zeit in der Virupaksha-Höhle, etwa vier oder fünf Jahre nachdem ich nach Tiruvannamalai gekommen bin. Es ist eine lustige Geschichte. Eines Tages umrundeten Palaniswami und ich den Berg. Als wir zum Tempel kamen, war es 8 Uhr abends. Wir waren müde und ich legte mich im Subrahmanya-Schrein hin. Palani ging zur Pilgerherberge, um Essen zu besorgen. Da kam das Oberhaupt des Maths in den Tempel. Wie üblich war er von vielen Schülern umringt. Einer von ihnen kannte mich und erzählte den anderen von mir. Das genügte schon. Er kam mit zehn seiner Schüler zu mir und alle standen um mich herum. Er sagte: „Swami, steh auf, wir wollen gehen.“ Da ich damals schwieg, machte ich ihm mit Zeichen verständlich, dass ich nicht mit ihnen kommen würde. Doch er war kein Mann, der auf mich hörte. Er befahl seinen Schülern: „Stellt ihn auf die Beine“. Da ich nichts anderes tun konnte, stand ich auf. Vor dem Tempel stand ein Wagen bereit. Er befahl: „Swami, steig ein.“ Ich gab ihnen durch Zeigen zu verstehen, dass ich lieber gehen würde und schlug vor, dass er einsteigen solle. Doch er achtete nicht auf meinen Protest, sondern sagte zu seinen Schülern: „Worauf wartet ihr? Hebt den Swami in den Wagen.“ Sie waren zu zehnt und ich war allein. Was konnte ich machen? Sie hoben mich hoch und setzten mich in den Wagen. Ich sagte nichts mehr und wurde zum Math gebracht. Dort wurde ein großes Blatt vor mir ausgebreitet und alle möglichen Speisen daraufgehäuft. Er behandelte mich mit großem Respekt und bat: „Bitte bleib doch immer hier.“
Palaniswami war unterdessen in den Tempel zurückgekehrt. Er suchte mich und kam zum Math. Kurz danach gelang es mir irgendwie zu entkommen. Das war das einzige Mal, dass ich in einem Wagen fuhr, nachdem ich nach Tiruvannamalai gekommen bin. Später sandten die Leute ihre Wagen, um mich in ihre Häuser einzuladen. Hätte ich nur einmal nachgegeben, hätte es mit den Einladungen kein Ende mehr genommen. Also sandte ich die Wagen zurück und weigerte mich mitzukommen. Schließlich hörten sie damit auf.
Aber das war nicht die einzige Schwierigkeit. Wenn ich die Leute auch nicht besuchte, so besuchte ich doch manchmal den Math, wenn ich auf dem Weg um den Berg war. Dann gab das Oberhaupt des Maths dem Koch Bescheid. Zur Essenszeit ließ er mir ein großes Blatt bringen, setzte sich neben mich und wies den Koch an, mir immer wieder nachzuschöpfen. Manchmal aß er nicht mit seinen Schülern, sondern setzte sich zu mir. Wie konnte ich das alles essen, was sich auf dem Blatt türmte? Ich nahm von jedem Gericht ein bisschen. Den Rest mischten seine Schüler zu einem Brei zusammen und aßen es. Sie sagten: „Es ist Swamis Prasadam.“
Als ich das bemerkte, nahm ich nichts mehr an, das auf einem Blatt serviert wurde. Wenn ich hungrig war und im Math essen wollte, wartete ich im Pachiamman-Schrein oder irgendwo in der Nähe und ging erst dann zum Math, wenn die Glocke zur Opferung geschlagen hatte. Ich wartete am Haupteingang und bat um die Speisen, die Gott geopfert worden waren. Sie brachten es mir und gaben es mir direkt in die Hand. Ich aß ohne ein Blatt zu benutzen. Da es ein Shiva-Tempel ist, enthalten diese geopferten Speisen kein Salz, aber das machte nichts. Ich wollte ja nur meinen Hunger stillen. Da das Oberhaupt des Maths sich im oberen Stockwerk aufhielt, bekam er längere Zeit nichts davon mit. Doch einmal beobachtete er es zufällig und fragte ärgerlich: „Wer gibt Swami ungesalzenes Essen?“ Da erfuhr er, wie sich alles verhielt und beließ es dabei.
Natesa Iyer war nicht so. Er war ein sehr friedfertiger und unbeschwerter Mann. Er setzte sich immer mit allen anderen zu mir und ließ mir eine normale Portion Essen bringen.“
Jemand fragte: „Bhagavan hat dort auch einmal einen Vortrag gehalten, nicht wahr?“
„Ja, ich war einmal da, als Natesa Iyer den Bewohnern des Maths Unterricht gab. Ich wurde respektvoll empfangen und musste mich setzen. Ich sagte: „Mach mit deinem Unterricht weiter.“ Doch er meinte: „Kann ich denn in der Gegenwart des Swamis unterrichten? Swami muss etwas sagen.“ Er holte die Gita Saram. Seine Schüler mussten daraus vorlesen. Dann bat er mich, den Text zu erläutern. Da mir nichts anderes übrig blieb, hielt ich einen Vortrag.“
Frager: „Hat nicht Ramachandra Iyers Großvater Bhagavan einmal eingeladen?“
„Das ist schon lange her. Vielleicht war es 1896. Ich lebte damals im Subrahmaniam-Schrein. Er kam täglich zu mir, saß eine Weile bei mir und ging dann wieder. Ich schwieg damals. Deshalb sprachen wir nicht miteinander und er fragte mich auch nichts. Trotzdem verehrte er mich sehr. Eines Tages gab er ein Fest in seinem Haus. Um die Mittagszeit kam er in Begleitung eines Mannes zu mir. Sie stellten sich neben mich, jeder auf eine Seite, und sagten: „Swami, steh auf, wir wollen gehen.“ „Wozu?“, fragte ich durch Zeichen. Sie sagten mir den Grund. Ich lehnte ab. Aber ließen sie mich etwa in Frieden? Sie nahmen mich bei den Händen und stellten mich gewaltsam auf die Beine. Sie wollten mich sogar forttragen. Er war groß und korpulent und hatte einen dicken Bauch. Ich war zu der Zeit hager und schwach. Sein Freund war noch stärker. Was konnte ich machen? Ich befürchtete, sie würden mich wegtragen, wenn ich Widerstand leistete. Ich wusste, dass sie mich einluden, weil sie mich verehrten. Da es keinen Zweck hatte, mich mit ihnen auseinanderzusetzen, ging ich mit ihnen. Sie führten mich respektvoll in die Halle des Hauses, breiteten ein großes Bananenblatt vor mir aus und gaben mir eine üppige Mahlzeit. Dann ließen sie mich gehen. Es war das einzige Mal, dass ich in dem Haus einer Familie auf einem Blatt gegessen habe.“
[78] Math: Einrichtung zur Erinnerung an einen Heiligen. In den großen Maths leben Sadhus in Gruppen zusammen, ähnlich wie in einem Kloster. Sri Ramana pflegte Umgang mit dem Esanya-Math, der auf dem Weg um den Berg liegt.
Fragen, die auf Halbwissen gründen Top
Bhagavan antwortete nicht sogleich, sondern schwieg. Der Frager wartete eine Weile und fragte dann: „Swami, soll ich auf deine Antwort warten?“
Bhagavan erwiderte: „Wer ist es, der diese Frage stellt?
„Ein Jiva“, antwortete er.
„Wer ist dieser Jiva? Wie sieht er aus? Wo wurde er geboren? Wohin geht er, wenn er sich auflöst? Wenn du dem nachgehst, wirst du entdecken, dass derjenige, den man als Jiva bezeichnet, Gott selbst ist. Dann weiß man auch, ob das Leid des Jiva Gott berührt oder nicht. Wenn man das erkennt, wird es keine Schwierigkeiten mehr geben.“
Frager: „Das ist es ja, was wir nicht wissen können.“
Bhagavan: „Man muss sich nicht anstrengen, um sich selbst zu kennen. Du existierst im Schlaf, aber all die Dinge in der Welt sind währenddessen nicht sichtbar. Wenn du aufwachst, siehst du das alles. Aber du existierst im Schlaf und im Wachen. Das, was im Wachzustand an dich herankommt, solltest du abweisen.“
Frager: „Wie können wir es abweisen?“
Bhagavan: „Wenn du bleibst wie du bist, wird es von selbst verschwinden. Deine Natur ist zu sein. Wenn du die Wirklichkeit siehst, wie sie ist, wird das Unwirkliche von selbst verschwinden, weil es unwirklich ist.“
Frager: „Mit welcher Methode können wir das erkennen?“
Bhagavan: „Indem man sich fragt: „Wer bin ich“? und: „Was bin ich wirklich?“
Frager: „Wie soll ich das ergründen?“
Bhagavan schwieg.
Der Frager wartete auf eine Antwort. Dann sagte er: „Ja, das ist der Weg“. Er berührte die Füße Bhagavans, obwohl die Helfer ihn daran hindern wollten, dann gingen sie alle. Als sie fort waren, sagte Bhagavan zu jenen, die in seiner Nähe saßen: „Wissen sie tatsächlich die Antwort nicht? Sie wollten mich nur auf die Probe stellen. Als sie meine Füße berührten, wussten sie, dass sie nichts mehr erreichen konnten.“
Ein reicher Reddi aus Nellore sagte: „Es heißt, dass Ananda (Glück) das Selbst sei. Ananda ist frei von Sorge. Wenn der Jiva Ananda erfährt, wird er dann nicht frei von jeder Sorge sein?“
Bhagavan erwiderte: „Glück kann es nur geben, wenn es auch Sorge gibt. Nur wenn man etwas als sorgenvoll erkennt, weiß man auch was Ananda ist. Wenn man keine Sorge kennt, wie kann man dann Glück erfahren? Solange es einen Erlebenden gibt, wird es beides geben. Das, was wirklich ist, ist jenseits von Glück und Sorge. Trotzdem sagt man, dass Es Glück ist, weil das wahre Sein jenseits von Sein und Nichtsein ist. Jnana (Wissen) ist jenseits von Wissen und Nichtwissen, Erkenntnis ist jenseits von Erkennen und Nicht-Erkennen usw. Was also können wir antworten?“
In Unnadhi Nalubadhi (den „Vierzig Versen“) heißt es in Vers 10:
„Es gibt kein Wissen ohne Nichtwissen und andersherum. Wenn man sich fragt: „Wer ist es, der weiß? Wer ist es, der nicht weiß?“ und auf diese Weise das ursprüngliche Selbst erkennt, ist diese Erkenntnis allein das wahre Wissen.“
[79] Vysias: telugische Kaste der Geschäftsleute
Brief: Puja mit Blumen Top
Eingeschüchtert sagte sie: „Ich werde keine Blumen mehr bringen.“
Bhagavan meinte: „Das ist gut“. Er sah jene in seiner Nähe an und fuhr fort: „Ihr wisst ja, was an einem meiner Geburtstage geschah. Ein Devotee hatte ein Buch herausgebracht und sagte, er wolle es vorlesen. Als ich einwilligte, stellte er sich hinter mich und fing mit dem Lesen an. Er hatte Blumen in seinem Gewand versteckt und als er mit dem Lesen fertig war, fielen mir Blumensträuße zu Füßen. Er hat es heimlich getan, weil er wusste, dass ich es ihm nicht erlaubt hätte. Was sollte ich tun? Vielleicht ist es für ihn keine Puja (Verehrung), wenn es nicht so gehandhabt wird.“
Während meiner ersten Zeit hier haben verheiratete Frauen am Varalakshmi-Puja-Tag [80] Blumen auf Bhagavans Füße gelegt. Im folgenden Jahr machten es alle verheirateten Frauen so. Bhagavan sagte verärgert: „Da haben wir es, alle haben nun damit angefangen. Wozu soll das gut sein? Das kommt davon, wenn ich nichts sage, anstatt diesen Dingen von Anfang an zu wehren. Es ist genug damit!“
Auch wenn es um die Puja für die Götter geht, tadelt Bhagavan seine Devotees, wenn sie Blätter oder Blumen verwenden. Ich habe dir in einem meiner früheren Briefe über die Puja von Echammal mit den Hunderttausend Blättern berichtet. Es gibt noch einen weiteren Vorfall. Damals, als Bhagavan mit seinen Devotees den Berg umrundete, machten sie eines Morgens im Gautama Ashram eine Pause. Es wurde gekocht. Alle aßen und ruhten sich aus.
Eine Devotee namens Lakshmamma aus Tiruchuli, die eine Kindheitsgefährtin Bhagavans war, pflückte Blumen und Blätter von den Bäumen und legte sie in einen Korb. Bhagavan meinte schmunzelnd: „Lakshmamma, was machst du da?“ Sie sagte: „Ich pflücke Blumen.“ „Das sehe ich, aber ist das deine Aufgabe und wozu so viele Blumen?“ „Für die Puja“, antwortete sie. Bhagavan erwiderte: „Es ist also keine Puja, wenn du nicht so viele Blumen opferst, ist es so?“ „Ich weiß nicht. Diese Bäume haben so viele Blüten. Also pflücke ich sie.“ „Ich sehe schon. Du glaubst, es sei nicht schön, wenn sie überreich blühen, deshalb machst du sie kahl. Du hast ihre Schönheit gesehen und willst nicht, dass andere sie auch sehen. Du hast sie gegossen und ihnen beim Wachstum geholfen. Deshalb glaubst du, jetzt auch das Recht zu haben, alle Blüten zu pflücken und sie kahl zu machen, damit kein anderer ihre Schönheit sieht. Nur dann wirst du den vollen Verdienst deiner Puja bekommen, nicht wahr?“
[80] ein besonderer Festtag der verheirateten Frauen, der mit einer besonderen Puja begangen wird. Dabei wird um das Wohlergehen der Familie gebetet.
Verehrung mit Wasser (Abhishekam) Top
Ich war vor vier oder fünf Jahren Zeugin eines ähnlichen Vorfalls. In Bhagavans Badezimmer ist ein Loch, durch welches das Wasser abfließt. Darunter hat man eine Rinne angebracht.
Immer wenn er badete, versammelten sich Devotees an der Stelle. Sie besprengten sich mit dem Wasser die Köpfe, wischten sich damit über die Augen und tranken sogar davon. Das ging einige Zeit still und unbemerkt so weiter. Aber bald brachten die Leute Gefäße und Eimer mit und es gab regelmäßig eine Schlange vor dem Badezimmer. Das verursachte natürlich Geräusche, die Bhagavan hörte. Er fragte nach und erfuhr alles. Da sagte er zu seinen Helfern: „Ich habe das Geräusch zunächst für etwas anderes gehalten. Was für ein Unsinn! Werdet ihr dafür sorgen, dass das aufhört oder soll ich künftig unter dem Wasserhahn draußen baden? Dann braucht ihr kein Wasser mehr für mich zu erhitzen und es wird auch sonst keine Probleme mehr geben. Die Leute brauchen mich nicht mehr zu bewachen und auf das „heilige Wasser“ zu warten. Was brauche ich schon? Zwei Dinge genügen mir: ein Handtuch und ein Koupina (Lendentuch). Ich kann unter dem Wasserhahn baden und beides dort auswaschen. Damit ist die Arbeit erledigt. Aber es geht auch ohne den Wasserhahn, denn wir haben die Bergflüsse und die Wasserspeicher. Wozu also die ganze Aufregung! Was meint ihr?“
Der Sarvadhikari verbot fortan jedem, zur Badezeit auf diese Seite des Badezimmers zu gehen.
Noch etwas anderes hat sich in dieser Zeit ereignet. Bhagavan ging immer nach dem Frühstück in der prallen Sonne auf dem Berg spazieren. Wenn er zurückkam, gossen ihm seine Helfer vor der Halle aus dem Kamandalu (Krug mit engem Hals) Wasser über die Füße. Er wusch sich die Füße und ging dann hinein. Einige versteckten sich in der Nähe. Sobald er in der Halle war, spritzten sie sich dieses Wasser auf ihre Köpfe. Doch alles kommt einmal ans Licht. Bhagavan bemerkte es. Eines Nachmittags beobachtete er durchs Fenster, wie ein langjähriger Devotee sich dieses Wasser auf den Kopf spritzte und sagte: „Da seht bloß! Weil ich diesem Treiben keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt habe, ist es jetzt ausgeufert. Sie hören mit diesem Unsinn nicht auf, obwohl sie schon so lange hier leben und so oft gehört haben, was ich sage. Ich werde mir künftig die Füße nicht mehr waschen, versteht ihr?“
Der Devotee war wie betäubt. Schamvoll und betrübt kam er sofort zu Bhagavan und bat ihn um Verzeihung. Bhagavan weigerte sich fortan, seine Füße dort zu waschen, obwohl die Helfer ihn anflehten, es doch weiterhin so zu machen.
Ich hatte von diesem Vorfall nichts mitbekommen, da ich in der Stadt war. Vier Tage später kam Bhagavan wie üblich von seinem Spaziergang auf dem Berg zurück. Da ich einige Zweifel über mein Sadhana hatte, wollte ich ihn fragen und wartete vor der Halle beim westlichen Fenster auf ihn. Ich mache das immer so, wenn ich Bhagavan etwas fragen will. Weißt du, was dann geschah? Bhagavan nimmt normalerweise den östlichen Eingang, doch diesmal ging er auf mich zu. Ich trat besorgt beiseite, um ihn vorbei zu lassen. Er sah mich verärgert an. Ich bebte vor Angst. Ich wusste nicht, warum er mich so ansah. Als er um die Ecke beim Fenster bog, wollten die Helfer ihm Wasser geben, damit er seine Füße waschen konnte. Bhagavan rief: „Nein!“ Sie wandten ein: „Aber du warst in der prallen Sonne.“ „Na und! Wenn wir uns um unsere Reinlichkeit kümmern, warten schon die Leute auf das Wasser. Es reicht! Wenn ihr wollt, könnt ihr euch ja die Füße waschen.“ Damit ging Bhagavan in die Halle hinein.
Ich fragte mich, was ich falsch gemacht hatte, dass Bhagavan so wütend geworden war, und ging fort, ohne die Sache zu klären. Am Abend fragte ich nach und erfuhr, was geschehen war. Erst dann kam ich innerlich wieder zur Ruhe.
[81] zeremonielles Baden der Götterstatuen
Thirthas und Prasadas Top
Bhagavan brachte noch weitere ähnliche Dinge vor. Nach dem Essen faltete er sein Blatt zusammen und nahm es mit. Wie viele Leute ihn auch um das Blatt baten, er gab es keinem, sondern ging damit in Richtung Berg und warf es fort, nachdem er außer Sichtweite war. Dann wusch er sich dort die Hände. Die Ashrambewohner versprachen ihm, damit aufzuhören, doch er wandte ein: „Wenn jeder sein benutztes Blatt wegwirft, warum sollte ich dann meines liegen lassen?“
Bis 1943 war es Brauch, dass jeder nach dem Essen sein Blatt mitnahm und wegwarf. Erst nach diesem Vorfall wurde dieser Brauch aufgegeben. Als die Ashrambewohner schworen, dass sie alle Blätter zusammen mit dem von Bhagavan einsammeln und wegwerfen würden, gab er widerwillig nach und ließ sein Blatt wieder liegen. Aber bis heute wäscht er seine Hände draußen in der Nähe der Treppe, die zur Halle führt. Wenn jemand ihn bittet, seine Hände in einem Teller zu waschen, sagt er: „Kannst du allen anderen auch einen Teller geben? Wenn alle anderen keinen Teller haben, um sich die Hände zu waschen, wozu brauche ich dann einen?“
[82] ein kleines Wohngebiet für Familien
Kein Segensgestus Top
Ein Sadhu fragte Bhagavan: „Swami, ich bitte dich, dass du mir einen Bissen von deinem Essen als Prasadam gibst.“
Bhagavan antwortete: „Wenn du alles, was du isst, als Gottes Prasadam entgegennimmst, dann wird es zu Gottes Prasadam. Ist nicht alles, was wir essen, Prasadam? Wer ist es, der isst? Woher kommt derjenige, der isst? Wenn du bis an die Wurzel der Dinge gehst und die Wahrheit erkennst, wirst du entdecken, dass alles Gottes Prasadam ist.“
Eine Geschichte aus dem Vichara Sagaram Top
So ähnlich ist es auch mit uns. Wir glauben alle möglichen Dinge, die uns der Geist weismacht und werden irregeführt, indem wir denken, dass das nicht existiert, was existiert und andersherum. Wenn wir dem Geist nicht glauben, sondern ins Herz eintreten und den Sohn sehen, der in unserem Innern ist, brauchen wir ihn nicht außen zu sehen.“
Die ewige Welt Top
Der Blick der Weisheit Top
Ein junger Mann fragte: „Swami, ein Jnani hat den Blick der Weisheit (Jnanadrishti). Bitte gib mir diesen Blick der Weisheit oder sage mir, wo ich jemanden finden kann, der ihn mir gibt.“ Bhagavan antwortete: „Diesen Blick der Weisheit muss man durch eigene Anstrengung erlangen. Es ist nichts, das jemand dir geben könnte.“ Der Devotee meinte: „Es heißt, dass der Guru ihn geben kann, wenn er will.“ Bhagavan erwiderte: „Der Guru kann nur sagen: „Wenn du diesem Weg folgst, wirst du Jnanadrishti erlangen.“ Aber wer folgt dem Weg? Ein Guru, der ein Jnani ist, ist nur ein Wegweiser, aber die Schüler müssen den Weg schon selber gehen (d.h. Sadhana tun). Da ging der junge Mann enttäuscht fort.
Wenig später kam ein Kind aus Ramana Nagar [83] und brachte Bhagavan zwei Früchte aus dem Garten. Sie hatte schon öfter Süßigkeiten und Früchte gebracht und Bhagavan hatte jedes Mal zu ihr gesagt: „Wozu bringst du sie?“, hatte sie aber gegessen. Gestern gab er sie ihr zurück und sagte: „Nimm die Früchte wieder mit nach Hause, schneide sie in kleine Stücke und gib sie den anderen, indem du zu ihnen sagst: „Das ist für Bhagavan, das ist für Bhagavan“ und du nimmst dir auch etwas davon. Bhagavan ist in jedem. Warum also bringst du täglich Obst? Ich habe dir gesagt, es bleiben zu lassen. Gib sie den anderen. Bhagavan ist in jedem. Bitte geh jetzt.“
Das Mädchen ging enttäuscht weg. Bhagavan sagte zu mir: „Den Kindern machen solche Sachen großen Spaß. Wenn sie Swami etwas geben, wissen sie, dass sie auch etwas davon abbekommen. Als ich auf dem Berg lebte, kamen kleine Buben und Mädchen in ihren Ferien zu mir. Sie baten ihre Eltern um Geld und brachten mir Süßigkeiten, Kekse und ähnliches mit. Ich saß bei ihnen und bekam meinen Anteil. Wenn sie Swami etwas brachten, wussten sie, dass sie auch etwas davon bekommen würden. Es ist in Ordnung wenn es einmal vorkommt, aber nicht täglich. Wenn sie alle essen, ist es dasselbe, als wenn ich esse.“
Vor einer Woche servierte jemand Bhagavan mehr Orangen als den anderen. Da aß er keine Orangen mehr. Als die Devotees ihn baten, doch wieder davon zu nehmen, sagte er: „Reicht es nicht, wenn ihr alle esst“ Der Devotee meinte: „Es ist uns nicht wohl dabei, wenn wir davon essen, aber Bhagavan nicht. Deshalb bitten wir dich, uns zu verzeihen.“ Bhagavan erwiderte: „Was gibt es da zu verzeihen? Ich mag sie einfach nicht so sehr.“ „Aber sie sind gesund“. „Sieh her, etwa hundert Leute frühstücken hier. Ich esse durch so viele Münder. Reicht das nicht? Soll ich nur durch diesen einen Mund essen?“
Das ist die Sicht der Weisheit. Wer könnte sie einem anderen geben?
[83] Siedlung in Ashramnähe für Devotees mit Familien
Äußeres und inneres Zuhören und Überdenken Top
Bhagavan schrieb im folgenden Vers über das Aham Sphurana (das ständig pulsierende „Ich-Ich“):
„Brahman erstrahlt inmitten der Höhle des Herzens in Form des Selbst, das immer „Ich-Ich“ ruft. Werde ein Selbst-Verwirklichter, indem du den Geist völlig mit der Selbstergründung beschäftigst oder Atemkontrolle übst, und ihn dadurch zum Schweigen bringst.“
Schweigen Top
Bhagavan: „Ja, es war ein schweigender Kommentar.“
Ein anderer Devotee: „Mouna (Schweigen) bedeutet, im Selbst zu verweilen.“
Bhagavan: „Ja, so ist es. Wie könnte es Mouna sein, wenn man nicht im Selbst weilt?“
Devotee: „Das genau ist meine Frage. Wäre es Mouna, wenn man völlig mit dem Sprechen aufhört, ohne sich zugleich des Selbst gewahr zu sein und in ihm zu verweilen?“
Bhagavan: „Wie könnte man wirkliches Mouna erlangen? Manche Leute sagen, dass sie Mouna üben, indem sie den Mund halten, aber sie schreiben dafür ihre Mitteilungen auf Zettelchen oder auf eine Tafel. Ist das nicht eine andere Art der Geistesaktivität?“
Ein anderer Devotee: „Hat es dann überhaupt keinen Wert, wenn man das Sprechen unterlässt?“
Bhagavan: „Man mag das Sprechen unterlassen, um den Hindernissen der äußeren Welt aus dem Weg zu gehen, aber man sollte das nicht als das Ziel betrachten. Wahres Schweigen ist in Wirklichkeit ununterbrochenes Sprechen. Man kann es nicht erlangen, da es immer da ist. Alles, was du tun musst ist, die weltlichen Spinnengewebe, die es einhüllen, zu entfernen. Mouna kann man nicht erlangen.“
Während dieses Gesprächs teilte uns jemand mit, dass eine Rundfunkanstalt Bhagavans Stimme aufnehmen wolle. Bhagavan meinte lachend: „Oho, aber meine Stimme ist das Schweigen. Wie können sie das Schweigen aufnehmen? Das was IST, ist Schweigen. Wer kann es aufnehmen?“
Da verstummten die Devotees, tauschten Blicke untereinander und es war völlig still in der Halle. Bhagavan, die Verkörperung von Dakshinamurti, saß in der Haltung des Schweigens da, den Blick, wie Dakshinamurti, nach Süden gerichtet.
[84] Die Nacht von Shiva, ein hoher Shiva-Feiertag, der jährlich im Februar begangen wird.
[85] s. a. Sundaresa Iyer: Mein Leben, S. 60
Samadhi Top
Frager: „Aber im Mandukyopanishad steht, dass man unbedingt Samadhi erfahren muss, bevor man die Befreiung erlangen kann.“
Bhagavan: „Wer sagt, dass es nicht so ist? Es steht nicht nur in der Mandukyopanishad, sondern in allen alten Schriften. Aber es handelt sich nur dann um wirkliches Samadhi, wenn du dein Selbst kennst. Was nützt es, eine Zeit lang wie eine leblose Gestalt still dazusitzen? Stell dir vor, du hast ein Geschwür an deiner Hand und lässt es unter Narkose operieren. Du spürst während der Narkose keinen Schmerz, aber bedeutet das, dass du deshalb in Samadhi bist? Hier ist es dasselbe. Man muss verstehen, was Samadhi wirklich bedeutet. Wie kannst du es kennen, ohne dass du dein Selbst kennst? Wenn man das Selbst kennt, weiß man automatisch, was Samadhi ist.“
Derweilen hatte ein Devotee damit begonnen, die Lieder von Pursuit aus dem Tiruvachakam vorzusingen. Gegen Ende heißt es dort: „Oh Ishwara, Du willst mir entfliehen, aber ich halte Dich fest. Wie kannst Du mir da entkommen?“
Bhagavan sagte lächelnd: „Es scheint, Gott will entkommen und sie halten Ihn fest! Wohin könnte er denn entfliehen? Wo ist Er nicht gegenwärtig? Wer ist Er? Das alles ist nur ein leeres Geschwätz. Im gleichen Buch gibt es eine Folge von 10 Liedern. In einem davon heißt es: „Oh Herr, du hast meinen Geist zu deiner Wohnstatt gemacht. Du hast Dich mir gegeben und hast mich in Dich aufgenommen. Herr, wer von uns ist jetzt der Schlauere? Wenn Du Dich mir gegeben hast, genieße ich unendliche Seligkeit, aber was hast Du davon, selbst wenn Du durch Dein unendliches Erbarmens meinen Körper zu Deinem Tempel gemacht hast? Was kann ich im Gegenzug für Dich tun? Ich habe jetzt nichts mehr, das ich mein Eigen nennen könnte.“ Das bedeutet, dass kein eigenes „Ich“ mehr da ist. Sieh die Schönheit in dem Lied! Wenn es kein solches „Ich“ mehr gibt, wer ist dann der Handelnde und was könnte er tun – ob es nun Hingabe, Selbst-Ergründung oder Samadhi ist?“
Bleibe wo du bist Top
Bhagavan antwortete nicht. Er neigte sich vor und rieb seine Beine und Knie, wie er es oft wegen seines Rheumas tut, bevor er aufsteht. Er lächelte still vor sich hin. Wir warteten gespannt auf seine Antwort. Nach einer Weile griff er nach seinem Gehstock, sah den jungen Mann an und sagte: „Wie kann ich dir sagen, wohin du gehen sollst, um Tapas zu üben? Es ist am besten, wenn du bleibst, wo du bist.“ Lächelnd ging er hinaus.
Der junge Mann war verwirrt. „Was bedeutet das?“, rief er aus. „Ich dachte, er würde mir einen heiligen Ort nennen, wo ich bleiben kann, aber stattdessen sagt er mir, ich soll bleiben, wo ich bin. Ich stehe jetzt an diesem Sofa. Meint er, dass ich hier beim Sofa bleiben soll? Bin ich zu ihm gekommen, um so eine Antwort zu erhalten? Ist das etwa zum Scherzen?“
Einer der Devotees führte ihn aus der Halle und erklärte ihm: „Selbst wenn Bhagavan etwas so dahinsagt, steckt immer eine tiefe Bedeutung dahinter. Dort, wo das Ich-Gefühl entsteht, ist unser Selbst. Tapas bedeutet zu wissen, wo das Selbst ist und in ihm zu verweilen. Dazu muss man wissen, wer man ist. Wenn man sein Selbst verwirklicht, was macht es dann aus, wo man ist? Das hat er damit gemeint.“ Er beruhigte den jungen Mann und schickte ihn fort.
Jemand anderer stellte gestern eine ähnliche Frage: „Swami, wie können wir das Selbst (Atma) finden?“
Bhagavan antwortete: „Du bist im Selbst. Wie kann es da schwierig sein, es zu finden?“
Frager: „Du sagst, dass ich im Selbst bin, aber wo genau ist dieses Selbst?“
„Wenn du im Herzen weilst und geduldig danach suchst, wirst du es finden.“
Der Frager war immer noch unzufrieden und machte die sonderbare Bemerkung, dass er in seinem Herzen keinen Platz finde, um darin zu bleiben.
Da wandte sich Bhagavan an einen der Devotees und sagte lächelnd: „Sieh bloß, wie er sich mit der Frage plagt, wo das Selbst ist! Was kann ich ihm sagen? Das, was IST, ist das Selbst. Es durchdringt alles. Wenn ich ihm sage, dass man es das „Herz“ nennt, sagt er, dass er darin keinen Platz findet, um darin zu verweilen. Was kann ich machen? Zu sagen, dass es im Herzen keinen Platz gibt, nachdem man es mit unnötigen Vasanas (Wünschen) angefüllt hat, ist, als würde man murren, dass man in einem Haus, das so groß wie Ceylon ist, keinen Platz findet, sich hinzusetzen. Wenn man alles Gerümpel hinauswirft, wird man dann nicht Platz haben? Der Körper selber ist so ein Gerümpel. Diese Leute sind wie jemand, der in alle Zimmer seines Hauses unnötiges Gerümpel hineinstopft und sich dann beschwert, dass er selbst keinen Platz mehr darin hat. Ebenso füllen diese Leute ihren Geist mit allen möglichen Eindrücken und sagen dann, dass sie darin keinen Platz für das Selbst haben. Wenn alle falschen Vorstellungen und Eindrücke fortgewischt und hinausgeworfen werden, bleibt ein Gefühl der Fülle zurück – und das ist das Selbst. Dann gibt es kein eigenständiges „Ich“ mehr. Es ist ein Zustand der Ichlosigkeit. Wie könnte es dann noch die Frage nach einem Raum oder einer Person, die den Raum bewohnt, geben? Anstatt dass die Leute das Selbst suchen, sagen sie: „Es gibt keinen Platz dafür!“ Das ist als würde jemand seine Augen verschließen und sagen, dass es keine Sonne gibt. Was kann man unter solchen Voraussetzungen tun?“
Nur das eine und alldurchdringende Selbst Top
„Ich stelle sie“, antwortete der Sadhu.
Bhagavan: „Wenn du schläfst, fragst du dich dann, ob du existierst? Erst wenn du aufwachst, sagst du, dass du existierst. Auch im Traum existiert das Selbst. Es gibt in Wirklichkeit keine lebenden und toten Körper. Das, was sich nicht bewegt, nennt man tot und das was sich bewegt lebend. Im Traum siehst du viele Körper, lebende und tote, doch wenn du aufwachst, existieren sie nicht mehr. Ebenso ist diese ganze Welt, sei sie belebt oder nicht, nicht-existent. Der Tod bedeutet die Zerstörung des Egos und die Geburt bedeutet die Wiedergeburt dieses Egos. Geburt und Tod betreffen das individuelle Ich, aber nicht DICH. Du existierst, gleichgültig ob das Ich-Gefühl da ist oder nicht. Du bist seine Quelle, aber nicht dieses individuelle Ich-Gefühl. Befreiung (Mukti) bedeutet, die Wurzel für diese Geburten und Tode herauszufinden und das individuelle Ich-Gefühl in seiner Wurzel zu vernichten. Das ist die Befreiung. Sie ist Tod mit vollem Bewusstsein. Wenn man auf diese Weise stirbt, wird man gleichzeitig am selben Ort wiedergeboren, indem sich das pulsierende ewige Ich (Aham Sphurana) als „Ich-Ich“ bemerkbar macht. Wer wiedergeboren wird, hat keine Zweifel mehr.“
Gestern Abend nach dem Singen der Veden stellte ein junger Europäer Bhagavan mehrere Fragen. Bhagavan antwortete wie üblich mit der Gegenfrage: „Wer bist du? Wer stellt diese Fragen?“ Da der junge Mann einsah, dass er keine weitere Antwort bekommen würde, fragte er schließlich, welchen der Verse aus der Gita er am liebsten möge. Bhagavan erwiderte, er möge sie alle gleichermaßen. Der junge Mann bestand jedoch auf seiner Frage, welches der wichtigste Vers sei. Da antwortete Bhagavan, es sei X,20: „Ich bin das Selbst, oh Gudakesa (Arjuna) [86], das im Herzen aller Lebewesen thront. Ich bin der Anfang, die Mitte und das Ende aller Lebewesen.“
Da war der junge Mann zufrieden und verabschiedete sich mit den Worten: „Swami, ich bin wegen einer dringenden Arbeit unterwegs. Ich bitte dich, dass du diesem unwirklichen Selbst rätst, ins wahre Selbst einzugehen.“
Bhagavan antwortete lächelnd: „Ein solcher Rat wäre nötig, wenn es viele verschiedene „Selbste“ gäbe. Dann könnte ein Selbst um einen Rat bitten, das andere Selbst diesen Ratschlag geben und ein weiteres Selbst den Rat hören. Aber es gibt keine vielen „Selbste“. Es gibt nur ein Selbst. Alles ist in dem einen Selbst.“
[86] i. e. Arjuna
Die Manifstation des Selbst Top
Frager: „Wie kann diese Illusion verschwinden?“
Bhagavan: „Wenn man sich dieser Wahrheit durch die Selbst-Ergründung vergewissert, löst sich die Vielheit in die Fünf auf, die Fünf in die Drei und diese wird zum Einen. Nehmen wir einmal an, du hast Kopfschmerzen. Wenn du sie loswirst, indem du eine Arznei einnimmst, bist du wieder wie zuvor. Der Kopfschmerz ist wie die Illusion, dass der Körper das Selbst sei. Sie verschwindet, wenn die Arznei namens Selbst-Ergründung angewandt wird.“
Frager: „Ist der Weg der Selbst-Ergründung für alle möglich?“
Bhagavan: „Nur reife Menschen können diesen Weg gehen. Den unreifen Menschen wird empfohlen, ein Gebet oder einen heiligen Namen mit dem Atem zu wiederholen (Japa), Bilder zu verehren, Atemkontrolle zu üben oder ähnliche Yoga-, spirituelle und religiöse Übungen auszuführen. Durch diese Praxis werden sie reif und werden dann das Selbst durch den Weg der Selbst-Ergründung verwirklichen. Um die unreifen Menschen von ihren Illusionen bezüglich dieser Welt zu befreien, muss man ihnen sagen, dass sie nicht der Körper sind. Die Alten sagten, dass man die Unreifen anweisen soll, den Seher zu erkennen, indem sie die fünf Elemente hinterfragen und zurückweisen, indem sie wiederholen: „Ich bin nicht dies. Ich bin nicht das (Neti, neti).“ Dann muss man ihnen aufzeigen, dass die Elemente ihr eigenes Selbst sind, ebenso wie die goldenen Schmuckstücke nicht vom Gold verschieden sind. Daher muss man sagen, dass diese Welt wirklich ist. Die Menschen beachten den Unterschied zwischen den verschiedenen Schmuckstücken, aber tut das auch der Goldschmied? Er beachtet nur die Qualität des Goldes. Ebenso sieht der Verwirklichte (den Jnani) alles als sein eigenes Selbst. Shankaras Methode war dieselbe. Manche verstehen das nicht richtig und glauben, Shankara sei ein Nihilist, einer, der behauptet, dass die Welt unwirklich sei. Das ist reiner Unsinn.
Du siehst einen Stein, in den ein Hund gemeißelt ist. Wenn du erkennst, dass es nur ein Stein ist, ist da kein Hund mehr und andersherum: Wenn du ihn als Hund siehst ohne zu erkennen, dass es ein Stein ist, existiert kein Stein für dich. Wenn du existierst, existiert auch alles andere. Wenn du nicht existierst, gibt es auch nichts in dieser Welt, das existieren würde.
Wenn man sagt, dass da kein Hund ist, sondern ein Stein, bedeutet das aber nicht, dass der Hund weggelaufen ist, weil du den Stein siehst. Es gibt eine Geschichte dazu. Ein Mann wollte den Palast des Königs sehen. Links und rechts am Eingangstor standen zwei steinerne Hunde. Aus der Ferne hielt der Mann sie für zwei wirkliche Hunde und hatte Angst, näher zu kommen. Da kam ein Heiliger des Weges, der das bemerkte. Er nahm den Mann mit und sagte: „Mein Herr, Sie brauchen keine Angst zu haben“. Als der Mann nahe genug war, erkannte er, dass da keine Hunde waren und es sich nur um Statuen aus Stein handelte. Ebenso ist es, wenn du die Welt siehst – dann ist das Selbst unsichtbar. Wenn du dagegen das Selbst siehst, ist die Welt unsichtbar. Ein guter Lehrer ist wie dieser Weiser.
Ein Verwirklichter, der die Wahrheit kennt, ist sich der Tatsache bewusst, dass er nicht der Körper ist. Aber da ist noch etwas anderes: Solange man den Tod nicht als etwas betrachtet, dass sehr nahe ist und sich jeden Moment ereignen kann, wird man sich des Selbst nicht gewahr. Das bedeutet, dass das Ego sterben und verschwinden muss, zusammen mit den ihm innewohnenden Vasanas. Wenn das Ego verschwindet, erstrahlt das Selbst. Solche Menschen befinden sich auf einer hohen spirituellen Ebene. Sie sind frei von Geburt und Tod.“
[87] Absolutes Bewusstsein (Chit), das sich im Denken reflektiert; das Bewusstsein der individualisierten Seele, des Jiva.
Einfachheit Top
Kürzlich ereignete sich ein ähnlicher Vorfall. Ein Reicher brachte eine silberne Tasse mit Unterteller und einem silbernen Löffel, legte die Dinge ehrerbietig vor Bhagavan und sagte: „Bhagavan, bitte trinke daraus.“ Bhagavan sah sich die Gegenstände an und übergab sie seinen Gehilfen, um sie ins Büro zu bringen. Ein Devotee meinte: „Aber sie sind für Bhagavan gedacht.“ Bhagavan erwiderte: „Ja, aber diese Dinge werden von reichen Leuten benutzt. Was könnten wir damit anfangen? Wir haben unsere eigenen Tassen und Löffel.“ Dann wandte er sich an seinen Gehilfen: „Ab morgen werden wir unsere eigenen Tassen benutzen. Nimm sie heraus.“ Ein Devotee fragte: „Was sind das für Tassen?“ „Sie wurden aus Kokosnussschalen geschnitzt, poliert und haltbar gemacht. Es sind unsere Tassen und Löffel. Sie gehören uns. Sie reichen für unsere Bedürfnisse aus. Bitte bewahrt die silbernen Dinge sorgfältig auf.“
Da fragte ein Devotee: „Gehören die silbernen Dinge nicht Bhagavan?“
Bhagavan lachte: „Ja. Aber sage mir, was sollen wir mit all diesem Pomp anfangen? Sie sind wertvoll. Wenn wir nicht darauf Acht geben, stiehlt sie noch jemand. Also muss man sie bewachen. Ist das etwa Swamis Aufgabe? Und zudem könnte jemand denken: „Er ist ein Sannyasin. Er wird sie mir geben, wenn ich ihn darum bitte“. Ich könnte seine Bitte nicht abschlagen. Aber wenn ich sie hergebe, werden die Geber nicht damit einverstanden sein, weil sie wollen, dass Swami diese Dinge gebraucht. Wozu all diese Mühe? Wenn wir unsere eigenen Tassen verwenden, spielt es keine Rolle, was wir mit ihnen tun.“ Damit ließ er die silbernen Gegenstände wegbringen, ließ seine eigenen Tassen holen und zeigte sie den Anwesenden.
Ein Devotee schenkte Bhagavan einen schönen Spazierstock mit einem Silbergriff. Bhagavan sah ihn sich genau an. Dann meinte er: „Er ist sehr schön. Bitte gehe sorgfältig damit um.“ Der Devotee erwiderte: „Aber er ist nicht für mich bestimmt. Ich habe ihn für Bhagavan mitgebracht.“ Da antwortete Bhagavan: „Was für ein Einfall! Ein so schöner Spazierstock mit Silbergriff sollte nur von Beamten wie dir benutzt werden. Warum bringst du ihn mir? Sieh her, ich habe meinen eigenen Spazierstock. Er genügt mir vollkommen.“
„Aber wenn er abgenutzt ist, kannst du diesen hier benutzen“, meinte ein anderer Devotee.
„Wozu brauche ich so kostbare Dinge? Wir können aus einem Stecken einen Spazierstock schnitzen. Als ich auf dem Berg wohnte, habe ich viele Spazierstöcke geschnitzt. Ich habe sie poliert und haltbar gemacht. Sie haben nichts gekostet. Die Leute haben sie einfach mitgenommen. Sie haben uns gehört. Wozu all dieser Prunk? Diese billigen Spazierstöcke genügen.“ Mit diesen Worten gab Bhagavan den Spazierstock dem Devotee zurück.
Bhagavan benutzt grundsätzlich keine kostbaren Dinge. Er mag Dinge, die nichts gekostet haben.
Geistesfriede ist Befreiung Top
Die Frau: „Die Seligkeit lässt mich erschauern, doch wenn sie verschwindet, fühle ich mich entmutigt und ich möchte die Erfahrung wieder machen.“
Bhagavan: „Du wirst einräumen, dass „du“ in beiden Zuständen da warst: während du das selige Gefühl hattest und während es nicht da war. Wenn du dieses „du“ genau wahrnimmst, zählen diese Erlebnisse nicht mehr.“
Jemand anderer fragte: „Um dieses Glücksgefühl zu haben, muss es da nicht etwas geben, das man ergreift?“
Bhagavan: „Es existiert Dualität, wenn du etwas anderes ergreifst. Aber das, was IST, ist nur das eine Selbst. Es ist keine Zweiheit. Wer also ergreift was? Und was ist es, das man ergreifen könnte?“
Es folgte keine Antwort. Bhagavan sagte freundlich: „Die Vasanas sind so stark. Was kann man machen?“
Da kam ein junger Mann herein, gab Bhagavan eine Notiz und setzte sich. Bhagavan sagte, als er sie gelesen hatte: „Hier steht: „Ist der Geistesfriede die Befreiung (Moksha)?“ Die Antwort ist in der Frage enthalten. Was kann man sonst noch dazu sagen? Deine Frage besagt, dass Geistesfriede Befreiung ist.“
Der junge Mann: „Der Geist ist manchmal friedvoll, dann wieder nicht. Wie können wir vermeiden, dass wir abgelenkt werden?“
Bhagavan: „Wer ist abgelenkt? Wer ist es, der diese Frage stellt?“
Der junge Mann: „Der Frager bin ich.“
Bhagavan: „Ja, so ist es. Es gibt also etwas, das wir „ich“ nennen. Wir erfahren hin und wieder Friede. Also müssen wir zugeben, dass es etwas gibt, das wir „Friede“ nennen. Hinzu kommt, dass diese Gefühle, die wir „Wünsche“ nennen, auch dem Geist angehören. Wenn man diese Wünsche vertreibt, ist der Geist nicht mehr unstet. Wenn der Geist nicht mehr unstet ist, bleibt Friede übrig. Um das zu erlangen, was immer schon da ist, braucht es keine Anstrengung. Die Anstrengung ist nur dafür nötig, alle Wünsche zu vertreiben. Wenn immer der Geist unstet ist, muss er von der jeweiligen Sache abgezogen werden. Wenn man das tut, bleibt Friede übrig wie er immer existiert. Das ist Atma, das ist die Befreiung, das ist das Selbst.“
In der Gita VI,26 heißt es:
„Halte den rastlosen und zappeligen Geist von allen Objekten zurück, denen er hinterherläuft. Man sollte sich beständig auf das Selbst konzentrieren.“
Der Schläfer im Wagen Top
Als wir die Abzweigung zum Esanya Math erreichten, erzählte Kunju Swami:
„Wenn wir um den Berg herumgingen, begann es manchmal in Strömen zu gießen. Jene, die Bhagavan begleiteten, rannten und suchten einen Unterstand, aber er ging nie schneller als sonst und kümmerte sich nicht um den Regen. Einmal, als wir diese Abzweigung erreichten, begann es in Strömen zu gießen. Wir alle rannten zum Esanya Math, aber Bhagavan änderte sein Tempo nicht und war bis auf die Haut durchnässt, als er den Math erreichte. Er ging grundsätzlich nicht in den Math hinein, da sie ihn dort unnötig aufhielten, sondern nahm den Weg am Fuß des Berges entlang zum Gemeindehaus und setzte sich dort auf die Veranda. Alle seine Begleiter, außer einem oder zwei, trennten sich hier von ihm, um zu vermeiden, dass die Leute in der Stadt bemerkten, dass er auf seinem Pradakshina (auf seiner Umrundung des Berges) vorbei kam und sich um ihn versammelten und ihn verehrten. Wenn er alle weggeschickt hatte, hüllte er sich in einen Schal und ging auf einem Seitenweg zum Ashram. Trotzdem erkannten ihn manchmal einige Leute und boten ihm etwas zu essen an.
Wenn er nachts den Berg umrundete, bat er uns, sobald wir in Stadtnähe kamen, nicht zu singen oder laut zu reden, damit wir niemand aufweckten.“
Inzwischen war es etwa 2 Uhr nachts und wir hatten die Stadt erreicht. Alles war still. Da erinnerte sich Kunju Swami an folgende Begebenheit:
„Einmal umrundeten wir im Sommer nach dem Abendessen den Berg. Der Mond schien hell und wir erreichten wie jetzt etwa um 2 Uhr nachts die Stadt. Alles schlief und es war sehr still. Da es Sommer war, standen alle Fenster offen. Die Geschäfte waren geschlossen. Nur die Wächter patrouillierten durch die Straßen. Bhagavan sagte: „Bemerkt ihr, wie still die ganze Stadt ist? Es sind Straßen, Häuser und Lichter da, aber alle Leute schlafen, außer die Wächter. Deshalb ist es überall still. Aber sobald es hell wird, steht jeder auf und überall wird es geschäftig. Das ist wie Savikalpa Samadhi. Seht ihr diese großen und kleinen Häuser? Die Fenster stehen offen, aber der Sehende schläft. Das ist wie Turiya, der Vierte Zustand. Man könnte sagen, dass der Verwirklichte im selben Zustand ist und es als ein Beispiel nehmen. Es sieht so aus, als ob die Augen sehen, obwohl sie friedvoll schlafen.“
Während wir seiner Geschichte zugehört hatten, waren wir zuhause angelangt.
Am folgenden Tag sagte Bhagavan, der alles über unser glückliches Pradakshina gehört hatte: „Ich beineide euch. Ich kann mich nicht mehr so frei bewegen.“ Er lachte und fuhr fort: „ Wenn mich viele Leute begleiteten, nahm ich gewöhnlich den Weg durch den Dschungel, aber wenn ich alleine war, nahm ich den Weg den Berg entlang.“
Ein Devotee fragte: „Gibt es drei Wege um den Berg herum?“
„Ja, die Straße, der Weg am Fuß des Berges entlang und der Weg durch den Dschungel.“
„Dann ist Bhagavan all diese Wege gegangen?“
„Nicht nur diese Wege. Ich kann wohl sagen, dass es keine Stelle des Berges gibt, auf den ich meinen Fuß nicht gesetzt habe. Es gibt auf dem Berg viele ayurvedische Kräuter und mehrere Wasserfälle. Deshalb heißt es, dass dieser Berg die Wohnstatt der Siddhas ist. Vor einiger Zeit war ein Geologe hier, um zu untersuchen, wie alt der Berg ist. Als er wieder zuhause war, bat er uns, ihm einige Gesteinsproben zu schicken. Er verglich diese Gesteinsproben mit denen von anderen Bergen, wie etwa dem Himalaja, und fand heraus, dass jene vom Arunachala älter waren. Er hat es uns selbst geschrieben.“
[88] So wie es für den Reisenden, der im Wagen schläft, einerlei ist, ob der Wagen sich bewegt, still steht oder die Tiere ausgespannt werden, ist es auch dem Weisen einerlei, der im Wagen seines Körpers schläft, ob er handelt, meditiert oder schläft.
Das Allgegenwärtige Top
Nach einigen Tagen rief der Guru ihn zu sich und sagte: „Du hast jetzt einige Tage lang spirituelle Übungen (Sadhana) gemacht. Hilft es dir?“ Da erzählte ihm der Brahmane seine Lebensgeschichte und erwiderte: „Swami, damals habe ich den Büffel vor allem deshalb geliebt, weil er meine Familie ernährt hat. Er ist schon lange tot, doch wenn ich in Meditation versunken bin, muss ich immer an ihn denken. Was soll ich tun?“
Der Guru wusste, dass es sich um eine Bindung aus der Vergangenheit handelte und antwortete: „Mein lieber Freund, es heißt, dass Brahman allgegenwärtig (Asti), strahlend (Bhati) und Liebe (Priyam) ist. Dieser Büffel war ein Objekt deiner Liebe. Er ist auch Brahman. Er trägt einen Namen und hat eine Form. Du solltest deshalb deinen eigenen Namen und deine eigene Form aufgeben sowie die des Büffels. Wenn du das tust, ist das, was übrig bleibt, Brahman. Gib also Namen und Formen auf und meditiere“:
Der Brahmane meditierte, gab beides auf und erlangte die Verwirklichung (Jnana). Name und Form sind Bindungen der Vergangenheit. Tatsache ist, dass das, was IST, nur eines ist. Es ist allgegenwärtig und universal. Wir sagen: „Da ist ein Tisch, dort ist ein Vogel“ oder „dort ist ein Mensch.“ Es ist nur ein Unterschied in Namen und Formen, aber DAS, was IST, ist überall und zu allen Zeiten gegenwärtig. Das nennt man Asti (allgegenwärtig) [89]. Wenn man sagt, dass etwas existiert, muss es einen Jemand geben, der es sieht – ein Sehender. Diese Intelligenz, die sehen kann, nennt man Bhati (Bewusstsein) [90]. Es muss jemanden geben, der sagt: „Ich sehe es, ich höre es, ich will es.“ Das ist Priyam (Liebe) [91]. Diese drei sind die Attribute der Natur – das natürliche Selbst. Man nennt sie auch Sein, Bewusstsein, Seligkeit (Sat-Chit-Ananda).“
Ein anderer Devotee fragte: „Wenn Priyam (Liebe) ein natürliches Attribut ist, muss es unabhängig vom Objekt da sein. Warum empfinden wir keine Liebe, wenn wir einen Tiger oder eine Schlange sehen?“
Bhagavan antwortete: „Wir mögen keine Liebe für sie empfinden, aber jede Art von Lebewesen liebt seine eigene Art. Der Tiger liebt den Tiger, die Schlange liebt die Schlange, der Dieb liebt den Dieb und der Wüstling den Wüstling. Also ist immer Liebe da.
Auf einer Leinwand wird dir ein Bild gezeigt. Diese Leinwand ist Asti (immer da) und das Licht, das die Bilder sichtbar macht, ist Bhati und Priyam, Licht und Liebe. Die Bilder von Namen und Formen kommen und gehen. Wenn man sich von ihnen nicht irreführen lässt und sie verwirft, bleibt die Leinwand, die immer schon da war, wie sie ist. Wir sehen die Bilder auf der Leinwand mithilfe eines kleinen Lichts, das in der Dunkelheit leuchtet. Wenn diese Dunkelheit von einem großen Licht vertrieben wird, sind die Bilder dann noch sichtbar? Dann ist alles strahlend hell. Ebenso ist es, wenn du die Welt mit dem kleinen Licht, das wir Geist nennen, siehst. Dann hat sie verschiedene Farben. Aber wenn du sie mit dem großen Licht siehst, das man Selbstverwirklichung (Atma Jnana) nennt, erkennst du, dass es ein beständiges universelles Licht ist und nichts anderes.“
[89] das, was ist, das Sein
[90] strahlend, erleuchtet, Intelligenz, Bewusstsein
[91] Wonne, Freude, dass man etwas Geliebtes sieht.
Bindungen Top
Bhagavan erwiderte: „Ja, aber Vidyaranya (ein Advaita Lehrer aus dem 13./14. Jahrhundert) [92] hat es in seinem Panchadasi ausführlich beschrieben und erklärt, wie man davon befreit wird.“
„Ich habe das Panchadasi nicht gelesen.“
„Dann werde ich es dir erzählen. Es gibt vier Arten von gegenwärtigen Bindungen. Die erste ist der Wunsch nach Materiellem, die zweite die Unfähigkeit, die Lehren und Erklärungen des Gurus zu begreifen, die dritte, wenn man die Belehrung des Gurus falsch versteht und die vierte ist das egoistische Gefühl, dass ich mich in den Veden auskenne, dass ich ein Gelehrter oder ein Asket bin. Wie können sie überwunden werden? Die erste Bindung kann man durch Gelassenheit überwinden, indem man seine schlechten Neigungen zügelt, sich davon löst und Gleichmut gegenüber den äußeren Dingen bewahrt. Die zweite Art kann man überwinden, indem man die Belehrung des Gurus immer wieder hört, die dritte Art, indem man über sie reflektiert und nachdenkt und die vierte Art, indem man intensiv an einem Gedanken festhält. Wenn der Suchende auf diese Weise die Hindernisse überwindet und vernichtet, wird er darin bestärkt, dass er selbst die Verkörperung des Selbst (Atma Swarupa) ist.“
[92] Lehrer des Advaita aus dem 13./14. Jh. Er schrieb u.a. das Panchadasi, einen wichtigen advaitischen Text.
Brindavan Top
Bhagavan erwiderte: „Ja, und was ist die Schwierigkeit? Du kannst es tun. Wenn du Ihn gesehen hast, trägt Er all deine Bürden. Selbst jetzt. Warum sorgst du dich? Wirf alle Bürden auf Ihn und Er wird sich darum kümmern.“
Frager: „Wenn ich die wahre Gestalt des Herrn Krishna sehen will, muss ich dann nach Brindavan gehen und dort meditieren oder kann ich das überall tun?“
Bhagavan: „Man sollte sein eigenes Selbst erkennen. Wenn man das tut, ist Brindavan überall, wo man ist. Du musst nicht denken, dass Brindavan anderswo ist und du umherwandern musst. Jene, die unbedingt nach Brindavan gehen wollen, können das tun, aber es ist keine Notwendigkeit.
In der Bhagavad Gita (X,20) heißt es: „Arjuna, ich bin das Selbst, das in den Herzen aller Lebewesen wohnt. Ich bin der Anfang, die Mitte und das Ende von allen Lebewesen.“
Wo man ist, dort ist Brindavan. Wenn man erforscht, wer und was man ist und die Wahrheit findet, wird man das Selbst. Wenn man alle Wünsche in seinem eigenen Selbst auflöst, ist das die wirkliche Hingabe. Dann sind alle Bürden die Seinen.“
[93] Stadt in Uttar Pradesh, die mit Krishna in enger Verbindung steht
Was es bedeutet, ein spiritueller Meister zu sein Top
Bhagavan sagte lächelnd: „Wer ist magerer: du oder ich?“
Sie meinte, Bhagavan sei magerer.
Bhagavan: „Erst wenn man die Leute auf die Waage stellt, wird man feststellen können, wer von ihnen abgenommen hat. Du kannst diese Früchte selbst jeden Tag essen. Warum bringst du sie mir? Aber es geht in Ordnung. Du hast sie mir heute gebracht, aber bitte tu es nicht wieder.“
Er nahm ein paar Stücke und sagte zu seinen Helfern: „Seht bloß, wie mager sie ist! Gebt ihr etwas davon und verteilt den Rest unter den anderen.“
Einer der Devotees, die freieren Umgang mit Bhagavan pflegen, meinte: „Bhagavan, du isst seit einiger Zeit sehr wenig. Das ist nicht gut.“
„Oho!“, erwiderte Bhagavan, „Wer hat dir das gesagt? Ich nehme soviel ich brauche. Was würde es nützen, wenn ich mehr esse und dick werde? Weißt du, wie viele Krankheiten man vom Dickwerden bekommt? Je mehr du isst, desto mehr nehmen die Krankheiten zu. Wenn man nur das isst, was man braucht, vermeidet man Krankheiten.“
„Aber warum trinkst du kein gepfeffertes Wasser und keine Buttermilch mehr?“, fragte jemand anderer.
Bhagavan: „Wenn du beobachtest, was geschieht, wenn die Mahlzeiten verteilt werden, wirst du es verstehen. Die Buttermilch wird in großen Eimern in den Speisesaal gebracht und mit einem großen Schöpflöffel verteilt. Wenn man mich bedient, ist der Schöpflöffel voll, aber wenn die nächste Person dran ist, ist er nur noch halbvoll. Ich war darüber empört und dachte, dass ich dann auch nicht mehr als einen halben Löffel nehmen sollte.“
Devotee: „Warum trinkst du nicht wenigstens Fruchtsaft?“
Bhagavan: „Jetzt fängst du wieder damit an. Jeder sagt dasselbe. Wie kann ich?“
„Was meinst du, Bhagavan? Wir bekommen viel Obst. Warum soll es nicht möglich sein? Du selbst hast gesagt, dass wir alles, was freiwillig gegeben wird, annehmen dürfen.“
Bhagavan: „Ach so! Bedeutet das auch, dass alle anderen nichts davon bekommen sollen?“
Devotee: „Wir bekommen viel Obst und können es auch unter ihnen verteilen.“
Bhagavan: „Aber woher nehmen wir die Mittel, damit alle zu versorgen? Das Obst wird Swami als Opfergabe gezeigt und dann weggebracht. Es wird im Vorratsraum unter Verschluss gehalten. Der Schlüssel ist unter der Obhut des Verantwortlichen. Wer wird ihn bitten? Alle anderen Dinge werden auf dieselbe Weise verwahrt. Ich habe nichts. Das kommt davon, wenn man ein spiritueller Lehrer ist! Was kann ich machen? Die Leute glauben, dass wenn sie mich nur einmal grüßen, ich tun soll, was sie wollen. Die Leute meinen, dass es glücklich macht, ein spiritueller Lehrer zu sein. Aber seht, so ist es in Wirklichkeit. Sollte man nicht ein Buch darüber schreiben?“
Devotee: „Bhagavan sagt da etwas Ungewöhnliches.“
Bhagavan: „Was ist daran ungewöhnlich? Es entspricht alles der Wahrheit. „Swami sitzt auf einer weichen Matratze auf dem Sofa. Worüber muss er sich schon Sorgen machen?“ Das denken die Leute. Aber kennen sie unsere Schwierigkeiten? Deshalb sage ich, es wäre gut, wenn man ein dickes Buch über spirituelle Meisterschaft schreiben würde. Wenn man alle Dinge, die in den letzten Jahren geschehen sind, niederschreiben würde, würde es ein Buch geben, das so dick wie das Mahabharatham ist. Jeder, der gerne schreibt, kann das tun. Wenn das alles in einem Buch stehen würde, würden alle Leute wissen, dass ein spiritueller Meister: „Ja, ja“ und „gut, gut“ zu sagen hat. Warum sollte man nicht darüber schreiben können?“
Bhagavan sah mich an und sagte lachend: „Wenn du magst, kannst du es tun.“
Auf Eins gerichtet sein Top
Hast du gehört, was die Affen am letzten Unabhängigkeitstag angestellt haben? Bhagavan saß einige Tage vor dem Fest, am 11. oder 12. [August], in der Jubiläums-Halle. Da kam ein ganzes Affenvolk und wollte Früchte. Der Gehilfe Krishnaswami versuchte, sie durch Rufen zu vertreiben, doch Bhagavan ermahnte ihn: „Denk daran, dass auch für sie am 15. August der Unabhängigkeitstag ist. Du musst ihnen ein Festessen geben, anstatt sie zu vertreiben.“
Am 14. August bereiteten einige Ashrambewohnter die Hissung der indische Flagge vor. Da kam das Affenvolk immer wieder. Einer der Diener wollte sie vertreiben. Bhagavan sagte lachend: „Vertreibe sie nicht! Auch sie haben die Unabhängigkeit erlangt, oder etwa nicht? Du musst ihnen Kichererbsen, Linsen und gerösteten Reis geben und ihnen ein Festmahl bereiten. Ist es recht, sie zu vertreiben?“
„Aber der Unabhängigkeitstag ist morgen und nicht heute“, erwiderte der Diener.
Bhagavan: „Wenn du Festvorbereitungen triffst, sollen sie dann nicht ebenfalls ihre eigenen Vorbereitungen treffen? Deshalb sind sie so geschäftig. Siehst du es nicht?“
Einer der Helfer sitzt immer mit einem Korb da, um die Gaben, die Devotees Bhagavan bringen, entgegenzunehmen. Manchmal döst er ein oder hört dem Radio zu. Die Affen warten auf eine passende Gelegenheit und ergattern die Früchte. Wenn die Leute in der Halle sie vertreiben wollen, sagt Bhagavan: „Wenn diese Helfer in tiefer Meditation versunken sind, kommen die Affen und kümmern sich um ihre Arbeit. Jemand muss sich schließlich um die Arbeit kümmern. Die Helfer legen das Obst in den Korb und die Affen tun das Obst in ihren Magen – das ist der einzige Unterschied. Während die Leute selbstvergessen der Musik im Radio zuhören, beschäftigen sich die Affen damit, den süßen Saft der Früchte zu genießen. Das ist gut, nicht wahr!“
Wenn die Affen kommen, solange keiner der Helfer da ist, sagt Bhagavan, sobald einer von ihnen zurückkehrt: „Keiner von euch war da. Deshalb haben sich die Affen um eure Arbeit gekümmert. Sie helfen euch und ihr könnt euch etwas ausruhen. Als ich auf dem Berg lebte, waren die Affen meine ständigen Begleiter. Jetzt verjagt ihr sie, aber in jenen Tagen war es ihr Territorium.“
Manchmal schlagen die großen Affen den Neuankömmlingen, die gerade auf dem Weg zu Bhagavan sind, die Früchte aus den Händen und manchmal schnappen sie sich die Früchte, die die Leute als Prasadam von Bhagavan Helfern zurückbekommen und neben sich gelegt haben. Bhagavan pflegt dann zu sagen: „Sie nehmen sich ihren Anteil. Warum ärgert ihr euch über sie? Sie haben einen konzentrierten Blick. Sie finden heraus, wo das Obst liegt, und im Handumdrehen kommen alle herbei und nehmen sich ihren Anteil. Ihre Aufmerksamkeit ist immer auf die Frucht gerichtet. Deshalb nimmt das Vedanta den Blick des Affen als Beispiel für den konzentrierten Blick. Sobald der Guru mit den Augen ein Zeichen gibt, sollte der Schüler verstehen. Sonst kann der Schüler sein Ziel nicht erreichen.“
Das Leben nach der Verwirklichung Top
Bhagavan: „Es gibt dazu eine Geschichte. Zwei Freunde waren auf Geschäftsreise und verbrachten die Nacht irgendwo. Einer von ihnen träumte, dass er und sein Begleiter an verschiedenen Orten waren und verschiedene Dinge taten. Als sie am Morgen aufstanden, konnte der andere nichts erzählen, denn er hatte fest geschlafen. Der erste Mann fragte seinen Freund nach den verschiedenen Orten, an denen sie nachts zusammen gewesen waren, aber der andere konnte nichts dazu sagen, da er nicht dasselbe geträumt hatte. Er meinte nur: „Ich war nirgends. Ich war nur hier.“ Tatsache ist, dass keiner irgendwo war und der erste Mann nur diese Illusion hatte. Ähnlich ist es mit jenen, die ihren Körper für wirklich halten und nicht für unwirklich wie in einem Traum. Er erscheint ihnen dann als wirklich, aber genau genommen hat auf den Jnani nichts Auswirkungen.“
Jemand anderer: „Es heißt, dass die Augen eines Jnani so aussehen, als würden sie die Dinge sehen, aber in Wirklichkeit sehen sie nichts.“
Bhagavan: „Ja, die Augen des Jnani sind wie die einer toten Ziege. Sie sind immer offen und nie geschlossen. Sie glänzen, aber sie sehen nichts, obwohl es für andere so aussieht, als ob sie alles sehen würden. Aber was ist der Punkt?“
Devotee: „Es heißt auch, dass diese Meister nicht an Zeit und Raum gebunden sind.“
Bhagavan: „Das ist richtig. Es gibt für sie keine Bedingungen oder Begrenzungen. Aber dann stellt sich die Frage, wie sie die tägliche Arbeit verrichten? Deshalb muss man sagen, dass sie Grenzen haben. Es heißt, dass sie fast unmerklichen Grenzen unterworfen sind, bis sie vom Körper befreit sind. Es ist wie wenn man eine Linie im Wasser zieht: Die Linie erscheint, während sie gezogen wird, aber sie ist gleich darauf wieder verschwunden.“
Sprachkenntnisse Top
Jemand anderer fragte: „Wann hast du Telugu gelernt?“
„Als ich in der Virupaksha-Höhle lebte. Gambhiram Seshayya und andere baten mich, einige Verse in Telugu zu schreiben. Da habe ich die Sanskritbuchstaben in telugische Buchstaben umgeschrieben und sie geübt. So habe ich 1900 allmählich Telugu gelernt.“
Ich fragte ihn, wann er die Nagari-Schrift (Sanskrit) gelernt hatte.
„Das muss etwa um dieselbe Zeit gewesen sein“, antwortete Bhagavan. Muthurama Dikshitar und andere kamen mich öfter besuchen und brachten Bücher in Nagari-Schrift mit. Ich habe die Buchstaben abgeschrieben und sie auf diese Weise gelernt.“
Jemand anderer meinte: „Wir haben gehört, dass du erst nachdem Nayana zu dir gekommen ist, Telugu gelernt hast.“
Bhagavan: „Nein, ich habe es viel früher gelernt, aber erst als er da war, habe ich es auch sprechen gelernt.“
Jemand anderer: „Hast du nicht in deiner Kindheit Telugu gelernt?“
Bhagavan: „Ich konnte es damals noch nicht lesen und schreiben. Mein Onkel konnte Telugu. Er setzte mich neben sich auf die Pritsche und lehrte mich das Telugu-Alphabet. Das war alles. Ich lernte es erst, als ich die Verse schrieb. Schließlich schrieb ich Upadesa Saram in Telugu, weil Rama Yogi es wollte, und nahm dafür das doppelte Versmaß. Ich hielt mich streng an das Tamilische Metrum. Ich zeigte es Nayana. Er meinte, dass das Telugische Versmaß nicht stimme und lehrte es mich. Ich schrieb die Verse in tamilischer Schrift nieder und machte die nötigen Änderungen. Nayana sagte, es sei nun richtig und man könne es so an die Druckerei geben. Wenn jetzt jemand einen Vers vorliest, kann ich leicht sein Versmaß und die Fehler erkennen, sofern er welche hat. So habe ich eine Sprache nach der anderen gelernt, ohne dass ich es mir vorgenommen hatte.“
[94] Das Ramayana, die Geschichte Ramas, in Malayalam aus dem 17. Jh.
Der Vierte Zustand (Turiya) Top
Der junge Mann: „Ist der persönliche Gott (Ishwara) in den drei Qualitäten enthalten?“
Bhagavan: „Gewiss. Satvam (Güte, Klarheit, Tugend) ist der persönliche Gott (Ishwara), Rajas (Leidenschaftlichkeit) ist die individuelle Seele (Jiva) und Tamas (Trägheit) ist die Welt (Jagat). Es heißt, dass das Selbst das reine Satvam sei.“
Ein junger Bengale fragte: „Swami, es heißt, dass es zweierlei Arten von Samadhi [95] gibt: Kevala Nirvikalpa [96] und Sahaja Nirvikalpa [97]. Was sind ihre Eigenschaften?“
Bhagavan sah ihn freundlich an und sagte: „Jemand, für den die Meditation (Dhyana) natürlich geworden ist und der ihre Seligkeit genießt, wird dieses Samadhi nicht verlieren, was immer er auch tut und welcher Gedanke ihm auch immer kommt. Das nennt man „Sahaja Nirvikalpa Samadhi“. Die beiden Zustände werden auch als „völlige Vernichtung“ (Nasa) und „Unterdrückung“ (Laya) bezeichnet. Vernichtung ist Sahaja Nirvikalpa und Unterdrückung ist Kevala Nirvikalpa. Jene, die den Geist unterdrücken und im Kevala Nirvikalpa Samadhi sind, müssen ihren Geist immer wieder unter Kontrolle bringen. Wenn er aber vernichtet ist, wird er nicht mehr aufkeimen. Der Geist ist dann wie ein gerösteter Same. Was solche Menschen auch tun mögen, es ist nur beiläufig. Sie werden von ihrem hohen Zustand nicht abgleiten. Jene, die in Kevala Nirvikalpa Samadhi sind, sind Übende und noch keine Verwirklichten. Jene, die im Sahaja Nirvikalpa sind, sind wie ein Licht an einem windstillen Ort oder wie der unbewegte Ozean. Es regt sich nichts. Sie finden nichts, was von ihnen selbst verschieden wäre, während jenen, die diesen Zustand nicht erreichen, alles als von ihnen selbst verschieden vorkommt.“
Vor zwei Tagen hat ein junger Mann, der dem Ramakrishna-Orden angehört, gefragt: „Was ist mit dem Vierten Zustand (Turiya) gemeint?“
Bhagavan antwortete: „Es gibt keinen Vierten Zustand. Das Selbst ist der Vierte Zustand.“
„Warum sprechen dann die Leute vom Vierten Zustand (Turiya) und von einem Zustand, der jenseits von ihm liegt (Turiyatita)?“
Bhagavan: „Es gibt nur einen Zustand. Du kannst ihn Turiya, Turiyatita oder sonstwie nennen. Wachen, Träumen und Tiefschlaf wechseln sich ab wie die Szenen im Kino. Alle drei sind Vorstellungen des Geistes. Das, was jenseits von diesen drei Zuständen liegt und wirklich und dauerhaft ist, ist das Selbst. Man nennt es den Vierten Zustand. Im allgemeinen Sprachgebrauch spricht man vom Vierten Zustand und vom Zustand jenseits des Vierten usw., aber genau genommen gibt es nur einen Zustand.“
[95] Samadhi ist der Zustand der inneren Versenkung, während der die Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt verloren ist.
[96] Kevala Nivikalpa Samadhi ist der Zustand des absolut gedankenfreien Bewusstseins. Der Geist wird einige Zeit lang gewaltsam unterdrückt. Ansonsten ist er in seinem normalen Zustand.
[97] Sahaja Nirvikalpa Samadhi ist der Zustand des reinen Bewusstseins, der auch während der normalen Tätigkeiten anhält.
Universelle Brüderlichkeit Top
Der Käfig wurde in der Jubiläumshalle in der Nähe von Bhagavans steinernem Sofa aufgestellt. Bis zu diesem Tag hatte Bhagavan in der Alten Halle geschlafen. Doch jetzt bestand er darauf, dass man sein Bett nach draußen in die Jubiläumshalle brachte. Da es nachts sehr kalt war, wurde befürchtet, dass es ihm gesundheitlich schaden könnte, wenn er in der offenen Halle schliefe. Doch Bhagavan lachte und sagte: „Der Pfau ist zu uns gekommen. Welchen Respekt erweisen wir da einem Gast, wenn er draußen schlafen soll, während wir drinnen schlafen? Wenn ein Verwandter zu Besuch kommt, gehört es sich da etwa, ihn auf der Veranda übernachten zu lassen, während man selbst im Haus schläft? Wir sollten ihn nach Möglichkeit hinein nehmen oder wir schlafen auch auf der Veranda draußen.“ Er wandte sich seinen Helfern zu und sagte: „Wenn ihr euch vor der Kälte fürchtet, könnt ihr drinnen schlafen.“
Die Helfer meinten: „Wenn Bhagavan draußen schläft, schadet es seiner Gesundheit. Einer von uns könnte draußen schlafen und dem Pfau Gesellschaft leisten.“
Bhagavan: „Genug damit! Wird es dann nicht eurer Gesundheit schaden? Ihr könnt drinnen schlafen.“
Sosehr sie ihn auch baten, er blieb dabei und schlief in jener Nacht draußen in der Jubiläumshalle.
Als Bhagavan am Nachmittag zu seinem Spaziergang aufbrach, brachte Krishnaswami seine Sachen in die Alte Halle zurück und bereitete sie für das Veda-Parayana vor. Bhagavan bemerkte das, als er zurückkam und sagte: „Genau das mag ich nicht: der Pfau soll in seinem Käfig draußen bleiben, während wir alle drinnen sind. Sind wir nicht nach draußen gegangen, weil diese Halle fürs Veda-Parayana zu klein geworden ist? Ist sie denn auf einmal größer geworden? Müssen wieder einige der Leute draußen bleiben? Wozu soll das gut sein? Wenn wir alles in der Jubiläumshalle tun, wird der Pfau nicht einsam sein und wir haben genügend Platz. Ab morgen soll es so gehalten werden. Ich werde nicht hier sitzen, auch wenn ihr meinen Platz hierher verlegt.“ Nach dem Abendessen ließ er sein Bett in die Jubiläumshalle bringen und verbrachte die Nacht wiederum bei dem Pfau.
Am folgenden Tag saß Bhagavan wieder in der Alten Halle, aber als er am Nachmittag spazieren ging, sah er den Pfau in seinem Käfig und meinte erneut: „Es wäre gut, wenn ihr nach meiner Rückkehr das Veda-Parayana in der Jubiläumshalle vorbereiten würdet. Sonst setze ich mich auf meinem Handtuch alleine hierher. Wenn es für euch umständlich ist, meinen Platz hin- und herzutragen, bleibe ich auch tagsüber in der Jubiläumshalle. Es liegt an euch. Was brauche ich schon? Dieses Handtuch genügt mir völlig.“
Als Bhagavan von seinem Spaziergang zurückkam, war sein Platz in die Jubiläumshalle verlegt worden. Nach diesem Vorkommnis wurde die Alte Halle erweitert und Bhagavan blieb dort.
[98] eine große, überdachte Veranda, die an die Alte Halle angrenzte und für die Feierlichkeiten des Goldenen Jubiläums errichtet wurde
Erinnerung und Vergessen Top
Bhagavan sagte: „Deshalb glauben viele Leute, dass er eine Wiedergeburt Madhavas (ein Gehilfe Bhagavans, der kürzlich gestorben ist) ist.“
Der Devotee fragte: „Kennt er dann auch die Einzelheiten seiner letzten Geburt?“
Bhagavan: „Wie könnte er? Niemand weiß über seine vergangene Geburt Bescheid. Die Menschen vergessen, und das ist auch gut so. Wir sind manchmal schon im jetzigen Leben sehr über die Vergangenheit bekümmert. Könnten wir es auch noch ertragen, wenn wir über unsere vergangenen Geburten Bescheid wüssten? Über seine vergangenen Geburten Bescheid zu wissen bedeutet, sein eigenes Selbst zu erkennen. Wenn man das weiß, versteht man, dass diese und alle früheren Geburten lediglich Geburten des Geistes und seiner Wünsche (Sankalpa) sind.
Wie die Bilder, die auf einer Leinwand erscheinen, ist alles, was sich zeigt, eine Schöpfung des Geistes. In Wirklichkeit ist man keines dieser Dinge. In dieser unwirklichen Welt, die wie ein Puppenspiel ist, ist es besser, alles zu vergessen als sich zu erinnern, dass man diese Puppe oder jenes Bild gewesen ist.“
Devotee: „Was die materielle Welt betrifft, müssen wir sagen: „Das gehört mir“, oder etwa nicht?“
Bhagavan: „Ja, das müssen wir. Doch wenn wir es auch sagen, besteht keine Notwendigkeit zu denken, dass wir das alles sind und uns darüber zu freuen oder zu sorgen. Wenn wir in einem Wagen fahren, fühlen wir dann etwa, dass wir der Wagen sind? Nehmen wir die Sonne als Beispiel: Sie spiegelt sich im Wasser, das in einem kleinen Gefäß ist, in großen Flüssen und in einem Spiegel. Ihr Bild ist dort. Aber glaubt sie deshalb auch, dass sie das alles ist? So ist es auch mit uns. Alle Probleme tauchen auf, wenn man glaubt, dass man der Körper ist. Wenn man diesen Gedanken von sich weist, dann wird man wie die Sonne überall scheinen und alles durchdringen.“
Devotee: „Sagt Bhagavan deshalb, dem Pfad der Selbstergründung von „Wer bin ich?“ zu folgen, sei das Beste, was man tun kann?“
Bhagavan: „Ja, aber im Vasishtam heißt es auch, dass Vasishta Rama sagte, dass man niemandem, der nicht die nötige Reife besitzt, den Pfad der Selbstergründung zeigen sollte. In anderen Büchern heißt es, dass man über einige Geburten hinweg spirituelle Übungen tun und mindestens 12 Jahre unter einem Guru stehen muss. Doch man verscheucht die Leute, wenn man das sagt. Deshalb sage ich ihnen: „Du trägst die Befreiung bereits in dir. Du musst dich nur von den äußeren Dingen befreien“. Die spirituellen Übungen sind alleine dafür gedacht. Dennoch haben die Alten das alles nicht umsonst gesagt. Wenn man jemandem sagt, er sei die Gottheit, er sei Brahman und bereits befreit, wird er keine spirituelle Praxis mehr üben, da er glaubt, dass er bereits das Nötige hat und nichts mehr will. Deshalb sollten diese Vedantischen Dinge nicht spirituell unentwickelten Leuten gesagt werden. Einen anderen Grund gibt es dafür nicht.“
Ein Devotee nahm den Gesprächsfaden auf: „In einem Vers von Shankara heißt es: „Das Universum ist eine Reflexion im Selbst wie die Stadt, die in einem Spiegel erscheint.“ [99] Die Feststellung, dass die Welt ein Mythos und unwirklich ist, gilt für gewöhnliche Leute und nicht für die Verwirklichten, nicht wahr?“
Bhagavan: „Ja. In den Augen des Verwirklichten ist alles von Brahman erfüllt. Der Unverwirklichte dagegen kann nichts sehen, so sehr man ihn auch darauf hinweist. Deshalb sind die heiligen Schriften nur für die gewöhnlichen Menschen.“
[99] ein Vers im Dakshinamurti Stotram
Der Pfad der Selbstergründung Top
Bhagavan antwortete: „Die Erforschung ist nicht der einzige Weg. Wenn man spirituelle Übung (Sadhana) mit Namen und Form tut, heilige Namen wiederholt (Japa) und unerbittlich und ausdauernd eine dieser Methoden übt, wird man DAS. Für den Einzelnen ist, seinen Fähigkeiten entsprechend, die eine spirituelle Praxis besser als die andere. Deshalb gibt es alle möglichen Abstufungen und Variationen der Methoden.
Manche Menschen sind weit von Tiruvannamalai entfernt, andere sind ganz in der Nähe, manche sind bereits in Tiruvannamalai und andere sind auf dem Weg in Bhagavans Halle. Jenen, die in die Halle kommen, muss man nur sagen: „Da ist der Maharshi“, und sie werden ihn sofort erkennen. Anderen muss man erklären, welche Züge sie nehmen müssen, wo sie umsteigen und in welche Straße sie einbiegen müssen. Ebenso muss man dem Übenden den jeweiligen Weg beschreiben, wie es seinen Möglichkeiten entspricht. Die spirituellen Übungen sind nicht dafür gedacht, sein eigenes Selbst zu erkennen, das alles durchdringt, sondern nur dafür, von Wunschobjekten frei zu werden. Wenn sie alle ausgelöscht sind, bleibt man wie man IST. Das, was immer existiert, ist das Selbst. Alles andere wird aus dem Selbst geboren. Das wird man aber erst verstehen, wenn man sein eigenes Selbst erkennt. Solange man diese Erkenntnis nicht hat, erscheint alles in der Welt als wirklich.
Nehmen wir einmal an, ein Mensch schläft in der Halle. Er träumt, dass er irgendwo hingeht, sich verirrt, von Dorf zu Dorf und von einem Berg zum andern wandert und tagelang ohne Nahrung und Wasser auf der Suche ist. Er leidet sehr, fragt mehrere Menschen nach dem Weg und findet endlich den richtigen Ort. Wenn er in diese Halle kommt, ist er sehr erleichtert. Dann öffnet er verwundert die Augen. Alles ist in kürzester Zeit geschehen, doch erst wenn er aufwacht, versteht er, dass er nirgends gewesen ist. So ist es auch mit unserem gegenwärtigen Leben. Wenn sich das Auge der Erkenntnis öffnet, versteht der Mensch, dass er immer in seinem eigenen Selbst bleibt.“
Frager: „Stimmt es, dass alle spirituellen Praktiken in den Weg der Selbstergründung münden?“
Bhagavan: „Ja. Die Ergründung „Wer bin ich?“ ist der Anfang und das Ende der Lehre des Vedanta. Es heißt, dass nur derjenige, der alle vier Arten der spirituellen Praxis beherrscht, für die vedantische Ergründung reif ist. Von den vier Arten der Praxis ist die erste die Erkenntnis des Selbst und des Nicht-Selbst (Atma und Anatma), d.h. das Wissen, dass das Selbst ewig und die Welt unwirklich ist. Die Frage ist, wie man das erkennen kann. Es ist möglich, indem man sich fragt: „Wer bin ich?“, und „Was ist die Natur meines Selbst?“. Normalerweise wird diese Vorgehensweise am Beginn der spirituellen Praxis empfohlen, aber im Allgemeinen überzeugt es nicht. Deshalb greift man auf verschiedene andere spirituelle Übungen zurück und erst zuletzt auf die Selbstergründung.
Wir lernen das Alphabet, wenn wir jung sind. Die Buchstaben sind die Voraussetzung jeder Bildung und es ist nicht nötig, dazu den Bachelor oder Master zu machen. Doch hören die Leute auf diesen Rat? Erst wenn man studiert und alle Examen bestanden hat, erkennt man, dass alles, was man studiert hat, im Alphabet enthalten ist. Sind nicht alle Schriften in dem grundlegenden Alphabet enthalten? Man versteht das aber erst, nachdem man alle Schriften gründlich studiert hat.
Mit allem ist es dasselbe. Es gibt unzählige Flüsse. Die einen fließen geradeaus, die anderen haben Windungen, aber alle fließen ins Meer. Ebenso münden alle Wege in den der Selbstergründung, wie alle Sprachen ins Schweigen (Mauna) münden. Schweigen bedeutet ununterbrochenes Sprechen. Es ist kein Vakuum. Es ist die Sprache des Selbst, sie erstrahlt von selbst. Alles ist im Selbst.“
Die heilige Deepam-Flamme Top
29.11.1947: Wenn (an Deepam) das heilige Feuer auf dem Arunachala entzündet wird, ist das ein sehenswerter Anblick. Gleichzeitig wird auch im Ashram eine große Flamme entzündet. Man verteilt Prasadam und singt das „Akshara Mana Malai“ (Die Hochzeitsgirlande aus Buchstaben) und andere Lieder.
Nachmittags um 3 Uhr begannen die Devotees im Ashram mit den Vorbereitungen. Der Boden in der Jubiläumshalle wurde mit floralen Mustern aus Kalk- und Reispulver dekoriert und Girlanden aus Mangoblättern wurden am Dach angebracht.
Am Abend, als Bhagavan zum Kuhstall hinüberging, brachten die Helfer sein Sofa nach draußen und stellten es in Richtung des Berggipfels auf. Dem Sofa gegenüber stellten sie eine große eiserne Pfanne auf einen hohen Stuhl, leerten Ghee hinein und steckten einen Docht in die Mitte. Das Ganze umgaben sie mit Blumen und Girlanden. Als sie mit ihren Vorbereitungen fast fertig waren, kam Bhagavan mit seinen Gehilfen vom Kuhstall und setzte sich auf das Sofa. Alle verneigten sich vor ihm. Wir setzten uns in Reihen den Stufen entlang, die zum Berg führen, die Männer zu seiner Rechten, die Frauen zu seiner Linken. Der Platz vor Bhagavan war mit Körben und Gefäßen mit Obst, Süßigkeiten und anderen Zubereitungen angefüllt, die Devotees gebracht hatten.
Bhagavan sah seine Devotees liebevoll an und erklärte ihnen die Bedeutung des Lichterfestes. Er deutete auf den genauen Platz, wo das Feuer auf dem Berg entzündet werden würde. Dann begann das Veda Parayana. Nach dem Veda Parayana war die Sonne untergegangen. Man zündete um die Halle kleine Lichter auf getöpferten Untersetzern an und die elektrischen Girlanden mit ihren vielen bunten Lichtern wurden angemacht. Jeder wartete gespannt darauf, dass die heilige Flamme auf dem Berg entfacht wurde. Die Helfer gaben Bhagavan ein Fernglas, mit dem er den Berg beobachtete. Sein Blick war auf den Berggipfel gerichtet, unserer auf sein Gesicht.
Als die Böller im Arunachala-Tempel abgefeuert wurden, erstrahlte das Licht auf dem Berg. Sofort wurde auch das Licht bei Bhagavan entzündet. Die Brahmanen erhoben sich und sangen das „Na Karmana“, entzündeten Kampfer und verteilten Kumkum* und heilige Asche. Als Bhagavan etwas von dem Obst und den Süßigkeiten genommen hatte, wurde es unter den Devotees verteilt. Dann teilten sich die Devotees in zwei Gruppen. Die einen sangen das „Akshara Mana Malai“ und die anderen den Refrain „Arunachala Siva“. Dann wurden die Fünf Verse an Arunachala in Sanskrit und anschließend in Tamil gesungen.
Bhagavan saß in seiner charakteristischen Sitzhaltung – die Wange in die Hand gestützt und sich leicht auf das Kissen lehnend. Sein Gesicht erstrahlte. Der Mond ging im Osten auf und beschien ihn. Ich hatte mich gegen den Mandelbaum gelehnt. Wenn ich nach Westen blickte, sah ich die Flamme vom Arunachala, wenn ich nach oben sah, war es der strahlende Mond und wenn ich nach rechts sah, das Leuchten, das von Bhagavans Gesicht ausging. Was für ein Anblick! Wie glücklich war ich, dass ich in dieser Nacht das dreifache Licht um mich hatte! Selig schloss ich die Augen.
Als die Glocke zum Abendessen ertönte, öffnete ich meine Augen wieder. Bhagavan sah mich stetig an. Ich konnte seinen Blick nicht ertragen und neigte unwillkürlich den Kopf. Er lächelte und ging in den Speisesaal. Die Devotees folgten ihm.
Nach dem Essen umrundeten wir mit Bhagavans Erlaubnis den Berg.
*Je nach Gegend bemalen Männer wie Frauen ihre Stirnen. Gerade bei Männern lässt sich aus dem Muster schliessen, welcher Richtung des Hinduismus der Träger anhängt. So stehen z.B. 3 weisse Querstreifen für Shivaiten. Das Auftupfen von Kumkum-Pulver ist auch Teil von religiösen Ritualen. Hierbei wird nicht auf die Ästhetik geachtet, sondern dieser Farbfleck, der Bindi genannt wird, wird auf dem Chakra des 3. Auges platziert, um die Aufmerksamkeit auf die göttliche Kraft und spirituelle Erleuchtung zu lenken. Als eines der Symbole für die verheiratete Frau wurde es mit rotem Kumkum-Pulver aufgetragen. Kumkum-Pulver wird aus den Blättern einer indischen Blume hergestellt und im Laufe der Zeit wurde es auch zu einer Flüssigkeit verarbeitet. Bald waren verschiedene Farben erhältlich und Frauen begannen, ihr Bindi mit der Farbe des Saris (Seidenkleides) abzustimmen.
Die vier bekanntesten und farbenfrohsten natürlichen Farbpulver aus ayurvedischen Heilkräutern sind:
- grün – Niem (Azadirachta indica)
- gelb – Haldi oder Gelbwurz (Curcuma domestica)
- rot – Kumkum (Gelbwurz oder Saffran mit etwas Zitronensaft gemischt)
- orange – Bilva oder Bael, der Madjobaum (Aegle marmelos)
Der arme Mann Top
Als wir den Unnamalai Wasserspeicher erreichten, sagte ein Devotee: „Wenn Bhagavan den Berg umrundete, setzte er sich immer eine Weile hier hin, so dass jene, die zurückgeblieben waren, aufholen konnten. Wir wollen uns hier auch eine Weile hinsetzen.“
Also saßen wir eine Zeit lang dort.
Ich fragte: „Wann hat Bhagavan das Pradakshina (die Umrundung des Berges) aufgegeben?“
Kunju Swami erzählte: „Er hat es bis 1926 getan. Das war immer eine beglückende Erfahrung. Eines Tages sagten wir zu Bhagavan, dass wir mit ihm den Berg umrunden wollten. Er war damit einverstanden und wir machten uns gleich nach dem Mittagessen auf den Weg. Bhagavan ging gewöhnlich langsam, wenn er den Berg umrundete.
Venamma hatte davon erfahren und wollte mit einem großen Korb mit Verpflegung unsere Gruppe einholen. Als wir am Sona Thirtham vorbei waren, sah Bhagavan sie kommen und meinte: „Venamma kommt. Jemand muss ihr davon erzählt haben und sie mit einem Korb mit Essen losgeschickt haben. So sehr ich auch dagegen protestiere, die Leute geben diese Dinge nicht auf. Da ist sie mit ihrer schweren Last auf dem Kopf. Es soll ihre eine Lehre sein.“ Und er begann, schnell zu gehen. Sie eilte keuchend hinterher, gab aber nicht auf. Als wir am Gautama Ashram vorüber waren, blickte er sich um und sah sie hinterherhetzen. Da hatte er Mitlied mit ihr. Er führte uns zu einem Mangohain, der an der Straße lag, und ließ sich im Schatten eines Baumes nieder. „Wir machen hier Halt. Hier ist auch der einzige Brunnen in der Nähe. Ich habe gehofft, dass sie aufgeben würde, aber sie hat es nicht getan. Sie ist müde und ringt nach Atem. Was für eine Schande!“
Venamma hatte uns aus dem Blick verloren. Sie kam zu den Bäumen und sagte bang: „Wo ist Bhagavan hin? Ich kann ihn nirgends mehr sehen.“ Als Bhagavan das hörte, lachte er. Sie spürte uns auf und kam zu uns. Als wir gegessen hatten, was sie uns gebracht hatte, machten wir uns wieder auf den Weg. Vanamma begleitete uns. Von dem Tag an nannten wir diesen Baum „Venammas Mangobaum“.
Normalerweise brachen wir am Abend zum Pradakshina auf und kehrten zur Morgendämmerung wieder zurück. Manchmal machten wir uns auch morgens auf den Weg, nahmen unsere Kochutensilien mit und kochten entweder beim Sona Thirtam, Gautama Ashram oder Pachyamman Schrein zu Mittag. Wir ruhten uns nach dem Essen aus und kehrten am Abend zum Ashram zurück. Bevor der Ashram zu seiner jetzigen Größe wuchs, hatten wir keine Eile. Manchmal waren wir zwei, drei Tage oder sogar eine Woche unterwegs und kampierten auf der Strecke.
Einmal brachen wir an einem Vormittag auf und wollten noch am selben Abend zurück sein. Wir machten im Gautama Ashram Rast, kochten, ruhten uns aus, packten unsere Reste an Milch, Zucker, Buttermilch usw. zusammen und gingen weiter. Als wir Adi Annamalai erreichten, bog Bhagavan in eine Seitenstraße ein. Er ging sehr schnell. Wir dachten, er wolle die Menschenmassen auf der Hauptstraße umgehen und folgten ihm.
Nach einigen hundert Metern kamen wir zu einem Wasserspeicher. Dort saß ein alter Mann unter einem Baum. Er hielt ein kleines Gefäß in der Hand. Der alte Mann wartete immer auf Bhagavan auf der Straße und brachte ihm etwas zu essen, wenn er hörte, dass er den Berg umrundete. Bhagavan hatte ihn nicht auf der Straße gesehen. Um dem alten Mann den Kummer zu ersparen, ihn verfehlt zu haben, hatte er diesen Umweg gemacht.
Bhagavan rief ihn beim Namen und fing mit ihm ein einfaches Gespräch an. Der alte Bauer verneigte sich vor ihm und stand mit gefalteten Händen schweigend da. „Was ist los?“, fragte Bhagavan. „Warum habe ich dich in den letzten Tagen nicht gesehen? Ist alles in Ordnung mit der Ernte und dem Vieh? Wie geht es den Kindern? Was ist in dem Topf?“
Der alte Mann erwiderte zögernd: „Nichts besonderes, Swami. Ich habe erfahren, dass du vorbeikommst. Ich wollte dir wie immer etwas bringen, aber es war nichts im Haus. Als ich meine Frau fragte, sagte sie: „Es ist noch genügend im Kochtopf. Du kannst es mitnehmen.“ Ich wusste nicht recht, was ich tun sollte, tat dann etwas davon in diesen kleinen Topf, aber ich habe mich zu sehr geschämt, dir zu begegnen und nur dieses eine Gericht anbieten zu können, dass ich mich hierher gesetzt habe, Swami.“
Bhagavan freute sich offensichtlich sehr und rief aus: „Oh, das ist etwas Gekochtes, das ist prima! Warum schämst du dich? Es wird sehr gut schmecken. Gib es mir.“
Der alte Mann zögerte noch immer. Bhagavan nahm ihm den Topf ab, setzte sich unter einen Baum und wies uns an, die Dinge auszupacken, die wir bei uns hatten. Er nahm ein weites Blechgefäß, tat das Gericht hinein, leerte viel Wasser dazu und machte mit der Hand einen Brei. Von unseren Übrigbleibseln nahm er Zitronen, presste sie aus, gab Buttermilch, etwas Salz und Ingerpulver dazu und machte daraus ein Getränk. Er kostete davon und sagte: „Das ist gut!“ Dann sah er uns an und sagte: „Nehmt die restliche Milch, gebt Zucker hinein und trinkt das. Unser Gepäck wird dann leichter sein. Ich nehme dieses Getränk und brauche keine Milch. Bei dieser Hitze ist das ausgezeichnet für mich. Es ist sehr nahrhaft und gut. Aber ihr würdet es nicht mögen. Deshalb trinkt die gezuckerte Milch und gebt meine Portion davon dem alten Mann.“
Wir gaben Zucker in die Milch und gaben davon dem alten Mann. Den Rest tranken wir. Bhagavan redete gesellig mit dem alten Bauer, trank von der Zubereitung und sagte, es schmecke köstlich. Dann sagte er zu ihm: „Mein Magen ist voll. Ich glaube, ich kann heute Abend nichts mehr essen. Nimm den Rest davon mit nach Hause.“ Der alte Mann nahm den Rest entgegen, als wäre es der köstlichste Nektar. Bewegt wischte er sich die Freudentränen ab, verabschiedete sich von uns und ging nach Hause.“
Die Größe der Wunschlosigkeit und Nicht-Anhaftung Top
„Gibt es auf Erden nicht schöne Plätze, wo man sich zum Schlafen hinlegen kann?
Wozu brauchen wir baumwollene Bettwäsche?
Haben wir nicht von der Natur Hände bekommen?
Wozu also all die Gegenstände fürs Essen und Trinken?
Gibt es nicht Kleidung aus einfacher Faser, Hirschfell und Kusa-Gras?
Wozu brauchen wir dann alle möglichen feinen Kleider?
Gibt es nicht Höhlen, um darin zu leben?
Wozu dann all diese Häuser und Paläste?
Tragen die Bäume nicht saftige Früchte?
Haben die Flüsse nicht Süßwasser?
Geben die guten Hausfrauen nicht Almosen?
Wozu sollen wir dann jenen dienen, die durch ihren Wohlstand blind und stolz geworden sind?“
Bhagavan hörte mit großem Interesse zu und sagte dann mit Nachdruck: „Das stimmt. Einer unserer Alten hat etwas Ähnliches geschrieben: „Oh Herr, Du hast mir Hände gegeben, die ich als Kopfkissen unter meinen Kopf legen kann, ein Tuch für meine Lenden, Hände zum essen – was brauche ich mehr? Das ist mein großes Glück!“ Kann man wirklich ausdrücken, wie groß dieses Glück ist? Selbst die größten Könige sehnen sich nach diesem Glück. Es gibt nichts, was sich damit vergleichen ließe. Ich habe beides erlebt und kenne den Unterschied. Diese Betten, dieses Sofa, all diese Gegenstände um mich herum – das alles bedeutet Bindung.“
Ich sagte: „Ist nicht der Buddha ein Beispiel dafür?“
Bhagavan: „Ja. Obwohl er mit allem Luxus der Welt im Palast lebte, war er dennoch traurig. Deshalb sorgte sein Vater für noch mehr Luxus. Aber nichts davon konnte den Buddha befriedigen. Um Mitternacht verließ er Frau und Kind und verschwand. Er hat sechs Jahre in großer Entbehrung gelebt, verwirklichte das Selbst und wurde zum Wohl der Welt ein Bettler. Erst jetzt war er sehr glücklich. Was brauchte er noch?“
Ein Devotee fragte: „Ging er nicht als Bettler in seine Stadt zurück?“
Bhagavan: „Ja. Als sein Vater Suddhodana davon erfuhr, schmückte er den königlichen Elefanten und ging seinem Sohn mit der ganzen Armee auf der Hauptstraße entgegen. Der Buddha kam aber auf Seitenstraßen und Gassen in die Stadt. Er schickte seine Begleiter in den Straßen zum betteln und ging seinem Vater entgegen. Wie konnte sein Vater ihn in dieser Bettlergestalt erkennen? Yasodhara (die Frau des Buddha) jedoch erkannte ihn, hieß ihren Sohn, sich vor seinem Vater zu verneigen und verneigte sich selbst. Da erkannte auch sein Vater den Buddha. Suddhodana hatte nicht erwartet, seinen Sohn in diesem Zustand zu sehen. Er wurde wütend und schrie: „Schäme dich! Was ist das für eine Kleidung? Wie kann einer, dem die größten Reichtümer gehören sollten, so daherkommen? Ich habe genug!“ Er sah den Buddha wütend an. Der Buddha bedauerte, dass sein Vater noch nicht von seiner Unwissenheit frei war, und schaute ihn eindringlich an. In diesem Kampf der Blicke wurde der Vater besiegt. Er fiel seinem Sohn zu Füßen und wurde selbst ein Bettler. Nur ein wunschloser Mensch kennt die Kraft, die der Wunschlosigkeit und Nicht-Anhaftung innewohnt“, sagte Bhagavan mit zitternder Stimme.
Die Selbstergründung ist die Hauptsache, welchen Lebensweg man auch geht Top
Heute früh fragte einer der Ashrambewohner Bhagavan freiheraus: „Gestern haben dich die Leute aus Madras etwas gefragt, aber du hast ihnen nicht geantwortet. Warum nicht? Bedeutet das, dass niemand ein Jnani werden kann, wenn er nicht an einem einsamen Platz lebt?“
Bhagavan: „Wer sagt das? Der Geist ist von seinen früheren Handlungen geprägt. Die Leute können ihre Arbeit weiterhin tun und trotzdem Selbstergründung üben und schließlich Verwirklichte werden. Janaka, Vasishta, Rama, Krishna und andere sind dafür ein Beispiel. Für andere ist es nicht möglich. Sie müssen an einsame Orte gehen, um durch Selbstergründung Verwirklichte zu werden. Dafür sind Sanaka, Sanandana, Suka, Vamadeva und andere ein Beispiel. Für alle ist die Selbstergründung die Hauptsache. Man nennt sie „menschliche Anstrengung“. Was mit dem Körper geschieht, ist Schicksal (Prarabdha). Was können wir sonst noch dazu sagen?“
Das Selbst kann ohne geistige Aktivität nicht verwirklicht werden Top
Bhagavan: „Es bedeutet, dass das Selbst (Atma) ohne mentale Aktivität nicht verwirklicht werden kann. Wir müssen das Selbst erkennen. Wie ist das möglich? Wir alle stimmen darin überein, dass wir existieren. Muss es dann nicht eine mentale Aktivität geben, damit wir das wissen können? Die Aktivität des nach innen gerichteten Geistes nennt man Erkenntnis und jene, die nach außen gerichtet ist, Unwissenheit. Ist die Geistesaktivität nach innen gerichtet, spricht man von Buddhi (Intellekt) oder Aham (Ich). Alles zusammengenommen heißt Antahkarana (Denk- und Aufnahmefähigkeit des Geistes). Aham ist unbeweglich und beständig, aber mit Hilfe von Antahkarana entstehen die fünf Elemente. Diese Elemente haben sich einzeln und gemeinsam vermehrt und der Körper mit seinen Gliedmaßen ist entstanden. Wenn man diese Schöpfung, die durch Antahkarana entstanden ist, verwirft, wird der Geist nach innen gerichtet, und durch diese mentale Aktivität entsteht das Bewusstsein des Selbst. Das bedeutet, dass man den Ursprung der mentalen Aktivität erkennt. Diese Quelle, dieser Ursprung heißt „Aham Sphurana“ oder das Selbst. Doch man kann es nur durch den Geist erkennen. Deshalb heißt es „Mano Vritti Jnanam“. Der Geist muss rein ist. Es ist das, was sich auf unzählige Weise manifestiert und was doch ganz durch sich selbst bestehen bleibt. Du kannst ihm jeden Namen geben.“
Jemand anderer fragte Bhagavan: „Swami, ist es wahr, dass der Jnani kein Prarabdha (gegenwärtiges Karma) hat, außer Pareccha (den Wünschen anderer Menschen)?
Bhagavan: „Ja. Das gegenwärtige Karma, das aus Wünschen, Wunschlosigkeit und den Wünschen anderer (Pareccha) besteht, ist Jnanis und Ajnanis gemein. Beide erfahren auch dasselbe. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass der Jnani kein Empfinden hat, dass er etwas tut, und es deshalb für ihn auch keine Bindung gibt, während der Ajnani empfindet, dass er alles tut, und deshalb gebunden ist. Lediglich der Geist ist die Ursache für Bindung und Befreiung. Der Geist ist die Ursache von allem. Die Wünsche geben ihm Gestalt. Wenn die Wurzel der Wünsche entdeckt wird, gibt es keine Bindung mehr. Diese Wurzel ist das Selbst. Wenn man sein eigenes Selbst erkennt, können die Wünsche kommen und gehen – sie plagen einen nicht mehr.“
Der Tod Mahatma Gandhis Top
06.02.1948: In der Nacht vom 30. Januar wurde die Neuigkeit über Mahatma Gandhis Tod überall bekannt gemacht. Ich war zuhause, weil es Frauen nicht gestattet ist, nachts im Ashram zu sein. Ich ging um 7.30 Uhr morgens zum Ashram. Die Nachricht war in den Zeitungen. Bhagavan las sie und hörte ein Gebet im Radio und das Lied „Vaishnava Janato“ (ein Lieblingslied Gandhis). Er hörte traurig zu.
Um 9.45 Uhr wollte er gerade zu seinem Spaziergang aufbrechen, als ein Zeitungsreporter kam und ihn fragte, was er über die Tragödie dachte, um es zu veröffentlichen. Bhagavan erwiderte mit zitternder Stimme: „Jeder trauert über seinen tragischen Tod. Was kann ich dazu sonst noch sagen? Wer trauert nicht? Wenn ich etwas sage, wirst du es veröffentlichen und dann werden noch mehr Leute kommen und mich befragen. Was hat das für einen Sinn?“
Damit sandte Bhagavan den Reporter fort und ging spazieren.
Nach seiner Rückkehr kam das „Vaishnava Janato“ wieder im Radio und Bhagavans Augen füllten sich mit Tränen.
Um 4.30 Uhr nachmittags sangen die Frauen „Raghupati Raghava Rajaram“ (ebenfalls ein Lieblingslied Mahatma Gandhis). Mit Tränen in den Augen gab Bhagavan uns das Zeichen weiterzusingen. Um 5 Uhr wurde die Muschel geblasen und eine Arati (Lichtzeremonie) im Tempel der Mutter gehalten. Als die heilige Asche und der rote Puder zu Bhagavan gebracht wurden, nahm er es mit großer Andacht entgegen.
Als Bhagavan vorgestern die Zeitung las, sagte er: „Anscheinend ist derjenige, der geschossen hat, zuvor zum Mahatma gegangen, hat sich vor ihm verneigt und ihn gefragt: „Warum kommst du heute so spät?“ Der Mahatma erwiderte, dass er noch etwas zu erledigen hatte. [100] Gleich darauf fiel der Schuss.“ [101] Bhagavan zog eine Parallele zum Ramayana und meinte: „Als Rama den Dämonenkönig Ravana getötet hat, vergaß er, dass er nach Vaikuntha (in den Himmel) gehen sollte. Da beratschlagten sich die Götter und schickten den Todesgott Yama zu ihm. Yama kam in Gestalt eines Asketen und sagte respektvoll: „Deine Aufgabe ist beendet. Bitte komm in den Himmel“. Hier ist es ähnlich: „Indien ist unabhängig. Deine Aufgabe ist beendet. Warum bist du immer noch hier? Solltest du nicht zurückkommen? Es ist schon spät.“ Anscheinend ist der Mahatma weggeschickt worden.“
Gestern zeigte Harindranath Chattopadhyaya ein Foto vom Mahatma und sagte: „Es ist schade, dass Gandhi und Bhagavan sich nie getroffen haben.“
Bhagavan: „Vor einiger Zeit kam er nach Tiruvannamalai. Man hatte für ihn ein Treffen auf der Pradakshina-Straße arrangiert. Die Leute dachten, dass er auf dem Rückweg in den Ashram kommen würde, aber die Menschenmengen haben es ihm nicht ermöglicht und so ging er direkt zum Bahnhof. Er hat das sehr bedauert. Shankarlal Banker wollte ihn unbedingt herbringen, und als Rajendra Prasad und Jamnalal Bajaj 1938 den Skandashram besuchten, wollten sie den Mahatma dazu bewegen, einige Zeit hier zu verbringen. Aber es ist nicht geschehen. Wenn jemand depressiv war, sagte der Mahatma: „Geh zum Ramanashram und komme nach einem Monat wieder.“ Als Ramaswami Reddiar in Madras Ministerpräsident geworden war, besuchte er den Mahatma. Der Mahatma fragte ihn, seit wann er den Ramanashram besuche. Als er antwortete, dass er über dreißig Jahre lang dorthin ginge, sagte der Mahatma: „Ich habe es dreimal versucht, aber bis jetzt ist es mir nicht gelungen.“ Was konnte er machen? Wie konnte er herkommen, wenn man ihn nicht für einen Augenblick alleine ließ?“
Heute las Bhagavan in der Zeitung, dass der Mahatma in der Nacht vor der Tragödie im Traum eine Vorahnung seines Todes hatte und schnell seine Papiere entsorgt habe – deshalb sei er zu spät zum Abendgebet gekommen. Bhagavan meinte: „Ja, erleuchtete Menschen wissen es, aber sie sagen den anderen nichts davon.“
[100] Gandhi hatte sich etwas verspätet.
[101] Godse hatte sich Gandhi hat am 30.01.1948 während des Abendgebets genähert, sich vor ihm verneigt und dreimal aus unmittelbarer Nähe auf ihn geschossen.
Gleichheit Top
Am Vorabend seiner Abreise ging er zum Bazar und kaufte Rosinen, Datteln und anderes als Opfergabe für Bhagavan. Am 30. legten wir alles in eine Schale und brachten es zum Frühstück in den Ashram. Das Küchenpersonal bat mich, es selbst zu verteilen. Da ich mit dem Bedienen im Speisesaal keine Erfahrung hatte, ging ich damit zuerst zu Bhagavan. In missbilligendem Ton fragte er mich, was das sei. Ich sagte ihm, dass mein Neffe Obst gebracht hatte. Da nickte er: „Gut. Gib mir von jeder Sorte ein Stück.“ Als ich Bhagavan bedient hatte, bediente ich die anderen. Aber am Ende waren nur noch wenige Bananen übrig. Einer der Gehilfen schnitt sie in kleine Stücke und verteilte sie an die restlichen zehn Personen.
Bhagavan sagte empört: „Das ist es, was ich nicht mag! Warum verteilst du etwas, wenn du nicht allen das gleiche geben kannst?“ Und er berichtete von ähnlichen Vorkommnissen. Nach dem Essen gingen die Leute still weg. Bhagavan massierte seine Beine und wollte aufstehen, da verneigten Tilak und ich uns vor ihm und ich sagte, dass Tilak abreisen würde.
Bhagavan sagte: „Ich verstehe. Als du das Obst gebracht hast, dachte ich, er hätte seine Prüfung bestanden. Er geht nach Hause zurück? Sehr gut.“ Dann zeigte er auf mich und sagte: „Sie hat mich zuerst bedient anstatt die anderen.“
„Es tut mir leid. Ich kannte die Gepflogenheiten nicht und habe es falsch gemacht“, erwiderte ich.
Bhagavan meinte: „Das ist schon in Ordnung. Deshalb sage ich es dir ja. Wenn du Bhagavan bedienst, nachdem du alle anderen bedient hast, wird alles gerecht verteilt werden. Wenn ich zufällig nichts bekomme, macht das nichts. Wenn alle essen, bin ich auch zufrieden, wenn ich nichts bekomme. Ihr solltet immer nach diesem Prinzip bedienen. Es ist ein gutes Prinzip. Wenn alle essen, läuft es dann nicht auf dasselbe hinaus, als wenn Bhagavan isst?“
Ich sagte: „Ja, es tut mir leid.“
Bhagavan: „Mach dir keine Gedanken. Es macht nichts.“
Ich weiß nicht, ob du schon bemerkt hast, dass dreimal täglich, wenn die Glocke läutet, etwas von allen Speisen, auch Reiskuchen, unter den Kühen, Krähen, Hunden, Affen und auch unter den armen Leuten, die gerade im Ashram sind, verteilt wird. Wenn das nicht zuerst getan wird, geht Bhagavan nicht zum Essen und besteht darauf, dass sie zuerst gespeist werden. Wenn Eichhörnchen und Pfauen kommen, bekommen sie Erdnüsse. Wenn jemand von denen, die bedienen, das nicht tun will, lässt Bhagavan ihm das nicht durchgehen und sagt: „Du kannst ja gehen. Sie sind hergekommen wie wir und sie bekommen ihre Nahrung wie wir. Du willst uns respektvoll bedienen, indem du „Swami, Swami“ sagst, aber du fluchst, wenn du sie bedienen sollst. Haben wir sie gekauft und hergebracht? Sie sind wie wir gekommen. Warum respektierst du sie dann nicht?“
Bhagavan hatte gesagt: „Als du das Obst gebracht hast, dachte ich, er habe sein Examen bestanden.“ Es stellte sich heraus, dass an diesem Tag das Prüfungsergebnis in London bekannt gegeben wurde. Mein Bruder schickte gestern ein Telegramm, dass der Junge bestanden hatte.
Nihilisten und Advaitins Top
Da schlug die Uhr mit einem „dong, dong“ die volle Stunde. Lächelnd sagte Bhagavan: „Sieh her. Soeben wurde die Uhr aufgezogen. Sie läuft und hat die Stunde geschlagen. Die Advaitins sagen: „Jemand muss die Uhr aufziehen, sonst läuft sie nicht.“ Die Nihilisten sagen: „Zugegeben, jemand muss die Uhr aufziehen. Aber jemand muss diesem Jemand die Kraft und die Fähigkeit dazu geben usw. Wenn wir auf dieser Grundlage weiterdenken, ist es endlos. Es gibt keine handelnde Person (Karta).“ Das ist der Streitpunkt.
Nimm zum Beispiel dieses Handtuch. Es ist nicht von der Baumwolle unabhängig. Die Baumwolle wird zuerst verarbeitet, dann gesponnen und schließlich zu einem Tuch verarbeitet. Es muss jemanden geben, der das alles tut. Also ist der Weber der Handelnde und alle sind sich darin einig, dass die verschiedenen Farben und Arten des Stoffes nicht unabhängig vom Material der Baumwolle bestehen. So gibt es zwar für die verschiedenen Dinge, die die Welt ausmachen, einen Handelnden, doch keines dieser Dinge ist von dem, was IST, nämlich der Existenz (Sat) unabhängig, so sagen die Advaitins. Es gibt große und kleine Töpfe, aber alle bestehen nur aus Erde. Wenn einer von ihnen zerbricht, sagen wir, dass das Gefäß dahin ist. Aber was ist dahin? Nur der Name und die Gestalt. Wenn Name und Gestalt dahin sind, bleibt trotzdem die Erde als Erde übrig. Doch Töpfe können nur entstehen, wenn es auch einen Töpfer gibt. Also sagen die Advaitins, dass es einen Handelnden gibt, der das alles bewirkt. Die Nihilisten verneinen das. Sie streiten heftig miteinander, aber das Ergebnis ist gleich null. Es gäbe keine Schwierigkeiten, wenn sie herausfinden würden, wer es ist, der argumentiert.“
Frager: „Wozu dann diese Auseinandersetzungen?“
Bhagavan: „Weil alles, was in einer Person ist, herauskommen muss. Es gibt Gedanken im Innern.“
Einer der Devotees sagte: „Du sagst, dass alles, was innen ist, zum Vorschein kommt. Wie kommt es zum Vorschein? Was ist im Innern?“
Bhagavan antwortete lächelnd: „Solange im Innern kein Wunsch geboren ist, kommt auch nichts zum Vorschein. Der Wunsch wird im Innern geboren. Er wird groß und muss sich schließlich zeigen.“
Bhagavans erstes Manuskript Top
Das Aparokshanubhuti war in der Bibliothek, aber ich zögerte, es mir von dort zu besorgen, da ich jemanden darum hätte bitten müssen. Doch ich konnte mich an den Vers nicht vollständig erinnern und fragte mich, was ich nun tun sollte. Bhagavan begriff meine Lage und bat einen der Gehilfen, Palaniswamis kleines Notizbuch zu holen, das in der Schublade lag. Der Gehilfe holte es, staubte es ab und gab es mir. Es war ein sehr kleines Notizbuch. Ich murmelte: „Ich glaube, in der Bibliothek ist ein Exemplar.“
Bhagavan sagte: „Das ist nicht nötig. Ich schreibe es dir ab.“ Und er schrieb die beiden Verse aus dem Notizbuch ab. Ich war vor Freude überwältigt und fragte ihn: „Hast du die Verse Shankaras abgeschrieben oder ihre Bedeutung in eigenen Worten wiedergegeben?“
Bhagavan: „Ich habe sie nur abgeschrieben. Palaniswami bat mich um einige Verse Shankaras, aber woher sollten wir damals ein Notizbuch oder Papier nehmen? Ich sammelte alle Papierschnipsel, heftete sie zu einem Notizbuch zusammen, schrieb die Verse ab und gab es ihm. In diesem kleinen Notizbuch sind Auszüge von etwa zehn Büchern Shankaras enthalten.“
„Dann ist es also das erste Buch, das du geschrieben hast?“, fragte ich.
„Ja. Damals besaßen wir nichts außer einem Topf. Wir hatten nicht einmal ein Handtuch. In der ersten Zeit unseres Aufenthalts in der Virupaksha-Höhle besaß nur Palaniswami ein Handtuch, das er um sich gewickelt trug. Die Höhle hatte damals keine eiserne Tür, sondern eine aus Holz mit einem hölzernen Schnappriegel. Wir machten ihn mit einem kleinen Stecken von außen zu und umwanderten den Berg. Wir gingen mal hierhin, mal dorthin und kehrten nach einer Woche oder zehn Tagen wieder zurück. Dann öffneten wir die Tür mit einem anderen Stecken. Das war zu der Zeit unser Schlüssel. Wir brauchten ihn nirgends aufzubewahren. Dieses Notizbuch war der einzige Gegenstand, den wir bei uns hatten. Da Palaniswami ein Handtuch trug, faltete er das Buch zusammen und steckte es sich an die Taille. Dieses Buch war der Anfang unserer Bücher-Familie“, erzählte Bhagavan lachend.
Jemand anderer fragte: „Hast du es in Nagari (Sanskrit-Schrift) geschrieben?“
Bhagavan: „Ja, und das nur, weil Palaniswami mich darum gebeten hat. Damals und auch später habe ich nichts von mir aus geschrieben.“
Der Frager meinte: „Bhagavan tut das nur für die anderen.“
„Ja, und von der Bücher-Familie, die seitdem gewachsen ist, ist dies das erste Buch“, sagte Bhagavan und zeigte es allen.
Kailash Top
„Swami, das ist es nicht, was ich wissen will. Existiert dieser Kailash [102] wirklich, über den du vorgelesen hast und wohin Sundaramurti gegangen ist? Wo ist er?“
Bhagavan: „Ich habe es dir bereits gesagt. Wir sind jetzt hier. Von hier gehen wir an einen anderen Ort. So wie hier ist es auch in der Geschichte. Dort sitzt ebenfalls ein Swami auf einem Podest, und wie hier ist er von Devotees umringt. Sie fragen ihn etwas und er antwortet. Es ist wie hier. Wenn du die Dinge von der Perspektive des Körpers aus betrachtest, ist es so. Wenn du sie aber aus der Perspektive der Wahrheit betrachtest, ist Kailash überall, wo wir sind. Wenn wir verstehen, dass nichts in dieser Welt wirklich ist, ist Kailash überall.“
Junger Mann: „Wie kann man das erkennen?“
Bhagavan: „Jeder weiß, dass er existiert. Du existierst, wenn du geboren wirst, wenn du ein Jahr alt bist, in deinen mittleren Jahren und wenn du alt bist. DU hast dich nicht verändert, nur der Körper. Wenn du weißt, dass sich dein SELBST nicht verändert hat, würde das schon genügen.“
Junger Mann: „Es heißt, dass der Jnani weder Glück noch Sorge noch Krankheiten kennt. (Anmerkung: Hatte Ramana nicht auch Rheuma und Krebs?) Doch von Sundarar und Appar heißt es, dass sie Freudensprünge gemacht haben, als Gott ihnen erschienen ist. Von Ramakrishna Paramahamsa wird berichtet, dass er sehr betrübt war, wenn die Heilige Mutter ihm nicht erschienen ist und in Ekstase ausbrach, wenn das der Fall war. Und als er krank war, rief er nach der Mutter. Wie ist das zu verstehen? Kennen die Jnanis Glück und Sorge?“
Bhagavan: „Das bezieht sich alles auf den Körper. Man kann einen Jnani nicht von seinen Krankheiten her beurteilen. Manikyavachakar sang in einem Lied: „O Ishwara (Gott), noch bevor ich Dich bitten konnte, hast Du mir bereits Deine Gunst erwiesen. Wie gut Du bist! Doch warum kann ich nicht traurig sein? Ist denn mein Herz aus Stein? Meine Augen können nicht weinen. Sind sie denn aus Holz? Ich wünschte mir, ich könnte nicht nur mit diesen beiden Augen weinen, sondern mein ganzer Körper wäre voller Augen, damit ich mit ihnen weinen könnte. Dann wäre ich sehr glücklich. Ich wünschte mir, mein Herz würde dahinschmelzen und sich mit Dir vereinigen.“ Aber ist dieser Kummer ein wirklicher Kummer? Manche Leute verleihen ihrer Freude laut Ausdruck, wenn sie eine Vision Gottes haben, und andere vergießen Freudentränen. So war es auch mit Ramakrishna Paramahamsa. Er sagte immer weinend: „Mutter, wie gut Du bist und wie barmherzig!“ und manchmal lachte er auch. Doch wenn wir seinen wahren Zustand erkennen wollen, müssen wir zuerst unseren eigenen Zustand erkennen.“
Der junge Mann hörte nicht mit dem Fragen auf: „Swami, als er in Ekstase war, war er sich des schmerzvollen Zustandes nach der Ekstase nicht bewusst, aber wenn sie vorüber war, fühlte er den Schmerz und jammerte. Kennt ein Verwirklichter wirklich Schmerz und Freude?“
Bhagavan: „Finde zuerst heraus, wie es um dich selbst steht. Was interessiert es dich, wie es um Paramahamsa stand? Er braucht nicht erst dein Zeugnis, um ein Jnani zu werden. Mit der Kindheit vergeht die Kindheit, nach dem Schlaf ist das Schlafen vorbei. Wenigstens im Wachzustand sollte man herausfinden, was man ist, wo man ist. Ist man in Kailash (die Welt Shivas) oder in Bhooloka (die menschliche Welt) oder in Vaikunta (die Welt Vishnus)? Warum findest du es nicht selbst heraus und wirst ein Jnani?“
[102] Hier ist nicht so sehr der wirkliche Berg Kailash gemeint, sondern der mystische Ort Shivas, von dem in den Heiligengeschichten erzählt wird.
Verbeugungen (Namaskara) Top
06.04.1948: Heute Nachmittag um 3 Uhr kam ein kleiner Junge mit seiner Mutter. Sie verneigte sich vor Bhagavan und setzte sich. Der Junge verneigte sich ebenfalls und tat es immer wieder. Bhagavan lachte darüber und sagte zu seinen Gehilfen: „Seht bloß, wie er sich immer wieder vor mir verneigt. Vielleicht glaubt er, dass er dann machen kann, was er will. Er ist ein Junge. Was weiß er schon? Er macht nur seine Eltern nach. Man muss ihn dafür belohnen. Er möchte eine Banane. Wenn er sie bekommt, wird er damit aufhören. Gib ihm eine Banane.“ Als der Junge die Banane erhalten hatte, setzte er sich hin.
Nach einer Weile kam jemand und machte vor Bhagavan Sashtanga Namaskara (eine demütige Niederwerfung) [103] und stand lange nicht mehr auf. Die Leute brachten ihn schließlich dazu aufzustehen, doch er verneigte sich immer wieder. Man brachte ihn schließlich dazu, damit aufzuhören und sich hinzusetzen. Bhagavan sagte: „Manche glauben, Namaskara würde bedeuten, sich so und so oft zu verbeugen. Was kann man dagegen tun? Die wirkliche Bedeutung von Namaskara ist die Vernichtung des (egoistischen) Geistes.“
Ein Devotee fragte: „Was bedeutet Sashtanga Namaskara?“
Bhagavan: „Es bedeutet, dass man dabei die acht Körperteile, nämlich die Hände, Arme, Beine, die Brust und die Stirn auf den Boden legt. Der Mensch sollte es in dem Bewusstsein tun, dass der Körper, der den Boden berührt, am Ende in Staub zerfällt, doch das Ich, das im Menschen wohnt, als das ewige Ich bestehen bleibt. Das muss man durch die Selbstergründung verstehen.
Diese Niederwerfungen haben keinen Sinn, wenn man das nicht begreift. Damit wollen sich die Leute nur Vorteile verschaffen. Der Swami muss ihnen geben, was sie wollen, sei es ein Korb voller Kleider oder Geld. Wenn sie Namaskara tun, fürchte ich mich davor, dass ich ihnen verpflichtet bin. Ich muss ihren Willen tun und all ihre Wünsche erfüllen. Ich muss mich vor ihnen hüten. Wenn sie sich vor mir verneigen, bekommen sie auf mich ein Anrecht. Wenn Leute wie ich schon darunter leiden, was ist dann erst mit Ishwara? Er ist so vielen verpflichtet. Er muss alles tun, was die Leute wollen und ihnen seine Gunst erweisen. Wenn schon ein Swami so viele Probleme hat, was ist dann erst mit Ishwara? Wenn jemand sich nicht vor mir verneigt, bin ich sehr glücklich, denn ich bin ihm dann nicht verpflichtet.
Ein Jnani braucht sich vor niemandem zu verneigen und auch niemandem seinen Segen geben, denn sein Geist ist immer unterworfen. Er tut beständig Namaskara. Manche Leute fühlen sich verletzt, wenn sie sich vor einem Jnani verneigen und er sich nicht ebenfalls verneigt und nicht einmal seine Hand hebt, um sie zu segnen. Doch in Wirklichkeit hat sich der Jnani bereits tiefer verneigt als die anderen, da sein Geist ausgelöscht ist. Mit dem Segen ist es ähnlich. Wenn man seinen Geist unterwirft ist das der Segen. Der Geist des Jnani ist immer unterworfen. Da das so ist, wer ist dann der Segnende und was tut er?“
[103] Man legt sich dabei auf den Boden, wobei der ganze Körper den Boden berührt.
Die Herrlichkeit der Natur Top
Der Gehilfe Ramachandra Iyer sah mich an als wollte er sagen: „Was ist?“ Ich konnte mich nicht länger beherrschen und rief: „Bruder, sieh bloß wie schön das alles ist, wie die Natur ringsherum erblüht und uns ihre ganze Pracht zeigt! Es wäre schön, wenn wir es fotografieren würden.“
Bhagavan fragte, um was es ginge. Ich sagte es ihm. Iyer stimmte mir zu und meinte: „Ja, wir machen ein Foto.“
Da erzählte uns Bhagavan folgendes aus seinen frühen Jahren: „Wie ihr wisst, habe ich eine Zeit lang im Mangohain in der Nähe von Gurumurtam gelebt. Unter einem Mangobaum errichtete man eine Bedachung, um mich vor dem Regen zu schützen. Doch gab es darunter nicht so viel Platz, um meine Beine beim Schlafen voll auszustrecken. So saß ich fast die ganze Zeit darin wie ein Vogel in seinem Nest. Mir gegenüber hatte Palaniswami ebenfalls so einen kleinen Unterstand. In diesem großen Garten waren nur wir beide. Die Bäume in diesem Mangohain hatten auch so kleine Früchte wie diese hier. Sie fielen immer wieder auf das Dach meines Unterstandes und es klang wie: „tup, tup“. Sie hatten eine grüne Schale, obwohl sie am Reifen waren. Sie wurden dann gepflückt und reiften in einen Lagerraum aus. Wisst ihr, was geschah? Nachts kamen die Fledermäuse, knabberten alle reifen Früchte an und ließen sie fallen. Der Rest gehörte uns. Es war Prasadam von den Fledermäusen.“
Ramachandra Iyer fragte: „Hat der Gärtner euch keine Früchte gegeben?“
„Er sagte uns, dass wir Mangos von den Bäumen pflücken durften, wann immer wir wollten, aber wir haben es nie getan. Wir hatten ja das Prasadam von den Fledermäusen. Wenn die Früchte auf den Bäumen ausreiften, schmeckten sie köstlich. Genügt das nicht? Diese Unterstände und die Schönheit der Natur machten uns überaus glücklich.“
Das erste Bad und die erste Rasur Top
12.04.1948: Am Nachmittag kam ich etwas später als sonst zum Ashram. Sobald Bhagavan mich sah, sagte er: „Ramachandra Iyer und Ananthanarayana Rao haben gerade ein Foto gemacht.“
Da es bereits Sommer und heiß war, besprengte Krishnaswami die Binsen und Crotonsträucher hinter Bhagavans Sofa und traf dabei auch ihn. Er rieb sich und sagte: „Seht bloß, sie weihen mich (sie machen Abhishekam)!“
Das erinnerte ihn an einen Vorfall aus der Vergangenheit. Lächelnd erzählte er uns folgende Geschichte: „Nachdem ich nach Tiruvannamalai gekommen war, hatte ich vier Monate nicht gebadet. Eines Tages, als ich im Tempelbereich lebte, kam die Frau von Ponnuswami und zerrte an mir. Ich musste mich hinsetzen. Sie wusch mir mit Seife den Kopf und badete mich. Sie war immer wieder zum Tempel gekommen und ich dachte, es sei ein Besuch wie immer, aber an diesem Tag hatte sie sich das vorgenommen. Das war mein erstes Bad.“
Ich fragte: „Bist du danach regelmäßig gebadet worden?“
„Nein, diese Frage stellte sich nicht. Wer hätte mich zum Baden veranlassen können? Wer war es, der baden wollte? Danach verstrich etwa ein Jahr. Ich lebte einige Zeit in Gurumurtam. Dorthin kamen nicht viele Leute und keiner behelligte mich. Doch eines Tages brachte eine Frau namens Meenakshi, die mir gelegentlich etwas zu essen gab, einen großen Topf mit und fing an, darin Wasser zu erwärmen. Ich dachte, sie benötigte es für sich selbst. Sie aber nahm aus einem Korb Öl, Seife usw. und sagte: „Swami, bitte komm her.“ Ich bewegte mich nicht. Aber ließ sie mich etwa in Ruhe? Sie zog mich am Arm, zwang mich zum Sitzen, schmierte das Öl über meinen ganzen Körper und badete mich. Mein Haar war durch Vernachlässigung ganz verfilzt. Es breitete sich jetzt aus und hing wie eine Löwenmähne herunter. Das war mein zweites Bad. Danach kam Palaniswami zu mir und ich badete täglich.
Mit dem Rasieren verhielt es sich ähnlich. Von der Rasur, die ich am Tag meiner Ankunft hier hatte, wurde berichtet. Die zweite Rasur erfolgte nach 1 ½ Jahren. Die Haare waren verfilzt und ineinander verschlungen. Kleine Steine und Staub waren darin und der Kopf fühlte sich schwer an. Ich hatte auch lange Nägel und sah Furcht erregend aus. Schließlich zwangen mich die Leute, mich scheren zu lassen, und ich gab nach. Als mein Kopf glatt rasiert war, fragte ich mich, ob ich überhaupt noch einen Kopf hatte, so leicht fühlte er sich an. Ich schüttelte den Kopf hin und her, um mich zu überzeugen, dass er noch da war. So groß war die Last, die ich auf meinem Kopf getragen hatte.“
„Und in diesen 1 ½ Jahre hat niemand versucht, dich zu rasieren?“, fragte ein Devotee.
„Doch, als ich im Subramanya-Schrein lebte. Ein gewisser Nilakanta Iyer kam regelmäßig dorthin. Eines Tages kam er eigens zu dem Zweck. Da ich dachte, er käme wie gewöhnlich, behielt ich meine Augen geschlossen. Schweigend stand er mir gegenüber. Als ich ein „tip, tap“ hinter mir hörte, öffnete ich die Augen und sah einen Barbier sein Rasiermesser wetzen. Sofort ging ich wortlos von dannen. Der arme Mann! Er musste einsehen, dass ich mich nicht rasieren lassen wollte. Doch die Frau von Ponnuswami hat nicht aufgegeben, bis ich gebadet war. Was konnte ich machen, als sie mich beim Arm ergriff?
Und es geschah noch etwas anderes, als ich unter dem Madukha-Baum (im Tempelbezirk) lebte, bemerkte mich eine zwanzigjährige Tänzerin (Tempelprostituierte) namens Rathnamma auf ihrem Weg zum Tempel, in dem sie tanzte. Sie wurde mir zugetan und begann, für ihren Beruf Abscheu zu empfinden. Sie sagte zu ihrer Mutter, dass sie nichts essen würde, solange sie Swami nichts gebracht hatte, und so brachten die beiden mir etwas zu essen. Aber ich war gerade in tiefer Meditation versunken und öffnete weder Augen noch Mund, obwohl sie laut riefen. Schließlich gelang es ihnen, mich aufzuwecken, indem sie einen Passanten baten, mich an der Hand zu ziehen. Sie gaben mir zu essen und gingen wieder.
Als Rathnamma darauf bestand, dem Swami täglich zu essen zu bringen, bevor sie selber aß, sagte ihre Mutter: „Du bist jung und der Swami ebenfalls. Er wacht nicht auf, wenn ihn nicht jemand berührt und schüttelt. Es ziemt sich nicht, dass wir das tun. Was also können wir machen?“ Da bat Rathanamma einen ihrer Cousins um Hilfe und brachte mir mit seiner Unterstützung täglich zu essen.
Nach einiger Zeit fanden die Verwandten des Jungen, dass diese Tätigkeit würdelos sei und ließen ihn nicht mehr kommen. Sie jedoch gab nicht auf. Schließlich kam die alte Mutter regelmäßig zu mir. Da sie schon älter war, dachte sie, es wäre keine Schande, wenn sie mich durch Schütteln aufweckte und mir zu essen gab.
Bald darauf starb die alte Mutter und ich ließ mich an einem entfernten Ort (Gurumurtam) nieder. Rathnamma konnte den langen Weg nicht auf sich nehmen und gab es auf. Da sie sich ihren Unterhalt verdienen musste, beschränkte sie sich auf einen Mann. Was machte es schon aus, zu welcher Gesellschaft sie gehörte. Sie war rein. Sie war nicht verhaftet und hatte große Hingabe. Sie hatte ihren Beruf nie geliebt. Sie wollte nicht, dass ihre Tochter ihn ausübte und verheiratete sie.“
Als Bhagavan die Geschichte erzählt hatte, schwieg er.
Ungeteilte Aufmerksamkeit Top
Ich fragte: „Ist einer von ihnen jemals hier gewesen?“
Bhagavan erwiderte: „Anscheinend nicht, aber ich erinnere mich, dass ich die Frau schon einmal gesehen habe. Ich weiß nicht, wie sie von mir erfahren haben. Sie schreiben, dass sie unsere Bücher gelesen haben und damit begonnen haben, Sadhana zu tun. Sie respektieren mich. Warum, weiß ich nicht.“
Ich meinte: „Verehrung ist nicht an Entfernungen gebunden.“
Bhagavan: „Ja. Die Frau hält mein Foto über ihren Kopf. Woher weiß sie von mir?“
Ich: „Wenn die Sonne aufgeht, sieht dann nicht die ganze Welt ihr Licht?“
Bhagavan: „Vor sieben oder acht Jahren kam eine Frau aus Europa, um mich zu sehen. Sie kam vom Schiff direkt hierher und hat nirgends sonst Halt gemacht. Als sie eine halbe Stunde in der Halle gesessen war, stand sie auf, verneigte sich und verabschiedete sich. Sie reiste direkt nach Colombo. Bevor sie den Dampfer nahm, schrieb sie: „Bhagavan, ich habe von dir gehört. Ich hatte den Wunsch, dich zu sehen. Jetzt ist dieser Wunsch erfüllt. Ich möchte sonst niemanden in diesem Land besuchen und nehme deshalb diesen Dampfer.“ Das war, was sie schrieb. Sehr seltsam.“
Der Pfad der Liebe Top
Bhagavan: „Wer sagt, dass du ihm nicht folgen kannst? Du kannst es tun. Aber wenn du von Liebe sprichst, bedeutet es Zweiheit. Gibt es da nicht die Person, die liebt und eine Wesenheit namens Gott, den sie liebt? Doch das Individuum ist nicht von Gott getrennt. Deshalb bedeutet Liebe, dass man sein eigenes Selbst liebt. Für diese Selbst-Liebe gibt das Vasudevamanam für jede Stufe ein Beispiel. Der Mensch liebt das Geld, aber seinen Sohn liebt er mehr als das Geld. Seinen eigenen Körper liebt er mehr als seinen Sohn und die Sinnesorgane mehr als seinen Körper. Das Auge liebt er von allen Sinnesorganen am meisten. Er liebt das Leben mehr als das Auge und das Selbst (Atma) mehr als sein Leben. Das wird folgendermaßen veranschaulicht: Wenn der Sohn etwas anstellt und die Regierung ihn bestrafen will, bieten die Eltern ihr Geld an und bestechen sie sogar, um ihn frei zu bekommen. Also ist ihre Liebe zum Sohn größer als ihre Liebe zum Geld. Wenn aber die Regierung das Geld nicht annimmt, sondern dem Vater anbietet, dass der Sohn freikommt, wenn er an seiner Stelle die Bestrafung auf sich nimmt, wird der Vater sagen: „Macht mit dem Jungen was ihr wollt. Ich habe nichts mit ihm zu schaffen.“ Also liebt der Vater seinen Körper mehr als seinen Sohn. Wenn ein Mensch etwas Unrechtes tut und das Gericht ihn vor die Wahl stellt, seine Augen zu opfern oder körperliche Torturen zu erleiden, wird er letzteres wählen, um den Verlust eines Sinnesorgans zu vermeiden. Wenn jedoch sein Kopf gefordert wird, würde er lieber seine Augen oder ein anderes Sinnesorgan verlieren als sein Leben. Also liebt er sein Leben mehr als die Sinnesorgane. Ebenso ist es mit jemandem, der sich die Seligkeit des Selbst ersehnt. Er würde dafür sein Leben verlieren, wenn es nötig sein sollte. Er liebt das Selbst mehr als sein Leben. Folglich liebt die Person Gott nur, um selbst glücklich zu sein. Er ist jedoch selbst die Verkörperung des Glücks und dieses Glück ist Gott. Wen anderer sollte er lieben? Die Liebe ist Gott.“
Frager: „Deshalb frage ich, ob man Gott durch den Pfad der Liebe verehren kann.“
Bhagavan: „Liebe ist die wahre Gestalt Gottes. Wenn du alles zurückweist, indem du sagt: „Ich liebe dies und das nicht“, ist das, was übrig bleibt, Swarupa, d.h. das dir innewohnende Selbst. Es ist die reine Seligkeit. Nenne es reine Seligkeit, Gott, Selbst oder wie du willst. Das ist Hingabe, das ist die Verwirklichung und das ist alles.“
Jemand anderer meinte: „Das bedeutet, dass man alle schlechten Dinge, aber auch alle guten, zurückweisen und Gott alleine lieben soll. Gibt es denn irgendjemand, der alles zurückweisen kann, indem er sagt: „Das ist nicht gut und jenes ist nicht gut“, solange man sie nicht erfahren hat?“
Bhagavan: „So ist es. Um das Schlechte zurückzuweisen, musst du das Gute lieben. Zur gegebenen Zeit wird auch das Gute zum Hindernis und muss zurückgewiesen werden. Deshalb musst du zuerst das Gute lieben. Das bedeutet, dass du zuerst lieben und dann das Geliebte zurückweisen musst. Wenn du auf diese Weise alles zurückweist, bleibt alleine das Selbst übrig. Das ist wirkliche Liebe. Jemand, der das Geheimnis dieser Liebe kennt, findet die Welt voller universeller Liebe.“
Die Leinwand Top
Bhagavan: „Wie kommst du darauf? Wenn du sagst „Ich habe geträumt“, „ich habe tief geschlafen“ oder „ich bin wach“ liegt es auf der Hand, dass du in allen drei Zuständen da warst. Also warst du immer da. Jetzt bist du im Wachzustand. Wenn du träumst, ist der Wachzustand nicht da und im Tiefschlaf verschwindet der Traum. Aber du existierst in allen drei Zuständen und zu allen Zeiten. Die drei Zustände kommen und gehen, aber du bist immer da.
Es ist wie im Kino. Die Leinwand ist immer da. Auf ihr erscheinen unterschiedliche Bilder und verschwinden wieder. Nichts bleibt an der Leinwand haften. Sie bleibt immer die Leinwand. Ebenso bleibst du in allen drei Zuständen dein eigenes Selbst. Wenn du das weißt, werden dich die drei Zustände nicht beunruhigen. Wie die Bilder auf der Leinwand erscheinen, hafte nicht daran. Die drei Zustände haften nicht an dir.
Auf der Leinwand erscheint ein mächtiger Ozean mit endlosen Wellen und verschwindet wieder. Dann wiederum siehst du überall Feuer. Auch es verschwindet. Die Leinwand ist in beiden Fällen da. Ist die Leinwand vom Wasser nass geworden oder vom Feuer verbrannt? Nichts hat die Leinwand beeinträchtigt. Ebenso wenig beeinträchtigen dich die Ereignisse, die im Wachzustand, Traum und im Tiefschlaf geschehen. Du bleibst dein eigenes Selbst.“
Frager: „Bedeutet dass, dass die Leute nicht von den drei Zuständen beeinträchtigt werden?“
Bhagavan: „Ja, so ist es. Das alles kommt und geht. Das Selbst wird davon nicht behelligt. Es hat nur einen Zustand.“
Frager: „Bedeutet das, dass so ein Mensch (der Jnani) nur ein Zeuge in dieser Welt ist?“
Bhagavan: „Ja. Vidyaranya hat im zehnten Kapitel seines „Panchadasi“ dafür das Bühnenlicht als Beispiel angeführt. Wenn ein Drama gespielt wird, erleuchtet das Licht alle Schauspieler gleichermaßen, seien es Könige, Diener oder Tänzer und es erleuchtet auch alle Zuschauer. Das Licht ist da bevor das Drama beginnt, während der Vorstellung und auch danach. Ebenso ist es mit dem Licht im Innern, dem Selbst. Es erhellt das Ego, den Verstand, den ganzen Geist ohne selbst zu wachsen oder zu schwinden. Obwohl im Tiefschlaf und anderen bewusstlosen Zuständen (wie z.B. in der Ohnmacht) kein Empfinden des individuellen Ichs da ist, bleibt das eigenschaftslose Selbst bestehen und erstrahlt ununterbrochen aus sich selbst heraus. Das ist die Bedeutung. Wenn man durch Selbstergründung herausfindet, wer und was man ist, gibt es keinerlei Zweifel mehr.“
Handelnder und Handeln Top
Bhagavan: „Was genau hat denn Krishna zu Arjuna gesagt? Er hat zu ihm gesagt: „Die Tat wird ausgeführt, aber ich bin der Handelnde, der das alles von oben beobachtet. Warum sorgst du dich? Es ist dein Körper, der deine Verwandten tötet, aber bist du der Körper? Nein! Warum dann diese Bindung? Gib den Gedanken auf.“ Krishna bittet Arjuna, es zu tun, aber das Gefühl aufzugeben, der Handelnde zu sein. Das ist persönliche Anstrengung. Das Empfinden, dass man der Körper ist, kommt aus der eigenen Unwissenheit. Man muss nur dieses Empfinden aufgeben, aber das muss man selber tun. Wer anders könnte es für einen tun? Wenn man durch persönliche Anstrengung diese Bindung abgelegt hat, gehen die Handlungen von selbst weiter, wie Ishwara (der Täter) es bestimmt. Jeder muss seine Arbeit tun und er wird sie von selbst tun. Warum sollte man sich deswegen sorgen? Als Arjuna spürte, dass es nicht recht war, seine Verwandten zu töten, sagte Krishna ihm nur, er möge das Gefühl aufgeben, der Handelnde zu sein. Aber er kämpfte schließlich. Als er Krishna zuhörte, verlor er das Gefühl, der Handelnde zu sein und hatte keine Zweifel mehr. Er musste die Arbeit ausführen und sie wurde getan.
Es gibt eine Kraft, die die Leute handeln lässt. Aber es ist persönliche Anstrengung nötig, um von dem Gefühl, man selbst sei der Handelnde, frei zu werden. Alle spirituelle Praxis führt letztendlich hierzu.“
Ein anderer Devotee: „Aber es muss doch einen Anfang von diesem Karma geben.“
Bhagavan: „Wenn du fragst, wie du zu diesem Karma gekommen bist, sagst du: „durch Handeln“. Warum wurdest du geboren? Aufgrund des Karmas. Das ist alles, was man dazu sagen kann. Wenn du weiterfragst, wie dieses Karma entstanden ist, sagt man dir, du sollst keine solchen Fragen stellen. Das ist das Gesetz vom Samen und vom Baum. Der Baum stammt aus dem Samen, die wiederum vom Baum stammen. Doch woher kommt dieser Samen? Es ist eine Frage, die nicht beantwortet werden kann. Deshalb bitte ich die Leute, zuerst herauszufinden, wie und wo sie geboren wurden.“
Ganapati Muni und die Ramana Gita [104] Top
Ein Devotee fragte Bhagavan, ob er ihn geschrieben hatte, während er im Skandashram lebte.
Bhagavan: „Ja. Ich habe ihn 1915 für Jagadiswara Sastri geschrieben, der zu jener Zeit bei mir war. Eines Tages schrieb er auf ein Blatt Papier: „Mitten in der Höhle des Herzens“. Er sagte, er wolle einen Sanskritvers schreiben, aber er käme nicht weiter. Ich bat ihn, den Vers zu vollenden, aber er sagte, er könne es nicht, so sehr er es auch versuchte. Es verging einige Zeit. Einmal ging er irgendwohin und ließ den Zettel unter meinem Sitz zurück. Während seiner Abwesenheit vollendete ich den Vers und schrieb darunter seinen Namen „Jagadisa“. Als er zurückkam, zeigte ich ihn ihm. Er fragte mich, warum ich seinen Namen darunter geschrieben hätte. Ich antwortete: „weil Jagadisa den Vers begonnen hat“. Er meinte, wenn das so sei, gehöre der Zettel ihm. Er nahm ihn mir weg und bewahrte ihn sorgfältig auf. Er war damals noch sehr jung.
Später schrieb ich den gleichen Vers noch einmal auf. Ich saß auf einer großen Steinplatte in Ashramnähe. Alle versammelten sich um mich und wollten seine Bedeutung wissen. Ich erklärte ihn zwei oder drei Stunden lang. Nayana (der Sanskritdichter Ganapati Muni) verwendete ihn als Eröffnungsvers des zweiten Kapitels der Ramana Gita. Das ist die Geschichte. Ich habe nichts ohne Grund geschrieben.“
Jemand fragte: „Hast du diesen Vers zur selben Zeit geschrieben wie Nayana die Ramana Gita?“
Bhagavan: „Nein. Er hat seine Gita im Juli 1917 verfasst. Aber es gibt dazu etwas Interessantes zu berichten. 1913 stellte er mir Fragen und lernte von mir. Als er das Gelernte verinnerlicht hatte, dichtete er bei jedem Vortrag, den er hielt, einen Vers aus dem Stehgreif. Er sagte, es sei Vers so und so aus Kapitel so und so der Ramana Gita. Doch das war lange bevor er dieses Buch schrieb. Niemand traute sich, ihn auf seinen Bluff anzusprechen, denn er war eine beeindruckende Persönlichkeit und voller Einfallsreichtum. Später schrieb er dann die Ramana Gita.“
„Doch was hätte er getan, wenn ihn jemand nach der Ramana Gita gefragt hätte?“
Bhagavan lachte und meinte: „Wer hatte schon den Mut, ihn herauszufordern? Das war seine Stärke. Selbst nachdem er die Ramana Gita geschrieben hatte, zitierte er noch Verse, die nicht darin enthalten waren. Wenn jemand sich getraut hätte, ihm zu sagen, dass sie nicht im Buch stehen, hätte er geantwortet, sie seien in der erweiterten Version enthalten. Er hatte eine Erweiterung geplant, aber es kam nicht mehr dazu.“
Devotee: „Anscheinend hat er auch einmal auf diese Weise über das Saiva Siddanta (eine philosophische Schule, die im 10. Jh. in Kashmir entstanden ist) [106] einen Vortrag gehalten.“
Bhagavan: „Ja, das war kurz nachdem er hierher gekommen war. Er wusste damals nichts über das Saiva Siddhanta. Die Vereinigung dieser Schule wollte hier eine Konferenz abhalten und hat Nayana eingeladen, den Vorsitz zu führen. Er wurde als großer Gelehrter angekündigt, der einen ausführlichen Vortrag darüber halten würde. Doch er war erst wenige Tage zuvor über den Termin informiert worden. Am Morgen vor der Konferenz kam er zu mir und sagte: „Diese Leute haben mich gebeten, ihrer Versammlung beizuwohnen und zu sprechen, aber ich weiß nicht, was diese Lehre beinhaltet.“ Ich nahm das „Siva Jnana Bodha“ zur Hand, wählte 12 Lehrsprüche aus und erklärte ihm in Kürze ihren Sinn und die Essenz dieser Lehre. Da er sehr intelligent war, erfasste er es sofort und ging zur Konferenz. Er zitierte die Lehrsprüche und hielt seinen Vortrag so souverän, dass jeder über die Tiefe seiner Gedanken und seine Gelehrsamkeit erstaunt war. Als er zurückkam, sagte er: „Ich konnte heute nicht aufgrund meines eigenen Wissens und meiner Fähigkeit sprechen, sondern nur durch Bhagavans Gnade. Obwohl ich vom Saiva Siddhanta nie etwas gelesen habe, war es mir so klar, als ob ich es immer schon gekannt hätte.“ Von solcher Intelligenz war Nayana.“
Devotee: „Als er das Umasahasram [107] schrieb, war er am Abend vor dem Vortragstermin noch nicht damit fertig.“
Bhagavan: „Ja. Die Einladungen für den Vortrag im Apeetha-Tempel waren schon verschickt und viele Leute waren bereits am Vortag angereist. Es sollte am folgenden Morgen mit der Lesung begonnen werden, aber es fehlten immer noch 300 Verse. Nayana kam zu mir und sagte: „Diese 300 Verse müssen vor Tagesanbruch fertig sein. Wie kann ich das fertig bringen?“ Ich sagte: „Warum sorgst du dich. Es genügt, wenn wir uns nach dem Abendessen hinsetzen.“ „Dann musst du zu mir kommen“, meinte er. Das war, als ich noch auf dem Berg lebte. Ich ging zu ihm zur Mangobaum-Höhle und setzte mich in eine Ecke. Ich hielt meine Augen die ganze Zeit offen. Nayana saß mir gegenüber und hatte vier seiner Schüler bei sich, die reihum aufschrieben, was er aus dem Stehgreif dichtete. Um Mitternacht war er mit allen 300 Versen fertig.“
Devotee: „Stimmt es, dass Bhagavan bis zum Ende intensiv zuschaute und sich dann aufrichtete und sagte: „Hast du alles, was ich gesagt habe, aufgeschrieben?“
Bhagavan nickte: „Ja, so war es. Ich fühlte, dass ich ihm alle Verse diktiert hatte.“
Devotee: „Stimmt es, dass Nayana alle anderen Verse mehrmals überarbeitet hat, aber keinen der 300 Verse?“
Bhagavan bestätigte das mit einem Kopfnicken und schwieg.
[104] Die Ramana-Gita ist das Hautwerk Ganapati Munis und enthält die Lehren Ramanas. Bislang gibt es davon noch keine deutsche Übersetzung.
Näheres zu Ganapati Muni s. Ebert: Ramana Maharshi und seine Schüler, Band 1, S. 64-77 oder den Artikel im BBKL:
http://www.bautz.de/bbkl/g/ganapati_muni.shtml
[105] s. dazu auch Ebert: Ramana Maharshi: Sein Leben, S. 202f
[106] eine philosophische Schule, die im 10. Jh. in Kashmir entstanden ist und ab dem 12. Jh. vor allem im Süden Indiens Verbreitung fand. Sie legt besonderen Wert auf die Bhakti-Tradition und die rituelle Verehrung Shivas.
[107] Ganapati Munis Major Opus der Tausend Verse für die Göttliche Mutter, das er kurz nachdem er 1907 zu Ramana gekommen war schrieb; s. a. S. Iyer: Mein Leben mit Ramana Maharshi, S. 79f
Konzentration und Wunschlosigkeit Top
„Er sollte durch zunehmende Praxis Stille erlangen und wenn er den Geist mit Einsicht standhaft kontrolliert und ihn in Gott begründet hat, sollte er an nichts anderes denken.“ (VI,25)
„Er sollte den unruhigen Geist von allen Objekten, denen er hinterher rennt, abhalten, und ihn beständig auf Gott richten.“ (VI, 26)
Doch die Worte Krishnas konnten Arjunas Zweifel nicht vertreiben und so fragte er: „Krishna, der Geist ist sehr unstet, unruhig, hartnäckig und machtvoll. Deshalb halte ich ihn für so schwer kontrollierbar wie der Wind.“ (VI, 34)
Darauf antwortete Krishna:
„Der Geist ist zweifelsohne unstet und schwer im Zaum zu halten, Arjuna, aber man kann ihn durch Meditation und Leidenschaftslosigkeit kontrollieren.“ (VI, 35)
Bhagavan: „Das sind die Worte Krishnas. Deshalb ist es dringend nötig, dass ein Sadhaka (spirituell Suchender) spirituelle Übungen macht und wunschlos ist.“
Frager: „Im zweiten Kapitel der Gita heißt es, dass Meditation und der Weg der Ergründung am besten sind. Aber im zwölften Kapitel heißt es, dass der Pfad der Verehrung der beste ist. Wie geht das zusammen?“
Bhagavan: „Dem spirituell Suchende wird zuerst geraten, Meditation zu üben und dem Pfad der Erkenntnis zu folgen. Wenn er dazu nicht in der Lage, wird ihm Yoga, dann Karma und schließlich Bhakti empfohlen. So wird ein Weg nach dem anderen gelehrt, sodass der Suchende dem Pfad folgen kann, der ihm am besten liegt. Trotzdem ist das Ziel dasselbe, was immer der Weg sein mag. Der Gedanke des Herrn Krishna war, dass jeder Pfad leicht ist, wenn er der Entwicklung der jeweiligen Person entspricht.“
Die Größe des Menschen Top
Jemand anderer fragte: „Dafür ist die Wiederholung des Namens von Rama gut, nicht wahr?“
Bhagavan: „Sicherlich. Was könnte besser sein? Das Japa von Ramas Namen hat eine besondere Bedeutung.“
Dann sah er mich an und sagte: „Du kennst doch bestimmt die Geschichte von Namadeva (Heiliger und Dichter aus dem 13./14. Jahrhundert) [108]. Er soll zu einem Devotee gesagt haben: „Wenn du die Bedeutung von Ramas Namen erfassen willst, musst du zuerst deinen eigenen Namen kennen. (Mit dem eigenen Namen ist deine wahre Natur gemeint.) Du musst zuerst verstehen, wer du bist und wie es kam, dass du geboren wurdest. Solange du über deinen eigenen Ursprung nicht Bescheid weißt, kennst du auch deinen Namen nicht.“
Im Adhyatma Ramayana [109] in Malayalam belehrt Anjaneya Ravana folgendermaßen: „Ravana, hiermit belehre ich dich, wie du die Befreiung erlangst. Hör mir genau zu. Es ist gewiss, dass das Selbst durch intensive Hingabe an Hari (Vishnu), der stets im Lotus des Herzens weilt, gereinigt wird. Das Ego wird vernichtet und sodann auch die Sünde. Danach ersteht an seiner Stelle die Erkenntnis des transzendentalen Selbst. Mit einem reinen Geist und mit der Seligkeit, welche die unverrückbare Erkenntnis des Selbst hervorbringt, wiederholen sich die beiden Buchstaben „Ra“ und „Ma“ wie ein Mantra von selbst in dir. Was braucht so ein Mensch noch mehr, der diese Erkenntnis hat? Deshalb verehre die Lotusfüße Vishnus. Das wird alle weltlichen Ängste vernichten. Gib die Ignoranz deines Geistes auf.“ Wie also könnte der Name Ramas nur von alltäglicher Bedeutung sein?
Aber man muss die richtige Methode für die Wiederholung des Namens (Japa) kennen. Zuerst muss man den Atem kontrollieren, dann erst kann man Japa tun. In anderen Worten: man muss den Geist kontrollieren. Sambanda erklärt, wie man das Japa des Namens „Shiva“ ausführen soll: Man soll alle neun Ausgänge [110] des Körpers fest verschließen und versiegeln, sonst wandert der Geist nach außen. Nachdem man die neun Türen versiegelt hat, soll man die fünf Buchstaben des Namens Shivas wiederholen. Wenn man durch die Kontrolle der Sinne den Geist kontrollieren kann, d.h. wenn er untergetaucht ist, ist das, was übrig bleibt das Selbst. Man meditiert über sein eigenes Selbst und Japa wird zum eigenen Selbst.“
Jemand anderer: „Nennt man das „Ajapa [111]“?“
Bhagavan: „Das, was sich innerlich (von selbst) wiederholt, ist Ajapa. Wie könnte das, was man mündlich wiederholt Ajapa sein?“
Devotee: „Können alle Leute beständig Japa üben?“
Bhagavan: „Nein, das ist unmöglich. Deshalb haben die Alten geraten, man soll für einige Zeit Japa tun, dann für eine Weile singen, lesen und schreiben und so den Geist zu gutem Tun hinlenken und ihn davon abhalten, in schlechte Gewohnheiten zu verfallen. Die Gita sagt auch, man soll den Geist vom Herumschweifen abhalten, indem man spirituelle Übungen macht und Wunschlosigkeit übt. Auch Japa gehört dazu. Indem man Japa übt, soll der Geist allmählich auf eins gerichtet werden. Nur um dieses Auf-Eins-Gerichtetsein zu erreichen, wurden all die spirituellen Übungen vorgeschrieben.“
In Patanjalis Yoga-Sutra heißt es: „Geisteskontrolle durch Übung und Leidenschaftslosigkeit“.
[108] Heiliger und Dichter aus dem 13./14. Jh.
[109] Tulsidas Version des Ramayana (16. Jh.)
[110] i. e. 2 Augen, 2 Ohren, 2 Nasenlöcher, Mund, After und Genital
[111] wörtl.: Nicht-Japa
Dienst Top
Bhagavan: „Ja. Einmal kam ein Europäer und aß mit den anderen. Danach putzte er sich die Hände an seinem Taschentuch ab und steckte es wieder in seine Tasche. Damals hat jeder seinen benutzten Blattteller selbst mitgenommen und draußen weggeworfen. Dadurch war der ganze Bereich verunreinigt. Nach dem Essen ging der Europäer über den verunreinigten Bereich. Die Leute beschwerten sich, aber er wusste nicht, worum es überhaupt ging. Ich habe es ihm in Englisch erklärt. Um uns zu verstehen, musste er wissen, dass bei uns die Plätze, wo die benutzten Blätter liegen, als verunreinigt gelten.“
Ich sagte: „Wer kann Bhagavan dienen, ohne je einen Fehler zu begehen?“
Bhagavan: „Darum geht es nicht. Aber sie scheuchen die Leute auf, die beim Büro stehen oder bequem sitzen und miteinander reden und sagen: „Bhagavan kommt, macht Platz, steht auf!“ Warum soll man die Leute stören, wenn ich einen anderen Weg nehmen kann? Ist das die rechte Art, Bhagavan zu dienen? Jeder handelt so, auf die eine oder andere Weise. Sie sagen: „Bhagavan will dies, er will das“ und bereiten allen anderen Unannehmlichkeiten. Was will Bhagavan? Anderen Probleme machen, ist es das, was Bhagavan will? Das alles geschieht in meinem Namen. Sie sagen dann auch noch: „Wir tun alles, um Bhagavan zu gefallen. Wir dienen ihm.“ Welche Aufmerksamkeit, was für ein Dienst!“
Mitgefühl Top
Ich fragte: „Hat Bhagavan selbst Wasser über sie gelehrt?“
Bhagavan: „Ja. Ich wusste, wann sie kamen und wartete mit dem Wasser auf sie. Was konnten sie tun? Sie durften das Wasser vom Molai Pal Thirtam (ein heiliger Wasserspeicher) nicht anrühren und sonst gibt es nirgends Wasser. Die Hitze ist unerträglich. Sie haben nichts zu essen, bis sie das Gras verkauft haben. Zuhause warten die Kinder. Sie müssen schnell nach Hause, um sich um sie zu kümmern. Arme Leute! Sie kamen zur Höhle, weil sie hofften, dass Swami ihnen Wasser geben würde. Wir kochten damals normalerweise nicht, aber wenn wir kochten, gaben wir viel Wasser in den Reis und würzten ihn mit etwas Salz und getrocknetem Ginger, sofern wir welchen hatten. Wenn die Frauen kamen, war der flüssige Reis bereits erkaltet. Wenn man ihnen einen Schöpflöffel davon in die Hände goss, tranken sie es mit viel Genuss. Sie waren glücklich, von dem Brei zu kosten und Wasser zu trinken.“
Bhagavan schwieg gerührt.
20.07.1948: Als ich am Morgen des 18. Juli zum Ashram kam, hieß es, dass Lakshmi ernsthaft krank sei und den Tag nicht überleben würde. Ich ging direkt zum Kuhstall hinüber. Der Kälberstall war leer und sauber und Lakshmi lag auf dem Stroh. Da es Freitag war, war ihre Stirn wie üblich mit Kurkuma und Zinnoberrot gezeichnet und sie trug eine Blumengirlande um den Hals und die Hörner. Venkataratnam saß neben ihr und fächelte ihr.
Dann ging ich zu Bhagavan. Er sah mich an. Ich sagte, ich würde bei Lakshmi bleiben. Er nickte und ich ging sofort wieder zu ihr. Venkatranam gab mir den Fächer und ging. Ich wiederholte das Ramana-Mantra, die 108 Namen Ramanas und anderes und Lakshmi schien aufmerksam zuzuhören.
Bhagavan kam wie immer um 9.45 Uhr zum Kuhstall und setzte sich zu ihr ins Heu. Mit beiden Händen hob er ihren Kopf. Mit einer Hand strich er ihr leicht über Gesicht und Hals und legte dann seine linke Hand auf ihren Kopf, während er mit den Fingern seiner rechten Hand von ihrem Hals zum Herzen hinunterstrich. Er tat das etwa eine Viertel Stunde lang und sagte dann zu ihr: „Mutter, was meinst du? Willst du, dass ich hier bleibe? Ich kann hier bleiben, aber was kann ich tun? Die Leute können bei dir bleiben, wie es auch bei meiner Mutter war. Kann ich gehen?“ Lakshmi war still als ob sie in Samadhi wäre. Sie hatte keine Schmerzen. Bhagavan wollte nicht aufstehen. Sein Herz war voller Mitgefühl. Von diesem Anblick überwältigt sagte ich unwillkürlich: „Mutter Alagammal hatte dieses große Glück und jetzt Lakshmi.“ Bhagavan sah mich lächelnd an. Da kam Subramaniam und sagte: „Der Arzt wird nicht vor 10.30 Uhr kommen, da für Lakshmi keine unmittelbare Lebensgefahr besteht.“ Bhagavan fragte: „Hast du die Spritze mitgebracht?“ Dann wandte er sich wieder Lakshmi zu und sagte, indem er sanft ihren Kopf und Hals streichelte: „Was meinst du? Kann ich gehen?“ Subbalakshmi meinte: „Sie wird glücklich sein, wenn Bhagavan bei ihr bleibt.“ Bhagavan erwiderte: „Ja, aber was kann ich tun?“ Dann sah er Lakshmi in die Augen und sagte: „Kann ich gehen, sag?“ Lakshmi sah ihn stolz an. Welche Antwort sie Bhagavan gab, wissen wir nicht, aber er stand auf und sagte: „Achtet darauf, dass keine Fliegen in ihren Mund kommen“. Ich versicherte ihm, dass wir uns um Lakshmi kümmern würden und Bhagavan ging widerstrebend weg.
Mit der Berührung Bhagavans war Lakshmis Atem ruhiger geworden und sie bewegte sich kaum noch. Als der Arzt kam und ihr die Spritze gab, rührte sie sich nicht. Sie hatte keinen Todeskampf. Ihre Augen waren still und klar. Der Arzt gab Medizin auf ihre Geschwüre und wies uns an, ihren Kopf zu stützen. Da kam Venkataratnam zurück. Er bat mich, ihren Kopf zu heben, damit er mehr Heu unterlegen konnte. Da berührte mich ihre Zunge. Sie war eiskalt. Lakshmi war gestorben.
Zehn Minuten später kam Bhagavan in den Stall. Er fragte: „Ist es vorbei?“ Dann hockte er sich neben sie, nahm ihr Gesicht in beide Hände und hob es hoch wie bei einem kleinen Kind und sagte: „Oh Lakshmi, Lakshmi!“ Dann unterdrückte er die Tränen und wandte sich uns zu: „Wegen ihr ist unsere Familie so groß geworden .[112]“ Als alle Lakshmi rühmten, fragte Bhagavan: „Der Arzt hat sie doch nicht gequält, oder? Wie ist sie gestorben?“ Wir erzählten ihm alles.
Bhagavan: „So ist es gut. Habt ihr das bemerkt? Ihr rechtes Ohr ist jetzt oben. Bis gestern lag sie noch auf der anderen Seite. Man hat sie wegen des Geschwürs umgedreht. Von den Leuten, die in Benares sterben, heißt es, dass Shiva in ihr rechtes Ohr flüstert. Lakshmi hat auch ihr rechtes Ohr oben.“ Dann zeigte er allen Anwesenden ihr Ohr.
Inzwischen hatten sich viele Menschen versammelt. Nach einer Viertelstunde stand Bhagavan auf und sagte: „Ramakrishna hat in den letzten Tagen gesagt, dass wir für Lakshmi eine schöne Grabstätte (Samadhi) bauen sollten.“
Dann ging Bhagavan zur Halle zurück.
[112] Lakshmi gebar viele Kälber.
Lakshmis Begräbnis Top
20.07.1948: Als ich um 2.30 Uhr nachmittags zum Kuhstall hinüberging, war Bhagavan bereits da. Lakshmis Gesicht zeigte keine Anzeichen des Todes. Wir gingen in die Halle zurück. Bis zum Abend erzählte uns Bhagavan Geschichten von Lakshmi und gab den Leuten Anweisungen für ihr Begräbnis.
Bhagavan erinnerte sich: „Mit Mutter war es dasselbe. Bis das Abhishekam (weihen mit heiligem Wasser) vorüber war, leuchtete ihr Gesicht. Ihr Leib war von Girlanden und Kampfer verdeckt, die die Leute über sie geworfen hatten. Es gab fromme Gesänge und Musik. Nachts brachten wir ihren Leichnam den Berg hinunter, legten ihn unter den heiligen Fikus-Baum, um ihn vor Tagesanbruch in der Nähe des Pali-Wasserspeichers zu begraben. Doch die Ziegelsteine und der gelöschten Kalk für den Bau des Grabes trafen verspätet ein. Inzwischen hatten sich viele Leute versammelt und machten viel Wirbel.“
Einer der Devotees meinte, Bhagavan messe Lakshmis Begräbnis zu viel Bedeutung bei. „Die Tiere erlangen hier öfter die Befreiung als die Menschen. Bhagavan hat uns gesagt, dass sie hergekommen sind, um ihr Karma auszugleichen. Es sieht so aus, als kümmere Bhagavan sich mehr um sie als um uns.“
Bhagavan: „Trifft das denn immer zu? Macht jemand das alles absichtlich? Haben wir Geld dafür? Die Leute machen die Arbeit spontan und die benötigten Dinge kommen von selbst. Vorgestern kam Sadasiva Iyer. Vielleicht ist er eigens zu dem Anlass gekommen. Er kennt sich genau mit dem Errichten von Gräbern aus. Er ist jetzt vor Ort und gibt die Anweisungen. Morgen will er wieder gehen. Es ist persönliches Glück. Was kann man machen? Wäre es ein gewöhnliches Tier, würde der Schlächter es wegbringen. Doch für Lakshmi wird ein Grab errichtet wie für einen Mahatma. So ist es auch mit dem weißen Pfau. Wie viele Pfauen sind schon hier gewesen? Sie unterscheiden sich von diesem einen. Er ist zahm und bewegt sich frei unter den Menschen. Er wurde in Baroda geboren und ist hierher gekommen. Wer hat ihn gewollt?“
Auf der dem Berg zugewandten Seite gibt es seit langem die Gräber von einem Reh, einer Krähe und einem Hund. Dort wurde nun eine Grube gegraben und das Grab für Lakshmi gebaut. Es war um 18 Uhr fertig. Viele Leute waren gekommen. Der Ashramverwalter brachte Lakshmi auf einem Leiterwagen. Bhagavan saß auf einem Stuhl. Es folgte das Abhishekam mit Milch, geronnener Milch, Ghee, Zucker und Rosenwasser. Man zündete Räucherstäbchen an und bedeckte den Leichnam mit einem Seidentuch. Lakshmis Gesicht wurde mit Kurkuma und Zinnoberrot gezeichnet und ihr Körper mit Blumengirlanden bedeckt. Dann wurde Arati (Lichtzeremonie) ausgeführt.
Um 19 Uhr wurde sie in das Grab hinuntergelassen. Bhagavan war offensichtlich gerührt. Als er die heiligen Blätter berührt hatte, warf sie der Ashramverwalter auf Lakshmi. Dann streuten Devotees Kurkum, Zinnober-Pulver, Kampfer, heilige Asche, Sandelholz, Blumen und Salz in das Grab, das dann mit Erde aufgefüllt wurde. [113]
Nach der Beerdigung ging Bhagavan in die Halle zurück. Dann wurde Prasadam verteilt und das Ganze endete wie eine Hochzeitsfeier.
In den frühen Morgenstunden schrieb Bhagavan eine Grabinschrift. Sie lautet:
„Am Freitag, dem …, hat die Kuh Lakshmi die Befreiung erlangt.“
Lakshmis Geschichte Top
Als er fort war, erzählte Bhagavan uns folgende Geschichte: „Als sie mit der Kuh und dem Kalb kamen, fragte ich sie: „Wozu brauchen wir sie?“ Arunachalam Pillai erwiderte: „Ich will Bhagavan seit langem eine Kuh schenken. Jetzt bin ich dazu in der Lage. Es war nicht leicht, sie mit dem Boot und Zug hierher zu transportieren. Bitte behalte sie.“ Ich sagte: „Du hast sie uns geschenkt, aber wer wird sich um sie kümmern? Bitte kümmere du dich für uns um sie.“ Doch er antwortete: „Selbst wenn du mir den Hals abschneidest, ich nehme sie nicht mehr mit.“
Als Ramanatha Brahmachari das hörte, sagte er voller Eifer, dass er sich um sie kümmern würde. Ich war damit einverstanden. Da das Kalb an einem Freitag zu uns gebracht wurde, nannten wir es Lakshmi. Ramanatha kümmerte sich für zwei oder drei Monate um die Kuh und das Kalb. Lakshmi war sehr verspielt und sprang herum, wie es ihr gefiel. Sie ruinierte alles Gemüse, das wir gepflanzt hatten. Wenn jemand sie tadelte, suchte sie bei mir Schutz. Ich sagte den Ashrambewohnern, sie könnten ja einen Zaun um die Beete errichten. Der arme Ramanatha! Er konnte die Schwierigkeiten, die die Ashrambewohner ihm machten, nicht ertragen und traf eine Vereinbarung mit einem Viehzüchter in der Stadt, der Kuh und Kalb übernahm. Ich kann mich an seinen Namen nicht erinnern.“
Ein Devotee: „Er heißt Pasupathi. Lakshmis Mutter starb bald darauf. Die Vereinbarung lautete: wenn Lakshmi ein männliches Kalb gebar, gehörte es dem Ashram, wenn es aber ein weibliches Kalb war, durfte er es behalten.“
Bhagavan: „Mag sein. Ein Jahr später besuchte er uns mit Lakshmi und ihrem Kalb. Da sah Lakshmi den ganzen Ashram. Sie merkte sich den Weg und kam täglich. Sie kam morgens und ging abends wieder zurück. Sie legte sich neben mein Sofa und bestand darauf, dass ich selbst sie mit Obst fütterte. Sie wollte nur Berg-Bananen. Wir hatten damals noch keinen Gong im Speisesaal. Wir wissen nicht, wie sie es gemacht hat, aber sie erschien täglich genau zur Essenszeit bei mir. Wir sahen immer auf die Uhr und es war jedes Mal genau Essenszeit. Sie kehrte sehr ungern in die Stadt zurück.“
1930 konnte Lakshmi für immer im Ashram bleiben. Damals hatte sie drei Kälber– alle männlich – und alle gehörten dem Ashram, wie es in der Vereinbarung festgelegt worden war.
Eines Abends, als sie zum dritten Mal schwanger war, wollte sie Bhagavan nicht mehr verlassen. Sie vergoss Tränen und lag ganz nahe beim Sofa. Bhagavan war sehr berührt, strich ihr sanft übers Gesicht und sagte: „Du willst hier bleiben? Was kann ich machen?“ Dann sah er die anderen an und sagte: „Seht, Lakshmi weint. Sie sagt, sie kann nicht mehr zurück. Sie ist schwanger und kann jeden Moment niederkommen. Sie muss einen weiten Weg gehen und am Morgen wiederkommen. Sie kann nicht darauf verzichten herzukommen. Was soll sie machen?“ Schließlich besänftigte er sie irgendwie und schickte sie fort.
In jener Nacht gebar sie. Pasupathi hatte familiäre Schwierigkeiten und konnte Lakshmi und all ihre Launen nicht mehr ertragen. Er brachte sie und ihre drei Kälber her und schenkte sie Bhagavan. Lakshmi legte sich Bhagavan zu Füßen und stand nicht mehr auf. Er legte seine rechte Hand auf ihren Kopf und fragte sie, ob sie für immer hier bleiben wollte. Sie schloss die Augen und war bewegungslos wie in Trance. Bhagavan sagte zu den anderen, dass sie ihm die Verantwortung für ihre drei Kälber überlassen habe.
Als ich Bhagavan diese Geschichte erzählte, bestätigte er sie. „Ja, so war es. Mit Mutter kam das Kochen und die regelmäßigen Mahlzeiten. Mit Lakshmi kam das Vieh und die Milchwirtschaft. In den folgenden drei oder vier Jahren schenkte Lakshmi uns an Jayanthi jeweils ein Kalb. Dann hörte es damit auf. Sie hatte insgesamt neun Geburten. Als Lakshmi hier war, brachten Devotees Kühe und der Viehbestand wuchs. Am Anfang hat man sie hier und dort unter einem überdachten Unterstand festgebunden. Da beschloss Salam Sundaram Chetty, einen Kuhstall zu bauen, und legte einen günstigen Zeitpunkt für die Grundsteinlegung fest. Eine halbe Stunde vor der Zeremonie machte sich Lakshmi von ihrem Strick los und kam zu mir gerannt, als ob sie mir sagen wollte, dass für sie ein Haus gebaut würde und ich kommen sollte. Als ich aufstand, führte sie mich hin. Sie tat dasselbe, als der Kuhstall eingeweiht wurde. Irgendwie hat sie alles verstanden. Sie war sehr klug.“
Eine arme alte Frau Top
25.07.1948: Heute Nachmittag wurde wieder von Lakshmi gesprochen. Ein Devotee sagte: „Arunachalam Pillai hat Lakshmi in Gudiyatham gekauft.“
Bhagavan erwiderte: „Auch Keerapatti (Eine arme alte Frau, die davon lebte, dass sie grüne Blätter auf dem Berg sammelte und sie auf dem Gemüsemarkt verkaufte.) [114] kam von dort.“
Devotee: „Wann ist sie hierher gekommen?“
Da erzählte Bhagavan uns ihre Geschichte: „Ich weiß es nicht, doch sie lebte bereits auf dem Berg, als ich im Arunachaleswara-Tempel war. Gelegentlich besuchte sie mich. Doch erst als ich in der Virupaksha-Höhle lebte, besuchte sie mich häufig. Sie lebte damals im Guha Namashivaya Mandapam (Mandapam = Höhlentempel). Damals war das Mandapam noch nicht instand gesetzt. Es hatte nur eine Holztür mit einem Holzriegel. Sie besaß nur einen irdenen Topf. Zuerst machte sie darin ihr Waschwasser heiß und dann kochte sie damit. Sie brach noch vor Tagesanbruch auf, wanderte auf dem Berg umher und kam mit Blättern zurück, die man als Gemüse kochen kann. Sie bereitete sie schmackhaft zu, brachte mir davon und nötigte mich, sie zu essen. Sie hat es immer so gehalten. Manchmal ging ich zu ihr und schnitt das Gemüse. Sie hatte großes Vertrauen zu mir.
Täglich ging sie hinunter in die Stadt, erbettelte Reis, Mehl, Dhal usw. und bewahrte alles in einem großen irdenen Gefäß auf. Daraus kochte sie einen Brei und brachte ihn mit dem Gemüse-Curry zu mir. Sie sagte: „Swami, gestern hat mir eine gute Frau etwas Mehl gegeben. Ich habe Brei gemacht.“ Sie dachte, dass ich nicht Bescheid wisse. Doch während ihrer Abwesenheit ging ich in das Mandapam und fand verschiedene Nahrungsmittel in dem Gefäß. Sie vertraute mir vollkommen. Niemand durfte sonst das Mandapam betreten. Wenn sie einmal kein Gemüse auf dem Berg fand, saß sie betrübt da. Ich kletterte dann auf den Tamarindenbaum und pflückte seine zarten Blätter für sie.
Sie gab mir täglich zu essen. Sie nahm nichts für sich selbst. Sie brachte mir alle Arten von Curry und sagte: „Swami mag das.“ Sie war sehr ergeben und aufmerksam. Selbst mit achtzig Jahren ging sie noch auf dem Berg umher. Sie lebte schon vor mir auf dem Berg.“
Ich fragte: „Hatte sie denn keine Angst?“
Bhagavan: „Nein. Wovor hätte sie Angst haben sollen? Doch eines Tages geschah folgendes: Ich ging zum Skandashram und übernachtete dort. Palaniswami war in der Virupaksha-Höhle. Um Mitternacht überfiel sie ein Dieb und wollte sie berauben. Als sie aufwachte, rief sie: „Wer ist da?“ Da legte der Dieb seine Hand auf ihren Mund, aber sie schrie trotzdem: „Oh Arunachala! Ein Dieb, ein Dieb!“ Ich konnte sogar im Skandashram ihre Schreie hören. Ich rief zurück: „Ich bin hier. Ich komme! Wer ruft?“ und rannte den Berg hinunter. Als ich in der Virupaksha-Höhle ankam, fragte ich Palansiswami, was das war. Er sagte: „Das Schreien kam aus der Höhle, wo die alte Frau wohnt, aber ich glaube, dass sie nur etwas gebrabbelt hat.“ Es lebten auch Leute in der Mangobaum-Höhle und in der Jataswami-Höhle, aber anscheinend hatte sonst niemand ihr Schreien gehört.
Wir gingen zu ihr und fragten sie, wo der Dieb sei, doch da war keiner. Wir taten es mit Lachen ab und sagten, sie habe es sich wohl nur eingebildet. Sie erwiderte: „Nein, Swami. Als er meine Dinge nehmen wollte, wehrte ich mich. Da hat er mir seine Hand auf den Mund gelegt, damit ich nicht schreien konnte. Doch ich schrie trotzdem. Vielleicht warst du es, der zurückrief, dass er kommen werde. Er hörte das und ist fortgerannt.“
Es gab in dem Mandapam kein Licht. Wir zündeten ein Stück Feuerholz an und suchten alles ab. Aller mögliche Kleinkram lag um das Gefäß verstreut . Da wussten wir, dass es tatsächlich so gewesen war.“
[114] Eine arme alte Frau, die davon lebte, dass sie grüne Blätter auf dem Berg sammelte und sie auf dem Gemüsemarkt verkaufte.
Die angemessene Belehrung Top
Bhagavan erwiderte: „Oho! Darum also geht es dir? Leider habe ich keine übernatürlichen Fähigkeiten. Vielleicht bist du so begabt und kannst anderer Menschen Gedanken lesen? Wie soll ich zu solchen Fähigkeiten kommen?“
Der junge Mann wollte wohl sagen: „Worin besteht dann deine Größe, wenn du das nicht kannst?“, doch die anderen verhinderten es. Ich setzte mich näher zu Bhagavan. Er sah mich an und sagte: „Dieser junge Mann fragt mich doch tatsächlich, ob ich weiß, welche Frage er stellen will. Bis jetzt hat das noch niemand getan. Er will mich prüfen. Die Absicht, in der jemand hierher kommt, ist bereits ersichtlich, wenn er hereinkommt. Die Art, wie er sich hinsetzt, enthüllt, wozu er hergekommen ist. Warum prüft er sich nicht selbst und findet heraus, wer er ist, anstatt mich prüfen zu wollen? Wäre das nicht viel sinnvoller?“
Ein Herr, der neben dem jungen Mann saß, nahm den Gesprächsfaden auf und fragte: „Swami, du sagst, dass es das Wichtigste im Leben ist, das Selbst ausfindig zu machen. Ist es nicht gut, wenn man zu diesem Zweck den Namen des Herrn wiederholt (Nama Japa)? Können wir dadurch die Befreiung erlangen?“
Bhagavan erwiderte: „Nama Japa ist gut. Es wird dich zur gegebenen Zeit ans Ziel bringen. Die Wiederholung des Namens bedeutet, alle äußeren Dinge zu beseitigen. Dann verschwindet alles Äußere und nur der Name bleibt übrig. Das, was übrig bleibt, ist das Selbst, Gott oder das Höchste Sein. Nama Japa bedeutet, dass wir Gott einen Namen geben und Ihn bei diesem Namen rufen. Du gibst Ihm den Namen, den du am liebsten hast.“
Devotee: „Wird Ishwara sich zeigen, wenn wir Ihm einen Namen geben und Ihn bitten, sich in einer bestimmten Gestalt zu zeigen?“
Bhagavan: „Ja, er wird dir antworten, mit welchem Namen du Ihn auch anrufst, und sich in der Form zeigen, in der du Ihn verehrst. Sobald Er sich zeigt, bittest du Ihn um etwas. Er gewährt es dir und verschwindet wieder – aber du bleibst wo du bist.“
Ich meinte: „Ich vermute, dass Bhagavan dasselbe tut, wenn wir ihn um etwas Dringliches bitten.“
Bhagavan reagierte nicht darauf und vermied es, auf diese Frage zu antworten. Er sagte: „Deshalb hat Gott Angst, sich zu zeigen. Wenn Er erscheint, werden die Gläubigen Ihn bitten, ihnen Seine ganze Macht zu geben. Sie werden nicht nur sagen: „Gib uns alles“, sondern auch noch: „Gib es keinem anderen.“ Davor fürchtet Er sich und deshalb zögert Er, sich seinen Verehrern zu zeigen.“
Ein anderer Devotee: „Ist es mit den großen Seelen (Mahatmas) nicht dasselbe?“
Bhagavan: „Zweifelsohne. Wenn sie mit den Menschen nachsichtig sind, fangen die Leute an, ihre Macht über sie auszuspielen. Sie sagen: „Du sollst das tun, worum wir dich bitten“ und: „Kein anderer soll zu dir kommen“ usw.“
Devotee: „Es heißt, dass die Mahatmas auf alle mit derselben Güte blicken. Warum heißen sie dann die einen herzlich willkommen, geben den einen eine Antwort auf ihre Fragen, den anderen aber nicht, beschimpfen die einen und zeigen sich anderen gegenüber gleichgültig?“
Bhagavan: „Alle Kinder sind dem Vater gleich wichtig. Er wünscht ihnen allen Gutes. Deshalb behandelt er die einen mit Liebe, die anderen mit Ärger, wie sie es brauchen, und bildet sie dadurch aus. Kinder, die freundlich sind, sind ehrfürchtig und bitten um nichts. Man muss sie mit Liebe und Freundlichkeit behandeln und ihnen geben, was sie möchten. Die Frechen aber nehmen sich was sie wollen. Die Unsteten muss man tadeln und an ihren Platz verweisen. Die Dummen muss man ignorieren und sich selbst überlassen. Ebenso müssen die Mahatmas liebevoll oder barsch sein, wie es die Devotees verdienen.“
Tierliebe Top
Da lockte er die Äffin herbei. Sie kam und blieb neben dem Sofa stehen. Bhagavan gab ihr liebevoll alle Früchte, die sie wollte, und schickte sie dann fort.
Kurz darauf stolzierte der weiße Pfau majestätisch herein. Bhagavan sagte zu mir: „Sieh nur, die Ohren der Pfauen sind nicht sichtbar. Dort, wo normalerweise die Ohren sind, haben sie große Löcher, die von Federn verdeckt sind, die wie ein Fächer aussehen.“
Ich sagte: „Tatsächlich? Ich habe das nicht gewusst.“
Bhagavan: „Ich habe es entdeckt, als ich auf dem Berg lebte. Wir hatten damals zwei Pfauen. Der weibliche Pfau schlief immer auf meinem Schoß. Ich habe es bemerkt, als sie schlief. Der männliche Pfau kam mir nie so nahe. Er wanderte überall umher. Doch sie verließ mich nie und saß immer neben mir oder schlief in meinem Schoß. Sie war sehr zutraulich. Der Pfau rief sie, mit ihm zu kommen, aber sie war wie ein kleines Kind. Sie hat mich nie verlassen und ging nie mit ihm. Eines Tages nahm sie ein Bursche gewaltsam mit. Sie ist nicht mehr zurückgekehrt. Ich weiß nicht, was aus ihr geworden ist. Der männliche Pfau starb jedoch in meinem Schoß. Wir haben für ihn ein Grab gebaut.“
Was bedeutet Glück? Top
Als die Ärzte ihn nach dem Grund fragten, ging er einer direkten Antwort aus dem Weg und sagte, dass dieser Weizen madig sei. Wenn Bhagavan das wüsste, würde er darauf bestehen, ihn selber zu essen. Deshalb hätte er keine andere Wahl, als ihn den Tagelöhnern zu geben. Bhagavan erfuhr davon, als er vom Kuhstall zurückkehrte, und sagte erbittert: „So ist das also! Was für ein großartiger Dienst! Wir bekommen das gute Essen und das Essen, das aus dem schlechten Weizen zubereitet wird, erhalten die armen Tagelöhner! Bhagavan soll sich darüber wohl auch noch freuen, wenn er davon erfährt. Was für eine noble Tat, und alles nur wegen der Ergebenheit an Bhagavan! Was ist schändlicher, als wenn Essen, das für uns nicht taugt, an die Tagelöhner verteilt wird! Alle hier verhalten sich so. Genug mit dem Unsinn! Ich will keine Puris (Puri = Fladenbrot aus Vollkornmehl). Gib sie den Tagelöhnern. Wenn sie sie essen, ist es dann nicht dasselbe, als wenn ich sie esse?“
Ein Devotee meinte: „Wir wollen nur, dass Bhagavan gesund ist.“
Bhagavan: „Ja, ich weiß. Aber was ist Gesundheit und was ist Glück? Besteht Glück nur im Essen? Nehmen wir den Maharaja. Für ihn wird täglich reichhaltiges und schmackhaftes Essen gekocht, aber er ist immer krank und leidet an Verdauungsbeschwerden. Das Essen schmeckt ihm nicht. Er kann es nicht verdauen und hat Bauchweh. Er kann nicht schlafen, obwohl er ein gutes Bett mit Seidenvorhängen und weichen Kissen hat. Was nützt es ihm? Er macht sich stets über etwas Sorgen. Ein Tagelöhner ist glücklicher als dieser König. Er isst und trinkt, wie er es sich leisten kann, und schläft fest und unbekümmert. Da er im Schweiße seines Angesichts arbeitet, hat er einen ordentlichen Appetit und es schmeckt ihm, auch wenn er nur Brei zu essen hat. Er hat nichts, das er für den nächsten Tag beiseite legen könnte, und muss sich nicht um die sichere Aufbewahrung seiner Habe kümmern. Er legt sich unter einen Baum und schläft tief und fest.“
Devotee: „Aber er denkt nicht, dass er ein glücklicher Mensch ist.“
Bhagavan: „Das ist das Problem mit der Welt. Derjenige, der unter einem Baum schläft, bedauert, dass er nicht die Annehmlichkeiten eines Palastes oder Hauses hat. Aber er ist der wahrhaft Glückliche. Ich habe einmal einen Tagelöhner beobachtet. Er hat bis zur Mittagszeit Erde geschaufelt und hart gearbeitet. Er hat heftig geschwitzt, wurde müde und hungrig. Er hat sich die Hände, Füße und das Gesicht gewaschen, sich auf einen Stein gesetzt und sein Gefäß mit Essen geöffnet. Es enthielt gekochten Reis mit etwas Suppe. Er hat es sehr genossen. Nichts davon blieb übrig. Dann wusch er das Gefäß aus, trank Wasser und schlummerte unter einem Baum, mit einem Arm als Kissen unter dem Kopf. Ich empfand, dass er ein wahrhaft glücklicher Mensch war. Wenn du isst, um zu leben, gibt alles dir Kraft. Doch wenn du lebst um zu essen, wirst du krank.“
Devotee: „Was Bhagavan sagt ist wahr, aber ein Maharaja bedauert, dass er kein Kaiser ist und der Kaiser, dass er nicht die oberste Gottheit ist. Sie glauben nicht, dass ein Tagelöhner glücklicher ist.“
Bhagavan: „Das ist die Illusion. Wenn sie das wahre Gespür hätten, würden sie verwirklicht werden. Ich kenne beides. Ich weiß, was dieses Glück bedeutet. Um die Wahrheit zu sagen: Das Glück, das ich in der Virupaksha-Höhle erlebt habe, wenn ich nur aß, wenn jemand mir etwas brachte, und auf der nackten Plattform schlief, habe ich hier nicht mit all dem luxuriösen Essen, das ich jetzt bekomme. Dieses Bett und diese Kissen, das alles bedeutet Bindung.“
Wo ist der Swami? Top
Ich fragte: „Stimmt es, dass während du die Plattform bautest, ein Fremder kam und dich fragte, wo der Swami sei und du ihm geantwortet hast, der Swami sei ausgegangen?“
Bhagavan sagte lachend: „Woher weißt du das?“ Ich sagte, dass ich es von Echammal wisse. Da erzählte Bhagavan uns die Geschichte:
„Ich legte gerade die Steine zurecht, bereitete den Lehm vor und baute die Plattform, als ein Fremder kam und mich fragte: „Wo ist der Swami?“ Da außer mir keiner da war, erwiderte ich: „Der Swami ist gerade weggegangen.“ Er fragte: „Wann kommt er zurück?“ Ich antwortete: „Das weiß ich nicht.“ Da er fürchtete, es könnte lange dauern, ging er den Berg wieder hinunter. Unterwegs traf er Echammal, die gerade heraufkam. Sie frage ihn, woher er käme und er erzählte es ihr. Sie bat ihn, sie zu begleiten und sagte, sie würde ihm den Swami zeigen. Echammal kam mit ihm herauf, stellte das Essen in der Höhle ab, verneigte sich vor mir und sagte zu dem Fremden: „Das ist der Swami.“ Der Mann war verblüfft, verneigte sich vor mir und sagte dann zu ihr: „Er also ist der Swami? Als ich vor einer Weile hier war, baute er an einer Plattform. Ich wusste nicht, wer er war, und fragte ihn, wo der Swami sei, worauf er erwiderte, dass der Swami ausgegangen sei. Ich habe es ihm geglaubt und bin umgekehrt.“ Da neckte Echammal mich, weil ich ihn getäuscht hatte. Ich erwiderte: „Du willst also, dass ich mir ein Schild um den Hals hänge, auf dem steht: „Ich bin der Swami?“
Devotee: „Ich habe gehört, dass du das noch öfter getan hast, selbst als du dich hier in diesem Ashram niedergelassen hast.“
Bhagavan: „Ja, das stimmt. Damals gab es noch nicht viele Gebäude, sondern nur diese Halle, in der wir jetzt sitzen. Ursprünglich war es eine Küche mit einem Kamin. Shanmugam Pillai und andere Devotees wollten unbedingt eine Halle, damit Bhagavan darin sitzen konnte, und beschlossen, dass die Küche warten musste. Der Kamin war schon fertig. Er wurde demontiert und das Gebäude wurde in diese Halle umgebaut. Zwischen der Halle und dem Tempel der Mutter gab es eine überdachte Hütte, die als Küche diente, und daneben ein Lagerraum, der eine weitere überdachte Hütte war.
Wir standen immer frühmorgens auf und schnitten das Gemüse. Als ich einmal Gemüse schnitt, ließ ich die Tür des Lagerraums offen. Alle anderen machten gerade Besorgungen. Zwei oder drei Leute, die den Berg umrundeten, kamen vorbei und suchten mich in der Halle. Da mein Sofa leer war, kamen sie zum Lagerraum. Es waren Leute, die den Ashram oft besuchten. Ich hatte meinen Kopf mit einem Leintuch bedeckt und schnitt Gemüse. Mein Gesicht war nicht sichtbar. Sie fragten mich: „Herr, der Swami sitzt nicht auf seiner Couch. Wo ist er?“ Ich erwiderte, er sei gerade weggegangen, würde aber bald wiederkommen. Sie wollten nicht warten, da es sonst zu spät für sie werden würde, den Berg zu umrunden. Jemand hatte das mitbekommen und fragte mich, warum ich sie falsch informiert hätte. Aber was hätte ich tun sollen? Hätte ich ihnen sagen sollen, dass ich der Swami bin?
Solche Vorfälle gab es öfter.“
Als ich diese Geschichte einem Devotee gegenüber erwähnte, der schon in den Anfangszeiten im Ashram lebte, erzählte er: „Das ist noch nicht alles. Du kennst ja Dandapaniswami. Er trug ein ockerfarbenes Gewand [115], war korpulent, hatte einen dicken Bauch und eine laute Stimme. Bhagavan sagte, es wäre gut, ihn während des Kartikai-Festes am Eingang zu postieren, damit die Menschenmassen ihn für den Swami hielten, sich vor ihm verneigten und wieder gingen, ohne ihn zu belästigen. Bhagavan war immer darauf bedacht, die Öffentlichkeit zu meiden.“
[115] das Gewand eines Sannyasin
Astrologie Top
Bhagavan: „So lange du das Gespür hast, ein unabhängiges individuelles Ich zu sein, ist das alles wahr. Wenn aber der Egoismus vernichtet wird, ist das alles unwahr.“
Frager: „Heißt das, dass die Astrologie bei denen, deren Ego zerstört ist, nicht recht hat?“
Bhagavan: „Wer sagt das? Nur wenn es einen Sehenden gibt, gibt es auch das Sehen. Jene, deren Egoismus vernichtet ist, sehen nicht, selbst wenn es so aussieht, als ob sie sehen würden. Das Fenster steht offen, doch es muss einen geben, der sieht. Sieht das Fenster irgendetwas?“
Frager: „Wenn das Ego nicht da ist, wie kann dann der Körper weiter funktionieren?“
Bhagavan: „Der Körper ist unser Haus. Du kümmerst dich um dieses Haus nur, solange du es bewohnst. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir es nur so lange bewohnbar machen, als wir in ihm wohnen. Wir dürfen das Wissen, dass das Haus nicht das Selbst ist, nie aufgeben. In dem Augenblick, in dem man das vergisst, taucht das Ego-Gefühl wieder auf und die Probleme beginnen. Deshalb erscheint alles in der Welt wirklich. Die Vernichtung dieses Gefühls bedeutet die Vernichtung des Egos. Wenn dieses Ego vernichtet ist, ist nichts in dieser Welt mehr wirklich. Was geschehen soll, geschieht und was nicht geschehen soll, geschieht nicht.“
Frager: „Wenn das so ist, warum müssen wir dann Gutes tun?“
Bhagavan: „Wenn wir etwas Gutes tun, sind wir glücklich. Deshalb heißt es, dass man Gutes tun soll.“
Frager: „Ja, und deshalb sagen die Alten, dass Sorge etwas Beigefügtes ist.“
Bhagavan: „Ja, so ist es. Nur das Glück ist natürlich. Jedes Lebewesen möchte glücklich sein, denn es ist von Natur aus die Verkörperung des Glücks. Alle spirituellen Bemühungen (Sadhana) haben ihren Zweck, dieses beigefügte Leid zu überwinden. Wenn man Kopfweh hat, muss man es loswerden, indem man Arznei nimmt. Beulen und andere körperliche Krankheiten werden vom Arzt behandelt. Sorgen, die durch Schwierigkeiten entstehen, können durch Sadhana überwunden werden. Der Körper selbst ist eine Krankheit. Seine Wurzel ist Unwissenheit. Wenn für diese Unwissenheit die Medizin namens Jnana verabreicht wird, sind damit auch alle anderen Krankheiten sofort verschwunden.“
Frager: „Kann unser Sadhana sofort Erfolg haben?“
Bhagavan: „Manchmal wirkt es sofort und manchmal nicht. Es hängt von der Intensität des Sadhanas ab. Wenn man mit großer Intensität gute oder schlechte Taten vollbringt, zeigt sich das Ergebnis sofort. Andernfalls zeigt es sich erst allmählich. Doch die Ergebnisse stellen sich auf jeden Fall ein. Es geht nicht anders.“
Das Leben auf dem Berg Top
„Von allen Möglichkeiten, die Befreiung zu erlangen, ist die Erkenntnis die einzig direkte. Sie ist so essentiell wie das Feuer zum Kochen. Ohne sie kann man keine Befreiung erlangen.“
Ich zitierte diesen Vers, erklärte ihnen die Bedeutung und hielt sie bei Laune.“
Jemand fragte: „Was bedeutet dieser Vers?
Bhagavan: „Er bedeutet, dass du ohne Erkenntnis (Jnana) keine Befreiung (Moksha) erlangen kannst genauso wenig wie du ohne Feuer kochen kannst.“
Jemand fragte: „Was geschah dann weiter?“
Bhagavan: „Jemand hatte anscheinend durch einen Gras-Schneider, der mit einer Ladung Gras auf dem Heimweg war, Palaniswami Bescheid gegeben. Palaniswami gab einem der Holzfäller eine Streichholzschachtel für uns mit. Wir konnten Feuer machen, kochen und essen.
Ihr wisst ja, wie wir damals gekocht haben. Reis, Dhal und Gemüse wurden in einen Topf gegeben und zusammen gekocht. Wir fügten etwas Salz hinzu und machten einen Eintopf. Nach dem Essen ruhten wir uns aus und machten uns dann zum Berggipfel auf. Unterwegs erklärte ich ihnen den Vers weiter. Als wir oben waren, sagte ich: „Ihr seht, wie viele Schwierigkeiten wir überwinden mussten, um hier heraufzukommen. Zuerst sind wir ein Stück gegangen, dann mussten wir aus vielen Zutaten etwas zu essen kochen, bevor wir weitergehen konnten. Wir hatten kein Feuer und konnten nichts ausrichten. Genauso mögt ihr alles aus der Lehre kennen, aber ohne dass ihr es versteht, kann es keine reife Erkenntnis geben. Mit diesem Feuer der Erkenntnis müssen alle weltlichen Dinge vermischt und hinuntergeschluckt werden, um den höchsten Zustand zu erlangen.“
Wir kehrten noch vor Einbruch der Nacht zur Höhle zurück. In jenen Tagen war es für uns nicht schwer oder ermüdend, auf den Gipfel des Berges zu steigen. Wir gingen, wann immer uns danach war. Wenn ich heute daran denke, frage ich mich, ob ich überhaupt jemals auf diesem Gipfel war.“
Ich fragte: „Stimmt es, dass Echammal und andere dich auch begleitet haben?“
„Ja, sogar die alte Frau Mudaliar Patti war dabei. Beide brachten mir täglich zu essen. Sie hörten nicht auf meine Einwände. Selbst wenn ich ihnen aus dem Weg ging, spürten sie mich auf.“
[116] ein Hauptwerk Shankaras, das Ramana in Tamil übersetzt hat
Spielen mit den Kindern Top
Ich sagte: „Jede Gewohnheit wurzelt in der Familientradition.“
Bhagavan: „So ist es. Mahadeva hat sich seither sehr verändert. Ich habe oft mit ihm gesprochen. In der Zeit, als ich in der Mangobaum-Höhle lebte, lud Nayana alle seine Verwandten und Freunde in den Pachiamman-Schrein ein, wo er sein Umasahasram vorlesen wollte. [117] Auch seine Familie kam. Damals war Madava acht Jahre alt. Ich fragte ihn, ob er sich an mich erinnerte. Er antwortete nicht und ging spielen.
Kurz darauf kamen Leute zu mir. Sie erzählten, dass sie schon einmal hier gewesen seien und fragten mich, ob ich mich an sie erinnerte. Da ich das nicht tat, schwieg ich. Ich weiß nicht, wie Mahadeva diesen Vorfall mitbekam, aber als sie fort waren, kam er angerannt und fragte: „Swami, was haben diese Leute dich gefragt?“ Ich sagte es ihm. Da erklärte er prompt, dass er sich auch nicht an mich erinnern konnte. Ich war amüsiert.
Als ich eines Tages im Wasserspeicher beim Pachiamman-Schrein von einem Ende zum anderen schwamm, setzte ich Mahadeva auf meinen Rücken. Auf halbem Weg begann er mich niederzudrücken und rief: „Aha, Hai!“, wie die Fahrer der Ochsenkarren ihre Tiere anfeuern. Ich war müde und es sah so aus, als ob wir beide untergehen würden. Ich war natürlich sehr besorgt, dass ihm nichts geschah und irgendwie gelang es mir, die andere Seite zu erreichen.“
Ein Devotee fragte, ob es stimme, dass Bhagavan und Nayana im Pandava-Wasserspeicher schwammen.
Bhagavan: „Ja, das war auch damals. Wir schwammen um die Wette. Es machte großen Spaß.“
Ein anderer Devotee: „Du hast auch mit den Kindern Murmeln gespielt, nicht wahr?“
Bhagavan: „Ja, auch das war in der Zeit, als wir in der Viupaksha-Höhle lebten. Die Löcher, die wir dafür gruben, müssen immer noch da sein. Die Kinder brachten manchmal Süßigkeiten mit, die wir uns teilten. Zu Dipavali (Lichterfest) brachten sie Knaller mit, die wir zusammen abfeuerten. Es war sehr unterhaltsam.“
[117] s. a. Brief vom 30.04.48
Vom Umgang mit Weisen Top
20.10.48: Gestern Nachmittag kam eine ältere Frau mit ihren Kindern und Enkeln zu Bhagavan. Bhagavan sagte lächelnd: „Kanthi, bist du das? Ich dachte es sei jemand anderer.“ Sie begrüßte Bhagavan auf vertraute Weise und stellte ihm ihre Nachkommen vor. Dann verneigte sie sich vor ihm und setzte sich zu den Frauen. Bhagavan sagte zu mir: „Kennst du sie?“ Ich verneinte. Da erzählte er folgendes:
„Sie, Echammals Nichte Chellamma, Rameswara Iyers Tochter Rajamma und einige andere waren noch Kinder, als ich auf dem Berg lebte. Sie kletterten oft zu mir herauf. Manchmal brachten sie ihre Puppen mit und spielten Puppenhochzeit oder sie brachten Reis und Dhal etc., kochten und gaben mir etwas von ihren Zubereitungen ab. Sie kamen, wenn immer ihnen danach zumute war. Sie waren damals noch Kinder und unabhängig. Heute hat sie eine große Familie und kann nicht mehr kommen, wenn sie möchte. Da sie schon lange nicht mehr da war, habe ich sie fast nicht mehr erkannt.
Eines Tages kam Chellamma mit einem Zettel zu mir. Als ich ihn neugierig las, fand ich darauf folgenden Vers: „Wenn man Umgang mit Weisen pflegt, wozu muss man dann noch all die Regeln der Selbstzucht einhalten? Sag mir, wozu ist der Fächer da, wenn der kühle Südwind bläst?“ [118]
Ich übersetzte den Vers ins Tamil. Er wurde später als 3. Vers in den Anhang zu den „Vierzig Versen“ eingefügt.
Ich fragte: „Wie ist Chellamma an diesen Zettel gekommen und warum hat sie ihn dir gebracht?“
Bhagavan: „Echammal hat immer wieder gefastet. Chellamma hatte begonnen, mit Echammal zu fasten, aber sie war noch ein Kind und litt sehr darunter. Echammal ließ mir durch sie das Essen bringen. An einem Karthikai-Tag brachte sie mir Essen, obwohl sie selbst an diesem Tag fastete. Wie konnte ich essen, wenn sie nichts zu sich nahm? Ich sagte zu ihr, sie sollte nicht fasten, da sie zu jung sei, und überredete sie, etwas zu essen.
Als sie am nächsten Tag mit Essen den Berg hochkam, fand sie diesen Zettel. Da ein Sanskritvers darauf stand, brachte sie ihn mir. Ich sagte zu ihr: „Sieh mal, er sagt genau dasselbe, war ich dir gestern gesagt habe.“ Sie fragte nach der Bedeutung. Da übersetzte ich den Vers ins Tamil und erklärte ihn ihr. Darauf gab sie das Fasten auf. Sie hatte zu mir großes Vertrauen. Als sie erwachsen war, schrieb sie immer zuerst die Worte „Sri Ramana“, bevor sie etwas aufschrieb. Als sie starb [119], war es für die anderen, als ob sie eine Schwester verloren hätten.“
Ein Devotee sagte: „Es heißt, dass Bhagavan tief betrübt war, als er die Nachricht von ihrem Tod erhielt.“
Er bestätigte das und schwieg.
[118] ein Vers aus dem Yoga Vasishta
[119] Chellamma starb kurz nachdem sie ihr erstes Kind geboren hatte.
Bhagavans Füße Top
Ich fragte: „Anscheinend hat Rama Naicker, der Wächter des Gartens, ihn nicht hereingelassen.“
Bhagavan: „Ja, deshalb hat er eine Notiz für mich geschrieben. Doch er hatte keinen Stift dabei. Was konnte er machen? Er nahm einen Zweig des Niembaums, spitzte sein Ende zu, pflückte eine reife Beere, schnitt sie auf und tauchte den Zweig in den roten Saft. Damit schrieb er seine Notiz. Als man ihn zu mir ließ, musste er begreifen, dass ich ihn nicht begleiten wollte.
Daraufhin bemerkte er im benachbarten Garten einen Gelehrten, der vor einer kleinen Versammlung einen Vortrag über irgendein Buch hielt und fragte ihn, was er von mir hielte. Er sagte: „Dieser Junge sitzt nur da. Er weiß nichts und hat nur eine grobe Vorstellung von Philosophie.“ Mein Onkel war natürlich besorgt, da ich noch jung war, nichts gelernt hatte und vielleicht nur ein Nichtsnutz war. Also bat er den Herrn, ein Auge auf mich zu haben und mir nach Möglichkeit etwas beizubringen.
Der Gelehrte glaubte lange, dass ich nichts wisse und versuchte ein- oder zweimal, mir etwas beizubringen, aber ich habe mich nicht darum gekümmert. Später, als ich den Vortrag über das Gita Saram im Eesanya Math hielt, war er auch dort. Er sprach mit mir über verschiedene Themen und als er meine Erklärungen und Ausführungen zur Gita hörte, sagte er: „Du bist ein großer Mann und ich dachte, du bist ungebildet.“ Dann verneigte er sich plötzlich vor mir und ging.
Nelliappa Iyer war lange über meinen Mangel an Bildung traurig. Er besuchte mich noch zweimal, als ich in der Virupaksha-Höhle wohnte. Bevor er kam, hatte ich noch mit jemandem gesprochen. Als ich jedoch von seiner Ankunft erfuhr, schwieg ich, da ich vor einem Älteren nichts sagen wollte. Aber beim zweiten Mal kam er unerwartet. Einige Leute wollten, dass ich ihnen das Dakshinamurti Stotram erklärte und ich hatte mit den Ausführungen begonnen. Normalerweise saß ich mit dem Gesicht zur Tür, aber an diesem Tag saß ich andersherum und sah ihn nicht kommen. Er kam schweigend herein und hörte mir zu. Ich wusste nichts von seiner Anwesenheit und fuhr mit meinen Erklärungen fort. Nachdem er mir zugehört hatte, wusste er, dass sein Neffe kein einfältiger Mensch war, dass er sehr wohl Bescheid wusste und er sich künftig keine Sorgen mehr machen musste. Er ging tief befriedigt weg. Das war sein letzter Besuch. Er kam nicht wieder. Wenige Tage später starb er.“
Bhagavans Stimme zitterte, als er das erzählte.
[120] Ramana war wenige Monate nach seinem Todeserlebnis in Madurai heimlich von Zuhause weggelaufen und hatte sich im Tempel von Tiruvannamalai und später auf dem Arunachala niedergelassen. Seine Familie wusste lange nicht wo er war, bis sie fast zwei Jahre später Kunde von seinem Aufenthaltsort (Mangohain bei Gurumurtam) bekam. Nelliappa Iyer, der ältere Onkel väterlicherseits, sollte ihn aufspüren und wieder nach Hause bringen; s. a. Ebert: Ramana Maharshi: Sein Leben, S. 51-53
Besuch des Oberhaupts des Math in Puri Top
Etwa eine halbe Stunde lang verharrten beide absolut still und Bhagavans Gesicht erstrahlte. Da sagte plötzlich jemand: „Es wäre gut, wenn jemand jetzt ein Foto machen würde.“ Die Stille war zerstört. Der Acharya stand auf, verabschiedete sich und ging in seine Unterkunft zurück.
[121] Acharya = religiöser Lehrer
Das Oberhaupt des Math in Sivaganga Top
Devotee: „Hat er Bhagavan Fragen gestellt?“
Bhagavan: „Was gab es für ihn zu fragen? Er war ein weiser Mann und ein Gelehrter. Als er mich sah, sagte er zu jemand in seiner Nähe: „Wenn jemand glücklich ist, dann ist es Ramana.“
Devotee: „Lebte er damals auch in Tiruvannamalai?“
Bhagavan: „Nein. Es war ein Treffen. Er kam mit seinen Schülern in die Stadt, wohnte in der Pilgerherberge und lud mich dorthin ein. Ich sagte, dass ich so eine Ehre nicht verdiente, da ich nicht gelehrt genug sei und lehnte die Einladung ab. Da machte er sich mit seinen Schülern und mit einem großen Tablett, auf dem ein spitzenverzierter Schal und 116 Rupien lagen, auf den Weg zu mir. [123] Ich kam gerade vom Mulaipal-Wasserspeicher zurück und wir trafen uns auf halbem Weg zur Höhle. Er stellte das Tablett vor mich hin und bat mich, es anzunehmen, aber ich lehnte ab. Schließlich nahm er das Geld zurück. Er meinte, der Schal könnte mir im Winter nützlich sein und überredete mich, wenigstens ihn anzunehmen. Da ich nicht alles ablehnen konnte, nahm ich den Schal an. Später machte ich die Spitze ab, ließ den Rand einsäumen und benutzte ihn. Die Spitze war bis vor kurzem noch hier. Er war schon sehr betagt und starb wenige Tage später.“
Devotee: „Ein Oberhaupt des Math in Sringeri hat dich nie besucht?“
Bhagavan: „Nein. Narasimha Bharathi versuchte mehrmals herzukommen, aber es gelang ihm nie. Er hat immer nach mir gefragt.“
Devotee: „Warum konnte er nicht kommen?“
Bhagavan: „Er war das Oberhaupt eines Math und vielen Regeln unterworfen. Zudem lassen die Leute einen meist nicht gehen. Sieh doch bloß meine eigene Lage. Sie haben ein Gitter um mich errichtet. Obwohl es aus Holz ist, ist es doch wie im Gefängnis. Ich darf meinen Bereich nicht verlassen. Es sind Leute dafür abgestellt, mich zu bewachen und sie wechseln sich dabei ab. Ich kann mich nicht frei bewegen. Sie sind da, um es zu verhindert. Der eine löst den anderen ab. Was ist der Unterschied zur Polizei, außer dass sie keine Uniform tragen? Wir sind in ihrem Gewahrsam. Selbst wenn ich austreten muss, müssen sie mich begleiten und bewachen und mein Ausgang folgt einem strengen Stundenplan. Wenn jemand mir etwas vorlesen oder mit mir reden möchte, muss er zuerst die Erlaubnis vom Büro einholen. Wie nennt man das alles? Was ist der Unterschied zu einem Gefängnis? Für das Oberhaupt eines Math ist es dasselbe. Dieses Amt ist auch eine Art Gefängnis. Was kann der arme Mensch tun?“
Devotee: „Vielleicht wird deshalb Ishwara auch als „Gefangener seiner Devotees“ bezeichnet?“
Bhagavan: „Ja, so ist es. Wenn schon ein Swami diese Schwierigkeiten hat, wie viel mehr dann erst Ishwara? Er muss auf alle Bitten antworten, egal unter welchem Namen man ihn anruft. Er muss in der Gestalt erscheinen, in der die Verehrer ihn bitten zu erscheinen. Er muss dort sein, wo sie ihn haben wollen. Wenn man ihn bittet, auf der Stelle zu verharren, dann muss er stehen bleiben wo er ist. Wenn er so von anderen abhängig ist, welche Freiheit hat er dann noch?“
[122] dieser Math gehört zum Math von Sringeri
[123] Es ist üblich, dass das Oberhaupt eines Maths Gelehrte mit Geld, Schals, Titeln und ähnliches beschenken.
Einweihung Top
Als er fort war, kam ein alter Brahmane mit einem Bündel. Er kam mir bekannt vor. Man konnte es dem Bündel ansehen, dass es Bücher enthielt. Er legte das Bündel ab und bat mich wie ein alter Vertrauter: „Swami, ich bin gerade erst angekommen. Ich hatte noch keine Gelegenheit zu baden. Es ist keiner da, der auf das Bündel aufpassen würde, deshalb lasse ich es bei dir.“ Damit ging er wieder. Ich weiß nicht warum, aber sobald er fort war, überkam mich der Wunsch, das Bündel zu öffnen und mir die Bücher anzusehen. Ich öffnete es und mir fiel das „Arunachala Mahatmyam“ in Sanskrit in die Hände. Ich wusste nicht, dass es von diesem Buch auch eine Sanskritausgabe gab. Ich war überrascht, öffnete das Buch und fand folgenden Vers, in dem Ishwara sagt: „Wer innerhalb eines Radiums von 24 Meilen beim Arunachala wohnt, erlangt die Befreiung, selbst wenn er keine Einweihung hat.“
Als ich diesen Vers las, wusste ich, dass ich dem Gelehrten eine angemessene Antwort geben konnte, indem ich ihn darauf verwies und schrieb ihn mir eilig ab, da er jeden Augenblick zurückkommen konnte. Dann legte ich das Buch zurück und verschnürte das Bündel wieder.
Als der Gelehrte am Abend wiederkam, zeigte ich ihm den Vers. Da er gelehrt war, bedrängte er mich nicht weiter, sondern grüßte mich ehrerbietig und ging. Er erzählte alles Narasimha Bharathi (dem Oberhaupt des Math). Narasimha Bhagathi schämte sich für das, was sein Schüler getan hatte und befahl, alle künftigen Bemühungen in dieser Richtung einzustellen.
Ich übersetzte den Vers ins Tamil. Er ist jetzt der Eröffnungsvers der „Fünf Verse Aruanchala zu Ehren“ (Arunachala Sthuthi Panchakam).
Viele Leute versuchten mich zu bekehren. Solange es nur Gerede war, sagte ich: „Ja, ja“, aber ich habe nie irgendeiner Einweihung zugestimmt. Ich habe immer eine List gefunden, dem zu entkommen. So ist es auch mit den Versen, die ich geschrieben habe. Ich habe keinen einzigen aus eigenem Antrieb verfasst. Jemand hat mich etwas gefragt und ich schrieb aus irgendeinem inneren Drang heraus. Das ist alles.“
Devotee: „Hinter diesem Vers steckt so eine lange Geschichte.“
Bhagavan: „Ja. Hinter jedem Vers steckt eine Geschichte. Wenn man sie alle niederschreiben würde, würde es ein großes Buch geben.“
Ich meinte: „Wenn Bhagavan einverstanden ist, kann man das alles aufschreiben.“
Bhagavan sagte: „Hast du nichts anderes zu tun?“ und änderte das Thema.
Devotee: „Ist der Brahmane, der das Bündel gebracht hat, zurückgekommen?“
Bhagavan: „Ich erinnere mich nicht daran. Jedenfalls war das Bündel später nicht mehr da. Ich habe bekommen, was ich wollte. Genügt das nicht?“
Devotee: „Das würde bedeuten, dass der Herr Arunachala selbst in dieser Gestalt gekommen ist.“
Bhagavan nickte nur und schwieg.
Übersinnliche Wahrnehmungen vom Arunachala Top
15.01.1949: Heute war ich bereits um 2 Uhr nachmittags in der Halle. Es waren nur die Gehilfen und einige langjährige Devotees da. Bhagavan sprach mit ihnen über verschiedene Themen. Da sagte einer der Devotees zu Bhagavan: „Du hast uns einmal erzählt, dass du auf dem Arunachala große Tempel, Gärten und ähnliches gesehen hast. War das in der Zeit, als du auf dem Berg lebtest?“
Bhagavan: „Ja, vermutlich als ich in der Virupaksha-Höhle lebte. Als ich einmal die Augen schloss, kam es mir so vor, als ob ich auf dem Berg in nordöstliche Richtung spazieren ginge. Da waren ein schöner Blumengarten, ein großer Tempel mit einer schönen Umfassungsmauer und eine große Statue von Nandi. Alles war in ein seltsames Licht getaucht, das sehr angenehm war. Dann läutete die Glocke zur Puja und ich öffnete die Augen.“
Devotee: „Bhagavan hat uns erzählt, dass es dort auch eine große Höhle gab.“
Bhagavan: „Ja, auch das sah ich, als ich auf dem Berg lebte. Ich wanderte ziellos auf dem Berg umher. Da fand ich eine große Höhle. Als ich sie betrat, sah ich Wasserfälle und Wasserspeicher in wundervollen Gärten. Es gab dort schöne Wege, alles war in angenehmes Licht getaucht und sehr schön. Ich ging immer weiter und sah einen Verwirklichten (Siddha Purusha), der wie Dakshinamurti am Ufer eines Wasserspeichers unter einem Baum saß. Viele Heilige saßen bei ihm. Sie fragten ihn etwas und er antwortete ihnen. Der Ort kam mir sehr vertraut vor. Da öffnete ich die Augen.
Als ich wenig später im Arunachala Puranam las, fand ich den Vers, in dem der Herr Shiva diese Höhe und den Siddha Purusha beschreibt. Ich war erstaunt, dass ich das, was ich gesehen hatte in diesem Buch fand. Dort heißt es: „Obwohl du (Arunachala) ursprünglich die Gestalt von Feuer hast, hast du die Gestalt eines Berges angenommen, um die Menschen zu segnen. Du lebst hier in Gestalt eines Siddha (Verwirklichten). Die Höhle mit allem Luxus der Welt ist in dir verborgen.“
Kürzlich wurde der Adi-Annamalai-Tempel [124] renoviert. Dabei wurde im Allerheiligsten ein langer Tunnel entdeckt. Er scheint zum Mittelpunkt des Berges zu führen. Sie konnten jedoch nicht weit vordringen. Da dachte ich, dass das, was ich gesehen habe und was in dem Puranam steht der Wahrheit entspricht und dass der Tunnel zu dem Ort führt, den ich gesehen habe. Es heißt, dass Siddha Purushas jede Nacht durch den Tunnel zum Tempel kommen, um Ishwara zu verehren. Kürzlich habe ich so etwas beobachtet. Als ich wie üblich auf dem Berg spazieren ging, erschien mir eine große Stadt mit großen Gebäuden, guten Verkehrsstraßen, alles gut beleuchtet. Auf einem Platz fand ein Treffen statt. Auch Chadwick war bei mir. Er sagte gerade: „Bhagavan, es ist alles so augenscheinlich, doch wer wird uns glauben, wenn wir sagen, dass alles nur ein Traum ist?“ Alles war so deutlich, als ob es wirklich geschehen würde, bis ich die Augen öffnete.
Devotee: „War das alles wirklich nur ein Traum?“
Bhagavan: „Ich weiß es nicht. Was ist schon wirklich?“
[124] Der Annamalai-Tempel liegt auf der Pradakshina-Straße auf der Nordseite des Arunachala und ist der älteste Tempel am Arunachala, sogar älter als der Arunachaleswara-Tempel.
Das große Selbst Top
16.01.1949: Vor einigen Tagen kam ein amerikanischer Jugendlicher. Da er fotografieren wollte, brachten die Leute den Elefanten von der Tausendsäulenhalle im Arunachaleswara-Tempel zum Ashram. Der Amerikaner machte ein Foto, als Bhagavan neben dem Elefanten stand und ihn fütterte.
Gestern zeigte jemand Bhagavan das Foto. Alle Anwesenden betrachteten es neugierig. Etwas stand auf der Rückseite des Bildes und die Leute tuschelten darüber. Da ich sie nicht verstehen konnte, fragte ich Bhagavan leise.
Bhagavan: „Es ist nichts Besonderes. Auf der Rückseite des Fotos steht: „Ein großes Selbst, das den Körper nicht kennt und ein großer Körper, der das Selbst nicht kennt am selben Ort.“
Devotee: „Was bedeutet das?“
Bhagavan: „Das ist leicht. Obwohl der Elefant so einen großen Körper hat, kennt er das Selbst nicht. Wie viel man ihm auch zu fressen gibt, er ist unzufrieden und trompetet unablässig. Vielleicht heißt es deshalb, dass er ein großer Körper ist, der das Selbst nicht kennt. Ich stand mit einem gebrechlichen Körper neben ihm. Vielleicht meinten sie deshalb, dass ich das Große Selbst sei, das den Körper nicht kennt.“
Devotee: „Das stimmt. Bhagavan ist immer über seinen Körper unbekümmert.“
Bhagavan: „Ja. Chintha Dikshitulu hat geschrieben, dass ich wie eine Statue im Madraser Museum bin und Souris sagt, ich sei wie eine Puppe aus Zelluloid. Die Leute sagen das eine oder andere.“
In den frühen Jahren saß Bhagavan im Tempelbereich des Aruanchaleswara-Tempels unter einem Madhuca-Baum, im Blumengarten, im Lagerraum der Tempelwagen oder anderswo, ohne sich um seinen Leib zu sorgen. Die Leute, die an ihm vorbeikamen, sagten: „Er sitzt dort wie ein Schwachsinniger. Er muss ein verrückter Junge sein.“ Und sie beachteten ihn nicht. Bhagavan hat uns mehrmals erzählt, dass es ihn amüsiert habe und dass er sich wünschte, diese Verrücktheit würde alle Menschen befallen.
Als Kunjuswami Bhagavan als Gehilfe diente, beobachtete er, dass Bhagavan zitterte und taumelte. Als einmal nur enge Schüler anwesend waren, fragte er Bhagavan: „Bhagavan, du bist erst in den mittleren Jahren. Es ist seltsam, dass du immer zitterst und einen Gehstock brauchst. Was ist der Grund dafür?“ Bhagavan antwortete: „Was ist daran so seltsam? Wenn ein großer Elefant in einer kleinen Hütte angebunden ist, wird dann mit dieser Hütte nicht alles Mögliche passieren? Hier ist es dasselbe.“
Kundalini-Shakti Top
Frager: „Es heißt, dass diese Shakti sich in 5, 10, 100 oder 1000 Stufen manifestiert. Was davon ist wahr?“
Bhagavan: „Sie hat nur eine Stufe. Wenn man sagt, sie manifestiere sich in mehreren Stufen, ist das nur ein Gerede. Es gibt nur eine Shakti.“
Frager: „Einige sagen, um das Selbst zu verwirklichen muss man sich auf das Herzchakra konzentrieren, andere sagen auf das Kronenchakra und wieder andere auf das Wurzelchakra. Welches Chakra ist das wichtigste?“
Bhagavan: „Alle sind wichtig. Das Selbst ist überall im Körper. Manche sagen, man soll es im Wurzelchakra erkennen, andere im Herzchakra und wieder andere im Kronenchakra. Es ist immer dasselbe. Aber für alle gilt, dass der Ort der Geburt und des Vergehens im Herzen ist.“
Frager: „Kann ein Jnani nur denen helfen, die seinen Weg gehen, oder auch jenen, die andere Wege gehen?“
Bhagavan: „Er kann jedem helfen, egal welchen Weg er geht. Nimm einmal an, da ist ein Berg und es gibt viele Pfade, um auf seinen Gipfel zu gelangen. Wenn der Jnani den Menschen sagt, sie sollen seinen Weg gehen, werden einige ihn mögen und andere nicht. Wenn man jenen, die ihn nicht mögen sagt, sie können nur diesen einen Weg nehmen, werden sie überhaupt nicht auf den Gipfel kommen. Also hilft der Jnani den Menschen auf jedem Pfad, egal welcher es ist. Menschen, die auf halbem Weg sind, können die Vor- und Nachteile der anderen Wege nicht abschätzen, aber jemand, der den Gipfel erklommen hat und von dort aus die anderen beobachtet, wie sie hochkommen, kann alle Wege einschätzen. Er ist in der Lage den Menschen zu sagen, mehr auf diese oder jene Seite zu gehen und Tücken zu vermeiden. Das Ziel ist für alle dasselbe.“
Der junge Mann war mit den Antworten Bhagavans nicht zufrieden und fing wieder damit an, über Kundalini Shakti Fragen zu stellen. Bhagavan kümmerte sich nicht mehr darum, aber als er nicht zu fragen aufhörte, sagte er: „Was weiß ich darüber? Frage jene, die sich auskennen.“ Da wechselte der junge Mann das Thema und sprach von den Wundern, die sein verstorbener Guru wirken würde. Bhagavan schwieg.
Das Selbst Top
Devotee: „Shankara legt auf die Entsagung von Handlungen großen Wert.“
Bhagavan: „Ja, aber auch er hat gehandelt. Er ging von Ort zu Ort, von Dorf zu Dorf und hat die Lehre des Advaita eingeführt. Damals gab es noch keinen Zug. Er ging zu Fuß. Ist das nicht Karma? Wenn ein Mensch ein Jnani wird, beeinträchtigt ihn nichts mehr, was er auch tut. Er tut alles zum Wohl der Welt. Der Jnani gibt lediglich das egoistische Gefühl auf, dass er alles tut. In der Bhagavad Gita (3.24f) sagt Krishna: „Wenn ich nicht handle, geht die Welt zugrunde. …Wie der Unwissende mit Anhaftung handelt, so sollte der Weise sich für die Aufrechterhaltung der Weltordnung einsetzen und ohne Anhaftung handeln.“
Die Entsagung von Handlungen bedeutet, dass man den Unterschied zwischen den Sinnen und dem Karma kennen sollte und in dieser Erkenntnis wunschlos und ohne Anhaftung an die Handlungen wie ein Zeuge sein sollte. Rein äußere Entsagung nützt nichts.“
Die Seligkeit des Selbst Top
Devotee: „Das bedeutet, dass der Geist von weltlichen Dingen ferngehalten werden soll. Doch wir können den Geist nicht kontrollieren, so sehr wir es auch versuchen.“
Bhagavan: „Wenn ein Kind seinem eigenen Schatten nachjagt und weint, weil es ihn nicht fangen kann, kommt die Mutter und hindert es daran. Ebenso sollte man den Geist daran hindern fortzurennen.“
Devotee: „Wie kann man ihn daran hindern?“
Bhagavan: „Man sollte den Geist festhalten und daran hindern abzuirren, indem man die Lehre des Vedanta hört und darüber meditiert.“
Devotee: „Das bedeutet, dass man alle weltlichen Vergnügungen aufgeben und die Seligkeit des Selbst ergreifen muss, nicht wahr?“
Bhagavan: „Die höchste Seligkeit existiert immer. Man muss nur die weltlichen Dinge aufgeben. Wenn man das tut, bleibt Seligkeit übrig. Das was IST, ist das Selbst. Wie könnte man es ergreifen? Es ist unsere eigene Natur (Swabhava).“
Devotee: „Ist sie dasselbe wie das Selbst (Swarupa)?“
Bhagavan: „Ja.“
Devotee: „Wenn das Glück (Ananda) das Selbst ist, wer erfährt es dann?“
Bhagavan: „Das ist der Punkt. Solange es einen gibt, der das Glück erfährt, muss man sagen, dass das Glück das Selbst ist. Wenn es diesen Jemand nicht mehr gibt, wo ist dann noch die Frage nach einer Art Glück? Nur das, was IST bleibt übrig und das ist Glück, das ist das Selbst. Solange das Gefühl besteht, dass das Selbst von einem verschieden ist, gibt es auch einen, der nachforscht und es erfährt, aber wenn man das Selbst einmal verwirklicht hat, gibt es keinen mehr, der es erfahren könnte. Wer könnte noch fragen? Was könnte man darüber noch sagen? Im normalen Sprachgebrauch müssen wir jedoch sagen, dass das Glück das Selbst und unsere wahre Natur (Swarupa) ist.“
Devotee: „Dieser Geist lässt sich nicht kontrollieren, so sehr wir es auch versuchen. Er verhüllt das Selbst und wir können es nicht erkennen. Was sollen wir tun?“
Mit einem Lächeln legte Bhagavan seinen kleinen Finger auf sein Auge und sagte: „Sieh her, dieser kleine Finger verdeckt das Auge und verhindert, dass wir die Welt sehen. Ebenso verdeckt dieser kleine Geist das ganze Universum und verhindert, dass wir Brahman sehen. Wie machtvoll dieser Geist doch ist!“
Mutter Top

Bild 22: Sri Ramana mit einem Kamandalam
Da erzählte Bhagavan folgendes aus der Vergangenheit: „Ich war in der Virupaksha-Höhle, als Mutter kam, um mit mir zu leben. Dort gab es kein Wasser. Wir gingen zum Skandashram hinauf, um uns unter dem Wasserfall zu waschen, doch sie war dazu zu alt und konnte nicht mit uns kommen. Wir besaßen zwei große Kamandalams. Ich brachte Wasser in beiden Kamandalams mit. Sie kauerte sich dann mit einem kleinen Tuch bekleidet nieder und ich goss ihr das Wasser über den Kopf, gerade so, wie man es beim Abhishekam (weihen mit heiligen Wasser) über das Götterbildnis gießt. Auf diese Weise nahm sie ihr Bad. Jemand wusch dann noch an der Quelle ihre Kleidung. Das war alles. Wenn wir in diesen zwei Kamandalams Wasser mitbrachten, genügte ihr das.“
Devotee: „Was ist aus den beiden Kamandalams geworden?“
Bhagavan: „Eines muss noch da sein, das andere ist verschwunden, als wir im Skanashram lebten. Vallimalai Muruganar besuchte uns. Er hatte eine laute Stimme und plauderte gern. Er wollte dieses Kamandalam. Er wusste, dass es nichts nützte, wenn er Perumalswami und die anderen darum bitten würde. Deshalb ging er zu Mutter. Sie war ein Dummkopf. Wenn jemand ihr damit schmeichelte, dass sie etwas Einmaliges sei, gab sie alles her. Er war schlau und sagte: „Mutter, dein Sohn ist etwas ganz besonderes. Er ist eine große Persönlichkeit, dem niemand gleichkommt. Du bist eine unvergleichliche Frau.“ Nachdem er ihr auf diese Weise Honig um den Mund geschmiert hatte, sagte er: „Wenn du mir ein Kamandalam gibst, werde ich Gangeswasser holen und damit für dich Abhishekam tun.“ Sie war begeistert und gab es ihm.
Solange sie lebte konnte er sein Versprechen nicht mehr einlösen, aber vor etwa 12 Jahren brachte er tatsächlich in diesem Kamandalam Gangeswasser und machte Abhishekam über ihrem Bildnis. Er hielt sein Wort. Das war das erste Abhishekam für sie mit Gangeswasser. Später brachten die Leute Gangeswasser in kleinen Gefäßen für ihr Abhishekam, doch er hat es in dem großen Kamandalam gebracht. Unsere heutigen Kamandalams sind im Vergleich dazu klein.“
Das Tigerfell Top
Ich stand auf. Er rollte das Tigerfell zusammen und wollte gerade gehen, als Dandapani Swami hereinkam und sagte: „Was soll das! Bhagavan sitzt auf diesem Tigerfell. Du kannst es nicht einfach mitnehmen.„ Der Sadhu entgegnete: „Bhagavan hat es mir erlaubt.“ Dandapani Swami protestierte: „Wie kannst du Bhagavan um dieses Fell bitten, wenn er darauf sitzt? Wie kannst du es mitnehmen? Ich lasse das nicht zu.“ Beide kamen zu mir, damit ich ihren Streit schlichten sollte. Ich sagte Dandapani Swami, dass der Sadhu unbedingt das Tigerfell haben wollte und ich es ihm deshalb überlassen hätte, aber dass ich ihn gewarnt hätte, dass jemand es bemerken und ihn daran hindern könnte. Ich überließ die Entscheidung ihnen. Dandapani Swami setzte sich schließlich durch. Was konnte ich machen? Jemand brachte mir das Tigerfell, damit ich darauf sitzen sollte. Ich habe eingewilligt. Dann kam jemand und sagte: „Steh auf, ich will es haben.“ Da bin ich aufgestanden. Was verliere ich schon? Dandapani Swami verhinderte, dass der Sadhu es mitnahm. Er hatte die Oberhand. Sie konnten die Angelegenheit untereinander klären. Warum sollte ich mich darum kümmern? Ich habe keine Rechte und auch keine Probleme.“
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